Blutsbande - Clans in Berlin

Dreiteilige Dokuserie

Raub einer 100 Kilo schweren Goldmünze aus dem Museum: Clans in Berlin stehen immer wieder mit spektakulären Straftaten in der Öffentlichkeit. Doch ihr Wirken geht viel tiefer. Sie haben eine Parallelgesellschaft geschaffen, zu der nur wenige Zugang bekommen. Wie sieht das Leben innerhalb dieser Strukturen aus – auch fernab der Kriminalität? Die Dokuserie gibt exklusive Einblicke in eine geschlossene Welt, dokumentiert die Arbeit der Ermittler über mehrere Monate und zeigt den Alltag innerhalb einer arabischen Großfamilie.

  • ZDF Mediathek, Alle Folgen sind ab Mittwoch, 15. Februar 2023, 5.00 Uhr
  • ZDF info, Freitag, 3. März 2023, 20.15 Uhr, 21.00 Uhr und 21.45 Uhr

Texte

Sendetitel, Termine und Stab

ZDFinfo: Freitag, 3. März 2023, ab 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Mittwoch, 15. Februar 2023, 5.00 Uhr
Blutsbande – Clans in Berlin: Parallelgesellschaft (1/3)

ZDFinfo: Freitag, 3. März 2023, ab 21.00 Uhr
ZDFmediathek: ab Mittwoch, 15. Februar 2023, 5.00 Uhr
Blutsbande – Clans in Berlin: Kampf gegen das Verbrechen (2/3)

ZDFinfo: Freitag, 3. März 2023, ab 21.45 Uhr
ZDFmediathek: ab Mittwoch, 15. Februar 2023, 5.00 Uhr
Blutsbande – Clans in Berlin: Tradition, Ehre, Ausbruch (3/3)

 

Stabliste (Auszug)

Autorinnen                  Anna Schultz (1-3), Esther Hofmann (3)
Kamera                       Jens Grumpelt, Stefan Jungmann
Sprecherin                  Nadja Schulz-Berlinghoff
Executive Producer    Arnd Benedikt Piechottka
Produktion                  Mirko Mikelskis und Roland Albrecht (Storyhouse), Jenny Heininger (ZDF)
Redaktion                   Michael Scheuch
Sendelänge                3x circa 44 Minuten

Inhalt

Über die Dokuserie

Sogenannte Clanfamilien stehen immer wieder mit spektakulären Straftaten in der Öffentlichkeit. Der Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Bode-Museum oder der Raubüberfall auf Juweliere im KaDeWe. Doch das Wirken der Clanfamilien geht viel tiefer. Sie haben eine Parallelgesellschaft geschaffen, zu der nur wenige Zugang bekommen. Wie sieht das Leben innerhalb dieser Strukturen aus – auch fernab der Kriminalität?
Die dreiteilige Serie "Blutsbande – Clans in Berlin" gibt exklusive Einblicke in eine geschlossene Welt, dokumentiert die Arbeit der Ermittler über mehrere Monate und zeigt den Alltag innerhalb einer arabischen Großfamilie.

 

Parallelgesellschaft (1/3)

Berlin gehört neben Nordrhein-Westfalen zu den Hotspots der Clanfamilien in Deutschland. Schätzungsweise 20 arabische Großfamilien leben in der Hauptstadt. Hier hat sich über Jahre eine Parallelgesellschaft entwickelt, getragen von patriarchalen Strukturen. Teile sogenannter arabischer Clans lehnen eine ordentliche Gerichtsbarkeit ab, bei Streitigkeiten versuchen sie eigene Lösungen zu finden. Und da geht es nicht nur um den Bereich der Organisierten Kriminalität. Auch der ganz normale Alltag dieser Familien richtet sich nach althergebrachten Regeln.

