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Die Welt steht still

Das Drama von Regisseur Anno Saul erzählt den fiktiven Stoff der preisgekrönten Autorin Dorothee Schön über eine Ärztin in der Coronakrise: Als die Bilder aus Bergamo um die Welt gehen, steht das Leben der Konstanzer Intensivmedizinerin Dr. Caroline Mellau (Natalia Wörner) Kopf. Caroline wird Mitglied des Klinikkrisenstabs und ist rund um die Uhr im Einsatz. Gleichzeitig sitzt ihr Mann Stefan (Marcus Mittermeier) als Musiker von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen zu Hause, die Kinder können nicht in die Schule gehen. Dorothee Schön hat für den Film intensiv bei Klinikpersonal recherchiert, ihre eigene Tochter ist Intensivmedizinerin.

  • ZDF, Montag, 15. November 2021, 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Montag, 8. November 2021

Texte

Stab, Besetzung und Inhalt

Buch                                Dorothee Schön

Regie                               Anno Saul

Kamera                            Martin L. Ludwig

Schnitt                             Tobias Haas

Musik                               Jessica de Rooij

Ton                                  Benjamin Schubert

Szenenbild                       Iris Trescher-Lorenz

Kostüme                           Rike Russig

Fachberatung                   Dr. Laelia Rösler

Herstellungsleitung            Roger Daute

Produktionsleitung             Andrea Bockelmann, Christa Lassen

Produktion                        Network Movie Film- und Fernsehproduktion GmbH

Produzentin                      Jutta Lieck-Klenke, Anne-Lena Dwyer

Redaktion                         Daniel Blum

Länge                               ca. 89 Minuten

 

Die Rollen und ihre Darsteller*innen

Dr. Carolin Mellau             Natalia Wörner

Stefan Mellau                   Marcus Mittermeier

Karlheinz Schwarz            Klaus Pohl

Annette Schwarz               Lena Stolze

Luzy Mellau                      Lilly Barshy

Tim Mellau                        Jona Eisenblätter

Petra Bollmann                 Bettina Stucky

Carolins Mutter                 Elisabeth Schwarz

Madame Laurent               Ursula Andermatt

Sami Aslan                       Atheer Adel

Dr. Maxime Durant            Nikolai Kinski

Prof. Hasenclever             Jörg Pose

Noah                                Oskar Belton

Mirko                               Johannes Klaußner

Oliver                               Moritz Leu

Alexandra                         Antonia Bill

Lara                                 Remy Jane Johansson

Max Schwertfeger             Philippe Goos

Frau Krumbiegel               Eva Patricia Dietrich

und andere

 

Inhalt

Der Film erzählt einen fiktiven Stoff der preisgekrönten Autorin Dorothee Schön: Eine Konstanzer Oberärztin erkrankt zu Beginn der Coronakrise selbst an Covid-19. Dorothee Schön hat für den Film intensiv bei Klinikpersonal recherchiert, ihre eigene Tochter ist Intensivmedizinerin.

Als die Bilder aus Bergamo um die Welt gehen, steht das Leben der Konstanzer Intensivmedizinerin Dr. Carolin Mellau Kopf: Carolin wird Mitglied des Klinikkrisenstabs und ist rund um die Uhr im Einsatz. Schutzkleidung und Beatmungsgeräte fehlen, Personal muss geschult werden, neue Intensivbetten werden eingerichtet. Als Anästhesistin intubiert sie die Patienten mit schwerem Covid-19-Verlauf. Das Infektionsrisiko dabei blendet sie aus und sorgt sich mehr um die jungen Kolleginnen und Kollegen, denen die Routine fehlt. Gleichzeitig geht es in Carolins Familie drunter und drüber: Ihr Mann Stefan ist Musiker und sitzt von einem Tag auf den anderen ohne Einkommen zu Hause. Tochter Luzy und Sohn Tim können nicht in die Schule gehen, hinzu kommt Luzys Liebeskummer: Sie und ihr Freund, der aus der Schweiz kommt, werden getrennt – die Grenze, die in Konstanz mitten durch die Stadt verläuft, wird geschlossen. Carolins Einsatz für die Patienten und ihre Angehörigen hat fatale Folgen: Sie infiziert sich mit dem Coronavirus.

