"60 Jahre junge Filme" zum Jubiläum

15 Filme aus der Redaktion Das kleine Fernsehspiel

Das kleine Fernsehspiel wird sechzig und präsentiert die Reihe "60 Jahre junge Filme": Start ist am Freitag, 3. März 2023, in der ZDFmediathek und am Montag, 6. März 2023, 0.20 Uhr, mit dem Film "Shahada" im ZDF. Seit April 1963 haben zahlreiche heute etablierte Regisseurinnen und Regisseure ihre ersten Filme mit der ZDF-Redaktion "Das kleine Fernsehspiel" realisiert. Highlights aus den Jahrzehnten sind bis 24. April 2023 jeden Montag gegen Mitternacht im ZDF zu sehen und über das Jahr 2023 hinaus in der ZDFmediathek abrufbar. Den Abschluss der Reihe bildet am 1. Mai 2023 der essayistische Dokumentarfilm "To Show or Not to Show".

  • ZDF, ab 6. März 2023, im ZDF
  • ZDF Mediathek, ab 3. März 2023

Texte

60 Jahre junge Filme | Von Burkhard Althoff, Redaktionsleiter ZDF/Das kleine Fernsehspiel

60 Jahre ZDF – das sind auch 60 Jahre Das kleine Fernsehspiel und 60 Jahre junge Filme. Um dies mit den Zuschauerinnen und Zuschauern zu feiern, präsentieren wir über das Jahr 2023 hinweg ein "Best Of" aus sechs Jahrzehnten Kleines Fernsehspiel – sowohl als TV-Sendungen als auch in der ZDFmediathek. Ab 3. März ist dort eine Reihe preisgekrönter deutscher und internationaler Arthouse-Highlights zu sehen. Es sind erste Filme von inzwischen renommierten Filmemacher*innen: Tom Tykwers "Die tödliche Maria", "Das Fremde in mir" von Emely Atef, Christian Petzolds "Pilotinnen", "Shahada" von Burhan Qurbani, "Esmas Geheimnis" von Jasmila Žbanić und – als "Young Classics" – Anne Zohra Berracheds "24 Wochen" und Nora Fingscheidts "Systemsprenger".

Am 1. Mai zeigen wir dann die Neuproduktion "To Show or Not to Show" von Jana Magdalena Keuchel und Katharina Knust. In ihrem Essayfilm reflektieren die Regisseurinnen zusammen mit Filmemacher*innen, Schauspieler*innen, Protagonist*innen und Redakteur*innen aus verschiedenen Generationen anhand von Kleinen Fernsehspielen über gesellschaftliche Teilhabe beim Filmemachen. Auch die in "To Show or Not to Show" besprochenen Filme sind bereits ab 3. März in der Mediathek abrufbar.

Darüber hinaus wird das Veranstaltungsprojekt "Was anderes machen (The home and the movie)" im Berliner silent green Kulturquartier in 2023 das Archiv des Kleinen Fernsehspiels zum Ausgangspunkt für eine historische Rückschau, Zustandsbeschreibung und Frage nach der Zukunft des jungen Autor*innenfilms nehmen. Beginnend mit einem Panel im Rahmen des Festivals "Archival Assembly #2", das das Arsenal – Institut für Film und Videokunst im Juni 2023 veranstaltet, wird in einem monatlichen Double-Feature-Filmprogramm die filmgeschichtliche und gesellschaftspolitische Bedeutung des Kleinen Fernsehspiels als Plattform für den internationalen Autor*innenfilm diskutiert. Das Projekt mündet in einem Festival- und Symposiumsprogramm mit internationalen Gästen vom 16. bis zum 19. November 2023 im silent green.

60 Jahre Kleines Fernsehspiel sind 60 Jahre Engagement des ZDF für neue Talente. Ein Engagement, bei dem die Rückschau eine Inspiration für die Zukunft ist: für neue Perspektiven, neue filmische Formen, neue gesellschaftliche Fragen – eine Inspiration für die 25 Neuproduktionen, die weiterhin jedes Jahr im Kleinen Fernsehspiel entstehen.

Sendetermine im Überblick

Shahada
Montag, 6. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Das Fremde in mir
Montag, 13. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Esmas Geheimnis
Montag, 20. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre in der ZDFmediathek

Pilotinnen
Montag, 27. März 2023, 1.00 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Die tödliche Maria
Montag, 3. April 2023, 0.45 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Dunckel
Ostermontag, 10. April 2023,1.00 Uhr
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre in der ZDFmediathek

24 Wochen
Montag, 17. April 2023, 0.20 Uhr
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre in der Mediathek

Systemsprenger
Montag, 24. April 2023, 0.20, im ZDF
16 Tage ab Freitag, 3. März 2023, und 16 Tage ab Freitag, 21. April 2023, in der ZDFmediathek

To Show or Not to Show (Jubiläumsfilm DKF)
Montag, 1. Mai 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, .28. April 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

 

Online – nur in der ZDFmediathek abrufbar:

Oray
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Mein Leben Teil 2
ab Freitag, 3. März 2023, ein Jahr lang in der ZDFmediathek

Die Prüfung
ab Freitag, 3. März 2023, ein Jahr lang in der ZDFmediathek

Hungerjahre – in einem reichen Land
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre in der ZDFmediathek

Ivie wie Ivie
ab Freitag, 3. März 2023, ein Jahr lang in der ZDFmediathek

Kurz und schmerzlos
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

 

Shahada

Shahada
Drama, Deutschland 2010

Montag, 6. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch                                 Burhan Qurbani, Ole Giec
Regie                                Burhan Qurbani
Kamera                             Yoshi Heimrath
Schnitt                              Simon Blasi
Ton                                    Magnus Pflüger
Musik                                Daniel Sus
Produzentinnen/
Produzenten                     Susa Kusche, Uwe Spiller, Robert Gold,
                                         Pepe Danquart, Andrea Roman
Produktion                        Bittersuess Pictures GmbH in Koproduktion
                                         mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel,
                                         Filmakademie Baden-Württemberg
                                         mitfinanziert durch Hessen Invest Film
Redaktion                         Burkhard Althoff (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
Länge                               circa 85 Minuten

Besetzung
Maryam                             Maryam Zaree 
Ismail                                Carlo Ljubek 
Samir                                Jeremias Acheampong 
Leyla                                 Marija Škaričić
Daniel                               Sergej Moya 
Vedat                                Vedat Erincin
Sarah                                Anne Ratte-Polle
Renan                               Nora Abdel-Maksoud
Sinan                                Burak Yigit
Amira                                Yollette Thomas
Rainer                               Gerdy Zint
und andere

Inhalt
Der preisgekrönte Episodenfilm "Shahada" erzählt die Schicksale von Maryam, Ismail und Samir, drei jungen Musliminnen und Muslimen in Berlin, deren Wege sich im Fastenmonat Ramadan kreuzen und deren Werte und Glaube ins Wanken geraten. Maryam ist eine lebenslustige, westlich orientierte 19-jährige, während der gläubige Muslim Samir regelmäßig den Koranunterricht besucht. Polizist und Familienvater Ismail wurde in türkischer Tradition erzogen, hat sich aber von allem Sakralen und Spirituellen losgesagt.

Maryam hat oft Streit mit ihrem alleinerziehenden Vater Vedat, einem aufgeklärten islamischen Geistlichen. Dessen Sorgen sind nicht unbegründet, denn Maryam ist ungewollt schwanger. Um das Problem zu lösen, nimmt sie eine Abtreibungspille. Deren Wirkung setzt nachts in einem Berliner Club ein. Traumatisiert von den Schmerzen und dem nicht zu stoppenden Blut, glaubt Maryam, Gott wolle sie bestrafen, und ändert sich radikal. Wahnhaft wendet sie sich dem Glauben zu. Der junge Nigerianer Samir besucht gemeinsam mit dem gleichaltrigen Daniel den Koranunterricht von Maryams Vater. Sie kennen sich von der Arbeit auf dem Großmarkt. Daniel ist schwul und hat sich in Samir verliebt. Zögerlich kommen sich die beiden jungen Männer näher, doch Samir gerät in einen heftigen Gewissenskonflikt. Als gläubiger Moslem kann er seine Homosexualität nicht zulassen. Seine Gefühle zu Daniel schlagen in Hass um. Ismail ist Polizist, verheiratet und Vater eines Kindes. In türkischer Tradition erzogen, hat er sich dennoch von allem Sakralen und Spirituellen losgesagt. Bei einer Razzia trifft er auf Leyla, die er vor drei Jahren im Dienst angeschossen hat. Das Wiedersehen bringt Ismail aus dem Gleichgewicht. Leyla geht ihm nicht mehr aus dem Kopf, er beginnt, ihr zu folgen, nimmt Kontakt zu ihr auf, fängt an, sich um sie zu kümmern. Doch bald stellt Ismail fest, dass Leyla ihn nicht von seinen Schuldgefühlen erlösen kann. Denn für Leyla hat der Vorfall vor drei Jahren eine ganz andere Bedeutung.

Der Titel "Shahada" bezieht sich auf die erste Säule des Islams – das Glaubensbekenntnis. Shahada ist die Entscheidung für einen Weg. Die Hauptfiguren des Films ringen, jeder auf seine Art, mit der Suche nach dem richtigen Weg. Sie müssen sich entscheiden, woran sie glauben, wen sie lieben und wer sie letztlich sind.

Bereits mit seinem Diplomfilm "Shahada" stellte Burhan Qurbani sein Gespür für die Randgruppen unserer Gesellschaft sowie für komplexe und relevante Themen unter Beweis, die er mit starker visueller Sprache und eigener Handschrift inszeniert. Der Film entstand 2010 in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel, feierte auf der 60. Berlinale Premiere und wurde auf zahlreichen Festivals ausgezeichnet. Auch Burhan Qurbanis Folgeprojekte "Wir sind jung. Wir sind stark" (2014) und "Berlin Alexanderplatz" (2020), die ebenfalls mit dem ZDF umgesetzt wurden, sorgten für große Aufmerksamkeit und wurden weltweit vielfach prämiert.

Regiestatement Burhan Qurbani (2010)

Ein kleines Gebet auf den Weg
Es gibt da ein Bild aus meiner Kindheit – eines, das geblieben ist: Wir leben, ich bin vielleicht zehn Jahre alt, alleine mit meinem Großvater. Meine Mutter arbeitet in einer anderen Stadt, weil es für eine alleinerziehende Frau mit gebrochenem Deutsch auf dem Land schwer ist, einen Job zu finden. Die Trennung meiner Eltern in der Diaspora war ein Skandal und mein Großvater war aus Afghanistan gekommen, um seiner gerade geschiedenen Tochter und ihren beiden kleinen Söhnen zur Seite zu stehen. Die Kriegsjahre, der Verlust seines ältesten Sohnes, die Zeit im Gefängnis, hatten meinen Großvater zu einem frommen Mann gemacht. Und wie jeden Tag war er schon vor Sonnenaufgang aufgestanden, um zu beten. Dann – wie jeden Tag – weckt er uns Kinder für die Schule. Er schmiert uns Brote. Er bugsiert uns aus der Haustür. Doch bevor wir uns auf den Schulweg machen, gibt er uns noch ein paar Worte mit. Einen Satz auf Arabisch, den wir immer wieder wiederholen sollen. Und wenn der sich eingeprägt hat, kommt ein neuer dazu, solange bis sich die einzelnen Fragmente zu einem Gebet zusammenfügen. So lernten wir über die Wochen die "Fatiha", das islamische Vaterunser: "Im Namen Allahs, des barmherzigen und gnädigen Gottes".
So nahm uns mein Großvater ganz klammheimlich das Glaubensbekenntnis ab: "Es gibt keinen Gott außer Gott und Mohamed ist sein Prophet."
Das ist die Shahada.

Der Beginn der Reise
Dies sind die ersten Erinnerungen meiner religiösen Erziehung. Mein Großvater lebt nicht mehr. Aber mein Bild vom Islam ist immer noch von ihm geprägt. Seine liebevolle Art, seinen Glauben zu vermitteln, ihn uns zu schenken, im Vorbeigehen. Der jüdische Satiriker Ephraim Kishon schrieb einmal, dass nichts schwieriger sei, als gläubig und aufgeklärt zu sein. Aus eigener Erfahrung kann ich ihm nur zustimmen. Muslimisch erzogen, und auch noch gläubig sein, das ist angesichts eines Lebens in Deutschland nicht immer einfach zu verbinden. Überspitzt gesagt: Allah und TV – das Sakrale und das Profane – kamen für mich irgendwann nicht mehr zusammen. Erst in den letzten Jahren habe ich festgestellt, dass sich die spirituelle Erziehung, die ich als Kind und Jugendlicher genossen habe, nicht einfach so abschütteln lässt. So kann ich mich inzwischen zum Islam bekennen, ohne mich im Widerspruch aufzulösen. Mein Diplomfilm ist der Versuch, die Widersprüche der beiden Kulturen, in denen ich aufgewachsen bin, der islamischen und der deutschen, filmisch zu verbinden.
Das ist die Shahada

Ein Film von den Menschen
"Shahada" soll aber kein Film über Religion sein. Ich möchte den Zuschauer nicht didaktisch an die Hand nehmen und ihm erzählen: Islam, das geht so und so. Vielmehr ging es mir darum, während ich die Geschichten von Menschen erzähle, die eine bestimmte Religionszugehörigkeit verbindet, im Vorbeigehen auch ihre Religion, ihre Kultur mitzuerzählen. Die Konflikte, Krisen und die Widersprüche, mit denen sie in der deutschen Gesellschaft zu kämpfen haben. Einen Spielfilm über Menschen zu machen in ihren Krisen, in extremen Situationen: Eine Vater-Tochter-Geschichte, eine Geschichte von Schuld und Sühne, eine Geschichte vom Wert des eigenen Lebens, eine Geschichte vom Erwachen der Sexualität. Geschichten, die jeder Zuschauer für sich entdecken kann: "Das kenne ich doch. Ich habe schon einmal genauso empfunden." Wichtig war mir dabei jedoch zu fragen, was das Umfeld, die Sozialisation und Religion unserer Figuren im Besten wie im Schlechtesten mit ihnen macht. Um meine erste Aussage zu erweitern: "Shahada" ist kein Film über Religion. Aber: die Religionszugehörigkeit unserer Figuren macht ihre Geschichten besonders und beeinflusst ihre Entscheidungen und ihr Handeln auf eine bestimmte Art und Weise. Das ist die Entscheidung für einen Weg.
Das ist die Shahada.

