aspekte - Sehnsuchtsort Namibia

Was hat das frühere Deutsch-Südwestafrika mit uns zu tun?  Ein Roadtrip mit Jo Schück

  • ZDF, Freitag, 25. August 2023, 23.00 Uhr
  • ZDF Mediathek, ab Montag, 21. August 2023, in der ZDFmediathek

Texte

Kolonialzeit: Die gemeinsame Geschichte von Namibia und Deutschland

Faszinierend - Namibias Wüste und Weite! Namibia ist so groß wie Spanien und Deutschland zusammen, zählt aber mit knapp 2,6 Millionen Einwohnern zu den am dünnsten besiedelten Ländern der Welt. Und alles war einmal deutsch: von 1884 bis 1915 war Namibia die Kolonie Deutsch-Südwestafrika. Eine bittere Geschichte verbindet seither die beiden Länder. Die von Ausbeutung und dem Völkermord an den herero und Nama. Seit dem Ende der deutschen Kolonialzeit sind mehr als hundert vergangen - doch wie ist heute das Verhältnis zwischen Namibia und Deutschland? Finden sich noch Spuren dieser Zeit? aspekte-Moderator Jo Schück reist nach Namibia mit vielen Fragen im Gepäck.

Kunst, Kultur und Koloniales

In Namibias Hauptstadt Windhoek beginnt der Roadtrip von Jo Schück. Gemeinsam mit der der Künstlerin Muningandu Hoveka erkundet er das Zentrum der Stadt. In Windhoek leben über 300 000 Menschen. Keine typisch afrikanische Stadt, denn die deutschen Kolonialherren haben ihre Bauten hinterlassen. Wie zum Beispiel der "Tintenpalast" - heute Sitz der namibischen Nationalversammlung. Das älteste Gebäude der Stadt "Alte Feste" stammt ebenfalls aus der Kolonialzeit. 

Die 28-jährige Künsterin Muningunda Hoveka ist kein Fan der deutschen Bauten und versucht mit ihrer Kunst die Dekolonalisierung voranzutreiben. Immer mehr junge, namibische Kulturschaffende widmen sich ihrer Geschichte. Filmregisseure wie Perivi Katjavivi drehen Filme über den Schatten der Kolonialzeit im heutigen Namibia. Warum beginnt die Auseinander-setzung mit dieser düsteren Zeit erst jetzt? Um das herauszufinden, trifft Jo Schück die namibische Star-Schauspielerin Girley Jazama. In Deutschland wurde sie mit dem Kinofilm „Der vermessene Mensch“ bekannt, auch der spielt in der Kolonie Deutsch-Südwestafrika. 

Ein kulturelles Versöhnungsprojekt hat der Komponist Eslon Hindundu gestartet. Er hat die Oper „Chief Hijangua“ komponiert - es ist die erste namibische Oper überhaupt. Das Thema: Die deutsche Kolonialzeit. Gesungen wird in deutsch und Otjiherero. Jo Schück besucht eine Probe im College of the Arts in Windhoek. Mitte September ist deutsche Premiere in Berlin. Eslon Hindundu ist überzeugt: Seine namibisch-deutsche Oper trage dazu bei, die dunkle deutsch-namibische Geschichte zu kitten.

Eine Versöhnungsoper feiert in Berlin Premiere - Ein Gespräch mit dem namibischen Komponisten Eslon Hindundu

Jo Schück:
In Windhoek wurde das afrikanisch-deutsche Musiktheater "Chief Hijangua" über die deutsche Kolonialzeit frenetisch gefeiert. Mitte September ist deutsche Premier in Berlin. Du als Herero schreibst eine Oper und führst sie im Land der ehemaligen Kolonialherrn auf? 

Eslon Hindundu:
Wir können unsere gemeinsame Geschichte nicht verleugnen. Wir sind dadurch für immer miteinander verbunden. 

Jo Schück:
Wie siehst du die Zukunft?

Eslon Hindundu:
Ich hoffe, dass wir noch enger zusamenarbeiten werden. Wir die Arbeit noch intensivieren, damit wir zusammenwachsen können. Unsere geeminsame Geschichte ist keine gute, aber wir können dennoch aus dieser Geschichte lernen und vorankommen. Das ist auch die Hauptbotschaft der Oper. Deshalb habe sie geschrieben und das Thema gewählt. 