"Möglichst detailgenau und realistisch"

Von Jutta Lieck-Klenke und Anne-Lena Dwyer

Die Idee, diesen Film zu machen, entstand im ersten Lockdown im März 2020, als von den Balkonen Deutschlands für das medizinische Personal auf den Corona-Stationen geklatscht wurde. Im Sommer 2020 sah es dann so aus, als sei das Virus im Griff. Wir fragten uns: Wird das Thema noch aktuell sein, wenn unser Film fertig ist? Als das Drehbuch Anfang 2021 stand, waren wir im zweiten Lockdown, damit hatte keiner gerechnet. Der Dreh selbst fand dann im März 2021 unter sehr strengen Hygienemaßnahmen statt. Während der Dreharbeiten war Konstanz immer noch im Lockdown, keine Touristen – gespenstische Ruhe wie überall. Zwölf Monate später in genau der gleichen Situation zu sein wie im Frühjahr 2020, von dem wir in "Die Welt steht still" erzählen, das kam uns verrückt vor. Am Stress des medizinischen Personals hatte sich nichts geändert, außer dass nun keiner mehr applaudierte und finanziell fast nichts passiert war. Die große Herausforderung war, in dieser Situation authentische Drehorte zu finden, Krankenhäuser waren ja weit über ihre Kapazitätsgrenze belastet. Man durfte sie nicht einmal betreten. Durch einen glücklichen Umstand haben wir letztlich ein kürzlich modernisiertes – aber aufgrund einer Insolvenz stillgelegtes – Krankenhaus in der Region gefunden und für unsere Dreharbeiten aus dem Winterschlaf geholt.

Wichtig war uns auch die medizinische Fachberatung bei Stoffentwicklung und Dreh durch die Intensivmedizinerin Dr. Laelia
Rösler, die gleichzeitig eine langjährige Freundin der Hauptdarstellerin Natalia Wörner ist. So konnten wir unserem Anspruch gerecht werden, die Krankenhausabläufe, Behandlungen und medizinischen Handgriffe so detailgenau und realistisch wie möglich zu zeigen. Selbst die Studierenden waren teilweise Medizinstudenten. Die Tochter der Autorin Dorothee Schön, selbst angestellte Ärztin am Klinikum Konstanz, hat einen Cameo-Auftritt. Die Musiker sind Mitglieder des Deutschen Symphonie-Orchesters Berlin. Sie haben sich gefreut, an den Dreharbeiten mitwirken zu können, da sie zu diesem Zeitpunkt ja nicht auftreten konnten – auch hier ein Jahr später dieselbe Situation, die wir im Film zeigen. Unsere Komponistin Jessica de Rooij hat die klassischen Stücke für die Kammerbesetzung transponiert, mit ihnen noch vor Drehbeginn die Studioaufnahmen dafür eingespielt und die wundervolle Filmmusik geschaffen, die den Film trägt. Das Bildmaterial, das den Papst erstmals in der dokumentarischen Geschichte des Vatikans allein auf dem menschenleeren Petersplatz zeigt, ist ein zeitgeschichtliches Dokument – dafür brauchten wir den offiziellen "Segen" des Vatikan.

"Informationen aus erster Hand"
Interview mit Anno Saul und Dorothee Schön

Dem Film wird von Ärzt*innen und Pfleger*innen eine große Authentizität bescheinigt. Wie war die Ausgangslage, als die ersten Gespräche über den Stoff stattfanden?

Dorothee Schön: Als ich Mitte März 2020 Network Movie und dem ZDF den Vorschlag machte, einen Film über Corona zu entwickeln, ging die Pandemie in Deutschland gerade erst los. Niemand wusste, was auf uns zukommt, aber alle spürten, dass sich unser Leben einschneidend verändern wird.

