Globale Machtspiele - Kampf um das Chinesische Meer

Film von Elisabeth Schmidt und Miriam Steimer

Staats- und Parteichef Xi Jinping will ein starkes China und weitet seinen Machtanspruch auch im Chinesischen Meer immer weiter aus. Wohin führt das Aufrüsten, und wie verändert es die Region? Wie gehen die Menschen in den Anrainerstaaten mit der drohenden Gefahr um? Wie verändert sie ihr Leben?

Die Dokumentation erzählt persönliche Geschichten aus China, Japan, Taiwan und den Philippinen – und bettet sie in große geostrategische Zusammenhänge ein.

  • ZDF Mediathek, ab Donnerstag, 29. August 2024, 10.00 Uhr
  • ZDF, ZDF: Donnerstag, 29. August 2024, 22.40 Uhr

Texte

Termine und Stab

ZDFmediathek: ab Donnerstag, 29. August 2024, 10.00 Uhr
ZDF: Donnerstag, 29. August 2024, 22.40 Uhr
Globale Machtspiele – Kampf um das Chinesische Meer
Film von Elisabeth Schmidt und Miriam Steimer

Buch und Regie      Elisabeth Schmidt, Miriam Steimer
Kamera                      Mehmet Ulutas, Jannis Vieting
Schnitt                       André Störiko
Redaktion                 Andrea Schreiber, Renate Wolter
Leitung                      Markus Wenniges

Inhalt

Xi Jinping weitet seinen Machtanspruch im Südchinesischen Meer und Richtung Taiwan aus. Fast täglich kommt es zu Zusammenstößen zwischen philippinischen Fischern und Chinas Küstenwache.
ie demokratische Insel Taiwan bezeichnet Chinas Staatspropaganda als "abtrünnige Provinz", die "Wiedervereinigung" mit dem Festland ist Xi Jinpings erklärtes Ziel. Wohin führt der Wettstreit des Aufrüstens, und wie verändert er die Region und die Menschen?

36 Stunden lang begleitet ein Team Jimmy Barbaja auf der "Nhikka" ‒ so heißt sein traditionelles Holzboot. Der Fischer ist auf dem Weg zum Sabina Shoal, einem Teil der Spratly-Inseln, der von den Philippinen, Taiwan, Vietnam und China beansprucht wird. Doch der Eingang des Riffs wird von sechs Schiffen der chinesischen Küstenwache blockiert. Plötzlich wird ein schwarzer Punkt am Horizont immer größer: "Chinesische Milizen", ruft Jimmy Barbaja, er kennt die als Fischerboote getarnten paramilitärischen Einheiten und macht einen U-Turn.

Für die Menschen im kleinen Fischerdorf Tanmen im Süden Chinas liegt die große Weltpolitik direkt vor der Haustür. Zhong Wenfeng überlässt die rauen Gewässer inzwischen jüngeren Seeleuten. Er hat ein Fischrestaurant eröffnet. Für ihn ist klar: Die Filipinos sind Eindringlinge im chinesischen Territorium – und er braucht die Fische und Muscheln von den fernen Südseeinseln auch in Zukunft für seine Gäste.

Wenn es ernst wird, will Yagi Ren vorbereitet sein. Stark genug, um mit ihren Kameraden in der ersten Reihe zu stehen und ihr Land zu verteidigen. Deshalb findet sie auch in ihrem eng getakteten Kasernenalltag noch Zeit, um Klimmzüge zu trainieren. Die 24-Jährige gehört zur ersten Marine-Einheit Japans. Sie nimmt das Team mit zu einer Übung, bei der sie aus einem Helikopter ins Meer springt, denn ihre Einheit trainiert, die mehr als 6.000 Inseln Japans zu verteidigen und notfalls zurückzuerobern.

Es ist genau diese Vorbereitung, die Yamazato Setsuko auf der Topeninsel Ishigaki, am südlichsten Zipfel Japans, Angst macht. Die 86-Jährige führt zu einem Aussichtspunkt: Der Krieg der Vergangenheit und der Krieg der Zukunft, an keinem Ort ihrer Insel, könne man beide so gut sehen. Der vergangene ist der Zweite Weltkrieg, den sie als Siebenjährigeährige hier erlebte. Sie erzählt, wie sie als Jugendliche Englisch lernte, um den Amerikanern in ihrer eigenen Sprache sagen zu können, was ihr bis heute so wichtig ist: no more war, nie wieder Krieg. Denn sie will verhindern, dass ihre Insel wieder zwischen zwei Supermächten zerrieben wird. Was in Zukunft droht, das ist für sie das Camp der japanischen Streitkräfte, gegen das sie seit Jahren kämpft.