Festivals und Auszeichnungen – eine Auswahl

- Premiere im Wettbewerb der Internationalen Filmfestspiele Berlin 2010

- Hessischer Filmpreis 2010 als bester Spielfilm

- Studio Hamburg Nachwuchspreis 2010 in den Kategorien "Bestes Drehbuch" und

"Beste Produktion"

- Filmkunstpreis 2010 für "Originellste Darstellungsform" und "Originellstes Thema"

- Preis der Gilde deutscher Filmkunsttheater 2010

- First Steps Sonderpreis 2010 für "Beste Kamera"

- Preis für "Beste schauspielerische Leistung" beim Monterrey Film Festival México

2010 für Maryam Zaree

- besondere Auszeichnung auf dem 37. Internationalen Filmfestival Gent 2010 für

Maryam Zaree

- Nominierung in Kategorie "Bester Nebendarsteller" für den Deutschen Filmpreis

2010 für Vedat Erincin

Biografie Burhan Qurbani (Buch und Regie)

Burhan Qurbanis Eltern flohen 1979 als politisch Verfolgte von Afghanistan nach Deutschland nach, wo Qurbani 1980 in Erkelenz geboren wurde. 2002 begann er ein Regie-Studium an der Filmakademie Baden-Württemberg. Sein Diplomfilm "Shahada" hatte im Wettbewerb der 60. Berlinale 2010 Premiere und wurde mit zahlreichen nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Sein nächster Film, "Wir sind jung. Wir sind stark.", eröffnete 2014 den Wettbewerb des Rome International Film Festivals und die Hofer Filmtage. Der Film war mehrfach für den Deutschen Filmpreis 2015 (Beste Kamera, Bester Film) nominiert und gewann die Lola für den Besten Nebendarsteller. Qurbanis nächster Film, "Berlin Alexanderplatz", prämierte im Wettbewerb der 70. Berlinale 2020. Beim Deutschen Filmpreis 2020 war "Berlin Alexanderplatz" für elf Lolas nominiert und konnte fünf davon gewinnen. Derzeit arbeitet Qurbani an seinem neuen Kinofilm, "Kein Tier so wild".

Das Fremde in mir

Das Fremde in mir
Drama, Deutschland 2008

Montag, 13. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch                            Emily Atef, Esther Bernstorff
Regie                           Emily Atef
Kamera                        Henner Besuch
Schnitt                         Beatrice Babin
Ton                              Jacob Ilgner
Musik                           Manfred Eicher
Produzentin                  Nicole Gerhards
Produktion                   NiKo Film GbR in Koproduktion mit dem ZDF/Das kleine Fernsehspiel
                                    und der Deutschen Film- und Fernsehakademie
                                    Berlin in Zusammenarbeit mit ARTE, gefördert von
                                    Medienboard Berlin-Brandenburg und mit Mitteln der nordmedia 
                                    Fonds GmbH in Niedersachsen und Bremen und
                                    Deutscher Filmförderfonds
Redaktion                     Annedore v. Donop, Birgit Kämper (ARTE)
Länge                           circa 93 Minuten

Besetzung
Rebecca                       Susanne Wolff
Julian                           Johann von Bülow
Lore                              Maren Kroymann 
Dr. Börner                     Herbert Fritsch
Elise                             Judith Engel
Theo                             Klaus Pohl
Agnes                           Dörte Lyssewski
Bernhard                      Hans Diehl
und andere

Inhalt

Voller Vorfreude erwarten Rebecca und Julian ihr erstes gemeinsames Kind. Doch als der kleine Lukas zur Welt kommt, wird Rebecca von Angst und Hilflosigkeit erfasst. Das ZDF sendet den zweiten langen Spielfilm von Regisseurin Emily Atef, deren aktueller Film "Irgendwann werden wir uns alles erzählen" im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale läuft.

Rebecca und Julian sind ein glückliches junges Paar. In wenigen Wochen wird ihr erstes Kind zur Welt kommen, und sie freuen sich sehr darauf. Julian arbeitet in einem Architekturbüro, er steht am Anfang seiner Karriere. Rebecca führt einen gut laufenden Blumenladen. Es könnte nicht besser sein. Dann kommt Lukas auf die Welt – und alles ist anders. Das Baby, das von ihr abhängig ist, ist Rebecca fremd. Sie hat keine Ahnung, was mit ihr los ist und merkt nur, dass sie ihr Kind weder lieben kann noch dass sie in einer Weise funktioniert, wie man es von einer glücklichen jungen Mutter erwartet. Rebecca verzweifelt an sich, an ihrem Kind, für das sie außer Angst nichts empfindet, und an ihrer Familie. Doch niemand nimmt sich die Zeit, wirklich mit ihr zu reden, nachzufragen, was los ist. Rebecca leidet unter einer schweren postnatalen Depression, was weder vom Krankenhauspersonal noch von Julian und anderen Verwandten oder Freunden wahrgenommen wird. "Stell dich nicht so an" ist die Mahnung, die sie immer wieder hört. Bis Rebecca sich eines Tages selbst aus dem Verkehr zieht: Sie verlässt das Haus, das Kind, den Mann und irrt in der Gegend umher, gibt sich völlig auf. Halbtot wird sie im Wald gefunden. Erst ihre Mutter sorgt dafür, dass Rebecca in eine Spezialklinik kommt, wo man ihr nach und nach helfen kann und ihr begreiflich macht, dass sie mit ihrem Problem nicht allein ist. Julian und vor allem seine Schwester Elise, die sich in der Zwischenzeit liebevoll um den kleinen Lukas gekümmert hat, können zunächst nicht glauben, dass Rebeccas Verhalten nicht böswillig war. Sie wird als verantwortungslose Mutter mit Misstrauen und Zurückweisung behandelt. Doch in dem Maß, wie Rebecca wieder Lebenskraft und Selbstvertrauen findet, findet sie langsam Zugang zu ihrem Kind. Und auch mit Julian beginnt ein langsamer Prozess der Wiederannäherung. Gemeinsam ringen die beiden um eine zweite Chance für ihre Liebe und einen Neubeginn für die kleine Familie.

Regiestatement Emily Atef (2008)
Wir alle wachsen mit der Vorstellung auf, dass eine Mutter ihr Kind nach der Geburt instinktiv uneingeschränkt liebt. Dieses Mutterbild hat fast etwas Heiliges. Ich selbst war ebenfalls von diesem Idealbild überzeugt. Auch meine Protagonistin Rebecca erwartet das große Glück. Dass es anders kommt, zieht ihr den Boden unter den Füßen weg. Ihr Umfeld ist durch ihre fehlende Freude befremdet und auch sie selbst empfindet sich als Ungeheuer. So sehr, dass sie meint, ihr Leben beenden zu müssen.

In Deutschland erkranken jährlich Tausende von Frauen an einer postpartalen Depression und dennoch ist diese Krankheit noch sehr unbekannt, und es wird kaum darüber gesprochen. Die Bindung zum Kind ist gestört – durch eine Krankheit, die starke gesellschaftliche und persönliche Folgen mit sich bringt, auch nach ihrer Heilung. Dieses Thema ließ mich nicht mehr los und beschäftigt und bewegt mich sehr. Ich wollte aber nie nur einen Film über eine Krankheit machen, sondern das persönliche Porträt einer Frau, die in eine tiefe Krise stürzt. Und darüber, wie auch das Leben der Menschen um sie herum dadurch aus der Bahn geworfen wird. Ganz besonders das ihres Freundes Julian, der plötzlich und unerwartet vor einer Katastrophe steht und innerhalb von wenigen Wochen die Verantwortung der Vaterrolle übernehmen muss. Schlussendlich ist es auch eine Liebesgeschichte zwischen zwei Menschen, die zwischenzeitlich zu Fremden werden und sich dann auf eine Weise nah kommen, die ohne diese Krise vielleicht nicht möglich gewesen wäre.

Festivals und Auszeichnungen – eine Auswahl
- Cannes 2008: Semaine de la critique
- Filmfest München 2008, Förderpreis Deutscher Film
- Susanne Wolf, Beste Darstellerin
- Brussels Film Festival 2008, Canvas Award: Bester Film
- Filmfest Oldenburg 2008
- German Independence Award: Bester deutscher Film, Publikumspreis und Otto-Sprenger-Preis
- Mar del Plata Filmfestival 2008, Official Competition
- Festival des Films du Monde Montréal 2008, Focus on World Cinema

Biografie Emily Atef (Buch und Regie)
Emily Atef ist Franko-Iranerin und wurde in Berlin geboren. Als sie sieben Jahren alt war, zog die Familie nach Los Angeles. Sie wuchs dort sowie in Frankreich und London auf, bevor sie 2001 nach Berlin zurückkehrte, um an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Regie zu studieren. Emily Atef hat zahlreiche Filme realisiert, ihre ersten beiden Spielfilme "Molly's Way" (2005) und "Das Fremde in mir" (2008) gemeinsam mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Einer ihrer größten Erfolge ist der Film "Drei Tage in Quiberon" (2016), der unter anderem mit dem Deutschen Filmpreis Lola in Gold – Beste Regie und Bester Spielfilm –ausgezeichnet wurde. Ihr neuer Film, "Irgendwann werden wir uns alles erzählen", läuft im diesjährigen Wettbewerb der Berlinale.

Esmas Geheimnis

Esmas Geheimnis
Drama, Österreich/Bosnien-Herzegowina/Deutschland/Kroatien 2005

Montag, 20. März 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie               Jasmila Žbanić
Drehbuchmitarbeit 
(Ko-Autorin)                     Barbara Albert
Kamera                            Christine A. Maier
Schnitt                             Niki Mossböck
Ton                                   Nenad Vukadinović, Milan Stojanović
Musik                               Enes Zlatar
Szenenbild                       Kemal Hrustanović
Kostüme                           Lejla Hodžić
Produzentinnen/
Produzenten                     Barbara Albert, Damir Ibrahimović, Bruno Wagner
Produktion                        Eine Produktion von coop99 und DEBLOKADA
                                         in Koproduktion mit noirfilm, Jadran Film und
                                         ZDF/Das kleine Fernsehspiel in Zusammenarbeit mit ARTE
Förderer                            Österreichisches Filminstitut, Eurimages, Federation of Bosnia and Herzegovina,
                                         MFG Baden-Württemberg, Filmfonds Wien
Redaktion                         Jörg Schneider (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
Länge                               circa 94 Minuten

Besetzung
Esma                                 Mirjana Karanović
Sara                                   Luna Mijović
Pelda                                 Leon Lućev         
Samir                                 Kenan Catić        
Sabina                               Jasna Ornela Berry                 
Cenga                                Dejan Acimović             
Saran                                 Bogdan Diklić
Puska                                Emir Hadihafizbegović
und andere

Inhalt
Die alleinerziehende Esma lebt mit ihrer zwölfjährigen Tochter Sara in Grbavica, einem Stadtteil von Sarajewo, der während des Krieges durch serbische Truppen besetzt war. Der Wiederaufbau nach den Jugoslawienkriegen der 90er-Jahre geht nur langsam voran. Weil Esma mit der dürftigen Unterstützung vom Staat nicht über die Runden kommt, nimmt sie eine Stelle als Kellnerin in einem Nachtclub an. Nur widerstrebend arbeitet Esma die Nächte hindurch, vor allem, weil sie dadurch weniger Zeit für ihre Tochter hat. Seit Sara, ein lebhafter Wildfang, sich eng mit ihrem Klassenkameraden Samir angefreundet hat, kommt Fußball in ihrem Leben nur noch an zweiter Stelle. Die beiden sensiblen Teenager sind sich sehr nah – beide haben ihren Vater im Krieg verloren. Samir ist jedoch erstaunt, als er hört, dass Sara nichts über den Heldentod ihres Vaters zu berichten weiß. Doch es gibt ein Geheimnis um Saras Vater, den sie nie kennengelernt hat, und das Esma um jeden Preis bewahren will, um ihre Tochter und auch sich selbst zu schützen. In ihrem Debütfilm erzählt die bosnische Regisseurin Jasmila Žbanić anhand eines Mutter-Tochter-Konflikts von den Wunden, die auch Jahre nach dem Ende der traumatischen Kriegsvergangenheit nicht verheilt sind. Der bei der Berlinale 2006 mit dem Goldenen Bären ausgezeichnete Film greift als erster Spielfilm das schwierige Thema der Massenvergewaltigungen in Kriegszeiten auf. Er entstand in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel, wie auch Jasmila Žbanićs Spielfilme "Love Island” aus dem Jahr 2014 und "Zwischen uns das Paradies/Na Putu" (2010).

Regiestatement Jasmila Žbanić (2005)
Ich bin vom alltäglichen Leben fasziniert – aber verglichen mit dem Krieg kann es gewöhnlich, unaufregend, fast banal wirken. Doch wenn die Oberfläche dieses täglichen Lebens Kratzer zeigt, steigt die ganze Kraft der menschlichen Gefühle – vergangene, gegenwärtige, zukünftige – nach oben und bricht hervor. "Grbavica" ist zuerst eine Geschichte über die Liebe. Über eine Liebe, die unrein ist, weil sie mit Hass, Abscheu, Trauma und Verzweiflung vermengt ist. Es ist auch eine Geschichte über Opfer, die, obwohl sie keine Verbrechen begangen haben, sich der nachkommenden Generation gegenüber schuldig fühlen. "Grbavica" erzählt auch von der Wahrheit, einer kosmischen Kraft, die notwendig für den Fortschritt ist und die so sehr von den Menschen in Bosnien und Herzegowina gebraucht wird, um gesellschaftliche Reife zu erlangen.

Preise und Auszeichnungen – eine Auswahl
- Berlinale 2006: Preis der ökumenischen Jury; Goldener Bär Bester Film; Friedensfilmpreis
- Jury der Evangelischen Filmarbeit 2006, Film des Monats Juli 2006
- John Templeton Filmpreis 2007, Bester Film des Jahres 2006

Biografie Jasmila Žbanić (Buch und Regie)
Jasmila Zbanić wurde 1974 in Sarajevo geboren und studierte Theater- und Film-Regie an der dortigen Kunstakademie. 1997 gründete sie mit Freunden gemeinsam die Künstlervereinigung "Deblokada", mit der sie eine Vielzahl von Dokumentarfilmen, Videoarbeiten und Kurzfilmbeiträgen produzierte und entwickelte oder bei denen sie Regie führte. Für ihren Debütfilm "Esmas Geheimnis" ("Grbavica"), eine Koproduktion von ZDF/Das kleine Fernsehspiel in Zusammenarbeit mit ARTE, gewann sie unter anderem bei der Berlinale 2006 den Goldenen Bären für den Besten Film. Auch ihr zweiter Spielfilm, "Zwischen uns das Paradies/Na Putu" (2010), der wieder zusammen mit dem Kleinen Fernsehspiel und ARTE entstand, feierte im Wettbewerb der Berlinale Premiere. Weitere Werke von Žbanić sind unter anderem "For Those Who Can Tell No Tales” (2013),"Love Island”, der 2014 ebenfalls in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel entstand, sowie "Quo Vadis, Aida?” (2020), der unter anderem bei der Oscarverleihung 2021 als Bester internationaler Film nominiert war und 2021 mit dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde.

Pilotinnen

Pilotinnen
Drama, Deutschland 1995

Montag, 27. März 2023, 1.00 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Christian Petzold
Kamera                              Hans Fromm, Christoph Krauß
Schnitt                               Monika Kappl-Smith, Daniel Meiller
Ton                                    Heino Herrenbrück, Martin Ehlers
Kostüme                            Anette Guther
Produktion                         Eine Koproduktion von Schramm Film Koerner&Weber
                                          und der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin
                                          im Auftrag des ZDF
Redaktion:                         Annedore von Donop

Besetzung
Karin                                  Eleonore Weisgerber
Sophie                               Nadeshda Brennicke
Juniorchef                         Udo Schenk
Christine                            Barbara Frey
Dieter                                 Michael Tietz
und andere 

Inhalt
"Pilotinnen" erzählt von den Kosmetikverkäuferinnen Karin und Sophie, die von Konkurrentinnen zu Komplizinnen werden und einen gemeinsamen Traum verwirklichen.

