Die Bilderkriegerin – Anja Niedringhaus

Dokudrama

Anja Niedringhaus war eine international hoch anerkannte deutsche Fotojournalistin. 2014 starb sie durch einen Anschlag in Afghanistan. Der Film erzählt mit Spiel- und Dokumentarteilen wie aus einer zunächst wenig erfahrenen Fotografin eine der besten ihres Genres wird. Antje Traue spielt Anja Niedringhaus (1965-2014) als leidenschaftliche und todesmutige Wahrheitskämpferin, die mit ihren Bildern aus den Kriegsgebieten immer ganz dicht an den Menschen bleibt und die Welt zum Besseren verändern will.

  • ZDF Mediathek, ab 23. Juli 2023, jeweils ab 22.00 Uhr, für 30 Tage
  • ZDF, Dienstag, 25. Juli 2023, 22.15 Uhr

Texte

Über Anja Niedringhaus und das Dokudrama "Die Bilderkriegerin"

Das Dokudrama "Die Bilderkriegerin" richtet den Blick auf das Leben und Wirken der Fotojournalistin Anja Niedringhaus. Sie zählt zu einer der bedeutendsten ihres Genres. Im Auftrag der European Pressphoto Agency (EPA) und später der Associated Press (AP) berichtete sie aus zahlreichen Krisengebieten. 2014 fiel sie während des afghanischen Präsidentschaftswahlkampes einem Mordanschlag zum Opfer. Sie hat der Welt das Schicksal von Zivilisten auf Krisen- und Kriegsschauplätzen immer wieder vor Augen geführt – ob in Jugoslawien, im Irak oder Afghanistan. Ihre zum Teil preisgekrönten Fotos zeigen das Leiden aber auch die Hoffnung von Menschen an Brennpunkten von Terror und Bürgerkriegen. Als Frau galt sie als Ausnahme im gefährlichsten Genre des Fotojournalismus. Als erste deutsche Fotografin erhielt sie 2005 den begehrten Pulitzerpreis für ihre Fotoberichterstattung aus dem Irak.

Für den Film wurden intensive Gespräche mit der Familie geführt, Kollegen und Zeitzeugen befragt, die in bewegenden Worten an ihr leidenschaftliches Engagement für Frieden und Gerechtigkeit erinnern. Berühmte wie berührende Fotografien von Anja Niedringhaus bilden den roten Faden der Spielhandlung, die auf zentrale Schlüsselmomente im Leben der Fotografin fokussiert. Ergänzt wird durch dokumentarisches Archivmaterial vom Geschehen an den Krisenschauplätzen.

Stab und Besetzung

Regie:                                     Roman Kuhn
Buch:                                      Yury Winterberg, Roman Kuhn
Dokumentarregie:                  Sonya Winterberg
Bildgestaltung:                       Jürgen Rehberg
Filmschnitt:                             Clemens Hübner
Kostüm:                                  Filiz Ertas
Casting:                                  Ulrike Müller, Juno Casting
Szenenbild:                            Gudrun Roscher
Musik:                                     Dürbeck & Dohmen
Creative Producer:                 Marion Klann
Produktionsleitung:                Cornelia Schmidt-Matthiesen
Koproduzenten:                      Janosch Benz, Ufuk Genç, Erhan Emre
Ausführender Produzent:       Pierre-André Rochat
Produziert von:                       Hartmut Köhler, Tina Illgen
Produzentin:                           Regina Ziegler
Produktion ZDF:                     Carola Ulrich
Redaktion ZDF:                      Peter Arens, Stefan Brauburger, Carl-Ludwig Paeschke
Sendelänge:                           circa 90 Minuten

Die Rollen und ihre Darstellerinnen und Darsteller
Anja Niedringhaus:                Antje Traue
Sergio:                                    Michele Cuciuffo
Kathy Gannon:                       Dulcie Smart
Gide, Schwester von Anja:    Franziska Hartmann
u.a.

