Der Kommissar und der See - Narrenfreiheit

In bunten Gewändern und mit Masken verhüllt wird der Vorstand einer Narrenzunft von seiner Anhängerschaft mit einer feierlichen Prozession zu Grabe getragen. Beim anschließenden Umtrunk kommt es zu einem Übergriff eines Narren auf eine Transfrau, die am nächsten Morgen tot in einem Brunnen gefunden wird. So beginnt ein neuer Fall für den pensionierten Kommissar Robert Anders (Walter Sittler) und das Ermittlerteam am Bodensee.

  • ZDF, ad ut Dienstag, 3. Oktober 2023, 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, ad ut ab Dienstag, 26. September 2023, ein Jahr lang

Texte

Stab und Besetzung

Stab

Regie                                 Felix Karolus

Buch                                  Myriam Utz, Andreas Karlström

Bildgestaltung                    Wolfgang Aichholzer

Editor                                 Jörg Kroschel

Musik                                 Mario Grigorov

Szenenbild                         Marcus A. Berndt

Ton                                    Thomas Thutewohl        

Kostümbild                        Yvonne Lehmann

Produktion                          Auftragsproduktion von Network Movie Film- und  Fernsehproduktion GmbH, Hamburg, für das ZDF,                                                                                     in Zusammenarbeit mit  dem ORF

Produzentin/Produzent       Jutta Lieck-Klenke, Dietrich Kluge

Herstellungsleitung             Roger Daute

Produktionsleitung               Vanessa Eggers

Redaktion                            Daniel Blum (ZDF)

Länge                                  90 Minuten

 

Die Rollen und ihre Darsteller*innen

Robert Anders                    Walter Sittler

Annika Wagner                   Nurit Hirschfeld

Martin Keller                       Dominik Maringer

Hannes Buck                      Gerhard Wittmann

Regine Salzmann               Nicole Marischka

Dr. Herbert Hämmerle         Murali Perumal

Kaja Johansen                    Ilonka Petruschka

Renate Eberle                     Hedi Kriegeskotte

Paul Eberle                         Paul Herwig

Jürgen Becker                    Robert Schupp

Tom Schäfer                      Josef Heynert

Anna Schäfer                     Katharina Friedl

Linn Johansen                    Lise Risom Olsen

Armin Müller                       Adrian Dittus

Tobias Schäfer                   Kalle Diedrich

und andere

Inhalt

Wenn Narren trauern, sieht das in der beschaulichen Gemeinde Lindau anders aus als sonst bei Trauerfeiern: In bunten Gewändern und mit Masken verhüllt wird der Vorstand der Schellengeister-Narrenzunft von seiner Anhängerschaft mit einer feierlichen Prozession zu Grabe getragen. Beim anschließenden Umtrunk in einem kleinen Lokal wird einer der Narren gegenüber Robert Anders‘ Tischnachbarin, Kaja Ziegler, übergriffig. Als die junge Frau sich verteidigen will, merkt der Narrentrupp, dass ihr Kollege eine Transfrau angemacht hat. Diese verlässt aufgewühlt das Lokal und verschwindet in die Nacht. Am nächsten Morgen wird eine Frau tot im Brunnen in der Altstadt gefunden. Es ist Kaja Ziegler, Anders' Zufallsbekanntschaft vom Abend zuvor.

So beginnt ein neuer Fall für den pensionierten Kommissar Robert Anders, Annika Wagner und Martin Keller, das Ermittlerteam am Bodensee.

Vier Fragen an Walter Sittler, Nurit Hirschfeld und Dominik Maringer

Sie kommen aus drei unterschiedlichen deutschsprachigen Ländern. Wie haben Sie in ihrer Kindheit die Narrenzeit in Stuttgart, Zürich und Innsbruck gefeiert?

Walter Sittler: Die Narrenzeit, egal wo, habe ich immer mit Verwunderung und eigenartigem Interesse angesehen. Ich selbst habe keine direkte persönliche Beziehung dazu.

Nurit Hirschfeld: Bei uns in der Schweiz heißt das "Fastnacht" und hat eine langjährige Tradition. Die wohl berühmteste Fastnacht findet in Basel statt. Als Kind faszinierte mich das sehr, vor allem die Masken, die immer noch selbst gemacht werden. Die dazugehörigen Bräuche kenne ich allerdings nicht. In Zürich findet ein Mal im Jahr das "Sechseläuten" statt. Wie in unserem Film gilt es, die Tradition so zu belassen, wie sie ist, sprich die Zünfte und Vereine sind leider immer noch sehr frauenfeindlich, rassistisch und sexistisch.