Anno Saul: Das Gefühl, dass wir alle damals gegenüber diesem Thema hatten, unterscheidet sich kaum von dem, was unsere Figuren im Film haben: große Verunsicherung.

Wie haben Sie in so kurzer Zeit recherchiert, das Drehbuch geschrieben und die Inszenierung vorbereitet?

Dorothee Schön: Ich hatte in der Pandemie von Beginn an Informationen aus erster Hand, denn meine Tochter ist Anästhesistin und Intensivmedizinerin am Klinikum Konstanz. So kam ich überhaupt auf die Idee, die "Innensicht" erzählen zu wollen. Denn natürlich hatte ich Angst um meine Tochter, nachdem ich die Schreckensbilder aus italienischen Krankenhäusern gesehen habe. Dieses Projekt war für mich ein ganz neues Arbeiten, ich bekam völlig freie Hand, sozusagen während der laufenden Ereignisse mein Thema zu finden. Und als in meinem persönlichen Umfeld die ersten sogenannten Querdenker auftauchten, fragte ich mich, wie es für Ärzte sein muss, solche Patienten zu behandeln. Damit hatte ich den Grundkonflikt gefunden.

Anno Saul: Die Vorbereitungen für den Dreh waren schwierig. Viel musste online stattfinden. Es war auch schwierig, ein Krankenhaus zu finden, in dem man überhaupt drehen konnte. Schließlich gab es ein Besuchsverbot selbst für Angehörige, da kann man kein Filmteam reinlassen. Doch Dorothee wusste von einem insolventen Krankenhaus in ihrer Region, das noch bis vor kurzem in Betrieb gewesen war, in dem wir dann drehen konnten.

Was war Ihnen beiden besonders wichtig?

Dorothee Schön: Die Geschichte sollte ein ganz kleiner, sehr konkreter Ausschnitt aus einem weltumspannenden Geschehen sein und daran erinnern, wie man zu Beginn der Pandemie gefühlt und gedacht hat. Die Ereignisse im Frühjahr 2020 waren wirklich dramatisch, trotzdem beginnen wir schon zu vergessen. Ich wollte ein realistisches Bild des Klinikalltags an einem konkreten Ort zu einem definierten Zeitpunkt entwerfen, ohne zu verkitschen, ohne zu dramatisieren, aber auch ohne herunterzuspielen, was dort jeden Tag – bis heute – geleistet wird. Im Frühjahr 2020 hat man noch von den Balkonen geklatscht, heute findet man das alles selbstverständlich – obwohl das medizinische System weiterhin an der Belastungsgrenze arbeitet.

Anno Saul: Mir war das Tastende wichtig. Dass alle nicht genau wissen, was da kommt und sich trotzdem irgendwie vorbereiten müssen. Wir erzählen die erste Welle. Und was man leicht vergisst, ist, dass das Privatleben des medizinischen Personals genauso auf den Kopf gestellt war, wie das aller anderen. Diesen Spagat muss man erstmal aushalten. Beispielsweise kämpft unsere Ärztin Carolin während der Arbeit damit, dass sie Angehörige abweisen muss, nach Dienstschluss steht sie aber genauso ausgesperrt vor dem Pflegeheim ihrer Mutter. Während Carolin beruflich extrem gefordert ist, steht für ihren Mann und ihre Kinder die Welt plötzlich still und alle beruflichen Pläne des Mannes pulverisieren sich komplett. 

Gab es von Anfang an die Idee, einen Countdown zu erzählen?

Dorothee Schön: Die Idee gab es bereits in der ersten Fassung, einerseits um Zeitsprünge zu erklären, andererseits um das Gefühl zu intensivieren, dass auf die Protagonisten etwas zukommt, während sie noch das Gefühl haben, dass die Pandemie weit weg ist. 

Anno Saul: Wir haben uns allerdings bis zuletzt offengelassen, wo und wie wir dieses Stilmittel einsetzen. Es durfte nicht reißerisch wirken, eher wie eine ticking clock.