ZDF-Kinokoproduktion mit Ziegler Film GmbH & Co. KG, Avanga Filmproduktion GmbH & Co. KG und Volksfilm GmbH in Zusammenarbeit mit Lightburst Pictures GmbH gefördert von Mitteldeutsche Medienförderung, Deutscher Filmförderfonds, Filmförderungsanstalt. Im Verleih von Salzgeber

Inhalt

Anja Niedringhaus ist 26 Jahre alt, als der Krieg in Jugoslawien ausbricht. Ein Krieg mitten in Europa. Hartnäckig bearbeitet sie den Chef ihrer Agentur, der European Pressphoto Agency: Sie muss als Fotografin dorthin! Wenige Wochen später besteigt Anja eine Transall-Maschine der Uno. Ihr Ziel: Sarajewo. Sie ist wild entschlossen, das Foto zu schießen, das den Krieg beenden wird. Aber erst einmal wird sie mit der harten Wirklichkeit in der belagerten Stadt konfrontiert. Es ist bitterkalt, es gibt keinen Strom, kaum Nahrung, und jeder in dieser Stadt ist ständig in Lebensgefahr durch die "Sniper", Scharfschützen, die selbst auf spielende Kinder schießen. Die meisten von Anjas männlichen Kollegen glauben, dass "das Mädchen" aus Deutschland bei der nächsten Gelegenheit diese Hölle wieder verlässt. Aber Anja bleibt, mit Unterbrechungen fast drei Jahre. Der spanische Fotograf Sergio nimmt sie unter seine Fittiche. Er bringt ihr die Regeln des Überlebens in einem Kriegsgebiet bei. Anja dokumentiert Schreckliches, lernt zu improvisieren und behält trotz des sie umgebenden Leids ihre positive Ausstrahlung. Aus der zunächst unerfahrenen jungen Frau wird eine der besten Fotojournalistinnen ihrer Generation.

Nach Sarajewo geht Anja in den umkämpften Kosovo. Sie fotografiert die flüchtenden Menschen, die Vertreibung, und kümmert sich um ein einjähriges Mädchen, das allein zurückbleibt. Mit einer Fotoreportage initiiert sie eine Spendenaktion und sorgt dafür, dass das Kind eine Familie findet. Zurück in Deutschland will Anja ihre berufliche Zukunft überdenken. Sie ist auch eine gefragte Sportfotografin. In diese Unsicherheit platzt im Jahr 2001 ein Ereignis, das Anja die Entscheidung abnimmt: 9/11. Sofort fliegt sie nach New York, kurz darauf ist sie schon in Afghanistan und Kuwait. Sie wechselt in die renommierteste Bildagentur der Welt: Associated Press (AP). Anjas Fotos vom Kriege landen auf den Titelseiten der großen Zeitungen in aller Welt.

Als die USA im Frühjahr 2003 im Irak einmarschieren, ist Anja von Anfang an dabei. Sie dokumentiert als Einzige den streng geheimen Truppenbesuch von Präsident Bush zu Thanksgiving. Auch Sergio ist im Irak. Die beiden haben eine Affäre, sind aber auch Konkurrenten. Den Traum von einer eigenen Familie hat Anja mittlerweile aufgegeben. Stattdessen kümmert sie sich, wenn sie in Deutschland ist, um die Kinder ihrer Schwester Gide.

Obwohl die Fotografin Vorbehalte dem Militär gegenüber hat, begleitet sie im Rahmen einer Embedded-Mission die amerikanischen Streitkräfte. Es wird einer ihrer gefährlichsten Einsätze und verändert ihren Blick auf die jungen Soldaten, die aus unterschiedlichsten Gründen beim Militär gelandet sind. Aus der umkämpften Stadt Fallujah entkommt sie nur knapp, viele der Soldaten sterben. 2005 wird ihr fotografischer Einsatz im Irak mit dem renommierten Pulitzer Preis geehrt, dem Oscar für Fotografen. Ein Leben in Deutschland kann sich Anja nicht mehr vorstellen, auch wenn sie Gide und deren Kindern immer wieder besucht und dort versucht, die erlebten Schrecken zu verarbeiten. Bei einem Einsatz in Afghanistan wird sie 2010 verletzt, aber auch das hält sie nicht davon ab zurückzukehren. "Wenn ich es nicht fotografiere, wird es nicht bekannt." Das ist ihr Credo: den vielen anonymen Opfern ein Gesicht verleihen und damit die Welt aufrütteln.

