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Walpurgisnacht - Die Mädchen und der Tod

Thriller in zwei Teilen

Silke Bodenbender (vorne), Ronald Zehrfeld und Jörg Schüttauf spielen die Hauptrollen in Hans Steinbichlers Zweiteiler, der die Elemente Krimi, Thriller und deutsch-deutsche Geschichte in einer spannenden und emotionalen Reise vereint.

  • ZDF, Teil 1: Montag, 18. Februar 2019, 20.15 Uhr; Teil 2: Mittwoch, 20. Februar 2019, 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Freitag, 15. Februar 2019

Texte

Thriller in deutscher Geschichte
Statement von Redaktionsleiter Günther van Endert

"Walpurgisnacht" erzählt Zeitgeschichte in einem Genre-Film. Das ist im öffentlich-rechtlichen Fernsehen nicht die Regel. Ein deutsch-deutsches Ermittlerpaar steht dafür, dass auf der Arbeitsebene Deutschland schon vor dem Mauerfall zusammenwuchs.

Seine Spannung bezieht der zweiteilige Krimi mit starken Thrillermomenten vor allem aus einer Mordserie an schönen jungen Frauen und der hartnäckig bis verzweifelten Suche nach dem Täter. Eine Profilerin aus der "BRD" unterstützt dabei zwei Polizisten aus der "DDR", die sich zunächst schwertun, deren Kompetenz anzuerkennen. Das Verbrechen lauert in einem nur scheinbar friedlichen, umwaldeten Dorf im Harz, und die Aufklärung der Morde fördert familiäre und politische Konflikte in den Zeiten der Perestroika 1988 zutage. Die Auseinandersetzungen zwischen markanten Persönlichkeiten tragen zur Spannung bei.

Regisseur Hans Steinbichler prägt den Film mit seiner unnachahmlichen, besonderen Handschrift. In den dramatisierten Szenen kann er auf ein Ensemble hervorragender Schauspieler bauen, mit Silke Bodenbender, Ronald Zehrfeld und Jörg Schüttauf an der Spitze.

"Walpurgisnacht" führt zurück in ein langsam verblassendes Stück deutscher Geschichte. Und der Krimi tut keinem Zuschauer den Gefallen, den Täter oder die Täterin zu einem Zeitpunkt zu erahnen, zu dem sie noch nicht erahnt werden sollen.

Günther van Endert
Redaktionsleiter ZDF-Redaktion Fernsehspiel II

Stab

Buch      Christoph Silber, Thorsten Wettcke
Regie   Hans Steinbichler
Kamera   Christian Marohl
Schnitt   Wolfgang Weigl
Musik   Mathias Rehfeldt
Szenenbild   Adéla Háková
Kostüme   Simona Rybáková
Ton   Robert Dufek
Produzenten   Quirin Berg
Redaktion   Günther van Endert

Eine ZDF-Auftragsproduktion der Wiedemann & Berg Filmproduktion

Die Rollen und ihre Darsteller

Nadja Paulitz     Silke Bodenbender
Karl Albers   Ronald Zehrfeld
Lothar Wieditz   Jörg Schüttauf
Egon Pölz   Godehard Giese
Alexander   David Schütter
Ronny   Theo Trebs
Steffi   Zsá Zsá Inci Bürkle
Antje   Lisa Tomaschewsky
Doris Albers   Jördis Triebel
Kathi   Llewellyn Reichmann
Jörg Spengler   Adam Venhaus
Achim Korbelt (Wirt)   Uwe Preuss
Pfarrer Neumärker   Thomas Bading
Brehm   Stefan Merki
und andere    

Genre-Beschreibung

"Walpurgisnacht" ist ein TV-Zweiteiler, der die Elemente Krimi, Thriller und deutsch-deutsche Geschichte in einer spannenden und emotionalen Reise vereint.

Über die Genre-Elemente hinaus ist "Walpurgisnacht" vor allem ein Trip in das Innenleben zweier Charaktere aus gegensätzlichen Welten. Nur indem sie ihre Vorurteile und Unterschiede überwinden, können sie gemeinsam den grausigen Fall lösen.

