In falschen Händen

Der Fernsehfilm der Woche

Thriller mit Katharina Schlothauer, Pegah Ferydoni und Florian Stetter:  Kinderbetreuung ist zwischen Nika und Tom ein ständiges Diskussions- und Streitthema – bis das scheinbar perfekte Kindermädchen in ihr Leben drängt.

  • ZDF, Montag, 12. September 2022, 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Samstag, 3. September 2022, 10.00 Uhr

Texte

Stab und Besetzung

Buch                                  Holger Joos

Regie                                 Mark Monheim

Kamera                              Rebecca Meining

Schnitt                               Patricia Mestanza Niemi

Ton                                    Vitus Bernrieder

Musik                                 Heiko Maile

Szenenbild                         Carina Cavegn

Kostüm                              Carola Raum

Produktionsleitung            Cecile Lichtinger

Produktion                        Claussen + Putz Filmproduktion

Producerinnen                   Amelie Syerberg, Veronika Ackermann

Produzenten                      Uli Putz, Jakob Claussen

Redaktion                          Esther Hechenberger

Länge                                circa 88 Minuten

 

 

Die Rollen und ihre Darsteller*innen

Manu                                 Katharina Schlothauer

Nika                                   Pegah Ferydoni

Tom                                   Florian Stetter

Stephan                             Aurel Manthai

Leon                                  Sole Inan Aktas

Lukas                                Paul Teske

Clara                                 Elea Zeqiri

Tilda                                  Katharina Friedl

Elisabeth Teske                  Undine Schneider

Monique                            Petra Michelle Nérette

Bernd                                Tillbert Strahl

Zauberer                           Lukas Heinze

und andere

Inhalt

Bei Nika und Tom ist die Kinderbetreuung in ihrer jungen Familie ein ständiges Diskussions- und Streitthema. Da trifft Nika auf dem Spielplatz zufällig die junge, sympathische Manu, die sich ihr spontan als Kindermädchen anbietet. Tom und Nika erscheint Manu wie ein vom Himmel gefallener Engel, der ihr überlastetes Familienleben im Handumdrehen verbessert. Besonders Designerin Nika versteht sich richtig gut mit der kreativen Manu, jenseits aller Kinderthemen. Tom ist nicht ganz so begeistert. Er würde das Verhältnis gern auf Angestelltenbasis lassen, denn mehr und mehr drängt sich Manu in ihr Familienleben, übernachtet bei ihnen und "vertritt" Nika bei einem Familienwochenende. Als Tom Manu einmal nach Hause bringt, wird sie von einem fremden Mann angegriffen, und Tom eilt ihr zur Hilfe. Tom und Nika realisieren, wie wenig sie über die Frau wissen, der sie täglich ihre Kinder anvertrauen. Weitere Aktionen von Manu sähen neue Irritationen, doch andererseits ist das Leben durch sie so viel einfacher geworden. Die jungen Eltern fragen sich bald, ob der sechsjährige Leon und die acht Monate alte Clara bei Manu wirklich in sicheren Händen sind.

"Der Film spielt damit, dass man nicht genau weiß, was Manu motiviert"

Interview mit Katharina Schlothauer

Ihre Figur taucht wie aus dem Nichts im Leben einer jungen Familie auf. Was ist Manu für eine Person?

Manu ist eine großartige junge Frau mit vielen Facetten. Diese Figur zu verkörpern, war eine sehr spannende Reise für mich. Manu versucht, ein großes Trauma zu überwinden, und lässt alles hinter sich, was sie daran erinnert, um am Ende Freiheit zu finden. Sie rennt davor nicht weg, sondern in etwas Neues hinein. Der Film spielt damit, dass man lange nicht genau weiß, was Manu motiviert und die Zuschauerinnen und Zuschauer werden bewusst in der Neugier gelassen und in eine falsche Richtung gelenkt.

Manu gleicht die Schieflage aus, die sich in die Aufgabenverteilung zwischen Mutter und Vater eingeschlichen hat. Was macht ihre Unterstützung so wertvoll?

