planet e.: Kampf ums Klima

Fakten und Fiktionen

Eine "planet e.-Doku" im ZDF.

Aus den darin behandelten Themen stehen außerdem vier Filme in der ZDFmediathek.

  • ZDF, Sonntag, 28. Mai 2023, 15.45 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Freitag, 26. Mai, 2023, 09.00 Uhr, fünf Jahre lang verfügbar

Texte

Der Ast auf dem wir sitzen

Schon 1978 hatte der ZDF-Wissenschaftsjournalist Hoimar von Ditfurth in der Sendung "Querschnitt" auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass es höchste Zeit sei zu handeln. Denn das Kohlendioxid-Gleichgewicht auf unserer Erde, so die Feststellung, gerate durcheinander. Berechnungen zeigten, dass wenn der ungezügelte Ausstoß des klimaschädlichen Gases CO2 so weiter ginge, die durchschnittliche globale Erderwärmung bis zum Jahr 2050 um zwei bis drei Grad Celsius ansteigen würde. Um diese Prognosen zu verdeutlichen, führte Hoimar von Ditfurth gemeinsam mit seinem wissenschaftlichen Assistenten Volker Arzt im Studio Versuche durch. So bekam der ZDF-Zuschauer eindrucksvoll die Auswirkungen des Klimawandels vorgeführt. Das Fazit der Versuche: Wenn die Erde mehr Wärme aufnimmt als sie abstrahlen kann, wird sie in kürzester Zeit in eine Hitzeklimakatastrophe abgleiten. In der Folge schmelzen die Polkappen ab und der Meeresspiegel steigt an.

Heute, 45 Jahre nach der Vorhersage Hoimar von Ditfurths, bekommen wir die Auswirkungen des weltweit ungebremsten CO2-Anstiegs heftiger den je zu spüren. Temperaturrekorde auf allen Kontinenten, Dürreperioden mit verheerenden Ernteausfällen, Überschwemmungen nach extremen Niederschlägen und brennende Wälder bedrohen die Menschen und fordern Todesopfer. Und wieder heißt es "höchste Zeit zu handeln".

Die Daten und Fakten rund um den Klimawandel liegen auf dem Tisch. Dennoch streitet die Menschheit noch immer darüber, wie der Kampf ums Klima gewonnen werden kann. Eine "planet e."-Dokumentation sowie vier Mediathek-Dokumentationen stellen Maßnahmen vor, die aktuell diskutiert werden, um den Klimawandel abzubremsen. Die Autoren stellen dabei die Frage: Sind die Maßnahmen wirklich hilfreich oder handelt es sich eher um Visionen?

                     

Christine Elsner, ZDF-Umweltredaktion

planet e.: Kampf ums Klima – Fakten und Visionen

Die "planet e."-Sendung am 28. Mai 2023, 15.45 Uhr, im ZDF

Alle wollen den Klimawandel bekämpfen. Aber welche Mittel und Ideen wirklich helfen gegen die Erderwärmung, das ist durchaus umstritten. "planet e." überprüft vier Visionen: Heizen mit Holz ist umweltfreundlich! Ökostrom ist besser als konventioneller! Wasserstoff löst Energieprobleme! Mit Klimasiegeln können wir nachhaltig konsumieren!

Vier Thesen, denen die Dokumentation kritisch auf den Grund geht – mit überraschenden Ergebnissen.

Vier Einzelfilme in der ZDFmediathek

Film 1: Klima-Killer Holzverbrennung?

Nicht nur in Brasilien oder Indonesien wird Wald gerodet, auch in Deutschland. 14 Prozent des Holzeinschlags landen hierzulande in Kaminöfen und großen Heizkraftwerken. Elf Millionen Haushalte in Deutschland nutzen zumindest gelegentlich Holz als Wärmequelle. Die Forstbranche bezeichnet die Holzwirtschaft in Kombination mit der Holzverbrennung als nachhaltig. Vor dem Hintergrund steigender Energiekosten und Preise bei fossilen Brennstoffen gewinne Holz eine unglaubliche Bedeutung. Insbesondere im ländlichen Raum gehöre die Holzverbrennung einfach dazu – so die Argumentation der Forstbranche.