Inhalt Teil 1

DDR 1988: Der Tod einer West-Touristin im Harz ermöglicht Neues - in Zeiten politischer Offenheit zwischen DDR und BRD ermitteln Ost und West erstmals gemeinsam.

Juliane stürzt von einer Klippe und stirbt. Polizist Karl Albers zweifelt an einem Unfall, kreuzt im Protokoll "ungeklärte Todesursache" an und sendet es in den Westen. So wird LKA-Ermittlerin und Profilerin Nadja Paulitz in den Osten geschickt, um mit ihm zu ermitteln.

Karl und sein Vorgesetzter, Hauptmann Wieditz, begegnen Nadja zunächst sachlich, während Kreisleiter Egon Pölz alles daran setzt, den Fall rasch abzuschließen und den ungeliebten Besuch aus dem Westen möglichst schnell wieder loszuwerden. Um seinen Sohn Ronny aus der Schusslinie zu nehmen, besorgt Pölz ihm ein falsches Alibi. Ronny kannte die Tote und wollte offensichtlich mit ihr Republikflucht begehen.

Als klar wird, dass der Tod der Touristin kein Unfall gewesen sein kann und ein zweites Mädchen tot aufgefunden wird, lenkt Pölz den Verdacht gezielt auf Jörg Spengler, einen zurückgeblieben wirkenden Außenseiter, der im Dachzimmer der Pension seiner Mutter Hexenfiguren schnitzt. Jörg Spengler passt fast zu gut ins Profil von Nadja: Der Täter weist eindeutig psychopathische Züge auf, trennt den Toten Zehen ab und dekoriert die Leichen mit den von Jörg geschnitzten Hexenbesen.

Es kommt zu einem dramatischen Todesfall. Und Nadja befürchtet, dass der Mörder frei ist und weiter töten wird. Doch ihr Mandat wird nicht verlängert, man verabschiedet Nadja in den Westen.

Inhalt Teil 2

Ein weiterer Mord an einer jungen Frau gibt Nadja Paulitz recht: Der Serienmörder läuft noch frei herum. Hauptmann Wieditz holt Nadja zurück in den Osten. Gemeinsam mit Karl Albers beginnt die Ermittlung im Kampf gegen die Zeit, denn der Täter wird wieder zuschlagen.

Die Tote ist Antje, die Gewinnerin der örtlichen Misswahl. Ausgerechnet Egon Pölz, Wieditz' Erzfeind, ein "Betonkopf", unbeirrbar und reformfeindlich, gerät in den Fokus der Ermittler, hat für alle Morde ein handfestes Motiv.

Wieder regen sich bei Nadja Zweifel, Pölz passt so gar nicht in das Profil des Psychopathen. Durch den örtlichen Pfarrer kommt Nadja Alexander auf die Spur, dem Freund von Steffi, einer weiteren Ermordeten,  und Hobbyfotograf, der in der Tankstelle seines Stiefvaters  Bilder entwickelt. Nacktfotos  von Steffi, Antje und Berit, die kurz darauf tot aufgefunden wird.

Die Uhr für die Ermittler tickt immer lauter, erst recht, weil Nadja selbst  in das Visier des Mörders geraten zu sein scheint, denn das letzte Opfer trägt Nadjas Bluse.

Während sich in der kleinen Gemeinde immer dunklere Abgründe auftun, werden Nadja und Karl durch ihr gemeinsames Ziel der Aufklärung zum Team - sie könnten fast ein Paar sein, wäre da nicht die Grenze: Karls  Ehe und Nadjas letzter Fall, der sie nachhaltig traumatisiert hat.

Interview mit Regisseur Hans Steinbichler

"Walpurgisnacht" ist ein TV-Zweiteiler, der die Elemente Krimi, Thriller, Drama und deutsch-deutsche Geschichte in einer spannenden und emotionalen Reise vereint. Wie würden Sie den Film beschreiben?