Sogenannte "Vermittler" bahnen in dieser Welt die Geschäfte an, kümmern sich darum, dass Konflikte gelöst werden. Nicht immer sind es kriminelle Deals, wie der Handel mit verschreibungspflichtigen Psychopharmaka, die an Schulen gerade als Drogen verkauft werden. Die Vermittler besorgen Arbeitskräfte, organisieren den An- und Verkauf von Autos und schaffen Strafzettel aus der Welt.

Auch zivilrechtliche Konflikte werden untereinander gelöst. Zahlt ein Schuldner nicht, dann wird er freundlich angesprochen. Manchmal reicht es schon, wenn im Gespräch der Name einer entsprechenden Familie fällt. Exklusiv gibt ein ehemaliger Vermittler Einblick in seine Geschäfte, lässt sich ein Mitglied einer libanesischen Großfamilie bei einem Inkasso-Auftrag begleiten und spricht ein Kioskbetreiber über Schutzgeld in der Schattenwelt.

Der Kampf gegen diese Parallelgesellschaft wird auf zwei Ebenen geführt. In Berlin-Neukölln macht Bezirksbürgermeister Martin Hikel mit sogenannten Verbundeinsätzen, präventiven Razzien der Ordnungsbehörden, Druck auf die Szene. Der Promibodyguard Ahmad Mohammed engagiert sich für die Integration von Kindern aus arabischen Großfamilien. ZDFinfo gewährt er Einblicke in seine Arbeit – und in das Werteverständnis, dass den Alltag dieser Familien prägt.

 

Kampf gegen das Verbrechen (2/3)

Mit einer Sondereinheit des Berliner LKA erhöhen die Ermittler den Druck auf die kriminellen Clans. Kopf der sogenannten Intelligence Unit ist Adham Charaby. Mit seinem Team analysiert er die komplizierten Familiengeflechte, stellt Verbindungen zwischen verschiedenen Straftaten her. Die Ermittlungsergebnisse münden in Großrazzien gegen die Berliner Clanszene. ZDFinfo begleitet die Beamten mehrere Monate.

Der Kampf gegen kriminelle Clanfamilien ist für die Ermittler extrem schwer zu führen. Da sind zum einen Regelungslücken im Strafgesetzbuch, aber auch ganz praktische Probleme: Einen verdeckten Ermittler kann man eben nicht in eine Familie einschleusen. Nur selten haben die Ermittler das Glück, dass Insider auspacken. So war es nach dem berühmt gewordenen Raubüberfall auf das Berliner Luxuskaufhaus KaDeWe. Exklusiv spricht einer der Täter erstmals über den spektakulären Coup, bei dem er und seine Familie in nicht einmal eineinhalb Minuten Schmuck im Wert von über 800.000 Euro erbeutet haben soll.

Mittlerweile operieren die kriminellen Clanfamilien nicht mehr nur im Bereich von Raub, Drogenhandel und Schutzgelderpressung. Dazugekommen sind zum Teil komplexe Wirtschaftsstraftaten. Undercover nähern sich zudem Reporter diesem Phänomen im Gebrauchtwagenhandel der Clans.

 

Tradition, Ehre, Ausbruch (3/3)

Arabische Großfamilien, sie sind für Außenstehende ein Mysterium. Fiktionale Serien zeichnen ein düsteres Bild. Doch wie sieht ihr Alltag wirklich aus? Wie funktionieren die sogenannten Clanfamilien im Inneren, welche Regeln gibt es? Was bedeutet es für junge Erwachsene, in so einer Familie groß zu werden, manchmal hin- und hergerissen zwischen eigener Persönlichkeit und familiärer Beistandspflichten?

Als ehemalige Lehrerin an einer Berliner Brennpunktschule hatte Sabrina K. (Name geändert) regelmäßig mit Kindern aus Clanfamilien zu tun. Sie gibt ernüchternde Einblicke aus ihrem Berufsalltag und berichtet von Bedrohungen und Angst vor Repression.

