Fossil / Wir waren Kumpel
Programmschwerpunkt mit zwei Produktionen zu Strukturwandel und Zeitenwende / Redaktion Das kleine Fernsehspiel
Der Programmschwerpunkt zu Strukturwandel und Zeitenwende aus der Redaktion Das kleine Fernsehspiel zeigt zwei Filme über das sukzessive Ende des Kohleabbaus in Deutschland, den unterschiedlichen Umgang der Bergleute mit diesem Wandel und ihrer neuen Rolle im Leben.
- ZDF Mediathek, ad ut ab Freitag, 4. April 2025, 10.00 Uhr
- ZDF, ad ut Montag, 7. April 2025, 0.10 Uhr und Montag, 28. April 2025, 0.30 Uhr
Texte
Zwischen Abschied und Neuanfang – Statement von Redakteurin Stefanie von Heydwolff
Zwischen Abschied und Neuanfang – Statement von Redakteurin Stefanie von Heydwolff
Das sukzessive Ende des Kohleabbaus in Deutschland bringt einen tiefgreifenden Wandel für all jene mit sich, die im Bergbau tätig waren und sich mit dieser Arbeit identifizierten. Zwei Filme aus der Redaktion Das kleine Fernsehspiel, der Redaktion für neue Filmtalente im ZDF, werfen einen einfühlsamen Blick auf die Menschen, die direkt vom Strukturwandel betroffen waren und immer noch sind. Für sie bedeutet der Übergang nicht nur einen radikalen Umbruch in ihrem Berufsleben, sondern auch eine tiefe biografische Zäsur. Denn der Verlust des Arbeitsplatzes bedeutet gleichzeitig auch den Verlust einer einzigartigen Kultur, die Generationen und ganze Regionen prägte – und im Kern auch den Verlust eines Teils ihrer Identität.
Der fiktionale Spielfilm "Fossil" und der Dokumentarfilm "Wir waren Kumpel" erzählen die Geschichten von Menschen, die mit tiefgreifenden Veränderungen in ihrem Leben konfrontiert sind. Ihre Erfahrungen haben eine universelle Dimension, die über ihre individuellen Schicksale hinausgeht und auch die Gesellschaft betrifft. Die verschiedenen Strategien, mit denen die Protagonist*innen der Filme mit ihren jeweiligen ganz eigenen Umbrüchen umgehen – sei es durch Widerstand gegen den unausweichlichen Wandel, durch pragmatische Reaktionen oder durch die Nutzung der Chance zur Weiterentwicklung und Neuausrichtung – sind berührend, regen zum Nachdenken an und eröffnen Raum zur Selbstreflexion. Mal humorvoll, mal ernst, aber immer bewegend und vielschichtig.
Henning Beckhof erzählt in seinem tragikomischen Debütspielfilm "Fossil" von einem "alten weißen Mann" im Braunkohle-Tagebau, von Riesenbaggern und noch größeren enttäuschten Hoffnungen. Als langjähriger Tagebauarbeiter, dessen Beruf sein Lebensinhalt war, wehrt sich Michael gegen den Kohleausstieg. Er versucht seine Kollegen vom Protest gegen den schnellen Wandel zu überzeugen. Gefangen in seiner Verbissenheit, verliert er jedoch zunehmend den Rückhalt – auch in seiner Familie. Trotzdem kann Michael das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, nicht akzeptieren und stemmt sich in einem don-Quichote-artigen Kampf gegen seinen Chef, gegen die Öko-Aktivisten, gegen die übermächtigen Veränderungen.
Der humorvolle Dokumentarfilm "Wir waren Kumpel" begleitet seine fünf Protagonist*innen auf einer multiperspektivischen Reise, die weit über die Schließung des Bergwerks hinausgeht. Für die beiden jungen Filmemacher Jonas Matauschek und Christian Johannes Koch war es eine besondere Herausforderung, die Vielzahl der unterschiedlichen Lebenswelten, Geschichten und Transformationsprozesse homogen miteinander zu verweben. "Wir waren Kumpel" gelingt es, seinen Protagonisten auf eine besonders nahe und einfühlsame Weise zu begegnen – mal leise, mal laut, mal ernst, dabei aber vor allem humorvoll.
