Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann

Ein Dokumentarfilm von Regina Schilling, Deutschland 2023

Grimme-Preisträgerin Regina Schilling legt mit "Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann" ihren zweiten Dokumentarfilm zur deutschen Fernsehgeschichte vor. Im Zentrum stehen die ersten Jahrzehnte der populären ZDF-Reihe "Aktenzeichen XY... ungelöst", die der damals 38-jährige Journalist Eduard Zimmermann 1967 aus der Taufe hob und bis 1997 produzierte und moderierte. Das weltweit erste True-Crime-Format war geboren und damit zugleich das interaktive Fernsehen.

  • ZDF, Donnerstag, 10. August 2023, 23.00 Uhr
  • ZDF Mediathek, ab Donnerstag, 10. August 2023, 10.00 Uhr

Texte

Stab

Buch und Regie          Regina Schilling

Montage                     Stefan Oliveira-Pita und Natali Barrey

Ton                              Kai Tebbel

Sprecherin                  Maria Schrader

Musik:                         Ulrike Haage

Produzent                   Thomas Kufus

Produktion                  zero one film GmbH

Redaktion                   Dr. Susanne Becker

Inhalt

Betrug, Raub, Mord und sogenannte Sittlichkeitsverbrechen: Regisseurin Regina Schilling hat reichhaltiges Material zu Kriminalfällen aus 300 Sendungen "Aktenzeichen XY... ungelöst", von der Adenauerzeit bis in die 1990er-Jahre, im Archiv gehoben und aus ihrer persönlichen Perspektive eingeordnet. Vordergründig erzählt das TV-Material von Verbrechensaufklärung und Prävention, von den Menschen, die Opfer wurden. Aus dem zeithistorischen Abstand, den Schilling einnimmt, ergibt sich für die Regisseurin ein tieferer Befund: Eduard Zimmermanns Sendungen vermitteln filmisch normative Bilder gesellschaftlicher Ordnung. "Wer einmal begonnen hat, genauer hinzuschauen, wird sehen, wie nachhaltig Zimmermann Spuren bei uns hinterlassen hat", sagt Regina Schilling, die – selbst Teil der Generation der Babyboomer – ihre Erinnerungen an unheimliche TV-Abende einfließen lässt. "Wie viele der Ängste, die die Sendung damals ausgelöst hat, beschäftigen uns noch heute – insbesondere Frauen?" 

 

Nach ihrem Film "Kulenkampffs Schuhe" (Deutschland 2018), in dem sie das Unterhaltungsfernsehen der Nachkriegsära analysierte, lässt die Regisseurin ein weiteres Mal Bild- und Lebenswelten des TV von damals aufleben. In der Rückschau transportieren sie Werte und Weltbilder ihrer Zeit – über Kriminalistik und Technologie, Beruf und Familie, Frauen und Männer, Medien und Minderheiten, Täter und Opfer wie Homosexuelle, Mädchen, Prostituierte.

 

Hintergrund: 1967 liegt die Adenauer-Ära in den letzten Zügen. Raub und Gewaltkriminalität wachsen. Bald wird die BRD von der SPD regiert, konservative Kräfte im Land kommen in Bedrängnis: Frauen wollen die Pille und die Scheidung, die RAF erschüttert die Gesellschaft, die 68er bestimmen den Diskurs. "30 Jahre wird Eduard Zimmermann Monat für Monat die Ängste der westdeutschen Nachkriegsgesellschaft ansprechen. Zimmermanns klar umrissene Welt aus Gut und Böse, Tätern und Opfern führt uns direkt zu Fragen von Identität und Sexualität, die wir uns heute ganz neu stellen."

Interview mit Filmemacherin Regina Schilling

Frau Schilling, nach "Kulenkampffs Schuhe" blicken Sie mit "Diese Sendung ist kein Spiel – Die unheimliche Welt des Eduard Zimmermann" erneut auf ein Fernsehformat, das Geschichte schrieb und tiefe Einblicke in die damalige Gesellschaft erlaubt. Welcher Befund zeigt sich da aus dem zeitlichen Abstand?

Wenn meine Generation an "XY" zurückdenkt, dann überfällt uns meist als erstes eine Erinnerung der Angst. Das liegt natürlich in der Natur des Formats. Denn eine Sendung, die sich ausschließlich mit Kriminalität befasst, muss ja – vor allem bei Kindern – Angst erzeugen. Im Laufe meiner Recherche überraschte es mich aber doch, wie vehement Eduard Zimmermann sich nicht nur mit Verbrechen beschäftigt, sondern seine Sendung auch benutzte, um dem Aufbruch und der Emanzipation der Regierungsjahre unter Willy Brandt und Helmut Schmidt entgegenzuwirken.