Aber ist Holzverbrennung klimaneutral? Fakt ist zwar, dass Bäume das Treibhausgas CO2 binden und den Kohlenstoff im Holz einlagern. Bei der Verbrennung wird schließlich nur so viel Kohlenstoff freigesetzt, wie im Holzstück gespeichert ist. Doch bei der Betrachtung ist zu berücksichtigen: Wird ein Baum aus dem Wald entfernt, ist er in der Regel 40, 60, 80 Jahre alt (je nach Baumart). Genauso lange wird es aber dauern, bis ein neugepflanzter Baum so weit ist, um den Kohlenstoff zu speichern. Das heißt, es braucht Jahrzehnte, damit die entsprechende Menge wieder gebunden wird.

Dennoch setzt die Politik bisher stark auf die Verbrennung von Biomasse wie Holz, um die Klimaziele im Strom- und im Wärmesektor zu erreichen. Der Bau von größeren Holzheizkraftwerken und Pelletheizungen wird aktuell sogar noch subventioniert. Experten des Umweltbundesamtes möchten das gründlich ändern. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz will demnächst mit der Forderung eines Förderstopp in die Offensive gehen.

Es herrscht ein Zwiespalt in Sachen Holzverbrennung. Kurzfristig, so scheint es, ist die Holzverbrennung notwendig, um die Klimaziele zu erreichen. Und mangels Alternativen als Energieträger wird die Holzverbrennung benötigt. Doch Berechnungen des CO2-Haushalts sprechen eine andere Sprache.   

 

Film 2: Ist Ökostrom die Lösung?

Die klimafreundliche Stromproduktion aus Sonne, Wind und Wasser – sie boomt in Deutschland. Immerhin liegt der Anteil von Ökostrom inzwischen bei 50 Prozent. Alles gut also? Nein sagen Experten. Denn das System rund um den Strommix, die Herkunftsregelung sowie das bestehende Erneuerbare-Energie-Gesetz – all das ist verwirrend.

Das Prinzip der Stromversorgung funktioniert so: Egal ob ein deutscher Solarpark, eine dänische Windkraftanlage, ein polnisches Kohlekraftwerk oder eine französische Atomanlage – jede dieser Anlagen speist genau so viel Strom in einen See ein, wie Haushalte, Gewerbe und Industrie gerade verbrauchen. Der Pegel dieses Strommixes muss immer gleichbleiben, damit es keinen Stromausfall gibt. So ist letztendlich der Strom, der aus der Steckdose kommt, immer ein Strommix und kein reiner Ökostrom vom benachbarten Windrad oder Solarpark. Dieser Fakt ist vielen Ökostrom-Kunden unbekannt.   

Um grünen Strom verkaufen zu können, wurde der Handel mit sogenannten Herkunftsnachweisen ins Leben gerufen. Möchte also ein Stromanbieter in Deutschland Ökostrom verkaufen, kann er zum Beispiel bei einem österreichischen Wasserkraftwerk den Nachweis erwerben, dass dort genau diese Menge Ökostrom produziert wurde. Der Stromkunde kauft also nur den Nachweis, den Ökostrom selbst aber nicht. Nur wenn der Stromhändler garantiert, dass von den Einnahmen des produzierten Ökostroms neue Photovoltaik- und Windkraftanlagen gebaut werden, ist Ökostrom sinnvoll und wirklich klimaschützend.  

Fazit: Ökostrom als Klimaschutzmaßnahme ist verzwickt und eher wenig nachhaltig.

Film 3: Wasserstoff – die Zukunftsenergie?

Unsere Gesellschaft sieht im Wasserstoff den Energieträger der Zukunft. Wird der Wasserstoff komplett aus erneuerbaren Energien produziert, ist er 100 Prozent klimaneutral.   