"Walpurgisnacht" ist für mich vor allem ein Film über Identität. Wie in "Das Schweigen der Lämmer", einer meiner "All-Time-Favourites" mit Jodie Foster und Anthony Hopkins, treffen in "Walpurgisnacht" mit Nadja und Karl, gespielt von Silke Bodenbender und Ronald Zehrfeld, zwei Menschen aufeinander, deren Identitäten und die jeweiligen Ausprägungen sich Tentakeln gleichend suchen, aufeinander zubewegen und dann später unentwirrbar ineinander verknoten und verkrallen. "Walpurgisnacht" ist ein Trip, ein Psychothriller, eine zutiefst verstörende innere Reise der beiden Protagonisten in ein "heart of darkness", in die Dunkelheit der eigenen Identität.

Die Geschichte der Ermittlungen zwischen Ost- und Westpolizei ist fiktiv. Inwiefern enthält das Drehbuch reale Elemente?

Eigentlich wissen wir an der Oberfläche nur vom Nebenher und Gegeneinander der beiden deutschen Staaten. Dass aber eine Nation, die nur durch die Politik und deren Ideologien getrennt wurde, über die Jahre eine Form von Zusammenarbeit, eine Koexistenz zwischen den beiden getrennten Teilen gesucht und dann auch in vielen Formen gefunden hat, ist nur logisch und ausweichlich. In diesem Sinne ist die Idee von "Walpurgisnacht", polizeiliche Ermittlungen zwischen West und Ost notwendig zu machen, so einfach wie überraschend. Sowohl die beiden deutschen Staaten als auch die Protagonisten, der Kommissar und die Polizistin, versuchen hier das faktisch nicht Gewollte und daher eben auch Unmögliche: sich zu verständigen und den jeweils anderen zu verstehen und anzunehmen. Wir wissen, dass es Polizeiarbeit zwischen dem Westen und dem Osten gab. In dieser Form, wie wir es erzählen, wäre es wohl auch möglich gewesen, aber wir haben keine Kenntnis, ob es jemals so passiert ist.

"Walpurgisnacht" ist auch eine Geschichte über die kulturellen Unterschiede zwischen Ost und West. Wie werden diese im Film dargestellt?

Ich konnte als Schüler und Abiturient noch die DDR besuchen. Für mich war es ein Land voller Schönheit und Geheimnisse, in dem die Sehnsuchtsorte meiner geistigen "Götter" lagen: Weimar, Leipzig, Dresden, "der Frauenplan", Goethe. Ich selbst habe in der DDR, so wie ich sie erlebte und wohl sehen wollte, den denkbar größten kulturellen Unterschied erlebt: Die DDR erschien mir als eine große Gemeinschaft. Den Westen, aus dem ich stamme, und seine Bewohner hingegen sah ich als Einzelkämpfer. Das war und ist meine durchaus romantische und unpolitische Sicht auf das Verhältnis der beiden deutschen Staaten. In diesem Licht und mit dieser Erinnerung habe ich zusammen mit Silke Bodenbender, die im Bonn der alten Bundesrepublik geboren wurde, und Ronald Zehrfeld, der aus Ost-Berlin kommt, auch in der "Walpurgisnacht" versucht, die Stimmung des Films zu zeichnen.

Wie haben Sie sich dem Thema angenähert?

Das Thema der "Walpurgisnacht" ist Identität. Mit diesem Thema beschäftige ich mich seit meinen Debütfilmen "Hierankl" und "Winterreise". Was den Harz, die DDR und die Volkspolizei betraf, hatte ich Experten an meiner Seite. Darüber hinaus war der gesamte Cast mit Ausnahme von Silke Bodenbender "original" aus Ostdeutschland. Das heißt, ich habe viel Zeit damit verbracht, Ronald Zehrfeld und Jörg Schüttauf zuzuhören, die mir berichteten, wie ich mir die Zeit, die Art und die Menschen aus dieser Zeit, nämlich 1988, vorzustellen hatte.

Interview mit Schauspielerin Silke Bodenbender

Sie spielen die LKA-Ermittlerin Nadja Paulitz, die über die deutsch-deutsche Grenze reist, um im Osten zu ermitteln.