In Taiwan nimmt Landwirt Chou Chun-Hung das Team bei Sonnenaufgang mit zur Ananasernte auf sein Feld. Eigentlich exportierte sein Land 95 Prozent der Früchte nach China, bis das Festland den Import plötzlich verbot. Japan sprang ein, doch dazu mussten die Verpackungs- und Exportprozesse komplett umgestellt werden, denn der Weg ist nicht nur deutlich länger, auch die Hygiene-Vorschriften strenger. Die Folge: weniger Export, fallende Preise, weniger Einnahmen für die taiwanesischen Landwirte.

Die Angst vor dem "Aggressor China" verbindet plötzlich Staaten und Einwohner, die bislang eher eine konfliktreiche Vergangenheit verband. Wie die Menschen in den Anrainerstaaten mit der drohenden Gefahr umgehen, zeigt die Dokumentation in China, Japan, Taiwan und den Philippinen. Die Autorinnen Elisabeth Schmidt und Miriam Steimer betten die sehr persönlichen Geschichten in große geostrategische Zusammenhänge ein.

Fragen an die Autorinnen Elisabeth Schmidt und Miriam Steimer

Wie ist die Idee zu diesem Film entstanden?

Miriam Steimer: Das Chinesische Meer ist zum Pulverfass geworden: Die Anrainer-Staaten rüsten auf, es gibt Verteidigungsbündnisse und gekappte Kommunikationskanäle, Milizen und Militärmanöver in der Grauzone. Das Risiko ist groß, dass eines der Scharmützel, zum Beispiel zwischen China und den Philippinen – vielleicht sogar unbeabsichtigt –, das Pulverfass zur Explosion bringt. Mit Folgen für die Menschen, die dort leben, aber auch für uns alle. Denn die Philippinen haben ein Verteidigungsbündnis mit der größten Atommacht der Welt geschlossen, den USA. Greift China nicht nur philippinische Boote, sondern auch deren Besatzung an, haben sich die Amerikaner verpflichtet, den Philippinen militärisch zu Hilfe zu kommen. Die Folgen: unvorstellbar.

Wie ist ihre Herangehensweise?

Elisabeth Schmidt: Wir wollen den geopolitischen Konflikt "greifbar" machen. Mit Menschen, die am Chinesischen Meer leben und die Konsequenzen dieses Konflikts in ihrem Alltag spüren – in ganz unterschiedlichen Bereichen. Deshalb waren wir zum Beispiel mit philippinischen Fischern 36 Stunden auf einem Holzboot unterwegs, haben uns auf der Insel Hainan im Süden Chinas das 70.000 Quadratmeter große Museum angeschaut, das beweisen soll, dass allein China Herr des Südchinesischen Meeres ist. Oder waren bei einer Übung der japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte, bei der sie trainieren, Inseln zu verteidigen und notfalls zurückzuerobern.

Wie gehen Menschen in den Anrainerstaaten mit der drohenden Gefahr um? Wie verändert diese ihr Leben?