Die meisten Angehörigen eines arabischen Clans sind rechtschaffen und gehören nicht dem kriminellen Milieu an. Doch sie leiden unter den Taten ihrer Verwandten. So ergeht es auch Hassan Chahrour. Er gehört zu einer in Polizeikreisen bekannten Großfamilie, die manche einen Clan nennen. Die Familie bedeutet ihm zwar alles, doch der Nachname fühlt sich für ihn manchmal auch wie ein Fluch an. Er fühlt sich diskriminiert, von Polizei und Staatsschutz zu Unrecht in den Fokus genommen. Hassan ist auf der Suche nach seiner eigenen Rolle in der Familie, emanzipiert sich von althergebrachten Regeln, was manchmal gar nicht so leicht ist. Er träumt von einer Karriere als Schauspieler. Bisher hat er eher als Kleinstdarsteller in Serien mitgewirkt, nun produziert ein Freund der Familie einen Film. Hassan spielt darin ein Clanmitglied, dass die Ehre seiner Familie verteidigt.

Fragen an Arnd Benedikt Piechottka, Executive Producer

Was waren die Herausforderungen bei Dreh und Recherche?

Die größte Herausforderung war es, Vertrauen zu gewinnen. Unser Ansatz ist, nicht über die sogenannten Clans zu sprechen, sondern mit ihnen. Wir wollten verstehen, wie diese Familien, die die meisten nur aus Schlagzeilen kennen, ticken. Ziel war es, eine differenzierte Serie zu produzieren, die alle wesentlichen Aspekte in den Blick nimmt. Da geht es zum einen um die kriminellen Familienmitglieder, aber gerade auch um die, die zwischen den Welten leben. Auf der einen Seite sind sie Individuen mit eigenen Träumen, auf der anderen gibt es familiäre Beistandspflichten und Regeln, die es zu befolgen gilt. Es war ein monatelanger Prozess mit vielen, vielen Gesprächen, bis klar war, dass wir diesen Film realisieren können. Auch aufseiten der Ermittlungsbehörden galt es Überzeugungsarbeit zu leisten, da wir die Arbeit der Polizei über einen langen Zeitraum begleiten wollten.

Was war Ihr Türöffner, exklusive Einblicke in arabische Großfamilien zu bekommen?

Die Zugänge sind über einen langen Zeitraum gewachsen. Wir haben im Rahmen einer anderen Dokumentation über den Berliner Stadtteil Neukölln einen sogenannten Vermittler kennengelernt, der für einen bestimmten Clan hin und wieder Deals einfädelt Kontakte herstellt. Irgendwann sprach sich das dann in der Szene rum, dass Story House für ZDFinfo eine mehrteilige Dokumentation vorbereitet. Außerdem hat Esther Hofmann, unsere Investigativreporterin, über ihre Zugänge Türen geöffnet. Sowohl im Clanmilieu als auch bei den Behörden. Der Schlüssel war aber schließlich die Zeit. Viele Treffen, Geduld bei der Umsetzung. Es gab oft auch Phasen, da ist der Kontakt wieder versiegt, meist nach großen Polizeieinsätzen. Dann herrschte erst mal wieder Funkstille. Wir haben daher zwei Jahre lang produziert.

In was für eine Welt sind die Macher eingetaucht?

Die Welt der Familienclans ist in großen Teilen eine Parallelgesellschaft, die beinahe autark neben der sogenannten Mehrheitsgesellschaft existiert. Es ist ein Nebeneinander, bei dem die Berührungspunkte teilweise gering sind. Der ganze Alltag wird innerhalb der eigenen Strukturen organisiert, es ist ein geschlossenes System. Das macht es ja auch für die Ermittler so schwer, an Informationen ranzukommen. Denn die Aussagebereitschaft in Clanfamilien vor Gericht ist so gut wie gar nicht vorhanden, wenn man mal von wenigen Ausnahmen absieht. Man muss allerdings sagen, dass wir hier von den Kernfamilien sprechen, diese Feststellung gilt daher nicht für jeden, nur weil er einen bestimmten Nachnamen hat. Man kann sogar sagen, dass die Problematik der Parallelgesellschaft den geringsten Teil der Familienmitglieder betrifft. Ein wichtiger Punkt, dem wir in der Serie auch Raum geben. Denn die vielen unbescholtenen Familienmitglieder leiden unter den Taten ihrer (entfernt) Verwandten. Für die wird der Familienname dann zum Fluch: Sie finden keine Arbeit, keine Wohnung, bekommen in manchen Fällen nicht einmal ein Konto.