Zwar ist es inzwischen glücklicherweise gesetzlich verankert, dass in einer Partnerschaft von Mann und Frau beide arbeiten können. Aber gesellschaftlich ist es noch nicht überall angekommen, und im Alltag sieht das oft noch anders aus. Ich habe das Gefühl, es besteht weiterhin ein Rest an Einstellung, nach der eher die Frau Abstriche in der Karriere macht. Karriere und Kind unter einen Hut zu bringen, ist natürlich eine Herausforderung.

Die Spannung entsteht durch eine zunehmende Grenzüberschreitung durch Manu innerhalb der Familie. Was passiert da genau?

Die Grenzen verschwimmen allgemein, Grenzüberschreitungen finden bei allen Figuren statt: Der Vater, der Manu etwas zu gut findet, die Mutter, bei der plötzlich so etwas wie Konkurrenz in Bezug auf die Kinder entsteht, und Manu, bei der die Realitäten miteinander zu verschwimmen scheinen. Sie sorgt sich um Leon, will, dass es ihm gutgeht, und setzt sich sehr stark für ihn ein. Sie versucht, ihn zu schützen. Dabei wird sie zur Löwenmama, obwohl der Junge nicht ihr eigenes Kind ist. Gleichzeitig muss sie sich ihren Dämonen stellen und realisieren, dass sie sich um die Aufarbeitung ihrer Vergangenheit kümmern muss.

Psycho-Thriller oder Familiendrama: Welchem Genre würden Sie "In falschen Händen" zuordnen?

Beiden. Der Film vermischt die Genres, was sehr spannend ist. Das war die Idee. Unser Regisseur Mark Monheim wollte genau das erreichen.

Was war die Herausforderung dabei?

Die Herausforderung war, Manus Figur greifbar und spürbar zu machen. Man muss mit ihr mitgehen können, damit sie nicht einfach nur psychotisch wirkt. Das wollte ich auch nicht spielen, so etwas kann für die eigene Psyche sehr heftig werden. Ich finde es spannender, wenn man mit einer Figur mitfühlt. Es war immer wieder ein Jonglieren mit den Genres, auch zwischen mir und Mark Monheim (lacht). Mein Fokus war, Spannung zu erzählen und gleichzeitig die Figur erlebbar zu machen. Mark Monheim pushte das Thriller-Genre im Film. Das Geheimnis dieser Figur ist toll.

Sie haben in der Vergangenheit Theater-Workshops für Kinder gegeben. Was mögen Sie daran? Und wie war das Zusammenspiel mit dem zur Drehzeit sechsjährigen Sole?

Mit Kindern zu arbeiten, macht Spaß, weil man beim Spielen auch kindlich wird und man sich da sehr unmittelbar trifft. Ich liebe die Neugier, die große Kreativität. Sole war ein toller kleiner Kollege. Er ist perfekt für die Rolle. Er ist gebündelte Lebenskraft und wie frei er ist, war für mich inspirierend. Ich hatte in seinem Alter auf jeden Fall viel mehr Angst. Kinder brauchen am Set nochmal eine andere Aufmerksamkeit, das ist klar, und das kann durchaus herausfordernd sein. Trotzdem es der erste Film für ihn war und trotz des immensen Pensums, hatte er das extrem gut gemeistert. Mir war es jedenfalls eine Ehre, ihn kennenlernen zu dürfen.

"Ich gebe meinem Kind viel Freiheit, sich auszuprobieren"

"Ich gebe meinem Kind viel Freiheit, sich auszuprobieren"

Interview mit Pegah Ferydoni

Was macht Ihre Figur Nika aus?

Nika ist eine typische Enddreißigerin aus der Münchner Kreativ-Szene. Sie ist warmherzig, energisch, humorvoll, sexy, und dabei glücklich verheiratet mit ihrer Jugendliebe Tom. Oberflächlich betrachtet hat sie ein perfektes Leben. Denn als Mutter von zwei kleinen Kindern wieder voll in den erlernten Beruf als Modedesignerin einzusteigen – ihrer absoluten Leidenschaft – erweist sich als ihr einziges und damit größtes Problem.

"Auf einmal bist du nur noch Mutti. Nur noch allein, nur noch am Rumrennen. Ich hab's mir einfach nicht so krass vorgestellt", sagt Nika über das Muttersein. Wie sortieren Sie die Aussage ein?