Fossil
Fossil
Spielfilm, Deutschland 2023
Ab Freitag, 4. April 2025, 90 Tage lang in der ZDFmediathek
Montag, 7. April 2025, 0.10 Uhr im ZDF
Stab
Regie Henning Beckhoff
Buch Henning Beckhoff, Bastian Köpf
Kamera Sabine Panossian
Ton Lukas Rabl
Szenenbild Isabelle Siegrist
Schnitt Anna Mbiya Katshunga
Musik Inma Galiot
Produktionsleitung Ayla Sophia Franken, Maurice Egen
Produzent Jost Hering
Koproduzent Andreas Brauer
Produktion Jost Hering Filme in Koproduktion mit Hupe Film Fiktion
und ZDF/Das kleine Fernsehspielmit Unterstützung
von Film- und Medienstiftung NRW, DFFF/FFA,
Medienboard Berlin-Brandenburg
Redaktion Christian Cloos (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
Länge circa 93 Minuten
Besetzung
Michael Markus Hering
Miri Ruth Reinecke
Anja Victoria Schulz
Toni August Schulz
Horak Godehard Giese
Harit Sohel Altan Gol
und weitere
Inhalt
Ein Tagebauarbeiter weigert sich, den bevorstehenden Kohleausstieg zu akzeptieren. Er will keine Veränderung. So beginnt ein letzter Kampf: gegen seinen Chef, gegen die Öko-Aktivisten, gegen seine Familie.
Seit Wochen herrscht Stillstand am riesigen Tagebaubagger, den Michael (62) seit mehr als vierzig Jahren technisch instand hält. Denn wo lange Kohle abgebaut und die Natur verwüstet wurde, soll jetzt der Ausstieg umgesetzt werden und in den kommenden Jahren eine idyllische Seenlandschaft entstehen. Doch die Arbeit im Tagebau ist für Michael mehr als nur ein Beruf, sie gibt ihm Identität und Lebensinhalt. So versucht er seine Kolleginnen und Kollegen vom Protest gegen den schnellen Wandel zu überzeugen. Gefangen in seiner Verbissenheit, verliert er jedoch zunehmend den Rückhalt – auch in seiner Familie. Trotzdem kann Michael das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, einfach nicht akzeptieren und stemmt sich in einem Don Quichote-artigen Kampf gegen die übermächtige Zeitenwende.
Biografie Henning Beckhoff (Regie und Co-Autor)
Henning Beckhoff, geboren 1991 am Rande des Ruhrgebiets, studierte Filmregie an der Filmuniversität Babelsberg. Sein No-Budget-Film "Fünf Dinge, die ich nicht verstehe" wurde mehrfach ausgezeichnet und startete im Kino. Sein Abschlussfilm "Off Season" feierte seine Premiere auf der Berlinale, war für den First Steps Award nominiert und gewann den Michael-Ballhaus-Preis. Henning Beckhoff war Teilnehmer der Berlinale Talents, der Drehbuchwerkstatt München und erhielt ein Wim-Wenders-Stipendium. Mit seinen Drehbüchern nahm er an der Résidence du Festival de Cannes sowie der Berlinale Skript Station teil. Er hat als Jurymitglied die Perspektive Deutsches Kino der Berlinale unterstützt und wurde vom Goethe-Institut in die Villa Kamogawa in Japan eingeladen. Bei der ZDFneo-Comedy-Serie "Deadlines" führte er Co-Regie neben Sonja Heiss.
Biografie Bastian Köpf (Drehbuch)
Bastian Köpf arbeitet seit 2015 als freiberuflicher Autor, Texter und Ghostwriter. Er studierte Drehbuch und Dramaturgie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Der mehrfach preisgekrönte Film "Off Season" war die erste Zusammenarbeit mit Henning Beckhoff; der Filmfeierte seine Premiere auf der 69. Berlinale. Die Comedy-Serie "Big Dating", entwickelt im Writers Room für den NDR, war ab Herbst 2021 zu sehen.