Sie haben unter strengen Hygienevorschriften mitten in der Pandemie einen Film über den Beginn der Coronakrise realisiert. Was waren die Herausforderungen?

Dorothee Schön: Ich war in meiner Arbeit wenig eingeschränkt, denn ich konnte mich natürlich intensiv mit meiner Tochter und anderen befreundeten Ärzten austauschen. Besonders hilfreich war der Kontakt zu Dr. Laelia Rösler, die als Anästhesistin in Kiel die erste Welle im Krankenhaus miterlebt hat und dann als Fachberaterin am Set dabei war.

Anno Saul: Das Drehen war dann schon weitaus schwieriger. Zum einen brauchten wir ja klinisches Equipment, das während der Pandemie gebraucht wurde. Zum anderen müssen die Handgriffe von Schauspielerinnen und Schauspielern aussehen, wie von geübtem medizinischen Personal, dazu anspruchsvolle medizinische Fachdialoge. Drehorganisatorisch gibt es Test- und Hygienestrategien am Set, damit nicht eine einzelne Infektion den ganzen Dreh zu Fall bringt. Wir waren praktisch "kaserniert". 

Was waren Ihre persönlichen ersten Gedanken und Einschätzungen im Frühjahr 2020 zu Corona? Hat sich der Blick auf den Beginn der Krise bei Ihnen auch durch die Dreharbeiten geändert?

Dorothee Schön: Mir war sofort klar, dass sich hier etwas ereignet, das radikale Auswirkungen auf unser Leben haben wird. Und ich hatte bei aller Besorgnis die Hoffnung, dass sich in den Köpfen der Menschen dadurch vielleicht auch etwas zum Positiven verändert – dass man Konsum vielleicht nicht mehr so wichtig findet, die Nähe zu anderen wieder mehr genießt, den dienstleistenden Berufen und dem medizinischen Personal mehr Wertschätzung entgegenbringt, das Leben etwas entschleunigt und klimafreundlicher gestaltet. Inzwischen bin ich ziemlich ernüchtert. Ich glaube, die Menschen wollen einfach nur, dass alles genauso wird wie vor der Pandemie, und damit basta.

Anno Saul: Ich habe sehr ähnlich gedacht wie Dorothee – dass die Gesellschaft zusammenrückt, bewusster wird. Aber ich konnte mir wie so viele andere nicht vorstellen, dass es so lange dauern würde. Außerdem merkte ich schnell die gesellschaftliche Veränderung. Ich finde es wichtig, mit den Menschen, die unsicher sind, Fragen haben, zu sprechen, auch nicht belehrend zu sein. Aber inzwischen verweigere ich den Dialog mit Menschen, die "wütend" sind. Erstmal durchatmen und dann in vernünftigem Ton miteinander ringen. Da gehe ich auch in die Bütt. Aber dieses Gebrüll mach' ich nicht mit. 

"Durch ein Schlüsselloch selbst beobachtet"
Interview mit Natalia Wörner

Sie spielen eine Konstanzer Oberärztin zu Beginn der Coronakrise Anfang 2020. Hat Sie diese Rolle besondere Kraft gekostet?

Ja, das hat sie auf sehr unterschiedlichen Ebenen. Diese Dreharbeiten waren anders als alle, die ich je erlebt habe, da wir uns in gewisser Weise zeitversetzt durch ein Schlüsselloch selbst beobachtet haben: Was macht die Pandemie mit uns allen? Wie dreht man unter Pandemie-Bedingungen überhaupt – und thematisiert dabei den Beginn dieser weltweiten Überforderung? Was macht die Pandemie mit mir als Privatperson, Mutter, Bürgerin? Wie gehe ich mit meinem Beruf um, dessen Ausübung zunächst auch für eine gewisse Zeit nicht möglich war. Wo stehe ich in der Ohnmacht? In der Angst? In der Verantwortung? Wie gehe ich mit diesem kollektiven Schock um? Ich habe eine Naturkatastrophe erlebt und überlebt – das war 2004 – manchmal habe ich mich ähnlich ohnmächtig gefühlt in dieser Zeit. Das alles künstlerisch zu bewegen war hart und heilsam zugleich. 