Dominik Maringer: Ich bin zwar in Innsbruck geboren, hab' dort aber nur die ersten beiden Jahre meines Lebens verbracht. Aufgewachsen bin ich in Ungenach, einem kleinen Dorf in Oberösterreich. Dort heißt die Narrenzeit Fasching, allerdings war das bei uns in der Provinz nicht so ein wichtiges Ereignis. Am Faschingsdienstag durften wir verkleidet in die Schule kommen, ich mal als Mädchen, mal als Cowboy – typisch 80er-Jahre halt. Was für mich als Kind aber viel einprägsamer war, waren die Krampusse am 5. und 6. Dezember. Der Krampus ist der böse Begleiter des Nikolaus, er entstammt einer ähnlichen Tradition wie die Perchten im Alpenraum. Krampusse sind gruselige Gestalten mit hässlichen Masken aus Holz und Fellen als Kostüm. Sie haben Hörner, sehen aus wie Teufel und gehen immer mit einer Rute 'rum. Ich hatte als Kind eine höllische Angst vor diesen Gestalten.

Wie stehen Sie zu den Fastnachtstraditionen?

Walter Sittler: Die eigenwilligen und höchst unterschiedlichen Traditionen der Fastnacht oder des Karnevals oder Faschings haben keinen Einfluss auf mein persönliches Leben – insofern nehme ich nur als interessierter Beobachter teil.

Nurit Hirschfeld: Da ich nie Teil einer dieser Traditionen war, tue ich mich persönlich mit solchen Vereinen und Bräuchen sehr schwer – zumal sie nur für eine bestimmte Zielgruppe zugänglich sind. Beim Sechseläuten dürfen Frauen zum Beispiel am Umzug selbst nicht mitlaufen. Ich hoffe, es wird sich auch diesbezüglich noch viel ändern, damit alle Menschen willkommen sind.

Dominik Maringer: In meiner Wahlheimat Berlin gibt es ja weder Fasching noch Karneval, geschweige denn Krampusse, und das alles fehlt mir tatsächlich gar nicht. Wenn es bei dieser ganzen Brauchtumspflege nur um lustvolles Feiern ginge, würde es mir schon Spaß machen, dabei zu sein. Aber oft kippen solche Feste in ein sinnloses Besäufnis und sogar in Gewalt, da mache ich lieber einen Bogen herum. Dass im Jahr 2023 in manchen Vereinen nach wie vor nur Männer die traditionelle Kleidung tragen dürfen, kann ich gar nicht verstehen. Das ist in meinen Augen sowas von gestrig und rückständig.

Wofür stehen für Sie der Bodensee und die Anrainerstaaten Schweiz, Österreich und Deutschland?

Walter Sittler: Der Bodensee steht für mich für Ruhe, Schönheit und tiefe Wasser, die Schweiz für Stabilität, Berge und Käsefondue. Österreich steht für mich für Wein, schwarzen Humor und Kaiserschmarrn, Deutschland für versuchte Ordnung, Vielfalt und Heimat.

Dominik Maringer: Der Bodensee ist für mich ein eigener kleiner Kosmos, eine surreale Miniaturwelt. Das Wasser scheint unendlich zu sein und ist doch kein Meer. Die Orte und Menschen liegen nah beieinander und sind doch sehr unterschiedlich. Über allem hängt eine Urlaubsstimmung, ein bisschen wie in der Toskana. Man kann leicht vergessen, dass man noch immer im deutschsprachigen Raum ist. Wir Österreicher*innen haben ja den kleinsten Teil vom See, Deutschland den größten und die Schweiz auch einen ordentlichen Batzen. Passt eigentlich ein bisschen zum Verhältnis unserer drei Länder, zumindest aus österreichischer Sicht: Deutschland ist das mächtigste und größte der Geschwister, die Schweiz ist zwar klein, aber finanziell und wirtschaftlich äußerst erfolgreich und … naja … dann bleibt noch Österreich als drittes der Geschwister übrig. Wenn wir nicht ganz mithalten können, suchen wir uns gerne Nischen aus, in denen wir strahlen können – Musik zum Beispiel.