In Kabul trifft Anja auf die AP-Chefkorrespondentin Kathy Gannon. Die beiden Frauen sind aus dem gleichen Holz geschnitzt und bilden schnell ein unzertrennliches Team. Afghanistan mit seinen atemberaubenden Landschaften und faszinierenden Menschen beeindruckt beide gleichermaßen. 2014 während der Präsidentschaftswahlen wollen sie in der Provinz von der mutigen Bevölkerung berichten, die trotz Bedrohung durch die Taliban wählen geht. Anja hat schon das Bild der Menschen vor Augen, die von den Bergen in die Ebene kommen, um ihre Stimme abzugeben. Sie wird es nicht mehr realisieren können, denn in einer gut bewachten Polizeistation eröffnet plötzlich ein Offizier das Feuer auf die beiden Frauen. Anja ist sofort tot, Kathy überlebt schwer verletzt und ist bis heute gezeichnet und in ärztlicher Behandlung.

Regisseur Roman Kuhn über seinen Film

Die Fotografin Anja Niedringhaus war ohne Frage eine besondere Frau und ein außergewöhnlicher Mensch. Ihr Mut, ihr Instinkt und ihr Talent waren herausragend.

Ihre Fotos aus Kriegs- und Krisengebieten erzählen von den Menschen und deren Geschichten hinter der Front. "Sie sah in die Seele der Menschen", so beschreibt eine Kollegin ihr Werk. Ein anderer Wegbegleiter sagt: "Sie konnte mit ihren Bildern die Welt verändern." Ihre Bilder sind nie reißerisch, auch nicht künstlerisch. Es sind Dokumente des menschlichen Wahnsinns. Sie zeigen unverhohlen die Grausamkeiten des Krieges, aber auch die unglaubliche Kraft, den Stolz und die Würde der Menschen, die keine Wahl haben und dies alles ertragen müssen.

2005 gewinnt Anja Niedringhaus als erste Frau den renommierten Pulitzer Preis. In Interviews äußert sie sich eher unbeeindruckt, manchmal sogar belustigt über die Gefahren und die Grausamkeiten, denen sie jeden Tag ausgesetzt war. Und doch haben sich diese ohne Zweifel tief in ihre Seele eingebrannt.

Was hat all das mit ihr gemacht? Was verbarg sich wirklich hinter dieser immer freundlichen Fassade? Die unzähligen körperlichen Verwundungen kennen wir, doch wie schwer wurde ihre Seele getroffen? Wie erging es ihr, wenn die Tür zu war, es dunkel und einsam wurde? Was treibt einen jungen Menschen wie Anja in den Krieg und warum hielt sie das so lange aus? Über 20 Jahre. War es das Adrenalin, die Sehnsucht oder einfach nur eine Sucht?

"Without photography, there is no democracy!", dieses Statement eines Kollegen war ihr Motto. Wir haben zwischen den Zeilen gelesen, auf die Untertöne ihrer Interviews gehört und versucht, die Aussagen ihrer Familie und Kollegen ins richtige Bild zu setzen. Heraus gekommen ist das Psychogramm einer bewundernswerten Frau, die trotz allen Erfolges immer wieder an der Wirkung und dem richtigen Einsatz ihrer Bilder gezweifelt hat. Gelangweilt von einem normalen Leben und doch zerrissen von der Sehnsucht, irgendwo anzukommen, war sie bis zuletzt getrieben, der Welt zu zeigen, was Kriege mit uns machen. Vielleicht hat sie auch nur keinen Weg gefunden, aus diesem Leben wieder herauszukommen. Somit war sie bis zuletzt zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Alles umsonst? Anja Niedringhaus und ihr Vermächtnis / Von Peter Arens und Stefan Brauburger

Als wir uns für dieses Filmprojekt entschieden, entzog es sich jeglicher Vorstellungskraft, dass zum Sendezeitpunkt wieder ein verheerender Krieg in Europa toben würde. Dass bei der Berichterstattung vor Ort wieder Frauen und Männer ihr Leben riskieren müssen - auf ihrer schwierigen Suche nach der Wahrheit. Insofern gewinnt der Film über das Leben von Anja Niedringhaus traurige Aktualität. 