Die Welt der Kosmetikverkäuferin Karin, Ende 40, sind die Vorstädte. Sie vertreibt Billigkosmetik im Großraum Leverkusen und lebt in einfachen Hotels – unter der Woche zahlt die Firma, am Wochenende bekommt sie Sonderkonditionen, denn man kennt sie seit Jahren. Ein Zuhause hat sie nicht. Karin arbeitet hart, denn sie braucht jeden Pfennig, um an ihr Ziel zu kommen: Paris. Dort will sie irgendwann einmal leben. Bis dahin bereitet sie sich vor und paukt Französisch per Kassette. Sophie ist Mitte 30, gelernte Fremdsprachen-Korrespondentin. Sie ist mit dem Juniorchef des Kosmetikunternehmens liiert. Sophie glaubt, mit ihm eine Aufstiegschance zu haben – größere Pläne hatte sie schon immer, wenn auch eher diffuser Natur. Als der Juniorchef die Firma übernimmt, spricht man von Modernisierung. Was nun zählt, sind gute Verkaufszahlen. Alle sind nervös: Werden sie ihren Job behalten? Sophie wird Karin als Assistentin zugeteilt. Plötzlich sitzt diese junge, ehrgeizige Frau neben Karin im Wagen. Eisige Kälte breitet sich zwischen den beiden aus. Karin muss arbeiten, Sophie beobachtet sie dabei. Sophie ist sich sicher, dass die Zukunft ihr gehört – Karin wehrt sich nach Kräften, sie hat schließlich Erfahrung. Aber Sophies Sicherheit geht verloren, als sie merkt, dass der Juniorchef es gar nicht ernst mit ihr meint. Als Karin auf Anfragen bei potenziellen Arbeitgebern oft zweideutige Einladungen zum Essen erhält, begreifen beide, dass sie letztlich mit demselben Problem ringen. Sie sind Figuren in einem Spiel, dessen Regeln andere bestimmen. Die Konkurrentinnen werden zu Komplizinnen. Es entsteht ein gemeinsamer Schlachtplan. Sie werden "zurückschlagen", sich wehren, nicht aufgeben.

Es ist 1995 Christian Petzolds Abschlussfilm an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) und gleichzeitig auch sein erster Fernsehfilm, den er in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel umsetzte. 1996 folgte "Cuba Libre", für den er 1996 beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken den Förderpreis der Jury erhielt. In Koproduktion mit dem ZDF realisierte Petzold außerdem unter anderem "Yella" (2007), "Barbara" (2012), "Transit" (2018) und "Undine" (2020), die alle im Wettbewerb der Berlinale liefen. "Barbara" erhielt den Silbernen Bären für die beste Regie, "Undine" für die Beste Darstellerin (Paula Beer). Auch 2023 geht Petzold mit seinem neuen Kinofilm "Roter Himmel" ins Bären-Rennen. Auch dieser entstand in Koproduktion mit dem ZDF.

Biografie Christian Petzold (Buch und Regie)
Christian Petzold wurde am 14. September 1960 in Hilden geboren. Nach Abitur und Zivildienst absolvierte er ein Studium der Germanistik und Theaterwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Ab 1989 begann er sein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb), "Pilotinnen" ist 1995 Christian Petzolds Abschlussarbeit und sein Langfilmdebüt. 1996 folgte "Cuba Libre", für den er beim Max-Ophüls-Preis in Saarbrücken den Förderpreis der Jury erhielt. Mit "Die innere Sicherheit" (2000) etabliert Christian Petzold sich endgültig als einer der maßgeblichen Filmemacher im zeitgenössischen deutschen Kino, der Film wird u. a. mit dem Deutschen Filmpreis in Gold für den Besten Film ausgezeichnet. Petzold hat bereits fünf Mal an der Bären-Konkurrenz auf der Berlinale teilgenommen, mit "Gespenster" (2005), "Yella" (2007), "Barbara" (2012, Silberner Bär für die beste Regie), "Transit" (2018) und "Undine" (2020, Silberner Bär Beste Darstellerin/Paula Beer). Darüber hinaus erhielt er zahlreiche weitere Auszeichnungen, unter anderem mehrfach den Preis der deutschen Filmkritik sowie den Grimme-Preis und 2021 den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland. In diesem Jahr ist er mit seinem neuen Kinofilm "Roter Himmel" im Berlinale-Wettbewerb. Auch dieser entstand wieder in Koproduktion mit dem ZDF.

Die tödliche Maria

Die tödliche Maria
Psychothriller, Deutschland 1993

Montag, 3. April 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Tom Tykwer
Kamera                              Frank Griebe, Ina Scholl-Kesting,
                                          Jan Hartmann, Michael Grötzinger
Schnitt                               Katja Dringenberg, Mirjam Schwerk
Ton                                     Arno Wilms, Dirk Oschmann, Garry Lane, Kiki Moslener
Musik                                 Tom Tykwer, Klaus Garternicht
Kostüme und Maske           Monika Jacobs, Margrit Neufink
Produzenten                       Stefan Arndt, Tom Tykwer
Produktion                         Eine Produktion der Liebesfilm GmbH,
                                          Stefan Arndt & Tom Tykwer, im Auftrag des ZDF
Förderer                             Hergestellt mit Mitteln des Filmbüros Hamburg
                                          und der Stiftung Kuratorium junger deutscher Film 
Redaktion                          Liane Jessen (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Besetzung
Maria                                 Nina Petri 
Vater                                  Josef Bierbichler
Dieter                                 Joachim Król 
Heinz                                  Peter Franke
Heinz, 26 Jahre                  Jean Maesér
Maria, 10 Jahre                  Juliane Heinemann
Maria, 16 Jahre                  Katja Studt
und andere                                                  

Inhalt
Maria ist 40 Jahre alt. Sie wird von ihrem gelähmten Vater tyrannisiert und von ihrem Ehemann unterdrückt. Beinahe wie eine Gefangene lebt sie in der gemeinsamen Wohnung – bis sie in ihrem neuen Nachbarn eine verwandte Seele kennenlernt und sich auf tragische Weise von ihren Zwängen befreit.

Maria, 40 Jahre alt, lebt mit Ehemann Heinz in einer beängstigend eintönigen Ehe. Seit Jahren der gleiche Tagesablauf, die gleichen Lieblosigkeiten. Maria hat zudem noch ihren tyrannischen, bettlägerigen Vater zu versorgen, der im gleichen Haus lebt und mit dem sie eine Art Hassliebe verbindet. Doch Maria hat ein Geheimnis: Als sie noch ein kleines Mädchen war, bekam sie von ihrer Kinderfrau eine afrikanische Holzfigur geschenkt, einen Fetisch. Diese Figur ist Marias Vertraute. Ihr erzählt sie von ihren Sorgen, Sehnsüchten und Ängsten, ihr schreibt sie Briefe, die sie in einem Geheimfach aufbewahrt. Eines Tages wird Marias grauer Alltag durch ein Ereignis verändert: Sie verliebt sich in den Nachbarn Dieter, einen scheuen, liebenswerten Mann. Aber es ist zu spät für einen neuen Anfang. Durch eine Verkettung seltsamer Umstände sterben Vater und Ehemann, dessen Leichnam Maria im unteren Teil der Kommode versteckt. Dieter findet ihn und begreift nun erst das ganze Ausmaß der häuslichen Tragödie.

Mehrfach wurde Tom Tykwers Spielfilmdebüt "Die tödliche Maria", das er in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel realisierte, ausgezeichnet, u. a. mit dem Preis der deutschen Filmkritik, dem Max Ophüls Preis und dem Bayerischen Filmpreis. Nach seinem Regiedebüt erzielte Tom Tykwer mit "Lola rennt" seinen endgültigen Durchbruch. International sorgte er mit "Das Parfum", "The International", "Cloud Atlas" und zuletzt mit der Serie "Babylon Berlin" für Aufmerksamkeit.

Preise und Auszeichnungen – eine Auswahl
- Internationale Hofer Filmtage 1993, Eastman Förderpreis für Nachwuchstalente
- Der Preis der deutschen Filmkritik, 1994: Bester Film
- Max Ophüls Preis 1994: Bester Schauspielnachwuchs, Katja Studt
- Bayerischer Filmpreis 1994: Regienachwuchspreis Tom Tykwer; Darstellerpreis Nina Petri

Biografie Tom Tykwer (Buch und Regie)
Tom Tykwer (geboren 1965) ist ein deutscher Filmregisseur, Drehbuchautor, Komponist und Produzent. 1980 zog er von seiner Heimatstadt Wuppertal nach Berlin, jobbte in verschiedenen Programmkinos als Filmvorführer und übernahm 1988 die Programmgestaltung des Berliner "Moviemento"-Kinos. 1992 gründete er mit dem Produzenten Stefan Arndt eine Produktionsfirma und inszenierte zunächst als Regisseur zwei Kurzfilme. Seine bisherige Filmographie enthält zahlreiche auch international preisgekrönte Filme, unter anderem "Die Tödliche Maria" (1993 mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel), "Winterschläfer"(1997), "Lola rennt"(1998), "Der Krieger und die Kaiserin" (2000), "Heaven" (2002), "Das Parfum – Die Geschichte eines Mörders" (2006), "The International" (2009), "Drei" (2010), "Cloud Atlas" (2012), "Ein Hologramm für einen König"(2016). Seit 2015 dreht er auch High-End-Fernsehserien, darunter die internationale Serie "Sense8" (2015–2017), sowie "Babylon Berlin" (seit 2017).

Dunckel

Dunckel
Thriller, Deutschland 1998

Montag, 10. April 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Lars Kraume
Kamera                              Andreas Doub, Jan Hoffmann, Esther Dillmann, Maxi Strauch
Schnitt                               Benjamin Hembus, Kathrin Kanne
Szenenbild                         Daniela Selig, Veronika Seifert
Musik                                 DIE STERNE
Kostüme                            Nicole Schlier, Heike Schwenk-Wuttke
Produzent                          Joachim von Vietinghoff
Produktion                         Eine Produktion der Vietinghoff Filmproduktion GmbH
                                          und der Deutschen Film- und Fernsehakademie (dffb)
                                          in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Film und
                                          Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF) in
                                          Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Redaktion                          Annedore v. Donop (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Besetzung
Benny Dunckel                  Florian Lukas
Freddy Dunckel                 Oliver Korittke
Tommy Dunckel                 Sebastian Blomberg
Polizist I                            Aykut Kayacık
Polizist II                           Wolfgang Büttner
Bankangestellte                 Yasmin Kolberg
Sohad                                Isabella Parkinson
Maria                                 Nele Mueller-Stöfen
Marianne Dunckel              Christine Harbort
Karl Dunckel                      Vadim Glowna
Michelle                             Teresa Harder
und andere

Inhalt
Drei Brüder bringen sich nach einem Banküberfall mit zwei Toten auf getrennten Wegen in Sicherheit. Doch ihre Fluchtversuche sind zum Scheitern verurteilt.

Benny, Tommy und Freddy Dunckel überfallen eine Bank, doch der Coup misslingt. Während eines Schusswechsels mit der Polizei wird Benny angeschossen, die beiden Beamten, die das Trio verfolgt haben, sterben. Jetzt muss jeder der Brüder selbst sehen, wie er sich retten kann. Benny Dunckel, 19 Jahre alt, leicht verwirrt, will eine Taxifahrerin mit vorgehaltener Waffe dazu zwingen, ihn über die Grenze nach Polen zu bringen. Tommy sucht Zuflucht bei seinem Freund und Lehrmeister Lacroix. Freddy verfolgt währenddessen ein ganz anderes Ziel: Mit seinem Beuteanteil von 150.000 Mark will er seine Ex-Frau dazu bringen, zu ihm zurückzukehren. 
Der Film erzählt in drei Episoden von denhilflosen Fluchtversuchen  der drei ungleichen Brüder, von denen jeder versucht, sich nach dem missglückten Banküberfall auf eigene Faust durchzuschlagen. Jede Geschichte für sich ist ein Porträt, alle Geschichten zusammen ergeben das Bild einer zerstörten Familie.

"Dunckel", das preisgekrönte Debüt von Lars Kraume, entstand 1998 in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel" und wurde unter anderem 1998 mit dem Studio-Hamburg-Nachwuchs Preis sowie 2000 mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet.

Preise und Auszeichnungen - eine Auswahl
- Studio-Hamburg-Nachwuchs-Preis 1998
- Grimme-Preis, 2000: Regie Lars Kraume, Darsteller Oliver Korittke, Kamera Andreas Doub

Biografie Lars Kraume (Buch und Regie)
Der Autor und Regisseur Lars Kraume wurde 1973 in Chieri, Italien, geboren und wuchs in Frankfurt/Main auf. Zunächst arbeitete er als Fotograf, 1994 begann er sein Studium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. "Dunckel" war sein Abschlussfilm und entstand in Zusammenarbeit mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Seither drehte Kraume viele preisgekrönte Fernseh- und Kinofilme, darunter zahlreiche "Tatort"-Folgen sowie historische Stoffe, unter anderem "Der Staat gegen Fritz Bauer"  (2015),  Das schweigende Klassenzimmer (2018) und die Serie "Die neue Zeit" (2019), beide in Koproduktion mit dem ZDF, wie auch die Polit-Thrillerserie "Furia" (2021) und die Thrillerreihe "Dengler" (seit 2015). Ein zweiter Schwerpunkt der Arbeiten Kraumes sind seine Verfilmungen von Dramen Ferdinand von Schirachs (2020). Sein neuer Film, "Der vermessene Mensch" (2022), feiert Weltpremiere im Berlinale Special 2023 und ist wieder in Koproduktion mit dem ZDF entstanden.

24 Wochen

24 Wochen
Drama, Deutschland 2016

Montag, 17. April 2023, 0.15 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der Mediathek

Stab
Buch                                  Carl Gerber, Anne Zohra Berrached
Regie                                 Anne Zohra Berrached
Kamera                              Friede Clausz
Schnitt                               Denys Darahan, Julia Kovalenko,
                                          Isabella Kohl, Daniela Schramm Moura, Kira König
Ton                                    Aljoscha Haupt, Steffen Flach, Markus Limberger, Tim Ihde
Musik                                 Jasmin Reuter
Produzentin/
Produzenten                       Thomas Kufus, Melanie Berke, Tobias Büchner
Produktion                         Zero One Film in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
                                          und Filmakademie Baden-Württemberg, gefördert
                                          von Mitteldeutsche Medienförderung, Caligari Preis 2014
Redaktion                          Burkhard Althoff (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Besetzung
Astrid Lorenz                      Julia Jentsch
Markus Häger                     Bjarne Mädel
Nele                                    Emilia Pieske
Beate Lorenz                      Johanna Gastdorf
Kindermädchen Kati           Maria Dragus
Freundin Svea                    Mila Bruk
Katja                                  Sabine Wolf
Isa                                     Karina Plachetka
und andere

Inhalt
Die Kabarettistin Astrid ist im sechsten Monat schwanger, als sie erfährt, dass ihr Kind nicht gesund ist. Die Nachricht stellt sie und ihren Mann Markus vor eine Entscheidung über Leben und Tod.