Nurit Hirschfeld: Der Bodensee steht für mich für Fahrradfahren, Idylle, günstiges Einkaufen für Schweizer. Die Schweiz steht für mich für Tina Turner, Rösti und Friedrich Dürrenmatt, Österreich für tolles Theater und Filme, schwarzer Humor, Ulrich Seidl. Und Deutschland steht für mich für Nordsee, Kartoffeln und Schlager.

Sie haben mit Ilonka Petruschka gedreht, die nicht nur Schauspielerin ist, sondern auch Filmschaffende zur authentischen Darstellung von Transmenschen in Film und Fernsehen berät. Hat sie Ihnen zu diesem Thema etwas mit auf den Weg gegeben?

Nurit Hirschfeld: Ilonka hat von Anfang an gesagt: "Es gibt keine falschen Fragen – fragt einfach!" Lieber fragen, verstehen wollen und neugierig bleiben als anders herum. Das fand ich unglaublich toll und hat mir gleich jede Hemmung genommen. Sie ist eine so liebevolle, talentierte und wunderbare Kollegin, und es war einfach eine große Freude und Bereicherung, mit ihr zusammen arbeiten zu dürfen. 

Dominik Maringer: Die Begegnung mit Ilonka war für mich bei diesem Projekt sehr wichtig und spannend. Wir haben unter anderem darüber geredet, ob es für sie nicht verletzend ist, dass meine Figur des Martin Keller immer wieder Klischees und feindliche Äußerungen über Transpersonen macht. Ich wollte von ihr wissen, ob man vielleicht den ein oder anderen Satz ein bisschen umformulieren sollte. Aber Ilonka fand es gut, dass es genau diese Position im Film gibt, denn auch im realen Leben werden sie und andere Transpersonen oft mit Vorurteilen, ja sogar mit offenem Hass konfrontiert. Keller wandelt sich im Laufe des Films zumindest ein bisschen und lernt dazu – das war mir wichtig zu erzählen. Auch persönlich bin ich fest davon überzeugt, dass man nie aufhören sollte dazuzulernen. Mir war zum Beispiel vor dem Dreh nicht bewusst, dass der Leidensdruck auch nach einer Geschlechtsangleichung bei vielen Transpersonen noch lange bestehen bleibt. Das hat auch damit zu tun wie die Gesellschaft, wie wir alle, mit den betroffenen Menschen umgehen.

Walter Sittler: Es war ein Vergnügen, mit ihr zu arbeiten. Ihr uneingeschränkter Respekt für alle ist beeindruckend – da kann man sich eine Scheibe von abschneiden.

Produktionsnotizen

Regisseur Felix Karolus und Drehbuchautorin Myriam Utz stammen beide aus der Region um den Bodensee. Sie haben in ihrer Jugend mit den alten Traditionen ihre ganz eigenen Erfahrungen gemacht. Dazu Felix Karolus: "Meine Verbindung zur Alemannischen Fasnet ist die "Rottweiler", in der mein Patenonkel als Federhannes aktiv war. Und so habe ich mich sehr über die Geschichte von Myriam gefreut, da sie neben einem interessanten Plot auch ein Milieu zeigt, das mir nicht fremd ist. Wenn man in einem Ort mit großem Traditionsbewusstsein aufwächst, ergibt sich gerade für Jugendliche und junge Erwachsene ein Spannungsfeld zwischen der eigenen Entwicklung und den Traditionen. Gruppenzwang versus Individualismus. Das gilt in unserer Geschichte nicht nur für Kaja, sondern auch für ihren Bruder Paul. Beide sind als Kinder des Vorsitzenden der Narrenzunft der Schellengeister unter besonderer Beobachtung aufgewachsen."

Myriam Utz beschreibt ihr Verhältnis zur Fasnet seit jeher als sehr ambivalent: "Es war das Highlight des Jahres. Die Woche voller Feiern und Umzüge, auf die nicht nur ich, sondern die ganze Region hin fieberte. Trotzdem war es mir stets auch unheimlich. Diese uniforme Anonymität hat etwas Beängstigendes. Zudem ist die unschöne Realität der Fasnet auch, dass sehr viel Alkohol fließt. Und gerade als heranwachsende Frau wird man nicht selten damit konfrontiert, dass eine Horde schwer alkoholisierter maskierter Männer auch eine Gefahr darstellen kann. Als man mich dann mit einem Krimiplot zum Bodensee beauftragte, der das Lokalkolorit der Region zeigen soll, war sehr schnell klar, dass die Mischung aus Gruppenzugehörigkeit, konservativen Regeln und kostümierter Anonymität spannende Geschichten hergibt. Mit den eigenen Erfahrungswerten im Gepäck konnte ich der Fantasie freien Lauf lassen."

