Copyright: Moritz Springer

Fragen an meine Familie

Zwei dokumentarische Spurensuchen

Die ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel präsentiert mit "Mein Opa Karin und ich" und "Der Krieg in mir" zwei Filme über sehr unterschiedliche Familienchroniken, die doch vieles gemeinsam haben: Sie brechen das Schweigen, decken Verborgenes auf und helfen zu verstehen.

  • ZDF, Ab Montag, 26. April 2021, 0.35 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Sonntag, 25. April 2021

Texte

Statement der Redaktion

Familie – für die meisten bedeutet das Freude und Last zugleich. Wir werden hineingestellt in eine Generationenfolge, die uns oft mehr prägt, als wir es wissen oder wollen.

Wie sehr unsere Vorfahren unser Leben bestimmen, welche Muster wir ungeahnt fortführen, warum junge Menschen plötzlich davon träumen, im Zweiten Weltkrieg zu kämpfen – diesen Fragen ist die Redaktion des Kleinen Fernsehspiels in zwei Dokumentarfilmen nachgegangen und bringt bewegende Geschichten und erstaunliche Erkenntnisse hervor.

In "Mein Opa, Karin und ich" porträtiert Moritz Springer seine eigene Familie – und seine Kindheit in einem Spagat zwischen friedensbewegten 78er-Eltern und einem Großvater mit SS-Vergangenheit.

In "Der Krieg in mir" versucht der von Kriegsträumen verfolgte Sebastian Heinzel anhand einer Spurensuche an Einsatzorten des Großvaters in Weißrussland herauszufinden, wie sich Kriegserlebnisse auf das Leben der nachfolgenden Generationen auswirken können.

So präsentiert Das kleine Fernsehspiel zwei Filme über sehr unterschiedliche Familienchroniken, die doch vieles gemeinsam haben: Sie brechen das Schweigen, decken Verborgenes auf und helfen zu verstehen. Zwei Filme, die veranschaulichen, warum der Blick zurück auch innerhalb der eigenen Familie von so großer Bedeutung ist.

Christian Cloos, ZDF-Redaktion Das kleine Fernsehspiel

Mein Opa, Karin und ich

Montag, 26. April 2021, 0.35 Uhr, im ZDF
Ab Sonntag, 25. April 2021, ein Jahr in der ZDFmediathek

Mein Opa, Karin und ich
Dokumentarfilm, Deutschland 2020

Das kleine Fernsehspiel

Stab

Buch und Regie Moritz Springer            
Kamera Moritz Springer, Marcus Winterbauer
Schnitt Nicole Winterbauer 
Tonmischung Michael Kaczmarek
Musik Beat Solèr
Produzent Moritz Springer
Produktion Moritz Springer im Auftrag von ZDF/Das kleine Fernsehspiel
Redaktion Lucia Haslauer
Länge ca. 90 Minuten

                                                                                                  

Mit: Bernhard Springer (Vater), Karin Springer (Mutter), Moritz Springer (Enkel), Robert Scharf (Opa), Gunda Scharf (Oma)

Inhalt

Dokumentarfilm über eine Familie aus drei Generationen vor dem Hintergrund familiärer Abgrenzung, Emanzipation und Konfrontation mit der Vergangenheit.

"Mein Opa, Karin und ich" ist ein persönlicher Dokumentarfilm von Moritz Springer, der einen intimen Einblick in die Lebenswelt einer deutschen Familie in drei Generationen gewährt. Ganz nebenbei wird ein Stück bundesdeutsche Geschichte erzählt: von der Mutter, die sich früh gegen das Leben ihrer Eltern auflehnte und sich – zur 78er-Generation gehörend – ihre eigene Welt bauen wollte, sowie vom Enkel, der die SS-Vergangenheit des Opas hinterfragt.

Das Aufwachsen in der NS-Zeit, Hitlerjugend, SS und russische Gefangenschaft bilden den Erfahrungshintergrund von Moritz Springers Opa Robert Scharf. Für Springers Mutter Karin ist die "Grauheit und Verlogenheit" der 50er- und 60er-Jahre der Nährboden für das Rebellieren gegen die "Enge und Spießigkeit" ihrer Eltern und für die Sehnsucht nach anderen Lebenskonzepten. Der Regisseur selbst macht sich auch zum Thema – er wächst mit WGs, Kinderladen und antiautoritärer Erziehung auf und sucht dann sein ganz eigenes Lebenskonzept fern seiner Eltern.