Die Kabarettistin Astrid ist im sechsten Monat schwanger, als sie erfährt, dass ihr Kind nicht gesund ist. Die Nachricht stellt sie und ihren Mann vor eine Entscheidung über Leben und Tod. Die Bühne, das Scheinwerferlicht – Astrid lebt ihren Beruf mit Hingabe – und Markus unterstützt sie als ihr Manager. Doch die Krankheit des Ungeborenen und die damit verbundene Gewissensfrage werfen ihr Leben aus der Bahn und ihre Beziehung kommt an ihre Grenzen. Zunächst wissen beide nicht, wie sie mit der Diagnose Down-Syndrom umgehen sollen, doch sie entscheiden sich gemeinsam für das Kind. Mit der gleichen Stärke, mit der sie bisher ihren Alltag in der Öffentlichkeit gemeistert haben, bereiten sich die zukünftigen Eltern auf ein Leben mit einem behinderten Kind vor. Unverdrossen stellen sie sich dem Unverständnis und den hilflosen Reaktionen im Freundes- und Verwandtenkreis. Bald verliert die Diagnose ihren Schrecken, und die Vorfreude auf das gemeinsame Baby kehrt zurück. Als dann eine weitere Untersuchung das ganze Ausmaß der Behinderung sichtbar macht, trifft diese Nachricht die Eltern umso härter. Das Kartenhaus aus Mut und Optimismus droht zusammenzustürzen. Wieder wollen Astrid und Markus alle Entscheidungen gemeinsam treffen, wieder wollen sie einen Weg finden. Aber die Prognose ist jetzt ungleich komplexer: Ein schwerer Herzfehler wurde festgestellt. Plötzlich stehen sie vor einem Gewissenskonflikt. Sie müssen entscheiden, ein behindertes und schwer krankes Kind zur Welt zu bringen oder die Schwangerschaft im sechsten Monat zu beenden. Im Staffellauf zwischen Diagnosen und Ratschlägen trennen sich ihre Meinungen. Wer kann wissen, ob das Kind leiden, ob sein Leben lebenswert sein wird? Die Suche nach der richtigen Antwort stellt alles in Frage: die Beziehung, den Wunsch nach einem Kind, ein Leben nach Plan. Umgeben von medizinischem Fachpersonal, Statistiken und Prognosen wird Astrid bewusst, dass nur sie allein diese Entscheidung treffen kann.

Nach dem dokumentarischen Spielfilm "Zwei Mütter" (2013), war "24 Wochen" die zweite Zusammenarbeit des Kleinen Fernsehspiels mit Anne Zohra Berrached. Der Film wurde auf der 66. Berlinale 2016 als einziger deutscher Beitrag uraufgeführt und gewann zahlreiche Preise, so zum Beispiel den Gilde-Filmpreis als bester Wettbewerbsbeitrag der Berlinale 2016 und beim Deutschen Filmpreis 2017 den Filmpreis in Silber. Ihr zweiter Kinofilm, "Die Welt wird eine andere sein" (2021), wurde in die Sektion Panorama der Berlinale eingeladen. Anne Zohra Berrached führt immer wieder Regie bei der Sendereihe "Tatort".

Regiestatement Anne Zohra Berrached (2016)
Aus Recherchen und Statistiken, Fakten und Prognosen, Wünschen und Wirklichkeiten: In seiner Form und seinem Inhalt eine Collage mit eigenen Regeln, zwischen Realität und Fiktion, so nenne ich unseren Film "24 Wochen".

In "24 Wochen" beschreibe ich den Konflikt einer Frau in einer Extremsituation: Sie muss über Leben und Tod ihres ungeborenen Kindes entscheiden. Der Film spricht weder für noch gegen Abtreibung, vielmehr beschreibt er eine Situation, in der einem nichts anderes übrig bleibt, als eine starke Haltung einzunehmen. Dazu lasse ich Realität und Fiktion ineinander verschmelzen. Die Kabarettistin Astrid ist eine fiktive Figur. Ihr Schicksal und das System, das sie durchlaufen muss, sind es nicht.
In Deutschland ist es möglich, ein krankes oder behindertes Kind bis kurz vor der Geburt abzutreiben. Das habe ich vor etwa drei Jahren in einem Zeitungsartikel gelesen und begann zu recherchieren. In Deutschland tun das nach der 12. Woche über 90 Prozent der Frauen, bei deren Kind eine Fehlbildung diagnostiziert wurde. Ist es richtig, dass sich Eltern gegen ein Leben entscheiden können, dem sie aus Mangel an Zeit, Geld oder Kraft nicht gewachsen sind, oder ist dies zugelassener Mord? Der immer weiter voranschreitende technische Fortschritt führt zu einer immer genaueren Überwachung des Fötus vor seiner Geburt. Sobald die Pränataldiagnostik eine Fehlbildung bei dem Ungeborenen feststellt, ist eine medizinische Indikation zur Abtreibung möglich, sofern sich die Mutter körperlich und geistig nicht dazu in der Lage sieht, das Kind auszutragen. In der Praxis sieht das so aus: Ein Pränataldiagnostiker fragt die Mutter, ob sie sich vorstellen kann, das Kind zu bekommen. Die Eltern müssen entscheiden, ob das Leben ihres Embryos lebenswert ist. Das "Schicksal" wird zu einer juristischen, ethischen, philosophischen Frage. Sie haben die Wahl – über Leben und Tod. Was sie nicht haben, ist die Wahl, sich dieser Entscheidung zu entziehen.

Ab circa der 24. Schwangerschaftswoche ist das Kind außerhalb des Mutterleibes überlebensfähig. Um es in diesem späten Stadium der Schwangerschaft nicht zu bekommen, muss es vorgeburtlich mittels einer Kalium-Chlorid-Spritze getötet werden. Die Frau trägt das Kind im Mutterleib. Das bedeutet, dass nur sie – rechtlich gesehen – die Entscheidung für eine Abtreibung fällen darf, aber auch, dass die damit einhergehende "Schuld" eindeutig ihr zugeordnet wird. Sie ist die Einzige, die diese moralische Frage für sich beantworten kann. Das Recht auf Abtreibung, auf die Selbstbestimmung über den eigenen Körper haben Generationen von Frauen vor uns hart erkämpft. Es ist integraler Bestandteil unserer Definition als unabhängige, gleichberechtigte Frauen, die ihr Leben selbst gestalten. Die Gleichberechtigung hilft uns aber nicht im moralischen Dilemma. Mich interessiert der moralische Konflikt als Ergebnis unserer modernen medizinischen Welt. Wir müssen uns neu versichern und das Erreichte immer wieder verteidigen. Wir müssen darauf bestehen, dass nicht nur geschieht, was technisch möglich ist, sondern das, was wir eigentlich wollen. "24 Wochen" konfrontiert den Zuschauer mit einer Frage, die jeder nur für sich selbst beantworten kann. 
Nach mehrstündigen Interviews mit einem Paar, das sich entschlossen hat, in der 26. Woche abzutreiben, erschien es mir zu banal, rein fiktional zu arbeiten. Mit einem Tonbandgerät bin ich losgezogen und habe Ärzte, Hebammen und verschiedene Einrichtungen besucht. Dialoge und sogar ganze Szenen, die mir Betroffene berichtet haben, wurden aus der Realität der Tonbandaufnahmen in die Fiktion meiner Interpretation eines Drehbuchs übertragen. Meine Hauptfigur bekam einen Beruf, den sie liebt, einen Mann, der das Kind unbedingt bekommen und eine Alt-68er Mutter, die ihre eigene Tochter schützen will. Und immer vor Augen ihr erstes Kind, die neunjährige Tochter Nele, ein Sinnbild für das, was ihr Ungeborenes mal sein könnte.

Alle Ärzte, Schwestern und Hebammen sind es auch in Realität. Nach einer Suche, die mich und meine Assistenten mehr als sechs Monate beschäftigt hat, haben wir es geschafft, einen Geburtsmediziner zu finden, der in der Realität Spätabbrüche vornimmt und bereit war, dies auch in "24 Wochen" zu tun. Aus Angst vor Diskriminierung war seine Bedingung, sein Gesicht ungefilmt zu lassen. Julia Jentsch bewegt sich in der deutschen Kabarettwelt mit ihren Sendungen ("Ladies Night", "3satfestival", "Nuhr im Ersten") und Protagonisten (Dieter Nuhr, Gerburg Jahnke, Sebastian Pufpaff und andere), gibt Radiointerviews bei Thomas Koschwitz von 89.0 RTL. Es war mir wichtig, die starke Bindung der Mutter zu ihrem Kind mit realem Bildmaterial zu visualisieren. Ein Fetalchirurg, dessen Alltag es ist, ungeborene Kinder im Bauch ihrer Mütter zu operieren, hat uns mittels eines Endoskops HD-Bildmaterial vom Fötus im Bauch einer Mutter erstellt. Diese einzigartigen Bilder, die bei diesen Operationen entstanden sind, haben wir gezeigt. 
Beim Dreh war mein primäres Ziel, das Spiel der Laien- und Profi-Darsteller unsichtbar, real und authentisch werden zu lassen. Alles andere habe ich diesem Ziel untergeordnet. Unmittelbar vor dem Dreh habe ich weder mit den Darstellern noch mit den Laien geprobt, weil mich oft der erste, unverbrauchte Moment interessiert. Beim Dreh sind wir dem Drehbuch gefolgt, haben aber jeden Impuls, jede spontane Idee für Improvisation verfolgt. Mir war wichtig, dass die Darsteller den Dialog nie so sprechen, wie er im Drehbuch steht. Sie sollten es auf ihre eigene Weise tun, sie selbst sein. Diese Arbeitsweise wirkt sich auf jedes Department aus. Damit ein freies Bewegen der Personen im Raum möglich war, hat mein Kameramann die Spielorte 360 Grad eingeleuchtet; die Szenenbildner haben ein komplett eingerichtetes Wohnhaus kreiert, das sich die Darsteller vor dem Dreh zu eigen machen konnten. Orte, die sie vor den Szenen nicht betreten haben, wurden vorher nicht betreten. Menschen, die sie nie getroffen haben, wurden vor dem Dreh nicht getroffen.

"24 Wochen" soll sich selbst erlauben, in seiner Intensität und Härte offen zu sprechen. Ich versuche, in minutiöser Genauigkeit, Direktheit und Wucht zu erzählen. Denn auch das gehört in letzter Konsequenz zur Realität. Das Drehbuch sah ich als Skizze, als leere Hülle, die ich in der Inszenierung zusammen mit den Darstellern gefüllt habe. Mich interessieren die wahren, realen Momente, da wo etwas im Spiel der Laien und Darsteller entsteht, da wo sie elektrisiert, instinktiv, ja primitiv sind. Ich füttere sie mit Überraschungen, sobald es bequem für sie wurde, empfand ich es fad und unbrauchbar für unseren Film.

Letztlich beschreibt unser Film das Spannungsfeld, in dem sich nicht nur Familien, sondern auch der Gesetzgeber positionieren muss. Er stellt das Recht auf Selbstbestimmung der Frau dem Recht auf Leben des ungeborenen Kindes gegenüber. Astrid ist eine starke Frau, die auf alles eine Antwort weiß. So wie die Frauen, die ich bei meiner Recherche kennengelernt habe, werfe ich sie in eine Situation, in der es keine klare Antwort mehr gibt. Auch die Zuschauer, die für sich entschieden haben, dass sie Abtreibungen ablehnen, sollen einer Frau emotional folgen, die genau das tut, was sie möglicherweise verteufeln. Es ist eine Extremsituation, die zu einer extremen Entscheidung führt. Meiner Erfahrung nach entscheiden die meisten Frauen anders, als sie im Vorfeld, aus dem "Trockenen" heraus, prognostiziert haben. Dieser Fakt interessiert mich, denn, wie die Hebamme Yvonne vor der Abtreibung zu Astrid sagt: "Diese Entscheidung können wir nur treffen, wenn wir sie treffen müssen." Astrid und Markus gehen von Arzt zu Arzt, von Untersuchung zu Untersuchung, sind in einer Maschinerie, in einem System gefangen. Sie durchlaufen ein vom Staat konstruiertes Auffangbecken und sind trotzdem allein, denn diese schwierige Entscheidung kann ihnen niemand abnehmen. Astrid schaut uns, den Zuschauern, manchmal in die Augen, sie schaut uns an und fragt uns: Was würdest du machen?

Festivals und Auszeichnungen (Auswahl)
- Internationale Filmfestspiele Berlin 2016 (Weltpremiere): Gilde-Filmpreis als bester Wettbewerbsbeitrag der Berlinale
- Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2016: Preis für die Beste Regie, Publikumspreis und Förderpreis der DEFA-Stiftung
- Studio-Hamburg-Nachwuchspreis 2016 in der Kategorie Beste Regie
- Deutscher Filmpreis 2017: Filmpreis in Silber in der Kategorie Bester Spielfilm
- Nominierungen in den Kategorien beste Regie, bestes Drehbuch und beste
weibliche Hauptdarstellerin.

Biografie Anne Zohra Berrached (Buch und Regie)
Anne Zohra Berrached ist 1982 in Erfurt geboren. Nach ihrem Abschluss als Dipl. Sozialpädagogin in Frankfurt am Main arbeitete sie zwei Jahre lang als Theaterpädagogin in London. Ihr erster Kurzfilm, "Der Pausenclown", wurde im WDR ausgestrahlt und eröffnete ihr den Weg an die Filmhochschule. Ab 2009 studierte sie Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Bereits im dritten Jahr ihrer Studienzeit entstand ihr erster fiktionaler Langfilm, "Zwei Mütter", mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel, der 2013 auf den 63. Berlinale seine Welturaufführung feierte. Auch ihr zweiter Langfilm, "24 Wochen", ebenfalls eine Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel, feierte seine Weltpremiere als einziger deutscher Beitrag im Wettbewerb der Berlinale 2016 und kam in 16 Ländern in die Kinos. Anne Zohra Berrached erhielt für ihre Arbeit an "24 Wochen" unter anderem vier Regie-, drei Drehbuchpreise und den Deutschen Filmpreis in Silber. Ihr jüngster Film, "Die Welt wird eine andere sein" (2021), erhielt den Hauptpreis der Feature Film Competition und der Popular Jury beim Lucca Film Festival und wurde im Rahmen der Berlinale 2021 für den Panorama-Publikumspreis nominiert. Außerdem führte Berrached von 2017 bis 2022 bei mehreren "Tatort"-Folgen Regie.

Systemsprenger

Systemsprenger
Spielfilm, Deutschland 2019

Montag, 24. April 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
16 Tage ab Freitag, 3. März 2023, und 16 Tage ab Freitag, 21. April 2023 in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Nora Fingscheidt
Kamera                              Yunus Roy Imer
Schnitt                               Stephan Bechinger, Julia Kovalenko
Ton                                     Corinna Zink, Jonathan Schorr
Musik                                 John Gürtler
Kostümbild                         Ulé Barcelos
Szenenbild                         Marie-Luise Balzer
Produzenten                       Peter Hartwig, Jonas Weydemann, Jakob Weydemann
Ko-Produzentin                  Frauke Korbmüller
Produktion                         Kineo Filmproduktion und Weydemann Bros. GmbH,
                                           in Koproduktion mit Oma Inge Film und
                                           ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Förderer                             Die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien,
                                          Deutscher Filmförderfonds, Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein,
                                          Medienboard Berlin-Brandenburg, nordmedia,
                                          Kuratorium junger deutscher Film
Redaktion                          Burkhard Althoff (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Besetzung
Benni                                 Helena Zengel
Micha                                 Albrecht Schuch
Frau Bafané                        Gabriela Maria Schmeide
Bianca, Bennis Mutter        Lisa Hagmeister
Erzieher Robert                  Tedros Teclebrhan
Pflegemutter Silvia             Victoria Trauttmansdorff
Michas Frau Elli                  Maryam Zaree
Dr. Schönemann                 Melanie Straub
Jens                                   Roland Bonjour
Heimleiterin Redekamp       Barbara Philipp
Lehrerin                              Gisa Flake
und andere

Inhalt
Laut, wild, unberechenbar: Benni! Die Neunjährige treibt ihre Mitmenschen zur Verzweiflung. Dabei will sie nur eines: wieder zurück nach Hause.