Insbesondere Deutschlands energieintensive Unternehmen setzen in den Wasserstoff große Hoffnungen. Denn ihr CO2-Ausstoß muss bis auf nahezu null zurückgefahren werden – Stichwort "Klimaneutrale Industrie 2045".

Fest steht: Das Potential von Wasserstoff ist gewaltig, denn er kann universell dort eingesetzt werden, wo man heute noch fossile Energieträger nutzt. 

Noch aber gibt es ein Problem: Weltweit gibt es praktisch noch keine nennenswerten Mengen an grünem Wasserstoff. Der Hype um den Energieträger basiert derzeit vor allen Dingen auf der Vorbereitung und dem Erlernen der Technologie. Ein Markthochlauf wird wohl so schnell noch nicht eintraten. 

Und selbst wenn alles glatt läuft, wird sich Deutschland nicht selbst versorgen können. Denn die erneuerbaren Ressourcen zur Produktion von Wasserstoff reichen bei weitem nicht aus. So muss der Großteil in Zukunft importiert werden.

Etwa aus Marokko. In dem nordafrikanischen Land sind die erneuerbaren Ressourcen – sprich Wind und Sonne – in Hülle und Fülle vorhanden. Seit geraumer Zeit finden Verhandlungen zwischen deutschen Unternehmen und der marokkanischen Regierung statt, um Wasserstoffpartnerschaften zu schließen. Doch die Wasserstoffexperten räumen ein: Noch kann das Land keinen Wasserstoff in industriellem Maßstab produzieren. Zudem müssen Transportlogistik, Speicherung und Netzausbau geklärt werden. In Deutschland müssen dafür viele bürokratische Hürden genommen.

Grüner Wasserstoff: Mit ihm sind große Hoffnungen verbunden. Die Herausforderungen sind gewaltig. Bis die Zukunftsenergie für den Klimaschutz zur Verfügung steht, wird es Jahrzehnte dauern.                         

  

Film 4: Konsum für Klima und Wälder?

Das globale Klima und die Wälder unserer Erde sind eng miteinander verknüpft. Sterben die Wälder, geht eine klimaregulierende und kühlende Funktion verloren. Trotz dieses Wissens sind die Zahlen der Waldvernichtung ernüchternd: Jährlich verschwinden weltweit zwölf Millionen Hektar Wald für die Produktion von Waren unseres alltäglichen Lebens. 

Eine Gegenmaßnahme soll die Klimakompensation sein. Und der Verbraucher kann dabei aktiv mitmachen, so lautet das Versprechen verschiedener Firmen. Das Prinzip der Kompensation ist einfach: Bei der Produktion von Waren entstehen CO2-Emissionen. Mit dem Kauf von Zertifikaten können diese ausgeglichen werden. Das Geld fließt zum Beispiel in Aufforstungsprojekte im globalen Süden. So werden Emissionen, die hierzulande entstehen, anderswo wieder ausgeglichen, sprich kompensiert. Mit Hilfe der Kompensation werden schließlich Produkte oder sogar ganze Unternehmen "klimaneutral" gerechnet. Egal ob Schokolade, Wasser oder Seife – Klimaversprechen sind mittlerweile auf vielen Verpackungen zu sehen. Die Deutsche Umwelthilfe beispielsweise jedoch sieht die Idee der Klimakompensation kritisch. Denn eine schädigende Wirkung bei der Produktion des Produktes bestehe auf jeden Fall. Ob dann möglicherweise irgendein Kompensationsprojekt irgendeinen Anteil an Wiedergutmachung leiste, sei höchst fraglich.

Beispiel Uganda: Hier findet sich eines von vielen Kompensationsprojekten. Mit Hilfe der Aufforstung von Kiefern- oder Eukalyptusmonokulturen wollen große Unternehmen, darunter auch deutsche Firmen, die Emissionen senken und das Klima schützen. Für das Kompensationsprojekt kann der Verbraucher im Internet zu kostengünstigem Preis Bäume kaufen, die dann gepflanzt werden.