Miriam Steimer: Es ist erstaunlich, wie sehr der geopolitische Konflikt sich manchmal im kleinsten Detail zeigt, zum Beispiel auf Taiwan auf einem Ananasfeld. Dorthin nimmt uns Chou Chun-Hung mit, der 31-Jährige hat das Familienunternehmen von seinem Vater übernommen. Taiwans Ananas ist weltberühmt, als Frucht, Chips, Gebäck ist sie beliebtes Mitbringsel von Touristen und: Exportschlager. 95 Prozent der taiwanischen Ananas ging nach China: ohne Zölle und mit schnellen Einfuhrgenehmigungen. Doch damit war im Frühjahr 2021 plötzlich Schluss. Peking verbot den Import. Die offizielle Begründung lautete, dass mit den Früchten wiederholt Schädlinge ins Land gekommen seien. Doch für den Landwirt sind es politische Gründe, denn Chinas Staatspropaganda bezeichnet Taiwan als "abtrünnige Provinz". Die "Wiedervereinigung" mit dem Festland, wie Staatschef Xi Jinping es nennt, ist erklärtes Ziel. Chinas Armee trainiert rund um die demokratische Insel immer wieder den Ernstfall.
Um Taiwan zu unterstützen, sprang Japan ein. Die Botschaft: Wir halten zusammen – gegen China. Doch so einfach war die Umstellung des Ananas-Export von China auf Japan nicht. Durch den längeren Weg und andere Hygiene-Anforderungen müssen die Früchte auch anders verpackt werden und einige Sorten eigenen sich gar nicht für den Export nach Japan. Die Folge: fallende Preise. Insgesamt gingen die Ananas-Exporte Taiwans um mehr als die Hälfte zurück. Doch das Unternehmen aufgeben? Das ist für die Familie keine Option: "Schon bevor ich geboren wurde, hab' ich Ananas gegessen", sagt Chou Chun-Hungs Vater. "Ich bin mit Ananas aufgewachsen, wie könnte ich ohne sie leben? Ich liebe Ananas, ich esse sie jeden Tag." Das will er nicht ändern, ganz egal, was die Staatsführung in Peking macht.

Hatten Sie irgendwelche besonderen Erlebnisse während der Dreharbeiten, oder gab es Dinge, die Sie besonders beeindruckt haben?

Elisabeth Schmidt: 36 Stunden auf offener See auf einem kleinen, traditionellen philippinischen Fischerboot unterwegs zu sein und von chinesischen Milizen gejagt zu werden, war eine Grenzerfahrung für mich. Die Gebietsstreitigkeiten im Südchinesischen Meer waren greifbar nahe; die Ohnmacht der Fischer angesichts der schieren Überzahl der chinesischen Flotte spürbar. Mich hat es berührt, dass die Fischer trotz Gefahr für Leib und Leben weiter zu den umkämpften Korallenriffen aufbrechen, um ihre Familien zu ernähren. Genauso spannend war es, im chinesischen Hainan die Gegenseite zu erleben. Auch hier leben seit Jahrhunderten Familien, die von den bunten Fischen im Südchinesischen Meer leben. Niemand dort wünscht sich eine Eskalation oder gar einen Krieg. Und so ist es bemerkenswert, dass ausgerechnet der renommierte chinesische Forscher zum Südchinesischen Meer, Prof. Wu Shicun, im Interview sagt: "Der einzige Weg ist, die Kontroversen beiseitezulegen und zusammenzuarbeiten." Abseits der großen Weltpolitik, geht es schlicht um Menschen, die ein glückliches Leben führen wollen und die unter den Machtinteressen der Herrschenden leiden.

Miriam Steimer: Besonders beeindruckt mich Yamazato Setsuko, Friedensaktivistin auf Japans Ishigaki-Insel. Die 86-Jährige hat den Zweiten Weltkrieg erlebt und kämpft dafür, dass es nie wieder Krieg gibt. Jeden Sonntag steht sie dazu mit ihren Mitstreiterinnen, die sich die "alten Damen, die das Leben schützen" nennen, an einer Straßenkreuzung auf ihrer Insel. Sie haben sich zusammengetan, als die ersten Pläne vorgestellt wurden, für ein Camp der japanischen Streitkräfte auf ihrer Insel – und auch nicht aufgehört, als es gebaut und eröffnet wurde. Seit acht Jahren protestieren sie jede Woche – und wollen weitermachen: "Bis zu dem Tag, an dem das gesamte Militär und alles, was damit zu tun hat, die Insel verlassen hat", erzählt sie uns. Das seien sie auch der nächsten Generation schuldig.

O-Töne von Protagonisten aus dem Film

Jimmy Barbaja, philippinischer Fischer:
"Die Chinesen verjagen uns ständig vom Sabina Shoal. Sie versuchen, unsere Netze zu zerschneiden. Wir wollen dort bleiben, um zu fischen. Aber sie jagen uns immer aggressiver weg. Mich machen diese ständigen Schikanen wütend. Das ist nicht ihr Territorium! Wir versuchen hier nur, unseren Lebensunterhalt zu verdienen und unsere Familien zu ernähren!"