Ihre Arbeit wird weniger durch Vorurteile ihr gegenüber erschwert als dadurch, dass die Kollegen im Osten von oben angewiesen werden, die Ermittlungen möglichst schnell einzustellen oder in eine bestimmte Richtung zu führen. Vorurteile im wörtlichen Sinne gibt es also vor allem in Bezug auf das, was geschehen sein darf und was nicht. Die Polizisten dürfen in ihrem System nicht frei ermitteln, und das betrifft auch die Arbeit von Nadja Paulitz. 

Wie unterscheiden sich Nadja Paulitz‘ Ermittlungsmethoden von denen ihres Ostkollegen?

Nadja Paulitz ist eine Kommissarin, die wie eine Fallanalytikerin arbeitet. Sie versucht, sich in die Psyche des Täters hineinzuversetzen, um seine Motivation zu verstehen. Ihre Gedanken hält sie dabei auf Tonband fest. Dagegen beschränken sich die Kollegen vor Ort eher auf die klassische Spurensuche und Verhöre. Ansonsten geht es weniger um Unterschiede bei den Ermittlungsmethoden als um unterschiedliche Formen politischer Machtausübung. Ein so unmittelbarer Eingriff in die Arbeit der Polizei, wie er hier erfolgt, wäre in einem Rechtsstaat ein Skandal.

Was war Nadjas Motivation, den Ermittlungsauftrag von ihrem Chef anzunehmen?

Der Fall ist ihre Chance, nach längerer Pause zurück in den Beruf zu finden, aber das ist nicht alles: Als sie begreift, dass der Einsatz einer West-Beamtin im Osten Teil eines politischen Manövers im Zuge der Annäherungspolitik zwischen BRD und DDR ist, will sie das nicht hinnehmen, sondern dem Opfer und seinen Angehörigen selbst gerecht werden, indem sie mit ausschließlich kriminalistischem Fokus den Todeshergang ermittelt.

Sie lieben Figuren mit Ecken und Kanten – was hat Sie an der Rolle gereizt?

Das Besondere war, eine Figur zu spielen, die auf den ersten Blick keine eindeutige Sympathieträgerin und auch keine strahlende Heldin ist, die aber auf weibliche Art ihren "Mann" in dieser Männerdomäne steht – und das in den 80er Jahren. Sie ist schwer zu durchschauen, weil sie kaum Emotionen zeigt und wenn, dann platzt es richtig aus ihr heraus. Ihr Trauma hat diesen Charakterzug sicher befördert. Aber auch wenn sie nach außen hin verschlossen ist, schafft Paulitz innerlich kaum Distanz zwischen sich und ihrem Fall. Alles, was sie im Einsatz erlebt, lässt sie ganz nah an sich heran, weil sie gar nicht anders kann. Dadurch gerät sie aus dem Gleichgewicht und auch in Gefahr, aber nur so ist sie sensibel und offen genug, um den Fall schließlich doch zu lösen.

Sind Paulitz und Albers aus Ihrer Sicher ein gutes Ermittlerteam? Wie nimmt Paulitz ihren Kollegen wahr?

Sie sind insofern ein gutes Ermittlerteam, als dass sie beide den Fall wirklich aufklären wollen – und dabei auch Anweisungen von oben ignorieren. Darüber hinaus fühlt Paulitz sich immer wieder zu Albers hingezogen, sie spürt, dass etwas in ihm gebrochen ist, und hält ihn vielleicht sogar für einen Seelenverwandten. Andererseits stehen sie sich natürlich beide selbst im Weg.

Sie sind bekannt dafür, dass Sie sich auf Ihre Rollen akribisch vorbereiten. Wie haben Sie sich der Figur angenähert?

Da diese Figur stark von traumatischen Erlebnissen geprägt ist, die bei Beginn der Handlung schon vergangen sind, musste ich mir diesen Hintergrund aufbauen. Nebenbei hatte ich das Vergnügen, Tennisstunden nehmen zu dürfen, um gleich in der Anfangsszene ihre Anspannung und ihren verbissenen Ehrgeiz etablieren zu können. Natürlich hat mich bei meiner Vorbereitung auch die damalige Zeit interessiert und die Frage, wie es zu dieser Zeit als Frau bei der Kriminalpolizei und im Beruf überhaupt wohl gewesen sein mag.

Die fiktive Geschichte spielt in der Zeit von "Glasnost" und "Perestroika".