Sie hat es stets abgelehnt, als Kriegsfotografin bezeichnet zu werden. Obwohl sie in dem Vierteljahrhundert ihres Schaffens immer wieder von militärischen Operationen und Schauplätzen verheerender Bürgerkriege berichtete, von dort aus ihre eindringlichsten Fotografien in die Welt schickte und dafür ihr Leben riskierte. Ihr größter Traum war, Menschen mit ihren Fotos derart aufzurütteln, dass die Bilder vielleicht sogar dazu beitragen können, Konflikte zu beenden. Am Ende wurde ihr die eigene Leidenschaft, direkt an den Brennpunkten, an vorderster Front zu berichten, zum Verhängnis. Sie wollte immer mehr als nur Ereignisse abbilden. Ihre Fotografien sind Appelle gegen Menschenverachtung und Unrecht, aber auch Ausdruck der Hoffnung auf Frieden.

Doch immer wieder plagten sie auch Zweifel, ob ihre Arbeit wirklich etwas bewirken könne, angesichts der andauernden und immer wieder aufflammenden Konflikte und Krisen. Afghanistan und seine Menschen, vor allem das wechselvolle Schicksal der Frauen, lagen ihr besonders am Herzen. Den hoffnungsvollen Aufbruch mutiger Kandidatinnen bei Parlamentswahlen begleitete sie mit ihrer Kamera, gab der Aussicht auf eine offenere Gesellschaft Namen und Gesichter.

Anja Niedringhaus wurde ermordet, als sie das Wahlgeschehen in der afghanischen Provinz 2014 fotografisch dokumentieren wollte. Tödliche Schüsse rissen sie jäh aus der Geschichte, die sie mit Leidenschaft begleitete. Und das Geschehen in dem Land nahm in den darauffolgenden Jahren einen Lauf, der all dem zuwiderlief, was die preisgekrönte Fotografin sich erhofft hatte.

Jene Bilder vom August 2021 sind unvergesslich, von Menschen, die sich am Flughafen von Kabul verzweifelt an Fahrwerke von Flugzeugen klammern, die sie außer Landes bringen sollen. Die Schritt für Schritt erkämpfte Öffnung der Gesellschaft, die mühsam erarbeitete Mitbestimmung der Frauen, ihr Chancen auf Bildung und freie Entfaltung wurden nach der Machtübernahme der Taliban wieder zunichte gemacht. Dabei hatte das Land nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs zur Ruhe kommen sollen, Wohlstand und Freiheit schienen erreichbar. Es ging darum, eine stabile demokratische Regierung, eine prosperierende Wirtschaft und vor allem Frieden zu sichern.

Zwei Jahre ist es her, dass die unfassbaren Bilder des Desasters um die Welt gingen, und was würde sich Anja Niedringhaus fragen, würde sie noch leben? War alles vergebens? Ist ihr Werk aus der Zeit gefallen? 
Uns haben optimistische Antworten imponiert, die ehemalige Entwicklungshelferinnen in Afghanistan in einer ZDF-Dokumentation auf die Frage nach dem Sinn ihres Einsatzes gaben: "Unsere Arbeit ist in keinster Weise umsonst gewesen. Wir haben dort einer kompletten Generation die Möglichkeit gegeben, unsere Lebensweise, Freiheit und Toleranz kennen zu lernen, und zu erfahren, was machbar ist im Gegensatz zum Taliban-Regime". Diese Antwort hätte auch Anja Niedringhaus geben können. Ihre Fotografien vom Aufbruch in Afghanistan werden nach dem fundamentalistischen Rückfall in das Reich der Taliban noch bedeutender. Ihre Bilder zeugen davon, was in ferner Zukunft vielleicht doch noch einmal möglich sein wird. Insofern ist der Film auch Ausdruck einer Hoffnung, die nicht vergehen darf.

 

Peter Arens ist Leiter der ZDF-Hauptredaktion Geschichte und Wissenschaft.
Stefan Brauburger ist Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte.

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