Benni heißt eigentlich Bernadette. Aber wehe, jemand nennt sie so. Pflegefamilien, Wohngruppen, Sonderschule: Alles hat Benni schon hinter sich, und überall fliegt sie wieder raus. Die äußerlich zarte Neunjährige ist jetzt schon das, was man beim Jugendamt einen "Systemsprenger" nennt. Doch das ist Benni egal, denn sie hat nur ein Ziel: wieder bei Mama wohnen. Aber Bianca ist völlig überfordert mit ihrer Tochter. Die warmherzige Frau Bafané vom Jugendamt droht zu verzweifeln. Niemand will Benni mehr aufnehmen. Von der Schule ist sie dauerhaft suspendiert. Nicht einmal der Alltag mit ihr ist zu schaffen: Wegen traumatischer Erfahrungen in frühester Kindheit darf niemand ihr Gesicht berühren. Frau Bafané wagt ein letztes Experiment und engagiert Micha, einen Anti-Gewalt-Trainer für straffällige Jugendliche. Nach anfänglichem Widerstand lässt Benni sich auf Micha ein, und statt einer erneuten Einweisung in die Kinderpsychiatrie ermöglicht er ihr einen gemeinsamen Aufenthalt in der Natur. Drei Wochen Erlebnispädagogik, ohne Strom und fließendes Wasser. Die Zeit im Wald stellt nicht nur Benni, sondern auch Micha auf eine harte Probe. Der sonst so selbstbewusste Mann kommt an seine Grenzen. Doch es gelingt ihm schließlich, ein Erlebnis für Benni zu schaffen, auf das sie stolz sein kann, und einen wirklichen Zugang zu ihr zu finden. Zurück in der "Zivilisation" klammert Benni sich an Micha und möchte bei ihm bleiben. Aber Micha hat eine eigene Familie und erkennt, dass er seine professionelle Distanz verliert. Als Bennis Mutter plötzlich wieder auftaucht, nehmen die Dinge ihren eigenen Lauf.

Bereits Nora Fingscheidts Dokumentarfilm "Ohne diese Welt", ihr Abschluss an der Filmakademie Baden-Württemberg, entstand gemeinsam mit dem Kleinen Fernsehspiel und wurde 2017 unter anderem mit dem Max-Ophüls-Preis und dem First Steps Award ausgezeichnet. Die Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel wurde mit dem Sozialdrama "Systemsprenger" fortgesetzt, das 2019 auf der Berlinale uraufgeführt und mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Dem folgten 2020 acht Deutsche Filmpreise sowie zahlreiche auch internationale Film- und Festivalpreise. Nach diesem Erfolg wurde Nora Fingscheidt 2020 mit der Regie an ihrer ersten englischsprachigen Netflix-Produktion, "The Unforgivable", betraut, in der die US-Schauspielerin Sandra Bullock die Hauptrolle spielt. Nora Fingscheidts neue Regiearbeit "The Outron" soll 2023 in die Kinos kommen.

Regiekommentar Nora Fingscheidt (2019)
Mich faszinieren Kinder, die nicht zu bändigen sind und die vor Lebensenergie nur so strotzen. Kinder, die mit voller Wucht unsere Vorstellung von einem liebenswerten und "systemkonformen" Kind erschüttern. Als wir vor sechs Jahren einen Dokumentarfilm über ein Heim für wohnungslose Frauen in Stuttgart drehten, hörte ich zum ersten Mal den inoffiziellen, aber in der Jugendhilfe gängigen Begriff "Systemsprenger". Die Bewohnerin, die an diesem Tag einzog, war erst 14 Jahre alt. Keine Institution der Jugendhilfe wollte sie mehr aufnehmen.

Es folgte eine lange Zeit der Recherche und des Schreibens, ein Prozess, der mich immer wieder an meine persönlichen Grenzen brachte und doch persönlich bereicherte. "Systemsprenger" sind Kinder mit unglaublicher Kraft und Ausdauer. Aber sie sind tragische Figuren, weil sie so früh schon Schlimmes erleben müssen und ihre Chancen für die Zukunft aufs Spiel setzen. Wie viel Energie braucht jemand, um pädagogisch ausgebildete Erwachsene immer wieder in die Verzweiflung zu treiben? Was, wenn es möglich wäre, diese Energie konstruktiv umzuleiten? Und was ist das eigentlich für ein "System", das am Ende ja auch aus Menschen besteht, die helfen wollen, aber immer wieder vor Hindernisse gestellt werden?

Nicht selten begegnet die restliche Gesellschaft den "Systemsprengern" erst später, wenn sie im schlimmsten Fall als junge Erwachsene gewalttätig werden. Dann werden sie schnell als "Täter" verurteilt. Allerdings bringt uns die Grenze, die wir zwischen Tätern und Opfern so gerne ziehen, nicht weiter. Jedenfalls nicht, wenn wir den Kindern helfen wollen. Wir haben diesen Film gemacht, um Verständnis für Kinder wie Benni zu wecken. Der Strudel aus Wohnorten, der dauerhafte Wechsel von Bezugspersonen. Wie soll ein Kind, dessen einzige Kontinuität der Wechsel ist, irgendwo Halt finden? Gleichzeitig reißt Benni uns mit in die wilde und fantasievolle Welt eines Kindes, das um die Liebe seiner Mutter kämpft. Ihr Verhalten mag schockieren, doch die Zuschauer sollen sie mögen und um sie fürchten. Gewalt von Kindern ist ein Hilfeschrei. Immer.

Preise und Auszeichnungen – eine Auswahl
- 69. Berlinale: Silberner Bär 2019
- Alfred-BauerPreis für Nora Fingscheidt 2019
- Preis der Leserjury der Berliner Morgenpost 2019
- Europäischer Filmpreis 2019:  Jurypreis Beste Filmmusik für John Gürtler
- Filmfestival Baden-Baden 2019: MFG-Star für Nora Fingscheidt
- Palm Springs International Film Festival 2020: Beste Schauspielerin in einem internationalen Spielfilm
- FIPRESCI-Preis 2020 für Helena Zengel
- Deutscher Filmpreis Lola 2020:

  • Bester Spielfilm – Jonas Weydemann, Jakob Weydemann, Peter Hartwig, Frauke Korbmüller
  • Beste Regie – Nora FingscheidtBestes Drehbuch – Nora Fingscheidt
  • Beste weibliche Hauptrolle – Helena Zengel
  • Beste männliche Hauptrolle – Albrecht Schuch
  • Beste weibliche Nebenrolle – Gabriela Maria Schmeide
  • Beste Tongestaltung – Gregor Bonse, Dominik Leube, Jonathan Schorr, Oscar Stieblitz, Corinna Zink
  • Bester Schnitt – Stephan Bechinger, Julia Kovalenk

Biografie Nora Fingscheidt (Buch und Regie)
Nora Fingscheidt, geboren 1983, engagierte sich ab 2003 beim Aufbau der selbst organisierten Filmschule filmArche in Berlin. 2008 bis 2017 studierte sie Szenische Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Ihr Zweitjahresfilm "Synkope" (2010) wurde für den Deutschen Kurzfilmpreis nominiert, ihr Abschluss-Dokumentarfilm "Ohne diese Welt" (2017 mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel) wurde unter anderem mit dem Max-Ophüls-Preis und dem First Steps Award ausgezeichnet. "Systemsprenger" (2019 mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel), ihr erster Langspielfilm, erhielt unter anderem den Silbernen Bären der Berlinale 2019 sowie zahlreiche weitere nationale und internationale Preise. Nach diesem Erfolg wurde Nora Fingscheidt 2020 mit der Regie an ihrer ersten englischsprachigen Netflix-Produktion, "The Unforgivable", betraut, in der die US-Schauspielerin Sandra Bullock die Hauptrolle spielt. Nora Fingscheidts neue Regiearbeit, "The Outron", soll 2023 in die Kinos kommen.  

To Show or Not to Show

To Show or Not to Show
Dokumentarfilm, Deutschland 2023

Montag, 1. Mai 2023, 0.20 Uhr, im ZDF
ab Freitag, 28. April 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Produzent                   Rosenpictures
Produzent                   Ray Peter Maletzki, Stephan Helmut Beier
Buch und Regie          Jana Keuchel, Katharina Knust
Kamera                       Ray Peter Maletzki
Schnitt                        Jana Keuchel, Katharina Knust
Szenenbild                  Oliver Reinecke, Matthias Zänsler
Ton                              Alejandro Weyler
Maske                         Kathleen Schapals
Producerin                  Ayla Güney
Produzenten               Ray Peter Maletzki, Stephan Helmut Beier
Produktion                  Rosenpictures im Auftrag von ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Redaktion                   Melvina Kotios (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Protagonistinnen und Protagonisten
Benito Bause, Sarah Blaßkiewitz, Jutta Brückner Mehmet Akif Büyükatalay, Maya Constantine und Angelika Levi.

Inhalt
"To Show or Not to Show” von Katharina Knust und Jana Keuchel entstand anlässlich des 60. Jubiläums der Redaktion Das kleine Fernsehspiel. Filmschaffende erzählen in diesem essayistischen Dokumentarfilm von ihren Erfahrungen in der Branche, über Erfolg, das Scheitern und soziale Teilhabe durch das Medium Film. Dabei werden sie mit ihren und den Filmen anderer konfrontiert. Ohne jemals im selben Raum zu sein, entsteht ein aktiver Dialog zwischen den einzelnen Akteurinnen und Akteuren, der ganz unterschiedliche Perspektiven aus 60 Jahren Filmgeschichte des Kleinen Fernsehspiels ermöglicht. 

Unterschiedliche Regisseurinnen und Regisseure, Schauspielerinnen und Schauspieler und Redakteurinnen und Redakteure sprechen über ihre eigene Perspektive, die sie auf die Filmbranche haben, über die Möglichkeiten des Sich-Zeigens und des Gesehen-Werdens durch Film. Dabei begegnen sie sich nicht persönlich, sondern über ihre Interviewausschnitte und Filmszenen aus der Geschichte der Redaktion, die sie gegenseitig anschauen und kommentieren. "To Show or Not to Show" ist auf diese Weise ein filmisches Experiment, das ein Wechselspiel an Perspektiven ermöglicht und verbindende Elemente über Generationen hinweg schafft, um letztendlich einem gemeinsamen Kern nachzuspüren: Wer wird gesehen und wer darf sich zeigen? Wer fühlt sich berufen und wer wird übersehen? Und vor allen Dingen: Wie prägen Film- und Fernsehbilder die Gesellschaft, und wer gelangt in die Position, diese zu kreieren?

Die Filmszenen, anhand derer diese Fragen von Teilhabe beim Filmemachen reflektiert werden, stammen aus "Hungerjahre" (1980) von Jutta Brückner, "Mein Leben Teil 2" (2003) von Angelika Levi, "Die Prüfung" (2016) von Till Harms, "Oray" (2019) von Mehmet Akif Büyükatalay und "Ivie wie Ivie" (2019) von Sarah Blaßkiewitz.

Die Filme, deren Ausschnitte in "To Show or Not to Show" angesprochen und gezeigt werden, sind ebenfalls in der ZDFmediathek verfügbar.

Biografien der Regisseurinnen

Jana Keuchel und Katharina Knust arbeiten seit ihrem Studium der Medienkunst und Visuellen Kommunikation an der Bauhaus-Universität Weimar zusammen. Sie sind Absolventinnen des PMMC Lab 2015/16 der Werkleitz Gesellschaft. Neben ihrer Arbeit als Filmschaffende sind beide als Dozentinnen für Film tätig. Ihre Werke wurden auf internationalen Festivals gezeigt, darunter DOK Leipzig, Max Ophüls Preis und Sheffield Doc/Fest. Der abendfüllende künstlerische Dokumentarfilm "Letztes Jahr in Utopia" (2018) hatte seine Weltpremiere im Wettbewerb des CPH:DOX und wurde mit dem Basler Filmpreis ausgezeichnet. "To Show or Not to Show" ist der zweite gemeinsame Langfilm von Jana Keuchel und Katharina Knust.

Hungerjahre – in einem reichen Land

Hungerjahre – in einem reichen Land
Spielfilm, Deutschland 1980

ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Jutta Brückner
Kamera                              Jörg Jeshel, Rainer März
Schnitt                               Anneliese Krigar
Ton                                    Michael Loy, Michael Mladenovic
Szenenbild                         keine Angaben
Musik                                 Johannes Schmölling
Kostüme                            Reinhild Paul, Monika Grube
Produzentin                       Jutta Brückner
Produktion                         Jutta Brückner-Filmproduktion in Koproduktion mit ZDF
Förderer                             Berliner Filmförderung
Redaktion                          Sybille Rahn (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Besetzung
Ursula                                Britta Pohland
ihre Mutter                         Sylvia Ullrich
ihr Vater                             Klaus Jurichs
Mutter des Vaters               Hilla Preuss
Mutter der Mutter               Heidi Joschko
Lehrerin                             Helga Lehner
Tante Erna                         Viola Recklies
Geliebte des Vaters            Cordula Hubrich
und andere

Inhalt
Die 13-jährige Ursula Scheuner wächst als einziges Kind einer kleinbürgerlichen Familie in der Adenauer-Ära heran. Zunehmend führt die Pubertät das Mädchen in Konflikte mit ihren Eltern und ihrer Umgebung.

Ursula lebt als 13-Jährige in den 1950er-Jahren in Deutschland. Sie soll in Zeiten des Kalten Krieges erwachsen werden, weiß aber nicht, wie. Die Hassliebe zu ihrer Mutter ist dabei keine Hilfe. Ursula liebt ihre Eltern, aber in ihrer Pubertät wird sie konfrontiert mit der politischen Unentschlossenheit und den privaten Lügen ihres Vaters, der eine Affäre hat. Auch der eiserne Konsumwille und die angstvolle Sexualfeindlichkeit der Mutter machen ihr zu schaffen. Die Bundesrepublik Deutschland der 50er-Jahre war nach dem Krieg nur noch ein halbes Land. Alte Werte wurden hochgehalten und neue Waren konsumiert. Das Wort "Freiheit" wurde totgebrüllt. In dieser Zeit spielt "Hungerjahre – in einem reichen Land". Der Filmerzählt von der zerstörerischen Hassliebe zwischen einer Mutter und ihrer Tochter: von zwei Frauen, die sich weigern, ihre gegenseitigen Erwartungen zu erfüllen, und doch aneinanderhängen. Von einem Mädchen, das erwachsen werden soll, aber nicht weiß, wie. Von einer Zeit, in der der Kalte Krieg an allen Fronten herrschte.

"Hungerjahre - in einem reichen Land" war bereits der dritte Film, den Jutta Brückner 1980 mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel umsetzte. Der Film hatte auf der Berlinale 1980 Weltpremiere und erhielt im Rahmen der Filmfestspiele den Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI, 1981 auch den Preis der Deutschen Filmkritik. Brückners erster eigener Film als Autorin, Regisseurin und Produzentin, "Tue recht und scheue niemand", wurde bereits 1975 gemeinsam mit dem Kleinen Fernsehspiels realisiert. Nach diesem Debüt folgte mit "Ein ganz und gar verwahrlostes Mädchen" (1977) die nächste Zusammenarbeit mit der Redaktion. Jutta Brückners umfangreiches Schaffen wurde vielfach national und international ausgezeichnet. Von 2009 bis 2015 war sie Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste. Sie ist eine der Protagonistinnen des Kleinen Fernsehspiels "To Show or Not to Show", den das ZDF am Montag, 1. Mai 2023, ausstrahlt und der sich mit der Frage von Teilhabe beim Filmemachen auseinandersetzt.