Klimaschutz per Mausklick, gutes Gewissen inbegriffen. Augenwischerei meinen Nichtregierungsorganisationen, denn die Plantagen sind ein wichtiger Holzlieferant. Werden die Bäume im Kahlschlag geerntet, können sie kein CO2 mehr binden und Kohlenstoff einlagern. Bis die wiederaufgeforstete Plantage wieder CO2 in nennenswerter Menge binden kann, dauert es Jahrzehnte. 

Dem Verbraucher bleibt all das beim Kauf eines "klimaneutralen Produkts" indes verborgen.      

 

 

Begegnungen mit Polizei oder Militär unbedingt vermeiden

Drehreisebericht Uganda zum Film "Konsum für Klima und Wälder?"

Wir sind im Osten Ugandas, nahe des Viktoriasees. Unser Drehtag hat begonnen. Auf dem Weg durch die Plantagen kommen wir an Waldarbeitern vorbei, die schwere Baumstämme in die Transporter hieven. Unser Guide wird unruhig, als wir aussteigen, um zu drehen. Die Behörden sollen nicht wissen, dass wir da sind, Begegnungen mit Polizei oder Militär sollen unbedingt vermieden werden. Denn kritische Berichterstattung wird hier im Land nicht gerne gesehen. Immer wieder werden lokale Journalisten eingeschüchtert, festgenommen oder Medienhäuser kurzerhand von der Regierung geschlossen. Internationale Journalisten sind zwar oft geschützter als einheimische Reporter, aber auf der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen steht Uganda auf Platz 133 von 180.

Unser Guide weiß das. Darum gibt er uns nur fünf Minuten, um die Holzarbeiten im Wald mit der Kamera zu dokumentieren. Als die Bilder im Kasten sind, fahren wir weiter ins Dorf. Hier wollen wir unseren Protagonisten treffen.

Aber die Nachricht, dass eine Journalistin vor Ort ist, erreicht das Dorf, bevor wir dort sind. Als wir ankommen, erwartet uns bereits das Militär. Mit Maschinenpistolen bewaffnet, steht dort eine kleine Patrouille, der General begrüßt uns freundlich, aber ernst. Er möchte wissen, warum wir hier sind, was wir drehen wollen. Obwohl er die ganze Zeit ein Lächeln auf den Lippen hat, wird mehr als deutlich, dass der Ausgang der Situation allein von seiner Gunst abhängt. Der General drückt das so aus: "Sehen Sie, die Menschen hier im Dorf sind meine Untertanen. Da muss ich doch Bescheid wissen, was hier vor sich geht und warum Sie hier sind. Ich möchte nicht, dass jemand Unruhe stiftet." Sein Auftreten macht schmerzhaft deutlich, wie ungleich Macht und Wohlstand hier in Uganda verteilt sind. Alle Menschen im Land wissen das. "Wenn du Geld hast, kannst du in Uganda alles machen. Wenn du kein Geld hast, kannst du hier nichts machen," sagt mir mein Protagonist Jackson Vasilyeva wenig später im Interview.

Im Laufe unserer Drehreise treffen wir viele Menschen wie Vasilyeva. Sie wurden vertrieben, leben in tiefster Armut. Wer sich zum Beispiel gegen Enteignung und Landnahme zu wehren versucht, landet nicht selten für einige Tage im Gefängnis – eine Abschreckungstaktik, die andere davon abhalten soll, sich aufzulehnen. Trotzdem kämpfen viele hier weiter und fordern Gerechtigkeit. Sie sprechen mit mir vor der Kamera. Dass ihnen in ihrem Heimatland dafür möglicherweise Konsequenzen drohen, nehmen sie ausdrücklich in Kauf. Weil sie sich von ihrer Regierung im Stich gelassen fühlen, sehen sie in der internationalen Berichterstattung ihre letzte Chance, Gehör zu finden. Ihr Mut und ihre Entschlossenheit haben mich auf dieser Drehreise am meisten beeindruckt.