Welche Familien stellen Sie vor und durch was sind diese öffentlich bekannt geworden?

Die großen, vor allem durch die Boulevardpresse bekannten Namen kommen natürlich vor, auch wenn die Bekanntheit der Familien kein Auswahlkriterium war, um zu entscheiden, welche Geschichte wir erzählen. Da ist zum einen Hamza Al-Zein. Er spricht exklusiv über den KaDeWe-Raub, den er mit mehreren Familienmitgliedern begangen hat. Damals erbeuteten sie Schmuck und Uhren im Wert von rund 800.000 Euro in nur 79 Sekunden. Die Bilder der Überwachungskamera hat man oft gesehen, doch was hat dazu geführt? Anna Schultz und Joshua Werner haben ihn mehrfach zum Interview getroffen und zeichnen ein Bild davon, welche Rolle die familiären Strukturen bei der Begehung der Tat gespielt hat. Wir waren auch dabei, als Hamza Al-Zein zusammen mit seinem Strafverteidiger die Strategie für zwei neue Strafverfahren besprochen haben. Zudem konnten wir das Oberhaupt einer in Polizeikreisen bekannten arabischen Großfamilie für die Folge "Parallelgesellschaft" in seinem Alltag begleiten und miterleben, wie in dieser Welt Konflikte gelöst werden. Durch solche Alltagsszenen versteht man meiner Meinung nach, wie tief die Probleme reichen, wie strukturell diese verankert sind.

Warum – vermuten Sie – waren manche Mitglieder arabischer Großfamilien bereit, Einblick in das Leben des Clans zu geben?

Es gab aufseiten der Großfamilien ein weitverbreitetes Bedürfnis danach, ihre Sicht der Dinge darzustellen, nämlich das nur ein sehr kleiner Teil der Großfamilien kriminell ist. Interessant war, wie differenziert innerhalb der Familien die Kriminalitätsbelastung betrachtet wird. Da wurde auch ganz offen über familienstrukturelle als auch kulturelle Ursachen diskutiert. Das Thema ist eben vielschichtig und reicht zurück bis zur Integrationspolitik der 1980er-Jahre. Die damals gemachten Fehler wirken bis heute nach.

Welche Erkenntnisse zum Thema Großfamilie haben Sie überrascht?

Wir haben keine Studie gemacht, aber sehr viele Einzelgespräche geführt. Daraus fügt sich ein wenig das Bild, dass sich – so bitter es klingen mag – die Integration im Rückwärtsgang befindet. Gerade die junge Generation – und ich spreche hier jetzt von den Kernfamilien, die vielfach polizeilich in Erscheinung treten – fühlt sich unverstanden, nicht zu dieser Gesellschaft zugehörig. Sie zieht sich zurück, es gibt nur wenig Kontakte außerhalb der Familie. Erschreckend sind die Aussagen einer Lehrerin, die an einer Berliner Brennpunktschule unterrichtet hat. Sie habe das Gefühl, dass Kinder aus sogenannten Clanfamilien mit pädagogischen Mitteln gar nicht mehr ansprechbar seien.
Mit Blick auf die sogenannte Clankriminalität war durchaus überraschend, wie weit verbreitet Wirtschaftskriminalität bei Clans mittlerweile ist. Geldwäsche, Subventionsbetrug, komplizierte Betrügereien im Zusammenhang mit der Umsatzsteuer. Und es gibt auch Hinweise auf gute Kontakte, die die Clans in Banken und Behörden hinein haben und diese sich auch zu nutzen machen.