In dieser Falle stecken die allermeisten Mütter in Deutschland. Das liegt teils an der Gesellschaft und dem Umfeld, das ihnen viel abverlangt, und teils an den eigenen zu hohen Ansprüchen und Erwartungen. Gerade in Deutschland versuchen wir, immer alles richtig zu machen und scheitern daran zwangsläufig. Außerdem ist Vereinbarkeit von Familie, Beruf und Privatleben generell in Kreativberufen so gut wie unmöglich. Da gibt es keine Bürotür, die du hinter dir schließt und nach Hause gehst.

Nika sehnt sich oft in die Zeit zurück, in der sie ohne Verpflichtungen mit Tom durch die Welt gezogen ist. Doch gleich darauf überfällt sie das schlechte Gewissen – schließlich liebt sie ihre Kinder. Kennen Sie diese Art von Spaltung?

Ja und Nein. Verantwortungsbewusstsein, Geduld (auch mit mir selbst) und das Aushalten von Frustration gehören zu meinen Stärken. Und nur weil ich mich für das eine entscheide, muss ich mich nicht gegen das andere entscheiden. Das wird Müttern aber oftmals suggeriert, noch bevor sie ihren eigenen Weg gefunden haben. Daher kann ich den Gedanken "Was wäre, wenn?" in Momenten der Überforderung nachvollziehen. Elternsein ist anstrengend. Machen wir uns nichts vor.

Dass dem eigenen Kind etwas zustoßen könnte, ist wahrscheinlich die größte Angst, die Eltern haben. Wie sehr wird Nika von dieser Angst umgetrieben? Wie gehen Sie persönlich damit um?

Nikas Sorgen und der Hang zur Überbehütung ihrer Kinder sind für die Mittelschicht nicht untypisch. Und es gibt ja auch eine reale Bedrohung, wie wir im Film sehen werden. Ich persönlich bin da eher entspannter und gebe meinem Kind viel Freiheit, sich zu bewegen, sich auszuprobieren. Meine einzige Sorge ist, dass mein Kind sexualisierte oder rassistische Gewalt erfahren könnte. Ich weiß nicht, ob und wie ich es davor schützen kann.

 

"Das Paar wird herausgefordert, in dieser Situation wieder zusammenzufinden"

Interview mit Florian Stetter

Tom will ein moderner Vater und Ehemann auf Augenhöhe sein. Gelingt ihm das?

Ich denke, Tom gelingt das ganz gut. Er hat großes Interesse daran, dass seine Frau beruflich wieder voll einsteigen kann, er sieht ihre Beziehung durchaus gleichberechtigt. Auch in Bezug auf die berufliche Situation.

Ist eine vermeintliche Gleichberechtigung nur möglich, weil sie sich ein privates Kindermädchen leisten können?

Gleichberechtigung heißt für mich, dass beide Partner bereit sind, sich beruflich einzuschränken, und es im Fall einer Betreuungsnot keinen Geschlechterunterschied gibt. Auch heißt es für mich, sich darüber einig zu sein, wer, wann, wie arbeitet beziehungsweise zu Hause bleibt. Das hat erstmal nichts mit der Möglichkeit einer Nanny zu tun.

Viele Frauen sind nach wie vor für das Kochen, Putzen und die Kindererziehung zuständig. Warum stecken Frauen immer noch in der Familienfalle?

Diese Meinung teile ich nicht. In meinem Bekanntenkreis ist es völlig normal, dass auch der Mann gleichberechtigt für die Kinder zu Hause bleibt, wenn die Partnerin ihren Job nicht verlassen kann. Ich glaube, dass sich vieles zum Positiven verändert hat und es grundsätzlich in modernen Beziehungen normal ist, dass beide Partner einer Arbeit auch mit Kindern weiter nachgehen.

Tom, Nika und Manu sind grundsympathische Menschen. Und doch spitzt sich die Geschichte im Film dramatisch zu. Wie baut sich diese Spannung auf?

Manu bringt etwas mit hinein, was nicht abzusehen ist. Viele Paare mit Kindern kennen das vielleicht. Man findet jemanden für die Betreuung der Kinder und vergibt Vorschussvertrauen. Man kennt sich im Grunde noch nicht. Es ist ein Risiko, das man eingeht, beziehungsweise oftmals eingehen muss, weil es augenblicklich keine Alternative gibt. Wenn dann jemand mit einer sehr extremen Geschichte in die Familie kommt, kann es natürlich auch schwierig werden. Hier in unserer Geschichte passiert es so, und das Paar wird daraufhin umso mehr herausgefordert, wieder zusammenzufinden, um die Situation nicht in einer Katastrophe enden zu lassen. Das gelingt den beiden. Und es zeigt, wie stark ihr Bund miteinander ist.