Haben Sie während der Dreharbeiten etwas über die Situation im Gesundheitswesen gelernt, was Sie überrascht hat?

Ich habe vor allem im Vorfeld und während der Dreharbeiten sehr viel über das Gesundheitswesen gelernt. Grundsätzlich blicke ich mit vollkommen anderen Augen auf Ärzte, Pflegepersonal und Seelsorger und bin voller Hochachtung ob des Dauermarathons, den diese Berufsgruppe seit so langer Zeit bewältigt, ohne genug gewürdigt zu werden.

Wie haben Sie am Set mit der Fachberaterin Dr. Laelia Rösler zusammengearbeitet?

Das Besondere an der Zusammenarbeit mit Laelia Rösler ist unsere Freundschaft. Wir haben uns im Dezember 2004 in Thailand kennen gelernt und mit weiteren Mitstreitern im Januar 2005 den Verein "Tsunami Direkthilfe" gegründet. Seit dieser Zeit fühlen wir uns sehr verbunden, und ich schätze ihre Qualität als Ärztin. Laelia ist eine besondere Frau. Als die Idee zu dem Stoff entstand, war sie von Beginn an involviert, sie war während des Schreibprozesses mit Dorothee Schön im Austausch. Und sich war auch während der Dreharbeiten für Anno Saul und mich am Set eine ständige Anlaufstation, kritische Beobachterin und eine unermüdliche Quelle an Antworten – für alle Gewerke im Übrigen. Uns war es wichtig, dass medizinische Abläufe korrekt dargestellt wurden, genau wie der Krankenhausalltag an sich. Kliniken wurden genauso von diesem Virus überrascht wie der Rest der Menschheit. Insofern hat sich bei mir ein Kreis geschlossen, in Extremsituationen Laelia an meiner Seite zu wissen.

"Die Welt steht still": Wie haben Sie das empfunden?

Wenn ich an die Zeit unmittelbar nach dem ersten Lockdown denke, dann assoziiere ich schon eine Form von Stillstand und Stille und die Fragen: Was ist, was bleibt, was hat Bestand? Ich habe in dieser Phase mit Freunden und Kollegen "#Sicherheim" gegründet – eine Initiative gegen häusliche Gewalt. Das war dann das Gegenteil von Stille, ist aber aus ihr entsprungen.

Corona ist im Alltag ständig gegenwärtig. Warum sollten sich die Zuschauer*innen den Film genau deshalb ansehen?

Wir alle haben unsere Erfahrungen gemacht. Jeder und jede auf seine oder ihre Art und nicht mit denselben Einsichten oder gar Konsequenzen. Keiner von uns ist unberührt von Corona geblieben, manche haben die Krankheit durchgemacht – ich im Übrigen auch – und viele haben schmerzhaft Menschen verloren. Das Leben hat sich neu kalibriert, und im Moment fangen wir an, mit dem Virus auf Strecke zu leben und uns nicht mehr nur von Ausnahmezustand zu Ausnahmezustand zu hangeln. "Die Welt steht still" ist ein erster Schritt, dies mit einem Minimal-Abstand, den wir mittlerweile haben, filmisch aufzuarbeiten.

Wir lernen eine "ganz normale" Familie kennen, die in einer "ganz normalen" Kleinstadt lebt. Die Protagonistin ist Mutter, Ehefrau, Ärztin, und wir erleben ihre Geschichte in diesem Mikrokosmos auf allen Anforderungsebenen. Was bedeutet Corona für Caro, wie viele Widersprüche hält sie aus, wieviel Kraft hat sie und wie verändern sich ihre Prioritäten? Welche moralischen Verpflichtungen hat sie als Ärztin? Was bedeutet Nächstenliebe im Angesicht des Todes? Schwierige Fragen – komplexe Antworten. Die Handlung des Films und alle Charaktere sind fiktiv – das Virus ist real und bleibt. 