Sehen Sie nach Ihrer Beschäftigung mit dem Thema "Clans in Berlin" Mittel und Weg irgendwann organisierte Clankriminalität in den Griff zu bekommen? Wie sehen Sie die Zukunft?

Meiner Meinung nach ist es illusorisch zu glauben, man könnte Clankriminalität in den Griff bekommen. Dafür stehen die Ermittler, die wir über einen längeren Zeitraum für diese Serie begleiten konnten, vor zu vielen spezifischen Herausforderungen. Ermittlungsansätze, die in anderen Verfahren der Organisierten Kriminalität erfolgreich sind, wie das Einschleusen von verdeckten Ermittlern, sind natürlich nicht möglich. Denn im engsten Zirkel werden nur Familienmitglieder geduldet. Interessant war die Arbeit der Berliner Ermittler der Analyseeinheit 'Clankriminalität' zu beobachten, die auch deutlich über die reguläre Arbeitszeit hinaus Jagd auf die kriminellen Clans machen.
Einer der Schlüssel im Kampf gegen Clankriminalität ist, so banal es klingen mag, Integration. Wir haben mit Ahmad Mohammed gedreht, der sich um den Nachwuchs aus sogenannten Clanfamilien kümmert. Er hat es sich zum Ziel gemacht, den Kids zu zeigen, dass es eine Welt außerhalb der familiären Strukturen gibt.

Die Fragen stellte Birgit-Nicole Krebs

O-Töne aus "Blutsbande – Clans in Berlin"

O-Töne aus "Blutsbande – Clans in Berlin: Parallelgesellschaft" (1/3)

Prof. Dr. Susanne Schröter, Ethnologin, über Parallelgesellschaft:
"Wenn wir große Gruppen haben, die mehr oder weniger zusammenleben, wirtschaften, sozial fast ausschließlich aufeinander bezogen sind, untereinander heiraten und sich nach einem eigenen strikten Normenkatalog richten, der sich grundlegend von dem unterscheidet, den der Rest der Gesellschaft beherzigt oder der auch vom Grundgesetz verbürgt ist, dann haben wir eine Parallelgesellschaft. Parallelgesellschaft bedeutet letztendlich, man schottet sich nach außen ab, möchte möglichst wenig Kontakt haben zum Rest der Gesellschaft. Der Kontakt beschränkt sich auf Ämterkontakt, wenn man Geld bekommt, auf Gesundheitskontakte. Die Gesellschaft wird als feindliches Äußeres wahrgenommen und man positioniert sich ganz aktiv dagegen."

Ahmad Mohammed, Promibodyguard, über Ehre:
"Ihr Deutschen sagt doch immer, die Menschenwürde ist unantastbar. Das ist bei uns die Ehre. Bei euch steht es im Gesetzbuch, bei uns ist das so geboren. Das ist der Unterschied. Menschlich gesehen, wenn du mich persönlich beleidigst, ist mir das wurscht. Aber wenn du auf einmal meinen Vater, meine Mutter, meine Geschwister, gerade weibliche Personen (beleidigst) – dann hast du meine Ehre angegriffen und dann wird es zum Blutvergießen kommen."

Ahmad Mohammed, Promibodyguard, über Integrationsschwierigkeiten:
"Ich bin schon immer auf der Suche, seitdem ich in Deutschland bin, auf der Suche nach mir selbst. Ich konnte mit niemandem kommunizieren, ich hatte niemanden, mit dem ich sprechen konnte. Wir haben in der Heimat ja nicht deutsch gesprochen. Und es war niemand da, wo ich sagen konnte: Kumpel können wir was tun. Alle meine deutschen Freunde haben mich damals gehänselt. Und wenn du jetzt als Zwölfjähriger in die sechste Klasse eingeschult wirst, und du wirst sofort ausgelacht: Ich sehe diese Tür bis heute noch. (…) Ich mach die auf, die schauen zu mir, alle lachen. Aber wirklich lachen. So, dass ich weinend rausgelaufen bin aus der Klasse. Mir war klar: Ich besuche die Schule nie wieder. Hätte meine Mutter nicht ab und an Druck gemacht, ich wäre sofort auf der Straße gelandet."