Wir waren Kumpel
Wir waren Kumpel
Dokumentarfilm, Deutschland 2023
Ab Freitag, 4. April 2025, ein Jahr lang in der ZDFmediathek
Montag, 28. April 2025, 0.30 Uhr im ZDF
Stab
Buch und Regie Jonas Matauschek, Christian Johannes Koch
Kamera Sebastian Klatt
Schnitt Natali Barrey, Annette Brütsch, Jonas Matauschek
Ton Waldemar Bruch, Fabian Schneider und Johannes Doberenz
Mischung Jacques Kieffer
Bildgestaltung Sebastian Klatt
Dramaturgische Beratung Tizza Covi, Rainer Frimmel, David Bernet
Musik Alexandre J. Maurer
Produzentinnen/ Tanja Georgieva-Waldhauer, Rajko Jazbec,
Produzenten Sarah Born, Dario Schoch
Produktion Eine Produktion von Catpics und Elemag Pictures
in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
mit SRF Schweizer Radio und
Fernsehen/SRF SSR in Zusammenarbeit mit Serienwerk
Förderer Bundesamt für Kultur (BAK), Kulturelle Filmförderung
der Bundesregierung (BKM), Deutscher Filmförderfonds,
Mitteldeutsche Medienförderunq (MDM),
Deutscher Filmförderfonds (DFFF),
Kulturförderung Kanton Luzern
Redaktion Lucia Haslauer, Stefanie von Heydwolff
(ZDF/Das kleine Fernsehspiel)
Länge circa 100 Minuten
Protagonistinnen und Protagonisten
Wolfgang "Locke" Herrmann
Marco "Langer" Edelmann
Thomas Hagedorn
Kirishanthan "Kiri" Nadarajah
Martina Klimetzki
und viele weitere
Inhalt
Ende 2018 wurde die bundesweite Steinkohleförderung in Deutschland eingestellt. Im selben Jahr wurden die Stimmen der Klimaprotestbewegung Fridays for Future lauter. Vor dem Hintergrund dieser medialen und gesellschaftspolitischen Ereignisse folgt der Film mehreren Bergleuten auf ihrer tragischen und humorvollen Suche nach einer neuen Rolle im Leben.
Locke, Langer, Thomas, Kiri und Martina gehörten zu den letzten "echten Bergleuten" des Kohlebergwerks Ibbenbüren in Nordrhein-Westfalen. Während Locke sich nach der Werksschließung an seinen Bergmannsstolz klammert, sehnt sich Langer nach Selbstverwirklichung im Ruhestand. Für Thomas, der noch bei seiner Mutter lebt, verschwindet der einzige soziale Treffpunkt mit der Zechenschließung. Kiri ist in seiner Jugend vor dem Bürgerkrieg in Sri Lanka geflohen und hat im Steinkohlebergwerk eine neue Heimat gefunden. Ausgelöst durch die Schließung, kann er die Fragen nach seiner Identität nicht mehr ignorieren. Transfrau Martina ist wohl die einzige Frau, die je unter Tage im deutschen Steinkohlebergbau gearbeitet hat. Lange Zeit im falschen Körper gefangen, unterzog sie sich einer geschlechtsangleichenden Behandlung. Die neue Identität zu leben, wird nach der Werksschließung nicht unbedingt einfacher.
Durch die symbiotische Verflechtung von dokumentarischen Beobachtungselementen und präzisen Kompositionen versammelt der Film mehrere Geschichten von ganz eigenen Metamorphosen.