Ich war zu dieser Zeit einige Male mit einem Kinder- und Jugendkonzertchor in der DDR, in Polen und in der Sowjetunion und erinnere mich noch gut an das Passieren der Grenzen, an die privaten Unterbringungen in Gastfamilien, an außergewöhnliche Führungen über den Roten Platz mit einem anschließenden Empfang im Kreml. Ich weiß aber nicht mehr, inwiefern es bei uns dann Thema war, dass sich auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs etwas veränderte. Gut erinnere ich mich an die Zeit in Bonn, die große Friedensdemo gegen nukleare Aufrüstung im Hofgarten 1987, also ein Jahr vor der Filmzeit. Mit dieser Zeit verbinde ich die erste Auseinandersetzung mit der damaligen Politik und die Freiheit, noch jung und ohne bedeutende Verantwortung zu sein, aber dennoch alt genug, um allein losziehen zu können, zum Beispiel zu Rheinkultur in den Bonner Rheinauen. Ich erinnere mich an Steffi Grafs große Erfolge und den Tennisboom, an das unglaubliche Rheinhochwasser 1988 und an die Geiselnahme von Gladbeck, die im benachbarten Bad Honnef endete.

Sie sagen, dass das Muttersein Ihr Leben verändert hat. Gehen Sie jetzt auch anders an Ihren Beruf heran?

Bei der Auswahl der Rollen spielt das keine Rolle. Ansonsten verändert das Muttersein so ein Schauspielerinnenleben natürlich, weil man schon die Zeit der Vorbereitung anders planen und einschätzen muss. Einfach mal tagelang spurlos in den Gedanken zu versinken, ist nicht mehr so oder so leicht möglich, aber das ist für mich auch gut so.

Interview mit Schauspieler Ronald Zehrfeld

Sie spielen den Volkspolizisten Karl Albers, der gemeinsam mit einer LKA-Ermittlerin aus der alten Bundesrepublik einen Fall in der DDR aufklären soll. Wie begegnen sich die Kollegen aus dem Osten und dem Westen?

Beide wissen eigentlich gar nichts voneinander und kennen auch die Welt des anderen nicht. Der Film spielt in Zeiten der Annäherung, und es stellt ein Novum dar, dass bedingt durch das Setzen des Kreuzes im Protokoll auf "Nicht aufgeklärt", Ost- und Westermittler aufeinandertrafen – und somit auch zwei komplett unterschiedliche Systeme. Es ist ein vorsichtiges Herantasten zwischen beiden; es beginnt die Suche nach einem Psychopathen und Massenmörder – so etwas gab es in der DDR ja offiziell gar nicht. Albers erlebt zum ersten Mal eine Profilerin, die mit anderen psychologischen Ansätzen den Fall angeht. Und man erkennt sehr genau die kulturellen Unterschiede:  Im Osten hat man zwar sehr zusammengehalten – andererseits wurden gewisse Dinge nicht angesprochen und unter den Teppich gekehrt, es gab sie schlichtweg nicht.  Im Westen wurden sie hingegen mit einer größeren Offenheit behandelt.

Ermittlerin Paulitz wird in der DDR mit großen Vorurteilen konfrontiert, die ihre Arbeit erschweren.

Ja, alle sind mürrisch, verstockt und streng. Da kommt plötzlich jemand, der recherchieren und den Fall aufklären will, das ging nicht.

Wie haben Sie sich die Rolle erarbeitet?

Rollen vorzubereiten, gehört zu unserer Aufgabe als Schauspieler. Ich habe aber natürlich auch einen persönlichen Background für Rollen, die in dieser Zeit in der DDR spielen. Es wäre  schwieriger gewesen, wenn ich die Rolle eines Polizisten aus dem Westen hätte spielen sollen (lacht). Und als freches Kind hatte ich durchaus Begegnungen mit Abschnittsbevollmächtigten.

Ihre Figur widersetzt sich den Anweisungen des Vorgesetzten und handelt nach dem eigenen Gewissen. Wie wichtig sind Werte und Zivilcourage für Sie?