 

Warum nehmen Sie Eduard Zimmermann in den Fokus Ihrer Betrachtung?

Eduard Zimmermann ist der Erfinder der Sendung, der Moderator und Produzent. Er verkörperte 30 Jahre lang "XY", er prägte eine Ära. Im Laufe der Jahre wurde er eine moralische Instanz für die westdeutsche Fernsehnation. War er in den ersten Jahren noch aufgeregt und fiel manchmal aus der professionellen Moderationsrolle, wuchs er Jahr für Jahr in seine Rolle als Beschützer, als Aufpasser, Mahner und Warner hinein. Die Rolle der moralischen Instanz scheint insofern überraschend, als dass Zimmermann selbst eine sehr bewegte Biografie hatte. Er ist ein uneheliches vaterloses Kind in Kriegszeiten, nach dem Krieg schlägt er sich als Jugendlicher ohne Unterstützung der Eltern irgendwie durch, kommt des Öfteren mit dem Gesetz in Konflikt. Er ist politischer Häftling in Bautzen. Er heiratet eine sieben Jahre ältere Frau, die bereits zwei Töchter aus zwei verschiedenen Ehen hat. All das entspricht nicht dem Weltbild, das er in "XY" vermittelt. Aber das ist ja wiederum symptomatisch für die Adenauer-BRD, die nach dem Chaos und der Auflösung nach Kriegsende konservative Werte vermittelte, für Ordnung und Stabilität sorgte.

 

Sie knüpfen an Ihre frühesten Erinnerungen an die Sendung an. Was ist Ihnen nach erneuter Sichtung spontan aufgefallen?

Wie tief sich die Spielszenen ins Unbewusste eingraben. Während der Sichtungsphase war ich sehr viel misstrauischer und ängstlicher meiner Umgebung gegenüber. Abends allein im Dunkeln, auf dem Bahnhof … Ich fürchte, das heimliche Schauen der "XY"-Sendung in meiner Kindheit hat mich mehr geprägt, als mir lieb ist. Was mir aber vor allem ins Auge fiel, was für ein Frauenbild in der Zimmermann-Ära vermittelt wird. Das hat natürlich mit der patriarchalen Struktur unserer Gesellschaft zu tun. Aber dennoch war ich überrascht, wie frauenfeindlich die Sendung war. Und wie dezidiert Zimmermann dies nicht nur visuell umsetzt, sondern ausspricht. Ob er selbst, oder die Kriminalkommissare in der Sendung. Das hatte ich so stark nicht in Erinnerung. Wobei die Frauenfeindlichkeit im Fernsehen ja heute noch ein Thema ist. Dazu gibt es ja eine aufschlussreiche Studie, die u. a. Maria Furtwängler initiiert hat.

 

Ein Format, das nicht nur aufdecken, sondern auch erziehen wollte?

Eduard Zimmermann hatte eine klare Agenda, er war der verlängerte Arm unserer Eltern, so scheint es mir heute. Dabei war er viel effektiver als die Eltern. Er erklärte uns, was wir tun dürfen und was nicht. Wie die Abweichung von der Norm bestraft wird. Ob Homosexuelle oder alleinstehende Frauen … Wer sich nicht in bürgerlichen Bahnen bewegt, lebt gefährlich. Das ist die stärkste Message der Zimmermann-Jahre von "XY".

Bio- und Filmografie von Regina Schilling

Biografie

Regina Schilling, geboren 1962, lebt und arbeitet in Köln und Berlin. Sie ist Dokumentarfilmerin und arbeitet auch für das Internationale Literaturfestival lit.COLOGNE. Mit ihren Filmen gewann sie u.a. den Deutschen Fernsehpreis, zwei Grimme-Preise, den 3sat-Dokumentarfilmpreis bei der Duisburger Filmwoche und den Preis der Deutschen Akademie für Fernsehen.

 

Filmografie (Auswahl):

2022    IGOR LEVIT – NO FEAR; Kino-Dokumentarfilm, 118 Min.

2018    KULENKAMPFFS SCHUHE; Dokumentarfilm, 92 Min.

2014    TITOS BRILLE; Dokumentarfilm, 92 Min.

2011    GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT-Der Missbrauch an der Odenwaldschule; Dokumentarfilm, 90 Min.

2007    BIERBICHLER; Kino-Dokumentarfilm, 90/45 Min.

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