Koloniale Wunden in Swakopmund

Nicht nur in Namibias Hauptstadt Windhoek hat die koloniale Architektur überdauert, auch in der Küstenstadt Swakopmund. In der wohl deutschesten Stadt Namibias besucht Jo Schück den Herero-Aktivisten Laidlaw Peringanda, der ein kleines Genozid-Museum aufgebaut hat. Die Fotos in seinem Museum sind Zeugnisse des erbarmungslosen Vernichtungsfeldzugs der kaiserlichen Schutztruppe gegen die Hereros und Namas zwischen 1904 und 1908. Über 80.000 wurden ermordet - darunter Verwandte von Laidlaw Peringanda. Seine Urgroßmutter überlebte das Konzentrationslager und die Vergewaltigungen durch deutsche Soldaten. Früher wäre seine Familie reich gewesen, heute lebe sie, wie viele als Folge des deutschen Kolonialismus, in Armut, beklagt Peringanda. "Das Museum in Swakopmund zeigt nicht die wahre Geschichte. Etwa 20 Meter von hier entfernt war ein Konzentrationslager. ", erklärt Laidlaw Peringanda. "Wir bekommen sehr viel Gegenwind von den lokalen Deutschen. Sie möchten ein glanzvolles Image von Swakopmund wegen der Touristen. Deshalb sollen die Fotos nicht gezeigt werden."
 

Soziale Ungleichheit als Folge des Kolonialismus

Einen Eindruck von der sozialen Ungleichheit bekommt Jo Schück bei einer Tour durch eines der vielen Armenviertel von Swakopmund. 30.000 Menschen wohnen hier ohne fließend Wasser und Elektrizität. Die weiße Bevölkerungsminderheit hingegen lebt im Wohlstand: Über 70 Prozent des Farmlandes besitzt sie bis heute und viele Farmen gehören immer noch den Nachkommen der ersten deutschen Siedler im Land.
Harry Schneider-Waterberg ist einer davon. Jo Schück trifft ihn auf seiner Farm Okosongomingo. Viele andere Farmer wollen sich nicht äußern. Wie geht der Großgrundbesitzer mit der Vergangenheit und seinen Privilegien um? "Das Wichstigste ist, dass wir uns mit unserer Geschichte auseinandersetzen und anerkennen, was verkehrt gemacht wurde.", sagt Harry Schneider-Waterberg. "Meine Familie lebt hier auf der Farm seit 112 Jahren. Ich habe nie in einem anderen Land gelebt und gearbeitet. ic möchte hier niemals weg. das ist der Grund, warum wir an diesem Diskurs beteiligen wollen. Wir wollen in Namibia weiterleben, in Frieden."

Grüne Wende

Seit 2021 liegt ein Versöhnungsabkommen auf dem Tisch: Erstmalig erkennt Deutschland den Genozid an und stellt 1,1 Milliarden Euro Entwicklungshilfe und Zahlungen in Aussicht. Aber in Namibia ist inzwischen ein heftiger Streit über den Vertragsentwurf entbrannt. Nama- und Herero-Verbände klagen gegen ihn. Bis heute fehlt Namibias Unterschrift. Doch auf wirtschaftlicher Ebene ist der Autausch und die Zusammenarbeit angelaufen. Afrika verfügt über enorme Ressourcen. Namibia soll zum Motor der deutschen Energiewende werden, Denn Namibia hat Wind und Sonne im Überfluss. Daraus lässt sich günstig Wasserstoff herstellen. Das namibische Unternehmen Hyphen Hydrogen in Windhoek und die deutsche Firma Enertrag arbeiten mit Hochdruck an einem 10-Milliarden-Dollar schweren Projekt. Ist es ein Deal auf Augenhöhe? Wird diesmal nicht nur Deutschland profitieren, sondern die einstige Kolonie Namibia? Fragen und Antworten der Projektentwicklerin Toni Beukes. 

Jo Schück fährt in den Süden des Landes. In der Hardap Region, in der Nähe von Maltahöhe, leben die meisten Nama wie die Herero in Armut. Finanziert mit deutschen Mitteln baut und saniert der Verein CommonWaters Wasserbrunnen und sichert Nama-Familien und ihrem Vieh in dieser kargen Gegend das nackte Überleben. Es sei inzwischen eine Art Wiedergutmachungsprojekt für die Deutschen Kolonialverbrechen, weil es den Menschen wirklich helfe, erzählt der Projektleiter Guido von Wietersheim. "Ich glaube so ein Projekt hat auf jeden Fall das Potential, die historischen Beziehungen zu verbessern. Allerdings ist die Kolonialgeschichte zwischen Namibia und Deutschland lang und die Auswirkungen des Kolonialismus sind aus der Perspektive der sozioökonomischen Entwicklung immer noch spürbar. Das ist nichts, was ein einzelnes Projekt lösenn kann." 

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