Für meine Figur Karl ist es erst einmal von großer Bedeutung, dass der Fall unaufgeklärt ist. Er sehnt sich nach Klärung, denkt, dass es sein gutes Recht ist, zu versuchen, den Fall zu klären. Auch das kann man natürlich als eine gewisse Werthaltung sehen.

Für mich selbst sind diese Werte sehr, sehr wichtig – im Moment auch mehr denn je. Man muss wieder ein Bewusstsein dafür schaffen beziehungsweise das Bewusstsein dafür ins Zentrum rücken, dass man Schwächeren hilft, dass man Zivilcourage und Toleranz zeigt, sich engagiert, eine demokratische Meinung hat und sie auch verteidigt und dafür eintritt. 

Sie sind in Ost-Berlin geboren. "Walpurgisnacht" spielt 1988, zwei Jahre vor dem Mauerfall, in einer Zeit der Annäherung zwischen Ost und West.

Ich war noch ein Kind zu diesem Zeitpunkt. Aber 1988 fing es bereits damit an, dass die Elterngeneration auf einen Wechsel hoffte: Wird es einen Nachfolger geben? Wird die Mauer geöffnet? Glasnost und Perestroika hatten auch extrem Rückenwind bekommen, von Bush senior, von François Mitterand, von Helmut Kohl. Die erste Annäherung habe ich noch in Erinnerung. Die DDR wurde lange Zeit von vielen aus dem Westen nicht als Staat anerkannt, nachdem man aber auf die Jahrtausendwende zulief, kam zunehmend das Gefühl auf, es muss was passieren, der Kalte Krieg ist zu teuer.

Besonders in Erinnerung ist mir Kohls Besuch im Osten geblieben und dass es sehr spannend war, als Erich Honecker in den Westen gefahren ist, um seine Geburtsstadt zu besuchen. Eine der Fragen war, welche politischen Ehren ihm zuteil werden konnten. Es wurden große Fragen auf dem diplomatischen Parkett aufgeworfen. Es spiegelte auch die ungeheure Vorsicht wider, die bei der Annäherung zwischen Ost und West auf beiden Seiten spürbar war.

Als Jugendlicher hatten Sie im Leistungssport Judo den Traum von Olympia. Lehrer wären sie auch gerne geworden. Als Schauspieler übernehmen Sie nun häufiger die Rolle des harten Ermittlers: Wäre Polizist eine berufliche Alternative für Sie gewesen?          

Nein – mein Traum war tatsächlich, im Sport weiterzukommen oder Lehrer zu werden. Lehrer wäre ich gerne geworden, weil ich mich gerne mit Leuten abgebe und kommuniziere. Was mir positiv in Erinnerung geblieben ist, ist die Art und Weise, wie man sich damals gegenseitig unterstützt und geholfen hat. Solidarität ist ein typisches Ost-Wort: Man kannte sich untereinander, und durch die geopolitische Eingrenzung hatte ich das Gefühl, auch wenn ich noch sehr jung war, dass man mehr voneinander wusste, man mehr miteinander kommunizierte, sich mehr gegenseitig half.

Sie spielten unter anderem in "Der Staat gegen Fritz Bauer" und "Das schweigende Klassenzimmer". Was gefällt Ihnen an der (fiktiven) historischen Geschichte von "Walpurgisnacht"?

Ich fand sehr spannend, dass zwei Systeme mit unterschiedlichen Herangehensweisen und unterschiedlichen Wertesystemen miteinander arbeiten mussten. Ich musste auch an den Fall Hagedorn damals in Eberwalde denken, das war der letzte hingerichtete Straftäter im Osten und gleichzeitig auch der erste Fall, bei dem Osten und Westen ein wenig zusammenarbeiteten – auch auf der Profiler-Ebene. In der Regel wurden solche Fälle im Osten totgeschwiegen. Nun aber wurde die Tür aufgestoßen, durchs Schlüsselloch geschaut, auch im Hinblick auf die psychischen Probleme einzelner Menschen. Ich lebe als Schauspieler in einer Zeit, in der diese Stoffe aufgearbeitet werden, deshalb spiele ich diese Rollen, bin aber auch an der gesamten Bandbreite der Thematik interessiert.