Statement der Regisseure Christian Johannes Koch und Jonas Matauschek
Wahrscheinlich wäre das Ende des deutschen Steinkohlenbergbaus eher unbemerkt und in stillem Einvernehmen an uns vorbeigegangen. Denn unsere persönlichen Biografien sind alles andere als mit dem Bergbau verbunden. Ein Zufall führte uns 2016 nach Westfalen auf das Bergwerk in Ibbenbüren. Im Rückblick fühlt sich dieser erste Besuch der Zeche wie eine Zeitreise in das vergangene Industriezeitalter an – vor allem jetzt, wo die Schächte versiegelt und die meisten Gebäude dieses Bergwerks längst abgerissen wurden. Aus unserer Sicht symbolisiert die Stilllegung der letzten deutschen Steinkohlenzeche exemplarisch ein verspätetes Ende des Industriezeitalters in Westeuropa, das unsere Leistungsgesellschaft nachhaltig geprägt hat. Der jahrzehntelange, schonungslose Umgang mit Ressourcen hinterlässt eine Hypothek, die durch den Klimawandel immer spürbarer wird. Das ikonografische Bild des Bergmanns, der heldenhaft sein Leben riskiert, um "Mutter Erde" ihre Schätze abzuringen, wirkt in diesem Zusammenhang anachronistisch. Dennoch haben Werte und Tugenden dieses Arbeiterbildes in Teilen der berufstätigen Gesellschaft immer noch eine Bedeutung. Es war uns daher ein Anliegen, den Blick hinter diese mythenbehaftete Fassade zu richten. Wie sind Rollenbilder durch Arbeitsverhältnisse geprägt? Was bleibt, wenn die identitätsstiftende Arbeit wegfällt und in diesem Zusammenhang auch, was bedeutet das eigentlich: (Berg)Mannsein? In "Wir waren Kumpel" folgen wir über das Ende eines Industriezweigs hinaus dem Leben sehr verschiedener Menschen und treten mit ihnen in einen Reflexionsprozess über das Verhältnis von Arbeit und Identität: Wie können wir mit den Rissen und Veränderungen in unseren Biografien umgehen? Wer bin ich, wenn das Erwerbsleben endet, und ich eine neue Lebensaufgabe finden muss? Bewusst suchen wir filmisch nach Antworten innerhalb der individuellen Leben der Protagonist*innen und verzichten auf eine ausführliche historische Einordnung, die aus unserer Sicht genügend in existierenden Dokumentationen und Filmen dargestellt wird. "Wir waren Kumpel" ist vielmehr der Versuch, im Kleinen von den großen Veränderungsprozessen zu erzählen, die uns derzeit und wohl noch auf lange Sicht gesellschaftlich beschäftigen werden.
Biografie Jonas Matauschek (Buch und Regie)
1987 in Dresden geboren, studierte Jonas Matauschek Fotografie an der HGB-Leipzig und der Accademia di belle arti in Neapel sowie Dokumentarfilm bei Werkleitz in Halle (Saale). Er erhielt Projektförderungen und Stipendien der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen, der Stiftung Kunstfonds und dem BKM. Viele seiner Arbeiten entstehen in Co-Autorenschaft und er ist Mitbegründer des Video- und Filmkollektivs FILZ (Filmische Initiative Leipzig). Der Kinodokumentarfilm "Wie waren Kumpel", der in Co-Regie mit Christian Johannes Koch entstand, wurde 2021 mit dem Kompagnon-Förderpreis der Berlinale ausgezeichnet und war für den deutschen Dokumentarfilmpreis nominiert. 2022 war Matauschek Stipendiat der Deutschen Akademie Rom Casa Baldi.
Biografie Christian Johannes Koch (Buch und Regie)
1986 in Luzern geboren, arbeitet Christian Johannes Koch als Regisseur und Drehbuchautor zwischen Deutschland und der Schweiz. Nach dem Fotografiestudium an der Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig vertiefte er seine künstlerische Ausbildung mit einem Diplom- und Meisterschülerstudium der Filmregie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf. Sein Langfilmdebüt "Spagat" feierte 2020 auf dem 68. San Sebastián International Film Festival Weltpremiere. Der Film erhielt mehrere Nominierungen für den Schweizer Filmpreis und wurde 2021 mit dem Zürcher Filmpreis ausgezeichnet. Gemeinsam mit Jonas Matauschek realisierte Koch den Dokumentarfilm "Wir waren Kumpel", der 2021 den Kompagnon-Förderpreis der Berlinale gewann und 2023 beim DOK.fest München uraufgeführt wurde. Für das Fernsehen inszenierte er die Episoden 5‒8 der SRF/Netflix-Serie "Neumatt" (New Heights) und führt derzeit Regie bei der Thriller-Serie "Blind". Parallel dazu entwickelt er als Creator zusammen mit Stéphane Mitchell die Serie "The Guard".
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