Festivals und Preise – eine Auswahl
- Berlinale 1980: Weltpremiere
- Berliner Filmfestspielen 1980: Preis der Internationalen Filmkritik FIPRESCI
- Preis der Deutschen Filmkritik, 1981

Biografie Jutta Brückner
Jutta Brückner wurde 1941 in Düsseldorf geboren und lebt in Berlin. Nach dem Abitur 1959 studierte sie in Köln, Berlin, Paris und München Politikwissenschaft, Geschichte und Philosophie. 1973 promovierte sie. Bereits ab 1970 wandte sich Brückner der Filmwelt zu und schrieb Seriendrehbücher für die Bavaria, das Drehbuch für Ula Stöckls Film "Eine Frau mit Verantwortung" und Volker Schlöndorffs Film "Der Fangschuss". Ihr erster eigener Film als Autorin, Regisseurin und Produzentin, "Tue recht und scheue niemand", wurde 1975 gemeinsam mit der Redaktion ZDF/Das kleine Fernsehspiel realisiert. Nach diesem Debüt war "Ein ganz und gar verwahrlostes Mädchen" (1977) die nächste Zusammenarbeit mit der Redaktion ZDF/Das kleine Fernsehspiel, mit der auch "Hungerjahre - in einem reichen Land" (1980) entstand. Weitere Filme von Jutta Brückner waren die Episoden "Luftwurzeln" aus "Die Erbtöchter" (1983) und "Kolossale Liebe" (1984). Für "Ein Blick und die Liebe bricht aus" (1988) erhielt sie den Preis der Deutschen Filmkritik. Spätere Werke von Brückner sind unter anderem "Lieben sie Brecht?", "Bertolt Brecht – Liebe, Revolution und andere gefährliche Sachen" (1998) und "Hitlerkantante" (2004), ihr letzter Film als Regisseurin. Jutta Brückners umfangreiches Schaffen wurde vielfach national und international ausgezeichnet. Von 2009 bis 2015 war sie Direktorin der Sektion Film- und Medienkunst der Akademie der Künste. Sie ist eine der Protagonistinnen des Kleinen Fernsehspiels "To Show or Not to Show".

Oray

Oray
Spielfilm, Deutschland 2019

ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Mehmet Akif Büyükatalay
Kamera                              Christian Kochmann
Ton                                    Armin Badde
Schnitt                               Denys Darahan
Szenenbild                         Jeannette Bastisch
Kostüme                            Marisa Lattmann
Produzenten                       Bastian Klügel, Claus Reichel
Produktion                         Eine Produktion von filmfaust in Koproduktion
                                          mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel, Kunsthochschule
                                          für Medien Köln und Mehmet Akif Büyükatalay
Förderer                             Film- und Medienstiftung NRW
Redaktion                          Christian Cloos (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
Länge                                circa 97 Minuten

Besetzung
Oray                                  Zejhun Demirov
Bilal                                   Cem Göktaş
Burcu                                 Deniz Orta
Tanju                                  Faris Yüzbaşıoğlu
Ebu Bekir                           Mikael Bajrami
Abdussamed                      Fırat Barış Ar
Muhammed                        Kais Setti
Süleyman                           Ferhat Keskin
und andere                        

Inhalt
Der Spielfilm erzählt die Geschichte eines jungen frommen Muslims im Konflikt zwischen seinen weltlichen Bedürfnissen und den strengen Glaubensregeln seiner Kölner Moschee-Gemeinde.

Oray, ein junger Muslim aus Hagen, lebt bei seiner Ehefrau Burcu. In einem Streit mit ihr spricht er die islamische Scheidungsformel "talaq" aus. Der Imam seiner Heimatgemeinde klärt ihn über die Konsequenzen auf: Oray muss sich für drei Monate von ihr trennen. Er nutzt die Zwangspause für einen Neuanfang – er zieht nach Köln, um dort für Burcu und sich ein neues Leben aufzubauen. Dort findet er einen Job auf einem Trödelmarkt und eine neue Gemeinde, die vom jungen Imam Bilal geleitet wird. Bald fängt er an zu predigen und ist beliebt bei allen, was bei Bilal Neid auslöst. Als Burcu Oray überraschend besucht, merken sie, dass die Pause ihnen gutgetan hat. Sie lieben sich nach wie vor. Deshalb fragt er Bilal um Rat. Doch dieser vertritt eine strengere Auslegung des islamischen Rechts: Das Aussprechen von "talaq" bedeutet nicht nur eine Beziehungspause, sondern die endgültige Scheidung. Oray verdrängt Bilals Forderung. Er ist hin- und hergerissen zwischen seinem Glauben an die Liebe und seiner Liebe zum Glauben. Die Anspannung zwischen Bilal und Oray endet in einem heftigen Streit, woraufhin Oray die Gemeinde verlässt. Als Oray nach Hagen zurückkehrt, vereinsamt er. Oray muss eine Entscheidung treffen – für seine Liebe oder für seinen Glauben.

"Oray" ist der Abschlussfilm von Mehmet Akif Büyükatalay an der Kölner Kunsthochschule für Medien, koproduziert von ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Der Film feierte auf der Berlinale 2019 seine Welturaufführung und wurde dort mit dem "GWFF Best First Feature Award" ausgezeichnet. Momentan arbeitet Mehmet Akif Büyükatalay an seinem Debütfilm "Hysteria", der wieder in Koproduktion mit dem Kleinen Fernsehspiel entsteht. Er ist auch einer der Protagonistinnen und Protagonisten des essayistischen Dokumentarfilms "To Show or Not to Show", den das ZDF am 1. Mai 2023 ausstrahlt und der sich mit der Frage von Teilhabe beim Filmemachen auseinandersetzt.

Preise und Auszeichnungen (Auswahl)
- Berlinale 2019: GWFF Best First Feature Award
- FIRST STEPS Award 2018 Götz-George-Nachwuchspreis für Zejhun Demirov
- Cristina-Soldano-Preis beim European Film Festival Lecce, 2019
- Götz-George-Nachwuchspreis für Zejhun Demirov, 2018

Biografie Mehmet Akif Büyükatalay (Regie)
Mehmet Akif Büyükatalay wurde 1987 in Bad Hersfeld geboren und arbeitet als Regisseur und Produzent. Er studierte an der Kunsthochschule für Medien in Köln (KHM). Büyükatalay war Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes. "Oray" (2019, in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel) war sein Abschlussfilm an der KHM und feierte seine Premiere auf der Berlinale 2019, wo er mit dem "GWFF Best First Feature Award" ausgezeichnet wurde. Mit seiner Produktionsfirma filmfaust produzierte er seitdem verschiedene Filme wie zum Beispiel "Berzah" (2020) und "Aşk, Mark ve Ölüm" (2022), für den er auch als Autor tätig war. Derzeit arbeitet Mehmet Akif Büyükatalay an seinem Debütfilm "Hysteria", der wieder in Koproduktion mit ZDF/Das Kleine Fernsehspiel entsteht.

Mein Leben Teil 2

Mein Leben Teil 2
Dokumentarfilm, Deutschland 2003

ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                 Angelika Levi
Kamera                              Antje Schäfer, Angelika Levi, Markus Otto
Schnitt                               Angelika Levi
Ton                                     Inger Schwarz, Ulrike Vetter, Anja Fix
Musik                                 Marta Monserrat
Produzentin                        Angelika Levi
Förderer                              gefördert mit Mitteln des Filmbüro NW mit
                                           Unterstützung Künstlerinnenprogramm des
                                           Kultursenats Berlin
Länge                                  90 Minuten          

Protagonistinnen und Protagonisten

Robert Levi, Ursula Becker Levi, Johannes Becker, Thomas Becker Levi

Inhalt

In ihrem essayistischen Dokumentarfilm rekonstruiert Angelika Levi den Lebensweg ihrer jüdischen Mutter, die die Nazizeit in Deutschland überlebt hat, und erforscht dabei ihre eigene Geschichte.

Als 1996 Ursula Becker, geborene Levi, stirbt, hinterlässt sie ihrer Tochter, der Filmemacherin Angelika Levi, ein umfangreiches Archiv von Fotos, Tagebüchern, wissenschaftlichen Arbeiten, Briefen, Filmaufnahmen, Zeitungsartikeln und Tonbandprotokollen. Die Nachricht, dass ihre Mutter Karla im Sterben liegt, erreicht Angelika Levi in Chile. Dorthin war Ursula Levi mit ihrer Mutter nach dem Zweiten Weltkrieg ausgewandert, nachdem beide die Nazizeit in Hamburg überlebt hatten. Dort traf sie ihren Vater Robert Levi wieder, der bereits 1938 aus Deutschland geflohen war und dem sie jetzt von der fast vollständigen Ermordung seiner Familie berichten musste. Dort wurde Ursula Levi Botanikerin und erste Ökologin Chiles, und dorthin zog es immer wieder die Tochter Angelika, die nie verstehen konnte, warum die Mutter Ende der 50er-Jahre nach Deutschland zurückgekehrt war.

Angelika Levi geht in ihrem essayistischen Dokumentarfilm dieser Frage nach und rekonstruiert aus dem Nachlass ihrer Mutter deren weiteren Lebensweg auch nach der Zeit in Chile. Sie erzählt von der Heirat mit einem evangelischen Theologiestudenten, den Schwierigkeiten, sich in die Rolle als Pfarrfrau einzufügen, und dem Misstrauen gegenüber den Deutschen der Täter- und Mitläufergeneration sowie von der Geburt der beiden Kinder, den bald folgenden schweren Erkrankungen und ihrem Überlebenskampf. Und von den Problemen nach langen Krankenhausaufenthalten und mit starken körperlichen Einschränkungen wieder einen Platz in der Familie zu finden, und schließlich von der Einsamkeit, den Verfolgungsgefühle und den Vorwürfen gegenüber Mann und Kindern.

"Mein Leben Teil 2" ist ein Film über die Präsenz von Geschichte und über Traumata, die in immer neuer Gestalt – auch über Generationen hinweg – wiederkehren, ein Film, der nach der Möglichkeit jüdisch-deutscher "Normalität" und nach der Positionierung der zweiten Generation Überlebender in Deutschland fragt. Und es ist das Porträt einer faszinierenden Frau, die sich mit Mut, Witz und Wut trotz aller schwieriger Lebenserfahrungen immer wieder für das Leben entschieden hat.

"Mein Leben Teil 2" wurde 2003 erstaufgeführt in der Sektion Internationales Forum des Jungen Films der Berlinale und war die erste Zusammenarbeit Levis mit dem Kleinen Fernsehspiel. Der Film gewann diverse Preise, unter anderem den Preis des Jüdischen Filmfestivals in Warschau und den Förderpreis der Stadt Duisburg. Auch ihren nächsten Film, "Absent Present" (2010), realisierte Levi mit dem Kleinen Fernsehspiel. Er hatte Premiere beim 8. Women's Filmfestival in Barcelona. Angelika Levi ist auch eine der Protagonisten des essayistischen Kleinen Fernsehspiels "To Show or Not to Show", den das ZDF am 1. Mai 2023 ausstrahlt und der sich mit der Frage von Teilhabe beim Filmemachen auseinandersetzt.

Regiestatement Angelika Levi (2003)
Zu meinem 18. Geburtstag überreichte mir meine Mutter ein Papier mit 10 Punkten, das sie mir als Vermächtnis auf meinen Weg mitgab. Punkt 1 lautet: "Der Sinn unseres Lebens ist Evolution, hin zur Vollendung. Nichts was entsteht und gut ist wird weggeworfen. Es wird auf das schon Erreichte aufgebaut. Du stammst von Josefs Bruder Levi ab, der vor 3000 Jahren lebte." Meine Mutter sammelte und archivierte ihre eigene Geschichte. Ich habe sie geerbt und daraus einen Film gemacht. Der Schwerpunkt ist die Wahrnehmung, das Vermächtnis und das Umgehen mit Geschichte. "Ich bin die letzte aus dieser Familie", sagt meine Mutter. "Nun kommen die noch", sagt sie, und meint meinen Bruder und mich. Anhand von Gegenständen, Fotos, Ton- und Filmaufnahmen erzähle ich was in der Familie erzählt und auch nicht erzählt wurde. Der Film handelt von Traumatisierung und gleichzeitig davon, wie auf Makro- und Mikroebenen Geschichte dauernd produziert, archiviert, in Diskurs gebracht und eingeordnet wird und darüberhinaus wie ich selber weiter sammelte, damit alles zusammen eine Erzählung ergibt.

Preise und Festivals – eine Auswahl
- Berlinale, 2003 (Weltpremiere)
- Förderpreis der Stadt Duisburg 2003
- Jewish Filmfestival Warsaw, 2003: Preis für langen Dokumentarfilm
- Publikumspreis der Lesbisch Schwulen Filmtage Hamburg, 2003

Biografie Angelika Levi

Angelika Levi, 1961 in Bad Godesberg geboren, studierte von 1985 bis 1992 Kamera an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin. In ihren Filmen setzte sie sich mit der jüdischen sowie mit der feministischen Kultur auseinander. "Mein Leben Teil 2" (2003) ist ihr erster Langfilm und auch ihre erste Zusammenarbeit mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Der Film feierte auf der Berlinale Premiere feierte und gewann unter anderem den Preis des Jüdischen Filmfestivals in Warschau. Auch ihren nächsten Film, "Absent Present", realisierte Levi mit dem Kleinen Fernsehspiel. Weitere Werke von ihr sind unter anderem "The Children of Srikandi" (2012), "Miete Essen Seele auf" (2016). Ihr jüngster Langfilm ist "The Nancys” aus dem Jahr 2019. Neben ihrer Tätigkeit als Regisseurin arbeitet Angelika Levi auch als Dozentin.

Die Prüfung

Die Prüfung
Dokumentarfilm, Deutschland 2016

ab Freitag, 3. März 2023, ein Jahr lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                  Till Harms
Kamera                               Börres Weiffenbach, Anne Misselwitz, Istvan Imreh
Schnitt                               Sybille Eckhardt
Ton                                     Henrik Cordes, Antje Volkmann, Helge Haack, Olaf Krohn
Musik                                 Eike Gronewoldt
Produzenten                       Martin Heisler
Produktion                         Lichtblick Media Berlin in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Förderer                             Nordmedia
Redaktion                          Christian Cloos, ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Länge                                 circa 96 Minuten

Die Protagonistinnen und Protagonisten
Die Prüferinnen und Prüfer: Ester Berias, Carolin Eichhorst, Titus Georgi, Onno Grohmann, Stephan Hintze, Jan Konieczny, Burkhard Niggemeier, Nora Somaini, Stefan Wiefel und andere

Die Bewerberinnen und Bewerber: Benito Bause, Lucas Franken, Danijel Gavrilovic, Patrick Gees, Anna-Lena Hitzfeld, Leon Hoge, Svenja Koc, David Lau, Moritz Leu, Swantje Riechers, Isabel Tetzner, Jing Xiang und dandere

Inhalt
Was passiert hinter den Kulissen einer Schauspielschule? "Die Prüfung" wirft einen seltenen Blick in eine Welt aus Sehnsüchten, professionellen Ansprüchen und Konflikten untereinander.