Was waren persönlich Ihre ersten Gedanken und Einschätzungen im Frühjahr 2020 zu Corona? Hat sich der Blick auf den Beginn der Krise bei Ihnen auch durch die Dreharbeiten geändert?

Wenn ich mir heute überlege, dass ich in den ersten Lockdown in den Corona-Tunnel eingefahren bin mit dem Gefühl: "In ein paar Wochen ist alles vorbei …". Dann wirkt das im Nachhinein wie eine Art Selbstberuhigung bis zu dem Punkt, kognitiv wirklich zu durchdringen, was eine Pandemie bedeutet. Ich bin genesen, geimpft und werde achtsam bleiben.

Was haben Sie aus der Zeit für sich mitgenommen?

Ich habe es als eine Vollbremsung mit Schleudertrauma erlebt – auf einmal wird der Stecker gezogen und der Beruf ist erstmal weg – von jetzt auf gleich. Dass es vielen Menschen und Berufsgruppen so ging, ist zunächst kein Trost für einen sehr subjektiven Moment, das Leben neu zu sortieren.

Wie waren ihre Erfahrungen mit dem Home Schooling und ihrer eigenen Berufstätigkeit?

Im Sommer 2020 hat mein Sohn die Schule gewechselt und die neue Schule hatte sich glücklicherweise schon vor Corona mit der Digitalisierung für den gesamten Schulbetrieb auseinandergesetzt. Dort wurde das ganze Schuljahr Homeschooling oder dann Hybridunterricht angeboten. Die Schule hat alles sehr umsichtig und gewissenhaft gestaltet. Ich vermute, dass diese Professionalität eher die Ausnahme als die Regel war.

Für pubertierende Jugendliche und ihre Eltern war es ein tägliches Ringen um Verantwortlichkeit, Motivation und Perspektiven. Mein Sohn und ich haben in dieser Zeit viel miteinander geredet und uns buchstäblich begleitet. Auch ich war vor die Aufgabe gestellt: Was mache ich als berufstätige Mutter mit einem Jungen, der den halben Tag zuhause vor dem Computer sitzt? Auch für mich war es teilweise ein Spagat, schwierige Dreharbeiten zu meistern, abends oder nachts Schularbeiten zu kontrollieren und darauf zu achten, dass für Klassenarbeiten gelernt wird. Das ganze Programm des "Mama-Daseins" eben: wenig Schlaf und viele Hüte tragen.

"Aus dem Innersten der Pandemiebekämpfung"
Interview mit Marcus Mittermeier

Sie spielen Stefan Mellau, der als gefeierter Kammermusiker von einem Tag auf den anderen zwar arbeitslos, aber umso gefragter als Familienmanager ist. Wie geht er damit um? Kommt Ihnen das persönlich bekannt vor?

Im Frühjahr 2020 habe ich gerade gedreht und als die Dreharbeiten unterbrochen wurden, war das, als stünde die Welt still. Jeder hat plötzlich seine Koffer gepackt und ist nachhause gegangen. Etwas ist passiert, dass sich keiner vorstellen konnte. Diese Leere ist, glaube ich, schon etwas, was diese Zeit in Erinnerung bleiben lässt. Stefan Mellau ergeht es, wie es mir damals erging. Dieser Stillstand, diese Pause im Alltag und eine Mischung aus Hilflosigkeit und Sorge, das war bei mir das vorherrschende Gefühl. Es dauerte schon einige Tage, bis man sich auf die neue Situation eingestellt hat. Dann habe ich versucht, wieder ins Leben zurückzusteuern. Wir haben viel mit den Kindern gemacht, Sport getrieben. Und letztlich viel nachgedacht und gemerkt, dass manche Dinge schmerzlich vermisst wurden, andere überhaupt nicht. Es war, im Nachhinein betrachtet, eine sehr intensive Zeit: Zwischen einerseits Sorge und Hilflosigkeit vor dem, was durch die Pandemie noch kommen mochte und andererseits dem Wissen, dass eine Familie schon ein guter Ort ist, so etwas zusammen auszuhalten.  