Moritz Springer spannt einen weiten Bogen von der Psychologie familiärer Abgrenzung und Emanzipation hin zum Versuch, durch die Konfrontation mit seinen Großeltern und Eltern am Ende auch die eigenen Verletzungen annehmen zu können. Er ist hier Regisseur, Kameramann und Protagonist in einer Person.

Preise und Festivals
Dokfest München 2020

Regiestatement Moritz Springer

"Mein Opa, Karin und ich" ist wohl mein persönlichster Film. Er porträtiert meine Familie und mich.

Dabei war am Anfang gar nicht klar, ob es ein Film werden würde. Als ich vor drei Jahren mit meiner Kamera nach München gefahren bin, wusste ich nicht so genau, auf was ich mich einlassen würde. Meine Großeltern waren alt, und ich wollte nochmals Zeit mit ihnen verbringen. Auch um meine Eltern zu entlasten, die von der Pflegesituation und den Launen meines Opas überfordert waren. Und ich wollte meinen Opa über seine SS-Vergangenheit befragen. Die Kamera war in diesem Sinne eher ein Begleiter und hat mir geholfen, mich der ganzen Situation auszusetzen.

Ich bin mit keiner These oder Annahme in den Film gestartet. Vielmehr führte ein Gespräch zum nächsten. Dinge kamen auf den Tisch, mit denen ich am Anfang überhaupt nicht gerechnet hatte. So wurde die Beziehung zwischen meiner Mutter und mir plötzlich zum Thema. Sie ist das Kind ihrer Eltern, ich ihr Sohn. Wir hängen alle zusammen. Muster, Erfahrungen und Traumata der anderen setzten sich in uns fort. Jetzt erst wurde mir bewusst, warum meine Mutter so gegen die Welt ihrer Eltern rebellierte und versuchte, ihre Rolle als Frau und Mutter neu zu definieren. Als friedensbewegte 78er-Generation beschritten meine Eltern neue Wege, probierten Dinge aus. Ich wuchs in einer freien, aber auch nicht widerspruchsfreien Welt auf. Gleichzeitig fühle ich mich meinen Großeltern verbunden, die viel Zeit mit mir als Kind verbracht haben. Erst durch den Film wurden mir viele Zusammenhänge und auch Widersprüche in unserer Familie klar.

Es war eine ziemliche Herausforderung für mich, den unterschiedlichen Rollen gerecht zu werden. Plötzlich katapultiert dich ein Gespräch oder eine Erinnerung in die Vergangenheit zurück, und du bist wieder fünf Jahre alt, hältst aber gleichzeitig die Kamera in der Hand und musst die richtige Frage stellen. Wir haben diesem Umstand im Schnitt versucht Rechnung zu tragen und mich auch immer in den Szenen spürbar zu machen. Wir wollten, dass die/der Zuschauer*in teilnimmt an unserem Prozess der Annäherung, dem Versuch des gegenseitigen Verstehens. Dabei bleiben auch Fragen offen. Aber es ging uns darum, auch genau diesen Prozess abzubilden. Beziehungen sind nie fertig, sondern immer in Bewegung. Der Film ist eine Momentaufnahme unserer damaligen Auseinandersetzung.

Biografie Moritz Springer (Buch, Regie, Kamera)

Nach diversen Erfahrungen auf Spielfilmsets, realisierte Moritz Springer 2014 mit "Journey to Jah" (Publikumspreis Züricher Filmfest/Preis der DEFA Stiftung Max Ophüls Preis) sein Dokumentarfilmdebüt. Sein zweiter Dokumentarfilm "Projekt A" (Publikumspreis Filmfest München 2015) lief mit mehr als 25.000 Zuschauerinnen und Zuschauern in den Kinos. "Mein Opa, Karin und ich" entstand mit dem ZDF/Das Kleine Fernsehspiel und feierte 2020 seine Premiere auf dem DOK-Fest München. Derzeit arbeitet Moritz Springer an seinem neuen Kinodokumentarfilm "Das Kombinat". Neben seinen eigenen Filmen ist Moritz Springer als Tonmeister bei diversen Dokumentarfilmen tätig. Er lebt mit Freunden und Familie auf dem Land bei Berlin.