Die Tradition der Narrenzünfte am Bodensee geht auf die Zeit und Symbolwelt des 14. Jahrhunderts im Schwäbisch-Alemannischen zurück. Eine lange Historie mit festgefügten Ritualen prägt die einzelnen Vereine. Fastnachteröffnung ist am 11. November, der Beginn der Veranstaltungen im Januar ist stets am Dreikönigstag. Es starten Umzüge in den Orten – die sogenannten Narrensprünge – und die Fasnetsbälle. Im Zentrum der Orte werden am "Schmotzigen Dunschtig" während des Umzuges die sogenannten Narrenbäume gesetzt – dies gilt als Highlight. Dann folgt die Weiberfasnacht. 

Bekannt ist auch das "Stockacher Narrengericht", bei dem Politiker ordentlich Spott abbekommen. Mitten im närrischen Trubel in Stockach: Ein typischer Narrenbrunnen mit der Figur des Hofnarren Kuony – seiner Zeit am Hause des Erzherzogs Leopold von Österreich um 1350 tätig. Da sich Kuony am Hofe besonders verdient gemacht hatte, rief er – einen Wunsch frei – das Narrengericht über die Obrigkeiten ins Leben. Es tagt bis heute.

Mittlerweile kommen viele Touristen an den Bodensee, um mitzufeiern. Die Kostüme der Zünfte können sie jedoch nicht erwerben. Und so kann man die Bräuche keinesfalls mit Faschingsvereinen aus dem Rheinland gleichsetzen. Jede Zunft hat ihre eigenen farbenfrohen Kostüme, eine Art von Uniform – genannt "das Häs" –, und ihre Masken. Die Vermummung ist zentraler Bestandteil, man darf nicht erkannt werden. Dargestellt werden verschiedene Sagengestalten. Die oftmals geschnitzten, teils gruselig anmutenden Holzmasken werden jedes Jahr getragen, sind von langer Tradition aus handgemacht und werden im Privatbesitz weitervererbt. Andere Vereine tragen auch Stoffmasken und Hüte oder Gesichtsbemalung. Die charakteristischen Schellen mit hellem Klang wurden im Mittelalter von Außenseitern der Gesellschaft wie Narren und Heiden getragen und fanden so ihren Weg in die Fasnet. Jede Narrenzunft hat ihre streng ritualisierten Bräuche, Symbole und jene "Narri, Narro"-Rufe, die schon früh zur gegenseitigen Erkennung genutzt wurden. Auch darf ein Mitglied einer Zunft sein Kostüm nicht als Zuschauender bei einem Umzug tragen, bei dem der eigene Verein nicht mitläuft. Welcher Verein bei welchem Umzug dabei ist, wird vorab ausgehandelt. Einige Vereine halten die Bräuche sehr strikt ein und sind eher konservativ ausgerichtet, weswegen zum Beispiel Frauen die Kostüme bei ihnen nicht tragen dürfen, andere halten es liberaler. Der Zusammenschluss der Vereine unter dem Dach der "Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte" wacht über die alte Kultur und deren Auslegung.

Eine besondere Herausforderung für die Dreharbeiten war das Gebot der Zünfte, ihre Kostüme nicht außerhalb eines bestimmten Zeitraumes im Jahr tragen zu dürfen. Die Regeln hierzu sind sehr streng. Aus Respekt vor den alten Bräuchen entschied sich die Produktion deshalb für das Erfinden einer fiktiven Zunft, den sogenannten Schellengeistern, mit einem von der Kostümbildnerin selbst entworfenen, ebenfalls fiktiven Kostüm. Einige Vereine standen der Produktion offen gegenüber und gaben gern fachkundige Unterstützung – zum Beispiel in der Unterweisung mit der Karbatsche, einer langen aus Lederriemen oder Hanfseilen geflochtenen Peitsche, die in Form einer Acht über dem Kopf geschwungen wird.

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