 

Von Autorin Anna Fein

Interview mit Diplom-Physiker und Wissenschaftsjournalist Volker Arzt

Volker Arzt war langjähriger Co-Moderator und Autor der ZDF-Wissenschaftssendung "Querschnitt“". (1971-1989)

 

Auf welche wissenschaftlichen Daten und Fakten konnte man sich 1978, als die Querschnitt-Sendung „Kippt das Klimagleichgewicht?“ ausgestrahlt wurde, stützen?

Schon seit dem 19. Jahrhundert war bekannt, dass Kohlendioxid (CO2) Wärmestrahlung absorbiert. Der Physiker John Tyndall z. B. verglich die Treibhausgase mit einem wärmenden Mantel für die Erde. Seitdem wurde immer wieder diskutiert, ob sich die Lufthülle durch das zusätzliche CO2, das bei Verbrennung von Kohle und Öl entsteht, erwärmen könnte. Richtig heiß wurde das Thema dann, als 1958 präzise CO2-Messungen auf Hawaii durchgeführt wurden – mit dem alarmierenden Ergebnis, dass der CO2-Gehalt der Atmosphäre Jahr für Jahr ansteigt. Das zeigt die berühmte Keeling-Kurve, die bis heute fortgeschrieben wird.

 

Gab es seinerzeit herausragende Klimawissenschaftler, wenn ja, wer war das?

US-Wissenschaftler wie Gilbert Plass haben schon in den 1950er Jahren einfache Wettermodelle erstellt und mit damals noch primitiven Computern durchgerechnet. Sie wiesen auf die Gefahr einer Erderwärmung durch vermehrtes CO2 hin. Charles David Keeling hat dann mit seiner Messkurve eine Art Alarmsignal ausgelöst. - In Deutschland war es vor allem Klaus Hasselmann, der Direktor des Hamburger Max-Planck-Instituts für Meteorologie, der vor dem menschengemachten Treibhauseffekt warnte. (Ja, das ist der, der 2021 den Nobelpreis für seine Klimaforschung bekam.) 

 

Physikalische und chemische Prozesse des Klimawandels in Versuchen während einer Sendung aufzuzeigen, war 1978 einzigartig. Welche Resonanz rief die Sendung hervor?

Einfache Experimente im Studio waren geradezu ein Markenzeichen der Querschnitt-Reihe. Das kam immer gut an. So auch in der  Sendung "Kippt das Klimagleichgewicht?", wo wir zwei transparente Plastikbehälter mit Studioscheinwerfern bestrahlten. Der eine war mit Luft, der andere mit CO2 gefüllt. Und der, der CO2-Treibhausgas (und den schwitzenden Hoimar v. Ditfurth) enthielt, erwärmte sich rasant. Viele Jahre später stieß ich dann im Internet auf wüste Beschimpfungen, man könne den Klimawandel doch nicht mit so primitiven und albernen Versuchen beweisen wollen. Die Klimaleugner übersahen, dass wir mit dem Experiment nicht den Klimawandel beweisen, sondern eine physikalische Grundtatsache demonstrieren wollten: dass CO2 die Wärmestrahlung absorbiert und sich dadurch aufheizt. 

 

Warum glauben Sie, dass sich in der Politik trotz der Prognosen von damals zu wenig getan hat?