Der Krieg in mir

Montag, 3. Mai 2021, 0.30 Uhr, im ZDF
Ab Sonntag, 25. April 2021, 90 Tage in der ZDFmediathek

Der Krieg in mir
Dokumentarfilm, Deutschland, Schweiz 2019

Das kleine Fernsehspiel

Stab

Buch und Regie Sebastian Heinzel
Kamera Adrian Stähli
Schnitt Sascha Seidel
Ton Markus Egloff
Musik Cassis Birgit
Produzentinnen/Produzenten Sebastian Heinzel, Susanne Guggenberger, Vadim Jendreyko
Produktion Heinzelfilm GmbH und Mira Film in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel, Schweizer Radio und Fernsehen, SRG SSR Gefördert von MFG Filmförderung Baden-Württemberg, Film- und Medienstiftung NRW, Hessen Film und Medien, Schweizer Bundesamt für Kultur (BAK)
Redaktion Christian Cloos (ZDF), Urs Augstburger (Schweizer Radio und Fernsehen), Sven Wälti (SRG SSR)
Länge ca. 80 Minuten

 

Mit: Klaus Heinzel, Prof. Dr. Isabelle Mansuy, Lola und Theo Heinzel, Ilya Kuzniatsou Valentina Dimitreyewna, Alexander Metla Jr., Alexander Metla Sr., Dr. Peter A. Levine, Anngwyn St. Just

 

Inhalt

Der Dokumentarfilm "Der Krieg in mir" untersucht, wie traumatische Erfahrungen aus dem Zweiten Weltkrieg heute noch die nachfolgenden Generationen prägen.

"Wie viel Soldat steckt noch in mir?", fragt sich Sebastian Heinzel, als er erfährt, dass sein Großvater im Zweiten Weltkrieg in Russland gekämpft hat. Opa Hans erwähnte diesen Einsatz bis zu seinem Tod mit keinem Wort. Filmemacher Sebastian Heinzel reist an jene Orte, wo sein Großvater stationiert war. Dabei stößt er auf ungeahnte Verbindungen zu seinem Leben und seinen Kriegsträumen, die ihn seit Jahrzehnten verfolgen.

Heinzel bezieht seinen Vater in seine Auseinandersetzung ein, die beide einander näherbringt und das Schweigen bricht, das auch seinen Vater prägte. Sein Film zeigt, wie sich Knoten in der eigenen Familiengeschichte lösen lassen und Raum für Veränderungen geben können.

Mithilfe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern, Therapeutinnen und Therapeuten sowie Autorinnen und Autoren erforscht der Regisseur, auf welche Weise einschneidende kollektive Ereignisse wie Krieg, Flucht, Vertreibung und Völkermord bis in die zweite und dritte Generation hineinreichen. Neue Forschungen aus der Epigenetik geben Hinweise darauf, dass enorme Stresserfahrungen das Erbgut verändern. Es sind bahnbrechende Erkenntnisse, die deutlich machen, welches Erbe die Nachfahren auf ihren Schultern tragen – oftmals ohne sich dessen bewusst zu sein. Der Film erzählt von den langfristigen Folgen des Krieges und der Bedeutung, sich mit ihnen zu beschäftigen, damit die Weitergabe durchbrochen und Heilung und Versöhnung möglich werden können.

Viele Menschen aus den Generationen der "Kriegsenkel" und der "Kriegskinder" gehen in den letzten Jahren intensiv diesen Fragen nach, bilden Netzwerke und haben Bestseller auf dem Buchmarkt hervorgebracht. Sie belegen das große öffentliche Interesse an diesem Thema.

Das ZDF sendet den Dokumentarfilm "Der Krieg in mir" anlässlich des 76. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa

 

"Ich möchte Menschen inspirieren, sich mit ihrer Familiengeschichte zu beschäftigen"
Interview mit Sebastian Heinzel (Autor, Regisseur, Produzent)

Was war dein Impuls für diesen Film?