Drei Fragen an Lisa Ackermann, psychologische Fachberaterin für diesen Fernsehfilm

Manu trägt ein traumatisches Erlebnis mit sich. Für sie scheint die einzige Möglichkeit der Bewältigung zu sein, das alte Leben komplett hinter sich zu lassen. Kann so etwas funktionieren? Handelt es sich hier um ein besonderes pathologisches Verhalten?

Nach einem belastenden Erlebnis, das die Betroffenen an die Grenzen ihrer Bewältigungsstrategien bringt, kommt es vor, dass Umstände und Situationen, die mit der Belastung in Zusammenhang stehen, vermieden werden – im Extremfall kann das bedeuten, sein komplettes Lebensumfeld zu wechseln, was in der Fachsprache als Dissoziative Fugue bezeichnet werden würde, allerdings äußerst selten beschrieben wird. Allgemein könnte man Manus Verhalten als eine Art Schutzreaktion sehen, die jegliche Art von Erinnerung an das belastende Ereignis von der ohnehin schon überwältigten Psyche fernhalten will. Allerdings handelt es sich hierbei um eine nur kurzfristig entlastende Reaktion, die eher ein Fortbestehen der Belastungssymptomatik zur Folge hat. Die wirksamste und heilsamste Form, ein traumatisches Erlebnis "hinter sich zu lassen" ist die aktive, im besten Fall therapeutische Verarbeitung und die Integration in das eigene Lebensnarrativ.

Im Film verschwimmen für Manu Realität und die Bilder aus der Vergangenheit. Ab einem gewissen Punkt kann sie diese nur noch schwer auseinanderhalten. Ist das eine übliche Reaktion?

Tatsächlich schildern Menschen mit einer Traumafolgestörung häufig genau dieses "Verschwimmen", welches sich meist in Form von aufdringlichen, lebendigen Erinnerungen und dem erneuten Erleben des belastenden Ereignisses äußert. Diese sogenannten "Flashbacks" führen zu einem enormen Leidensdruck der Betroffenen, da sie keinerlei Kontrolle darüber zu haben scheinen, und sie beginnen, am eigenen Verstand zu zweifeln. Das Ausmaß an Realitätsverlust, das wir im Film sehen, lässt auf eine hohe psychische Vulnerabilität (= Anfälligkeit) und möglicherweise auch Vorbelastungen von Manu schließen, sodass ihr nur die bereits geschilderte Verdrängung als Bewältigungsstrategie übrig zu bleiben scheint. Diese führt sie sukzessive in eine wahnhafte Parallelwelt. Auch hier handelt es sich um eine Reaktion der Psyche, die Manu kurzfristig vor der schmerzhaften Realität zu schützen scheint, langfristig aber eine Verarbeitung und Heilung verhindert.

Die Spannung dieses Thrillers entsteht über die sukzessive Persönlichkeitsveränderung von Manu. Was bewirkt dieser Kontrollverlust?

Es ist spannend zu sehen, wie diese Veränderung das ganze Figurensystem nach und nach verunsichert. Auch der Jüngste unter ihnen scheint ab einem gewissen Zeitpunkt deutlich zu spüren, dass irgendetwas schiefläuft und ihm Manus Unberechenbarkeit Angst macht. Zugleich handelt es sich dabei eher um das kurze Aufflammen von Irritation und Misstrauen in einzelnen Situationen, das vom schnelllebigen Alltag im nächsten Moment wieder verdrängt wird. Auch als Zuschauender spürt man dieses wiederholte Unbehagen und wird zunehmend an die Schwelle des Nachvollziehbaren geführt. Bei mir persönlich hat sich eine Mischung aus böser Vorahnung und Wut eingestellt, am liebsten hätte ich den Eltern zugerufen: "Passt auf, schaut hin, hört auf euer Bauchgefühl und seid nicht dauernd abgelenkt!". Ein Appell, der wohl für viele Eltern Gültigkeit besitzt.

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