 

Nakajima Hajime, Generalmajor der japanischen Selbstverteidigungskräfte:
 "Japan ist mit dem schwierigsten Sicherheitsumfeld seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs konfrontiert, deshalb müssen wir unsere Verteidigungsfähigkeiten grundlegend verstärken."

"Ich möchte zur Sicherheit noch einmal betonen, dass die Übungen, die die japanischen Selbstverteidigungskräfte durchführen, nicht auf ein bestimmtes Land abzielen. Das im Hinterkopf, sind Chinas Versuche, den Status quo im Südchinesischen Meer einseitig mit Gewalt zu verändern und Tatsachen zu schaffen, sowie seine Versuche, den Status quo im Ostchinesischen Meer einseitig mit Gewalt zu verändern, äußerst besorgniserregend."

Yagi Ren, Feldwebel 2. Ranges der japanischen Selbstverteidigungskräfte (ARDB Brigade):
"Mir ist bewusst, dass es gefährlicher wird, je näher man an der Front ist. Ich möchte gerne jemand werden, der seinen Kameraden und Kameradinnen hilft, die an vorderster Front in Aktion sind. Wenn ich jetzt sagen würde, ich hätte keine Angst, dann wäre das gelogen. Aber genau dafür sind ja die Übungen da. Wir müssen das Gelernte dann einfach nur noch anwenden – das üben wir täglich. Sollte es wirklich losgehen, bin ich dabei."

 

Prof. Wu Shicun, Gründer und Präsident "National Institute for South China Sea Studies":
"Diese Karte wurde 1602 in China veröffentlicht, vor über 400 Jahren. Sie erwähnt bereits die Inseln im Südchinesischen Meer. Diese Karte stammt aus der Qing-Dynastie, aus dem Jahr 1776. Hier die Zansha-Shitang Xisha (die Paracell-Inseln), Wanli-Shitang- Nansha – Spratlys. Also handfeste Beweise, dass China als erstes Land die Inseln im Südchinesischen Meer entdeckt, benannt und erschlossen hat."

"Die Taiwan-Frage ist eine innere Angelegenheit Chinas, es steht nicht zur Debatte, dass China mit anderen Ländern darüber diskutiert, wie sie gelöst werden soll. Es ist eine innere Angelegenheit Chinas. Taiwan ist ein Teil Chinas, eine Provinz Chinas. Daher werden die Chinesen die Taiwan-Frage auf ihre eigene Art lösen, ohne mit anderen Ländern zu diskutieren."

 

Yamazato Setsuko, Friedensaktivistin auf Japans Ishigaki-Insel:
"Ja, es fällt mir sehr schwer, hierhin zu kommen, aber ich habe das Gefühl, dass ich es tun muss. Ich möchte den Ort zeigen, an den die Menschen geschickt wurden, das Kriegsgebiet von damals, während des Pazifikkriegs. Und dort drüben bereiten sie sich auf den zukünftigen Krieg vor, ohne nachzudenken."

"Wir werden weiterkämpfen, bis zu dem Tag, an dem das gesamte Militär und alles, was damit zu tun hat, die Insel verlassen hat. Wir werden dafür kämpfen, sie von der Insel zu vertreiben. Das ist unser Ziel."

 

Antonio Carpio, war Richter am Obersten Gerichtshof in Manila, hat die philippinische Regierung beim UN-Seerechtsübereinkommen beraten
"China will keinen Krieg anfangen. Denn sie wissen, es könnte zu einem Atomkrieg eskalieren. Und in dieser Nuklearschlacht würde kein einziger Mensch in der Volksrepublik überleben. Die Chinesen fahren die Strategie der ‚stillen Kriegsführung. Sie werden das Südchinesische Meer gewinnen ‒ ohne einen einzigen Schuss abzufeuern. Allein durch Einschüchterung."

"Russland versucht die Weltordnung umzustürzen, indem es tatsächliche Gewalt anwendet. Im Südchinesischen Meer versucht China dieselbe Weltordnung umzustürzen, indem es Gewalt androht. Sollten Russland und China damit Erfolg haben, das internationale Recht umzustürzen, dann ist jedes Land auf sich allein gestellt. Es wird ein maritimes Wettrüsten geben. Es ist die Pflicht aller Nationen, aller Menschen, zu verhindern, dass das eintritt."

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