Seit vielen Jahren träume ich, dass ich als Soldat im Zweiten Weltkrieg in Russland kämpfe. Ich habe mich gefragt: Warum träume ich sowas? Außerdem fahre ich als Filmemacher schon seit mehr als 17 Jahren nach Osteuropa und habe mich gefragt: Was zieht mich da eigentlich immer wieder hin? Eine Freundin hat mir die Bücher von Sabine Bode empfohlen. Sie schreibt über die Generation der Kriegsenkel. Die Lektüre hat mir gezeigt, dass ich nicht der Einzige bin, der vom Krieg träumt. Das ist ein verbreitetes Phänomen in meiner Generation. Ich habe mir gedacht: Vielleicht hängen meine Kriegsträume mit der Geschichte meiner Großeltern zusammen?

Hat dich die Arbeit an diesem Film persönlich weitergebracht?

Ich habe gelernt, wie wahnsinnig schwer es ist, jetzt – mehr als 70 Jahre nach Kriegsende – noch Spuren zur eigenen Familiengeschichte zu finden. Die meisten Zeitzeugen sind gestorben, meine Großväter kann ich nicht mehr fragen, und in meiner Verwandtschaft weiß kaum jemand etwas. Aber mithilfe einer Historikerin konnte ich in Wehrmachtsarchiven mehr über die Kriegsgeschichte meines Großvaters herausfinden. Wir haben sogar ein Fotoalbum seiner Einheit gefunden. Es kam heraus, dass ich – ohne, dass ich es wusste – an denselben Orten in Weißrussland war wie mein Großvater. An diese Orte bin ich später noch einmal mit meinem Vater gereist. Dadurch, dass wir gemeinsam dort waren und uns auch mit unangenehmen Fragen auseinandergesetzt haben, sind mein Vater und ich uns nähergekommen.

Welche Botschaft möchtest du mit deinem Film vermitteln?

will Menschen inspirieren, sich mit ihrer Familiengeschichte zu beschäftigen. Ich glaube, es gibt in vielen Familien Themen aus der Zeit des Krieges, über die nicht gesprochen wird. Doch es gibt bisher noch zu wenige, die sich das anschauen. Dabei ist das die besondere Herausforderung an meine Generation: sich mit den unbewussten Verhaltensmustern auseinanderzusetzen, um sie nicht an unsere Kinder weiterzugeben.

Wie können wir das Wissen nutzen, dass wir mit unserem Handeln auch die nachfolgenden Generationen prägen? Ich blicke seit der Arbeit an dieser Thematik noch bewusster auf die vielen unguten politischen Entwicklungen in der Welt, gerade auch zwischen dem Westen und Russland. Ich möchte helfen, Brücken zwischen den Menschen zu bauen. Im Osten wie im Westen leben Menschen, die stark durch Kriege geprägt sind, auch noch in unserer Generation. Wir sollten uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen. Darin liegt großes Potenzial für Heilung und Versöhnung.

Quelle: Sebastian Heinzel/Das Interview führte Sebastian Züger

Preise und Festivals

Spezialpreis der Jury beim Saratov Sufferings International Filmfestival 2020 in Russland
Internationales Dokumentarfilmfestival München 2019 - Nominierung VFF Produktionspreis
SWR Doku Festival 2019
Kasseler Dokfest 2019
Biberacher Filmfestspiele 2019 - Nominierung Dokubiber Filmschau
Baden-Württemberg 2019
Cosmic Cine Festival 2020
International Film Festival Kalkutta 2019
International Filmfestival Cottbus 2020

Biografie Sebastian Heinzel (Buch, Regie und Produktion)

Sebastian Heinzel wurde 1979 in Kassel geboren. Er startete seine Karriere als Journalist für Tageszeitungen und beim Musikfernsehen. Später entdeckte er seine Leidenschaft für den kreativen Dokumentarfilm. Bereits vor seinem Regiestudium an der Filmakademie Baden-Württemberg realisierte er den Kinodokumentarfilm "89 Millimeter", der international vielfach ausgezeichnet wurde und in Deutschland und Österreich ins Kino kam. Sein preisgekrönter Kurzfilm "Samagon" wurde auf über 40 Filmfestivals weltweit eingeladen. Beide Filme spielen in Weißrussland. Sebastian Heinzel arbeitet als Dozent an Hochschulen im In- und Ausland. Er ist Vater von zwei Kindern und lebt im Schwarzwald.

Fotos

Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/meinopakarinundich und https://presseportal.zdf.de/presse/derkrieginmir

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