Der Dokumentarfilm beobachtet das Auswahlverfahren der Schauspielschule Hannover aus Sicht der Prüfer von der ersten Runde bis zur finalen Entscheidung. 687 Bewerber, zehn Plätze, neun Dozenten. Zehn Tage lang höchste Anspannung bei allen Beteiligten. Die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule ist nicht nur eine besondere Herausforderung für die Bewerber, sondern auch eine außerordentliche Belastungsprobe für das Kollegium. Denn der Kampf um den talentierten Nachwuchs wird von den Prüfern mindestens ebenso leidenschaftlich und engagiert geführt wie der Kampf der Bewerber um einen der raren Plätze. Ganz nah an den Dozenten und Professoren, richtet der Film den Fokus auf die unbekannte Seite: die der Prüfungskommission. Der Zuschauer hat die Möglichkeit, sich selbst ein Urteil über die Auswahl- und Bewertungskriterien zu bilden. Konventionelle Vorstellungen über Prüfer und Prüflinge geraten ins Wanken. Man lernt die Kommissionsmitglieder als Menschen kennen, die sich und ihre Maßstäbe ständig hinterfragen und leidenschaftlich für ihre persönlichen Favoriten kämpfen. Das erste Mal öffnet sich in Deutschland ein solches Auswahlgremium und zeigt sich unzensiert vor der Kamera. Drei Jahre Vorarbeit waren nötig, bis dem Filmemacher Till Harms alle Türen der Hochschule offenstanden.

Der Dokumentarfilm von Till Harms entstand in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel und feierte auf der Berlinale 2016 in der Sektion Perspektive Deutsches Kino Premiere. Nach "11 und 12" war es Till Harms zweiter langer Dokumentarfilm. Einer der Protagonisten des Films ist der damalige Schauspielschulen-Bewerber und heutige Schauspieler Benito Bause (unter anderem einer der Hauptdarsteller der ZDFneo-Serie "Doppelhaushälfte"). Er ist auch Gesprächspartner im essayistischen Dokumentarfilm "To Show or Not to Show", den das ZDF am 1. Mai 2023 ausstrahlt und der sich mit der Frage von Teilhabe beim Filmemachen auseinandersetzt.

Interview mit Regisseur Till Harms (2016)

Till, wie bist Du auf das Thema gekommen?
Jeder, der eine Prüfung an einer Kunsthochschule gemacht hat und nicht beim ersten Mal genommen wurde, kennt doch dieses Gefühl, dass die Institution einer uneinnehmbaren Festung gleicht. Diese Tage brennen sich ins Gedächtnis, und es wird gerätselt und interpretiert, woran könnte es gelegen haben, ohne darauf wirklich eine Antwort zu bekommen. Und dann kamen diese ganzen Casting-Shows im Fernsehen auf, die ja ein Zerrbild dessen sind, wonach an Schauspielschulen wirklich gesucht wird. So entstand die Idee, etwas Licht in diesen Mythos "Aufnahmeprüfung" zu bringen. Und der Rest ist im Film zu sehen. Es handelt sich, zumindest in Hannover, nicht um abgebrühte Entscheider oder zynische Richter, sondern um emotionale Kämpfer in eigener Sache auf der Suche nach den besten Bewerbern. Lustigerweise spiegelt sich genau das, wonach die Dozenten bei ihren Bewerbern suchen, in ihnen selbst wider: eben ein Feuer, fachliche Kompetenz, aber auch die Fähigkeit, andere Menschen in sich hinein schauen zu lassen. Das, was im Film als "durchlässig für Emotionen" bezeichnet wird.

War es sehr schwierig, die Genehmigung dafür zu bekommen, die Arbeit der Prüfungskommission zu beobachten? Gab es Auflagen, an die du Dich halten musstest?
Natürlich musste ich zuerst das Vertrauen der Dozenten gewinnen. Dabei hat es geholfen, dass ich früher selbst im Theater gearbeitet habe. Aber die Bedenken gingen eher in die Richtung, ob sich im Film die Kriterien abbilden, nach denen die Dozenten bei ihren Bewerbern suchen. Hier hat dann das Material eines Probedrehs die Bedenken zerstreut. Das Ganze hat sich dann aber doch über fast drei Jahre hingezogen, bis ich das erste Mal mit einer Kamera der großen Abschlussdiskussion beiwohnen durfte. Auflagen hatte ich während des Drehs keine, außer der, den "heiligen" Ablauf nicht zu stören. Die Bewerber wurden natürlich über die Dreharbeiten informiert und konnten sich vorab entscheiden. Nach der Prüfung hatten sie dann auch noch einmal die Möglichkeit, ihre Zustimmung vier Wochen lang zu widerrufen. Und als der Film fertig war, haben wir den Film den Bewerbern mit größeren Szenen gezeigt, und alle waren mit der Darstellung einverstanden. Das war erstaunlich unkompliziert.

Welcher Dokumentarfilmschule fühlst Du Dich am ehesten verpflichtet?
In vielen Dokumentarfilmen wird ja inszeniert, und sie werden auch immer geleckter. Wir wollten ganz bewusst an die Tradition des Cinema direct anknüpfen, in der ja auch das Porträtieren von Institutionen eine Tradition hat. Auch haben wir nicht in das Geschehen eingegriffen, und die Reaktionen der Dozenten sind die echten. Deshalb gibt es auch viel Handkamera im Film, einfach um möglichst schnell reagieren zu können. Und es gehörte auch zu unserem Konzept, dass sich der Zuschauer selbst positionieren muss in dem, was er sieht.

Was hast Du bei der Arbeit an dem Film über die Arbeit einer Schauspielschule gelernt?
Natürlich habe ich viel über Schauspiel gelernt. Wie sagte ein Dozent "auf der einen Seite ist es ein Handwerk und auf der anderen Seite ist es etwas zutiefst Menschliches", das macht es so faszinierend. Und dann war es doch sehr überraschend, aber auch beruhigend, dass die Entscheidungen, die gefällt werden, größtenteils viel klarer sind, als ich es mir vorher vorgestellt hatte. Auf der anderen Seite hätte ich auch nicht gedacht, dass es überhaupt so schwierig ist, zehn außerordentlich begabte Bewerber zu finden, um seine Klasse voll zu bekommen.

Was hast Du bei der Arbeit an Deinem Film über die Arbeit einer Prüfungskommission gelernt?
Die Entscheidung, wer einen Studienplatz bekommt und wer nicht, ist letztlich eine Gruppenentscheidung. Und es ist ja auch ein Ensemblefilm. Dabei macht es ja die Qualität der Schule aus, dass es sich bei den Dozenten um solch unterschiedliche Charaktere handelt. Auch wissen die Dozenten ganz genau, wie schwer es ist, ein gerechtes Urteil zu fällen, wie viele unterschiedliche Einflüsse eine Rolle spielen und wie schnell sich persönliche Vorlieben und objektive Kriterien vermischen. Deshalb gibt es ja auch so viele Prüfungsrunden in dem Film, weil sich auch die Dozenten gegenseitig überprüfen. Aber trotz alledem unterliegen sie einer Gruppendynamik, und die war uns auch wichtig in dem Film zu zeigen. Ich glaube, ich habe auch viel über Entscheidungsprozesse gelernt.

Man sieht im Film, dass nicht alle Bewerber große Talente sind. War es schwierig, damit umzugehen?
Generell haben wir immer sehr darauf geachtet, die Bewerber nicht zu diskreditieren. Die Szene, auf die du vielleicht anspielst, in der die Bewerberin auf der Bühne fast zusammenbricht, ist jedoch eine ganz entscheidende Szene im Film. Denn sie verdeutlicht exemplarisch, um wie viel es bei den Bewerbern geht, aber auch was der Druck einer Prüfung mit den jungen Menschen macht. Auf der anderen Seite wird deutlich, wie viele Chancen die Dozenten geben und unter welcher Belastung sie stehen. Ich habe die Szene aber der Bewerberin vorher gezeigt, sie studiert auch an einer anderen Schule Schauspiel, und sie hat sich beim Gucken sofort auf die Seite der Dozentin gestellt und verstanden, dass es eine wichtige Szene für den Film ist, auch wenn es natürlich für sie nicht angenehm ist, dass wir ausgerechnet den Tiefpunkt ihrer Bewerbungskarriere mit der Kamera eingefangen haben.

Ich könnte mir vorstellen, dass Ihr für das, was Ihr zeigt, sehr viel Material drehen musstet? War es schwierig, eine Auswahl zu treffen? Nach welchen Kriterien sortiert man dann das Material?
Wir haben mit drei Kameras gedreht, da ja während so einer Prüfung alles gleichzeitig passiert, und wir nichts wiederholen konnten. Da kommen dann schnell große Mengen an Material zusammen. Dafür haben wir jetzt aber auch nur echte "Live"-Reaktionen im Film und der ganze Film kommt ohne "Schnittbilder" aus. Gefilmt haben wir circa 120 Bewerber. Die Auswahl, welche Szenen ihren Weg in den Film gefunden haben, entstand letztlich in einem langen Schnittprozess, in dem wir zuerst die einzelnen Tage der zehntägigen Prüfung durchgeschnitten haben. Am Ende blieben die Szenen, in denen etwas Exemplarisches passiert, die dabei aber auch immer mehrschichtig sind oder wo der Funke zwischen Prüfern und Bewerbern überspringt. Es geht ja auch ganz viel um Kommunikation. Und diese Szenen mussten sich nach hinten hinaus in der Abschlussdiskussion verbinden. Das klingt jetzt ganz leicht, benötigte aber eben auch eine außergewöhnlich lange Schnittzeit.

War es schwierig, einen Erzählrhythmus für den Stoff zu finden?
Von außen betrachtet passiert ständig das Gleiche am gleichen Ort. Da war es schon eine große dramaturgische Herausforderung, einen Erzählbogen zu finden, der über den ganzen Film trägt. Der Schlüssel war, die einzelnen Prüfungstage zu erzählen, dort immer neue Dozenten vorzustellen, aber auch immer eine neue Geschichte zu finden. Auch haben wir so die zunehmende Erschöpfung der Dozenten thematisieren können. Letztendlich hilft auch die natürliche, dem Prozess innewohnende Dramaturgie, durch den Film zu tragen, die schlichte Frage, wer im Finale schließlich einen Studienplatz bekommt.

Was wurde aus Benito Bause? Man sieht ihn am Ende nicht auf der Bühne.
Benito ist in Hannover aufgewachsen und bekam auch in Leipzig einen Studienplatz angeboten. Er hat lange überlegt und sich dann für die spannendere Stadt entschieden. Das Gleiche ist mit Max passiert, dem zweiten jungen Mann, der einstimmig angenommen wurde. Auch er hat sich für einen Studienplatz in Leipzig entschieden, um dort zusammen mit einem Freund anfangen zu können. Dann kam noch hinzu, dass einer der Nachrücker bereits in Salzburg angefangen hatte zu studieren. So dass Hannover plötzlich vor dem Problem stand, kurz vor Studienbeginn noch einen Platz für einen Mann zu vergeben zu haben. Sie haben dann kurzerhand eine Nachprüfung aus dem Boden gestampft und dabei auch einen Kandidaten gefunden, mit dem sie glücklich sind. Daran lässt sich aber auch ablesen, dass es über die Grenzen der einzelnen Schauspielschule hinaus einen Konsens gibt, wer talentiert ist und wer nicht. Nichtsdestotrotz unterscheiden sich die Schulen in ihrem Profil erheblich und nicht jeder Bewerber passt zu jeder Schule oder umgekehrt. Und natürlich kann es bei so einer Prüfung auch immer passieren, dass ein Talent unentdeckt bleibt.

Also doch keine Willkür?
Nein, Willkür nicht. Aber es gehört eben auch Glück dazu. Im Film erklären wir deshalb einerseits einige Kriterien, auf die geachtet wird, und andererseits erzählen wir von der Bürokratie. Es ist einfach Glück, in welche Kiste man am Morgen fällt und zu welchen Prüfern man dann kommt. Und da muss dann ein Funke überspringen. Aber die meisten der 30 Bewerber aus der Endrunde haben sich irgendwo zwischen Rostock und Graz einen Platz an einer staatlichen Schauspielschule erkämpft.

Ist dieser Film etwas für Menschen, die sich für Schauspielkunst im Allgemeinen interessieren, die gerne ins Theater oder Kino gehen?
Ich hoffe, der Film ist auch noch für andere interessant. Es ist ja auch ein Film über unsere Zeit, in der die Auswahl eine immer größere Rolle spielt, aber auch die junge Generation selbst ein immer größeres Bedürfnis hat, sich selbst darzustellen. So handelt es sich um einen exemplarischen Mikrokosmos, der viel über Auswahlprozesse erzählt. Er ist also für alle interessant, die sich bewerben, aber auch für alle, die andere Menschen beurteilen müssen. Und der Film gibt zusätzlich einen tieferen Einblick in das, was Schauspiel bedeutet. Es geht eben nicht darum, seinen Nachbarn gut nachzumachen oder sich zu verstellen, sondern darum, viel von sich preiszugeben oder die Fähigkeit, mit anderen zu kommunizieren. Interessant also für alle, die sich für Schauspieler und deren Handwerk interessieren, für alle, die gerne ins Theater gehen oder Filme anschauen. Und es ist ein Film über Mut. Den Mut der Bewerber, die eigene Angst zu überwinden, um den eigenen Traum zu erfüllen und den Mut einer Kommission, sich so ungeschminkt der Kamera zu stellen.

 Festivals – eine Auswahl
- Berlinale 2016, Sektion Perspektive Deutsches Kino
- Filmkunstfest Mecklenburg-Vorpommern 2016, Dokumentarfilmwettbewerb
- Chungmuro International Musical Film Festival 2016, Korea
- Filmfest Bremen 2016, Eröffnungsfilm
- FILMZ Festival des deutschen Kinos Mainz 2016, Dokumentarfilmwettbewerb

Biografie Till Harms (Buch und Regie)
Till Harms wurde 1970 in München geboren. Er arbeitete mehrere Jahre lang in verschiedenen Positionen im Theater (Regieassistenz, Dramaturgie, Regie, Video-Visuals), bevor er sich ganz dem Film zuwandte. Von 2005 bis 2012 arbeitete er als Lektor. Sein erster abendfüllender Dokumentarfilm "11 und 12" (1999) erzählte die Liebesgeschichte zwischen einer Dissidentin und ihrem Vernehmer bei der Staatssicherheit (IDFA 2000; 48. Leipziger Dokumentarfilmfestival Sonderreihe: Geschichten der Liebe). Der Film diente als Vorlage für den späteren grimme-preisgekrönten Fernsehfilm "12 heißt: Ich liebe dich" von Connie Walther. "Die Prüfung" (2016, war Till Harms zweiter langer Dokumentarfilm und entstand in Zusammenarbeit mit ZDF/ Das kleine Fernsehspiel.