Wie waren ihre Erfahrungen mit dem Home Schooling und ihrer eigenen Berufstätigkeit?

Da hab' ich einen Vorteil, weil meine Kinder bereits groß sind und keine Betreuung mehr brauchen. Ich ziehe vor jedem Elternteil den Hut, der sich da durchgekämpft hat.

Der Film ist fiktiv, der hochaktuelle Bezug nicht: Hat es das am Set einfacher oder schwerer gemacht?

Mittlerweile ist es an Sets so, dass durch die hohe Anzahl der Tests, die gemacht wurden, das Thema Ansteckung mehr oder weniger aus den Köpfen der Leute draußen ist. Wir können uns sehr gut auf die künstlerische Arbeit konzentrieren. Trotzdem war es so, dass bei mir immer wieder ein Déjà-vu der Zeit zu Beginn der Pandemie 2020 hochkam. Die Szenen, die wir gespielt haben, hat ja jeder selbst erlebt. Spätestens bei den Dreharbeiten war mir klar, dass das Jahr 2020 ein historisches und einschneidendes Jahr war.

Wie haben Sie sich auf ihre Rolle als Oboist vorbereitet? Spielen Sie selbst ein Instrument?

Leider habe ich nie ein Instrument gelernt. Ich habe Martin Kögel, einen Spitzenoboisten aus Berlin gebeten, mir die entsprechenden Stücke im Film auf Video aufzunehmen. Ich habe mir Griff für Griff eintrainiert und irgendwann war ich so weit, dass ich die Stücke "imitieren" konnte. Es handelt sich um wenige Augenblicke im Film, aber diese zwei, drei Minuten haben mich zwei Monate Vorbereitung gekostet. Von richtig spielen kann trotzdem keine Rede sein.

Was haben Sie aus der Zeit Frühjahr 2020 und den Lockdowns für sich persönlich mitgenommen?

Vieles: Zunächst einmal die sehr starke Verunsicherung, die in der Gesellschaft zu spüren war. Die Nachrichten in den Medien überschlugen sich förmlich, bis irgendwann Teammitglieder von Drehstopps in anderen Städten berichteten. Dann wurde unser Dreh gestoppt und jeder hat seine Sachen gepackt und ist heim zur Familie. Das war dann natürlich, bei aller Unsicherheit, ein gutes Gefühl: Zu Hause zu sein. Dieses Gefühl trägt der Film auch nach draußen: Die Familie als Ort der Stabilität in unsicheren Zeiten.

Corona ist im Alltag ständig gegenwärtig. Warum sollten sich die Zuschauer*innen den Film genau deshalb in jedem Fall ansehen?

Jeder hat so seine Meinung über Corona. Wir haben alle gelitten und der eine oder andere hat sogar etwas gelernt in der Zeit rund um den März 2020. Seit dieser Zeit wurden wir Zeuge einer historischen Situation, in der sich die Politik, die Wissenschaft und die Menschen von Woche zu Woche durch eine ungewohnte Phase getastet haben. Vieles von dem, was wir erlebt haben, gab es vorher noch nie: weder für uns Bürger, noch für die Politik, noch für die Wissenschaftler. Ich denke, das hat viele überfordert. Ich glaube, der Film ist eine gute Gelegenheit mit etwas Abstand einen neuen Zugang zu den Geschehnissen von damals zu finden. Es ist letztlich ein sehr genauer Abriss des Frühjahrs 2020 - ein Film über eine historische Phase, über Zweifel, Unwissenheit, Überforderung und auch schlechte Vorbereitung. Er zeigt aber auch sehr intensiv, wie in den Krankenhäusern diese Phase erlebt wurde. Aber man sollte wissen: Es ist die Geschichte aus dem Innersten der Pandemiebekämpfung - es geht nicht um Maßnahmenbekämpfung. 

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