Die Frage treibt mich seit Langem um. Als Entschuldigung könnte man anführen, dass die Prognose der Klimaforscher dem gesunden Menschenverstand zuwiderläuft: Da soll ein unsichtbares, geruchloses Alltagsgas in vergleichsweise winzigsten Mengen die globale, gigantische Wettermaschine beeinflussen? Dazu kommt, dass von dem Klimawandel persönlich noch nichts zu spüren war. Er tat nicht weh. Da konnte man die Warnungen leicht verdrängen und sich hinter den Behauptungen der Klimaleugner verstecken, es handle sich um eine unbewiesene Hypothese und sie sei in der Wissenschaft selbst umstritten. Und die "fossile Lobby" hat alles getan, um diesen Streit anzuheizen. Erst jetzt, da wir gehäuft und verstärkt Extremwetter wie Fluten, Hitze, Dürre, Hurrikans und dadurch bedingte Migration erleben, wird aus der Prognose sinnlich erfahrbare und leidvolle Realität.

 

Die Weltstaatengemeinschaft hat 1992 in Rio de Janeiro auf der Konferenz für Umwelt und Entwicklung die Klimarahmenkonvention unterzeichnet. Welche Erwartungen hatte das bei Ihnen ausgelöst? 

Das war schon was zum Jubeln. Zum ersten Mal wurde das Problem des Klimawandels als Menschheitsproblem anerkannt. Sogar mit einem ermutigenden Ergebnis: Man wolle die Treibhausgase auf einem Niveau stabilisieren, das eine gefährliche Störung des Klimasystems vermeidet. Gefahr erkannt, aber leider nicht gebannt. Es blieb bei einer schöne Absichtserklärung ohne konkrete Maßnahmen oder Verpflichtungen. Und die Treibhausgase nahmen weiterhin zu.  

 

27 UN-Klimakonferenzen hat es bislang gegen – doch noch immer werden zu viel Treibhausgase emittiert. Glauben Sie, dass die Konferenzen noch etwas bewegen können?

Immerhin wird, auch wenn die Konferenzen selbst wenig bewirkt haben, der Klimawandel nicht mehr angezweifelt. Und seit der Klimakonferenz 2015 in Paris gibt es das 1,5 Grad-Ziel, dem sich viele Staaten verpflichtet haben und das juristisch eingeklagt werden kann. Jetzt kann man weniger leicht von „Klimapartei“ oder "Klimakanzler" reden, ohne konkrete Pläne und Maßnahmen vorzuweisen. 

 

"Der Ast auf dem wir sitzen" – so lautete seinerzeit die Unterzeile der Querschnitt-Sendung. Haben wir uns den Ast inzwischen abgesägt?

Im Augenblick hält er noch, aber wir sägen ja leider weiter, und es ist fraglich, ob wir rechtzeitig stoppen. Denn die geforderte weltweite Kooperation wäre total neu in der Menschheitsgeschichte. Trotz aller Bemühungen und Versprechungen sind wir noch nicht auf einem Pfad, der uns bis 2050 in die Klimaneutralität führt. Das macht ja manche Klimaaktivisten so wütend und verzweifelt, dass sie alle möglichen Dinge unternehmen, um darauf hinzuweisen. 

 

Hätten Sie heute die Möglichkeit, die deutsche Klimapolitik zu beraten? Was würden Sie den Verantwortlichen raten?

Ich bin froh, dass ich kein Klimapolitiker bin. Die Aufgabe ist wirklich schwierig, nach so langem Zögern ein Industrieland in knapp drei Jahrzehnten auf nachhaltige Energien umzustellen. Und sie ist undankbar. Es hört sich ja so einfach an: Wir müssen eben auf Photovoltaik, Wind und Biogas setzen und für intelligente Stromnetze sorgen. Aber das wird nicht ohne Verzicht und Einschränkungen gehen – zumindest für eine gewisse Zeit. Ich denke, diese Einsicht müssten Politiker sich selbst und den Bürgern zumuten. Und in einem nächsten Schritt sollten sie einen möglichst fairen Lastenausgleich einleiten. Ich bin mir freilich nicht sicher, ob Politiker, die das auf sich nehmen, wiedergewählt werden.   

 

Die Fragen stellte Christine Elsner aus der ZDF-Umweltredaktion

 

 

 

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Die Filme werden mit Untertiteln gezeigt.

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