Ivie wie Ivie

Ivie wie Ivie
Spielfilm, Deutschland 2019

ab Freitag, 3. März 2023, ein Jahr lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie                     Sarah Blaßkiewitz
Musik                                     Jakob Fensch
Schnitt                                   Emma Alice Gräf
Kamera                                  Constanze Schmitt
Szenenbild                             Maria Nickol
Ton                                        Johannes Doberenz
Kostüme                                Clara-Maria Kirchhoff
Produzentinnen/
Produzenten                          Milena Klemke, Yvonne Wellie,
                                              Jonas Weydemann, Jakob D. Weydemann
Produktionsleitung                Jana Lotze
Produktion                             Weydemann Bros. in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Förderer                                 Filmstiftung MDM, Kuratorium junger deutscher Film, nordmedia
Redaktion                               Varinka Link (ZDF/Das kleine Fernsehspiel), Claudia Tronnier
Länge                                     circa 110 Minuten

Besetzung
Ivie                                         Haley Louise Jones
Naomi                                     Lorna Ishema
Ingo                                        Maximilian Brauer
Anne                                       Anne Haug
Gabi                                        Anneke Kim Sarnau
Chriss                                     Louis Nitsche
Herr Tech                                René Geisler
Emma                                     Luisa-Céline Gaffron
Türsteher                                Max Riemelt
und andere               

Inhalt
Zwei afrodeutsche Halbschwestern, die sich nicht kannten, nähern sich über den Tod ihres gemeinsamen Vaters, suchen ihre Wurzeln und finden sich selbst.

Ivie ist eine junge Leipzigerin mit afrikanischen Wurzeln. Sie ist bei ihrer Mutter aufgewachsen, ihren afrikanischen Vater hat sie nie kennengelernt. Nach ihrem Studium ist sie auf der Suche nach einer Festanstellung als Lehrerin, denn "Schoko", so wird sie liebevoll von ihren Freundinnen und Freunden genannt, will Karriere machen. Sie wohnt mit ihrer besten Freundin Anne zusammen und jobbt übergangsweise bei ihrem Exfreund Ingo im Sonnenstudio. Die drei sind seit ihrer Kindheit engste Freunde. Als plötzlich ihre Berliner Halbschwester Naomi vor der Tür steht und ihr vom Tod ihres gemeinsamen Vaters erzählt, ist Ivie überfordert. Sie soll Naomi zur Beerdigung in den Senegal begleiten und eine Kultur verkörpern, die sie gar nicht kennt. Es kommt zum Streit zwischen den Schwestern, denn die kämpferische Naomi macht Ivie schwere Vorwürfe. Was sie ihr Leben lang ausgeblendet hat, kommt mit einem Mal zum Vorschein und verändert alles. Ivies Zerrissenheit führt außerdem zum Streit mit ihrem Freundeskreis sowie mit ihrer Mutter. Verletzt holt Ivie zum Generalschlag aus und steht auf einmal ganz allein da. Sie begreift, dass sie ihre Herkunft nicht länger verleugnen kann und begibt sich auf die Suche nach ihrer kulturellen Identität. Erst jetzt kann sie ihr Leben in die Hand nehmen, in dem vor allem ein Mensch einen Platz bekommen soll: ihre "neue" Schwester Naomi.

Sarah Blaßkiewitz drehte ihren Debütfilm "Ivie wie Ivie" (2019) in Koproduktion mit dem Kleinen Fernsehspiel. Der Film wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem 2021 mit dem Deutschen Filmpreis "Beste weibliche Nebenrolle" für Lorna Ishema, als Bester Film "Junges Kino" bei der Filmkunstmesse Leipzig 2021 und mit dem SI STAR Filmpreis 2022 für Regisseurinnen. Anschließend führte Sarah Blaßkiewitz Regie bei der sechsten Staffel der Jugendserie "DRUCK", ebenfalls in Zusammenarbeit mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel und funk. Sarah Blaßkiewitz ist auch eine der Mitwirkenden des essayistischen Kleinen Fernsehspiels "To Show or Not to Show", den das ZDF am 1. Mai 2023 ausstrahlt und der sich mit der Frage von Teilhabe beim Filmemachen auseinandersetzt.

Interview mit Sarah Blaßkiewitz (2019)

Wie kamen Sie zu dem Stoff – was ließ "Ivie wie Ivie" entstehen?

Die Filmidee entstand circa 2017 als ich für eine kurze Zeit in Wien Film an der Akademie der Künste studierte. Ich fühlte mich irgendwie ausgegrenzt von der deutschen Filmlandschaft und versuchte mein Glück im coolen Nachbarland. Doch eigentlich steckte ich in einer persönlichen Krise: Wer bin ich? Mit wem will ich arbeiten? Warum wollte mein erstes Drehbuch, das ich geschrieben hatte, niemand mit mir umsetzen? Ich bekam immer mehr Antworten, indem ich alles in meinem Leben unter die Lupe nahm und mich vor allem weit weg von Zuhause meiner eigenen Biografie, aber auch meiner Selbstwahrnehmung widmen konnte. Zudem bekam ich an der Akademie noch einmal einen ganz anderen Blick auf Film und Erzählen. Das hat mich natürlich auch sehr gestärkt. Ich würde sagen, dass in dieser Zeit der große Wunsch entstanden ist, zurück nach Berlin zu gehen und Geschichten zu erzählen, in denen Menschen vorkommen, die sich wie meine Freunde oder Verwandten verhalten – und Frauen, die aussehen wie ich. Es dauerte noch eine Weile, bis ich die richtigen Produktionspartner dafür gefunden hatte. Als in der Zwischenzeit mein afrikanischer Großvater verstarb, den ich nur einmal in meinem Leben sehen konnte, überkam mich eine zweite Welle der Identitätssuche. Diese führte schlussendlich zu dem Plot meiner Geschichte.

Woher beziehen Sie Ihre Inspiration für Ihre kreative Arbeit?
Inspiration ziehe ich aus langen Gesprächen mit meinen Mitmenschen und vor allem der Bereitschaft zuzuhören. Mein Fokus liegt beim Film ganz klar auf der Schauspielerei und allem, was ich damit verbinde. Aber da ich auch Kamera studiert habe, gibt es immer auch eine große Gewichtung aufs Bild. Es muss für mich schon eine Gesamtkomposition geben, deshalb gehe ich unglaublich gerne in Ausstellungen und auf Studiobesuche bei Künstlern. Gerade die Malerei und Fotografie spielen eine sehr wichtige Rolle für mich in Framing, Komposition und Blickwinkel.

Was sind Ihre größten Herausforderungen beim Filmemachen, und welche waren es beim Dreh von "Ivie wie Ivie"?
Die Zeit. Ich muss immer einen Weg finden, dass der Zeitdruck mich nicht meiner künstlerischen Freiheit beraubt. Außerdem ist es mir wichtig, beim Dreh fürs gesamte Team ein sicheres Umfeld zu schaffen. Sie sollen sich frei fühlen und tun können, was sie für das Beste halten. Es geht ja immer auch um Spaß beziehungsweise Freude und darum, etwas Spezielles zu erschaffen. Dann habe nämlich auch ich meinen Spaß und Motivation. Beim Film passiert immer so viel, auch Anstrengendes und Trauriges, so dass mir gerade auch bei "Ivie wie Ivie" bewusst geworden ist, wie wichtig es ist, Menschen um mich zu haben, die mit mir durch die Anstrengung gehen und mich auch zum Lachen bringen.

Derzeit entsteht ein neues Bewusstsein für Diversität in der deutschen Gesellschaft und der deutschen Filmlandschaft. War ihnen damals beim Schreiben des Drehbuchs bewusst, dass sie womöglich eine der ersten Regisseurinnen sind, die die Geschichte zweier afrodeutscher Protagonistinnen erzählt?
Ja, total! Aber ich war wahrscheinlich nur die erste, der es ermöglicht wurde, unter professionellen Bedingungen einen Film zu produzieren. Da gibt es viele Filmemacher*innen, die sich gerne ausdrücken wollen beziehungsweise ausgedrückt haben, aber eben einem anderen Publikum gegenüber, das schon bereit war. Weil ich schon lange in der Branche arbeite, war mir natürlich bewusst, dass ich eine neue Sichtbarkeit für schwarze Menschen in Deutschland schaffen werde. Zusätzlich zu meinen beiden Protagonistinnen gibt es ja noch viele weitere PoCs in der Geschichte, die eine wichtige Rolle spielen. Gerade bei der Finanzierung hatte ich Angst, dass die Branche noch nicht bereit ist, endlich mal etwas anderes zu zeigen. Hoffentlich müssen wir bald nicht mehr über Hautfarben und Äußerlichkeiten nachdenken, wenn wir in Deutschland einen Film finanzieren und besetzen wollen.

Preise und Festivals – eine Auswahl
- Tallinn Black Nights Film Festival 2019: Baltic Event Awardin der Sektion "Work in Progress"
- Festival des Deutschen Films 2021: Filmkunstpreis für den "Besten Film"
- Deutscher Filmpreis 2021: "Beste weibliche Nebenrolle" für Lorna Ishema
- Achtung Berlin 2021: Gewinner "Bestes Schauspiel-Ensemble" für Haley Louise Jones und Lorna Ishema
- Filmkunstmesse Leipzig 2021: Bester Film "Junges Kino"
- Filmfest München 2021: Nominierung "Fritz-Gerlich-Preis"
- First Steps Award 2021: Nominierung "Abendfüllender Spielfilm"
- SI STAR Filmpreis 2022 für Regisseurinnen

Biografie Sarah Blaßkiewitz (Buch und Regie)
Sarah Blaßkiewitz, 1986 in Leipzig geboren, wuchs in Potsdam auf und ging fürs Studium der Audiovisuellen Medien (2006–2011) nach Berlin. Ihr Kurzfilm "Auf dem Weg nach oben" feierte seine Premiere 2011 auf dem Max Ophüls Festival. Der mittellange Film "Blank" erschien 2016 und lief auf zahlreichen Festivals. 2017 erhielt sie zusammen mit der Produktionsfirma Sehr gute Filme Entwicklungsförderung für ihr Miniserienkonzept "Supercrew (AT)" vom Medienboard Berlin Brandenburg und hat im Januar 2018 die Pilotfolge fertig gestellt. 2019/2020 drehte sie ihren Debütfilm "Ivie wie Ivie" in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel. Im Winter 2020/2021 führte Sarah Blaßkiewitz Regie bei der sechsten Staffel der Jugendserie "DRUCK", die Anfang 2021 veröffentlicht wurde. Anschließend realisierte sie eine Miniserie für Disney+.

Kurz und schmerzlos

Kurz und schmerzlos
Spielfilm, Deutschland 1998

ab Freitag, 3. März 2023, zwei Jahre lang in der ZDFmediathek

Stab
Buch und Regie          Fatih Akin
Kamera                       Frank Barbian, Thierry Taieb, Kay Madsen
Schnitt                        Andrew Bird, Patrick Nordmann
Ton                              Kai Lüde, Talky Regente
Musik                          Ulrich Kodjo Wendt
Kostüm                       Helen Achtermann, Ute Dobnig
Produzenten               Ralph Schwingel, Stefan Schubert
Produktion                  Wüste Filmproduktion in Koproduktion mit
                                   ZDF/Das kleine Fernsehspiel gefördert
                                   von der FilmFörderung Hamburg GmbH in Zusammenarbeit
                                   mit Geyer-Media GmbH mit Unterstützung
                                   der Filmwerkstatt Schleswig-Holstein
Redaktion                   Daniel Blum (ZDF)
Länge                          circa 93 Minuten

Besetzung
Gabriel                        Mehmet Kurtuluş
Bobby                          Aleksandar Jovanovic
Costa                           Adam Bousdoukos
Alice                            Regula Grauwiller
Ceyda                          İdil Üner
Muhamer                     Ralph Herforth
und andere                

Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, indem er 15 Monate wegen schwerer Körperverletzung abgesessen hat, will der 20-jährige Gabriel aus Hamburg ehrlich werden und verhindern, dass seine beiden engsten Freunde in den Strudel des Verbrechens geraten. Dabei wird ihre Freundschaft auf eine harte Probe gestellt.

Nachdem Gabriel auf Bewährung aus dem Gefängnis entlassen worden ist, will er ein anständiges Leben führen, Taxi fahren und Geld sparen, um sich in der Türkei davon eine kleine Strandbar zu kaufen. Und er will seine Freunde zu einem ehrlichen Leben bekehren. Seine Freunde, das sind der chaotische Costa und der smarte Bobby. Sie können es kaum erwarten, ihren alten Kumpel wieder zu sehen. Überschwänglich begrüßen sie ihn beim wichtigsten und ersten Termin nach dem Knast, der Hochzeit von Gabriels älterem Bruder Cenk. Viel hat sich nicht verändert – Costa macht weiter kleine Brüche und Bobby träumt von einer Karriere als Gangster auf dem Kiez. Aber etwas ist neu: Alice, Bobbys neue Freundin, die Gabriel bislang nur vom Hörensagen kannte. Alice ist still, schön und neugierig auf den Ex-Knacki, von dem sie so viel gehört hat.
Nach der Hochzeit folgt der Alltag: Bobby hat erste Kontakte mit dem kleinen Mafioso Muhamer geknüpft, der dem jungen Mann gleich einen Job anbietet: Drogendeals auf kleiner Provisionsbasis. Als Alice ihn zur Rede stellt, weicht Bobby aus. Sie wendet sich Hilfe suchend an Gabriel und die beiden freunden sich an. Bei dem Versuch, Bobby von größeren Dummheiten abzuhalten, wird Gabriel von Muhamer auf die Straße gejagt, während Bobby tatenlos zusieht. Gabriel will von ihm nichts mehr wissen, dafür umso mehr von Alice. Die beiden verbringen die Nacht miteinander. Als das erste große Geschäft, das Bobby für Muhamer abwickeln soll, schiefläuft, tötet der rachsüchtige Mafioso seinen Schützling. Die Situation eskaliert. Costa ist entschlossen, seinen Freund zu rächen. Und Gabriel steht plötzlich zwischen allen Fronten.

Fatih Akins hoch gelobtes Spielfilmdebüt entstand 1998 in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel, wurde unter anderem mit dem Grimme-Preis sowie auf dem Internationalen Filmfestival Locarno ausgezeichnet. Seinen internationalen Durchbruch schaffte der Regisseur, Drehbuchautor und Produzent 2004 mit dem Film "Gegen die Wand". Fatih Akins aktueller Film "Rheingold" (2022) ist eine Gangsterbiografie über den Rapper Xatar.‎

Preise und Festivals – eine Auswahl
- Internationales Filmfestival Locarno, 1998: Spezialpreis für das beste Darstellerensemble
- Bayerischer Filmpreis 1999, Beste Regie – Nachwuchs
- Grimme-Preis, 2001, Kategorie Fiktion & Unterhaltung

Biografie Fatih Akin
Fatih Akin, 1973 als Sohn türkischer Eltern in Hamburg geboren, studierte an der Hamburger Hochschule für Bildende Künste. Mit "Kurz und schmerzlos" gab er 1998 in Zusammenarbeit mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel sein Spielfilmdebüt. Es folgten "Im Juli" (2000) und das Roadmovie "Solino" (2002). Seinen absoluten Durchbruch feierte Akin mit dem Drama "Gegen die Wand", das unter anderem mit dem Goldenen Bären, dem Deutschen Filmpreis und dem Europäischen Filmpreis ausgezeichnet wurde. Sein nächster Film "Auf der anderen Seite" (2007) wurde ebenfalls mehrfach ausgezeichnet. Mit der Komödie "Soul Kitchen" widmete sich Fatih Akin 2009 einem anderen Genre. Der Film, der in Venedig mit dem Spezialpreis der Jury ausgezeichnet wird, entwickelte sich auch zum internationalen Erfolg und Publikumsliebling. Weitere Filme Akins sind "The Cut" (2014), "Tschick" (2016), "Aus dem Nichts" (2017) und "Der Goldene Handschuh" (2019). Sein aktueller Film "Rheingold" ist eine Gangsterbiografie über den Rapper Xatar und startete im Oktober 2022 in den deutschen Kinos.

Weitere Informationen

Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/60jahre_dkf

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