Sie sind ja bei Dreharbeiten oft längere Zeit nicht zu Hause. Sind Sie ein Familienmensch?

Einerseits liebe ich meinen Beruf, andererseits ist mir meine Familie sehr wichtig. Es bedeutet natürlich auch viel Arbeit und Kompromisse auf allen Seiten, wenn man berufsbedingt so lange von Zuhause weg ist. Mir ist es aber vor allem wichtig, dass meine Tochter versteht, warum der Papa nicht da ist, dann ist es auch in Ordnung für sie.

Interview mit Schauspieler Jörg Schüttauf

Sie spielen den Volkspolizei-Hauptmann Lothar Wieditz. Er steht zwischen dem Dorfpolizisten Karl Albers, der den Fall lösen, und dem SED-Kreisleiter Egon Pölz, der den Tod der Westtouristin als Unfall zu den Akten legen möchte.

Hauptmann Wieditz ist aus Müdigkeit, Bequemlichkeit und seltsamer Abgeklärtheit dazu verdammt, erst einmal dem Kreisleiter keine unangenehmen Fragen zu stellen. Dass einiges für die mögliche Tatbeteiligung des Sohnes vom Kreisleiter spricht, ist aber nicht von der Hand zu weisen, also muss sich Wieditz wohl oder übel mit dem Genossen Pölz anlegen.

Welch ein Verhältnis hat er zu seinem Mitarbeiter, dem Volkspolizisten Albers? Wie arbeiten die beiden zusammen?

Die beiden mögen sich, ein fast väterliches Verhältnis besteht zwischen ihnen. Das zeigt sich auch durch einen offenen, klaren Ton, den beide miteinander haben. Da gibt es keine falsche Freundlichkeit. Zwei Kollegen halt, der eine jünger und der andere etwas älter.

Was hat Sie an der Figur Lothar Wieditz besonders gereizt?

Die Art, wie er die Dinge sieht und sagt. Ich meine, solchen Menschen schon des Öfteren begegnet zu sein. Und wenn mir solch ein Thema unterkommt, zögere ich in der Regel nicht besonders lange und sage zu. 

Wie war die Zusammenarbeit mit Regisseur Hans Steinbichler?

Am Anfang war die Freude auf beiden Seiten groß, miteinander arbeiten zu können, und dann kam die Arbeit. Nun kennen wir uns besser, und beim nächsten Mal wird’s sicher noch schöner.

"Walpurgisnacht" spielt eineinhalb Jahre vor dem Mauerfall. Sie sind in Chemnitz geboren, wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Ich bin in Karl-Marx-Stadt geboren. Und ich hatte Verwandtschaft im Westen. Und immer, wenn ein Paket von drüben ankam, war mir der Westen sehr nah. Mit dem Reisen dorthin war es nicht so einfach. Aber mit etwas Geduld ging das ja dann ab 1989 ohne Probleme. Die vier Jährchen vorher war ich als Schauspieler am Theater tätig, und wenn man nicht ganz bescheuert war, spürte man schon, wie die Stimmung immer schlechter und zorniger wurde. Dennoch konnte niemand ahnen, dass sich das Blatt so schnell wenden würde. Aber ganz unter uns: Viel länger wäre das auch nicht gut gegangen, und wir können froh sein, dass es so gekommen ist. Ich bin es jedenfalls.

In dem Kinofilm "Vorwärts Immer" spielen Sie einen Imitator des Genossen Erich Honecker. Sind Sie "Experte" für Filme, die in der DDR spielen?

Ich könnte auch einen älteren Cowboy im Mittleren Westen spielen (lacht). Ein bisschen DDR ist doch, wenn wir ehrlich sind, in jedem von uns.

Wie vereinbaren Sie Ihr Berufs- mit dem Familienleben in Potsdam. Sie sind ja bei Dreharbeiten oft längere Zeit nicht zu Hause.

Ich glaube, ich bin öfter zu Hause, als alle Väter zusammen (lacht). Aber vielen Dank für das Kompliment, denn meine Rolle als Vater ist mittlerweile abgespielt, jetzt kommt der Großvater dran – und das schon zum dritten Mal.

Die Interviews führte Mirja Bauer.

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