 

O-Töne aus "Blutsbande – Clans in Berlin: Kampf gegen das Verbrechen" (2/3)

Adham Charaby, Leiter Analysezentrum Clankriminalität LKA Berlin, über kriminelle Clans:
"Das ist leider die traurige Wahrheit, die wir über diese kriminellen Clans akzeptieren müssen, dass sie tatsächlich ein eigenes Normen- und Regelverständnis haben. Und dazu gehört es, dass alles, was dazu führt, dass die Familie, der Clan, mehr Macht, mehr Geld, mehr Vermögen erlangt, mehr Einfluss, dass das gut ist. Das wird gutgeheißen und ist eben auch mit allen Mitteln durchsetzbar. Und im Wesentlichen gehört das zu diesem Normenverständnis dazu, dass diese Interessen mit Kriminalität ausgeübt werden."

Prof. Dr. Susanne Schröter, Ethnologin, über Gründe für spektakuläre Straftaten:
"Warum macht man eigentlich Dinge, die die gesamte Republik interessieren? Das hat was damit zu tun, dass diese Clans mittlerweile außerordentlich selbstbewusst sind, dass sie sagen können, wir machen das einfach und wir zeigen auch allen, dass wir das können. Dazu muss man erst mal kommen, dass man so etwas macht, dass man tatsächlich nach außen demonstriert: Uns kann keiner etwas."

Burkhard Benecken, Rechtsanwalt und Strafverteidiger, über seine Tätigkeit für Clanmitglieder:
"Der wirklich hochorganisierte, hochkriminelle Teil dieser Familien, der ist schon, muss man sagen, sehr professionell organisiert. Die schotten sich auch in der Tat unheimlich nach außen ab. Ich war zum Beispiel kürzlich noch bei Mandanten, auch hier in Berlin. Die haben einen sogenannten Bunker, da kommt keiner rein, außer die Familie selbst und ich als deren Strafverteidiger. Und ich darf jetzt auch nicht sagen, was ich dort konkret alles gehört habe, was wir dort besprochen haben, wo diese Wohnung ist, weil das ist ein Internum und das soll auch nicht nach außen dringen."

 

O-Töne aus "Blutsbande – Clans in Berlin: Tradition, Ehre, Ausbruch" (3/3)

Adham Charaby, Leiter Analysezentrum Clankriminalität LKA Berlin, über den Begriff "Clankriminalität":
"Ein Clan an sich kann kein eindeutiges Indiz für Kriminalität sein, sondern erst dann, wenn diese starken hierarchischen Strukturen genutzt werden, um Kriminelles oder Kriminalität zu begehen und Straftaten zu begehen. Und es begünstigt auch die, die Aufklärung verhindern. Erst dann sprechen wir wirklich von Clankriminalität."

Prof. Dr. Susanne Schröter, Ethnologin, über den Schlüssel gegen Clankriminalität:
"Integration ist der Ansatz. Natürlich muss der flankiert werden durch polizeiliche Maßnahmen, wenn es sich um kriminelle Netzwerke handelt. Das ist ja klar. Man kann nicht einfach nur Sozialarbeiter losschicken, wenn es kriminelle Strukturen gibt, gewalttätige Strukturen. Aber ja, selbstverständlich: Integration ist der Schlüssel."

 

Die mündlichen O-Töne aus dem Film sind zum Teil minimal schriftsprachlich angepasst:

Weitere Informationen

Fotos: über 06131 – 70-16100 oder über https://presseportal.zdf.de/presse/blutsbande

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