laut.stark.gleich.berechtigt.
Zeit der Frauen mit Collien Ulmen-Fernandes
Was haben Deutschlands Frauen in den letzten Jahrzehnten bewegt und erkämpft? Wie sieht es heute aus? Die dreiteilige ZDFzeit-Reihe erzählt von der "Zeit der Frauen" in einer Mischung aus Dokumentation und Reportage. Presenterin Collien Ulmen-Fernandes taucht ein in die unterschiedlichsten Lebenswelten von Frauen und lässt Revue passieren, wie sie Turbulenzen gemeistert, Grenzen überwunden und die Gesellschaft vorangebracht haben. Prominente berichten von ihren persönlichen Erfahrungen und Expertinnen liefern Hintergründe.
- ZDF Mediathek, Alle Folgen ab Montag, 26. September 2022, 20.15 Uhr
- ZDF, dienstags: 27. September, 4. und 11. Oktober 2022, jeweils 20.15 Uhr
Texte
Über die Reihe
Deutschlands Frauen können heute Bundeskanzlerin werden, Fußballweltmeisterin oder Astronautin. Sie können Frauen heiraten, Impfstoffe gegen Corona entwickeln und erfolgreich Unternehmen führen. All das hätten sie auch in früheren Zeiten schon gekonnt – wenn man sie gelassen hätte. Doch noch immer kämpfen Frauen um Anerkennung, Teilhabe und finanzielle Gleichstellung.
Zeit, Bilanz zu ziehen, was Deutschlands Frauen in den letzten Jahrzehnten bewegt und erkämpft haben, welche Hindernisse es heute noch gibt und was es braucht, Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen.
Die dreiteilige ZDFzeit-Reihe "laut.stark.gleich.berechtigt." erzählt von der "Zeit der Frauen" in einer Mischung aus Dokumentation und Reportage. Presenterin Collien Ulmen-Fernandes begibt sich durch Gespräche und Experimente in die Lebenswelt der Frauen von den 1950er-Jahren bis heute. Die drei Folgen sind chronologisch gegliedert, setzen aber Schwerpunkte zu Themen, die zeitübergreifend sind.
Prominente Interviewpartnerinnen und -partner erzählen aus ihrem Leben, darunter Heavy Metal-Ikone Doro Pesch, Unternehmerin Fränzi Kühne, Politiker Gregor Gysi oder die Schauspielerinnen Maren Kroymann, Marie-Luise Marjan, Jutta Speidel, Schauspieler Winfried Glatzeder oder Influencerinnen wie Melodie Michelberger.
Die Politikerinnen Claudia Roth, Rita Süssmuth, Renate Künast und Aminata Touré berichten von Herausforderungen und Widerständen, die sie erlebt haben, als es darum ging, den Weg zu einer gerechteren und vielfältigeren Gesellschaft zu ebnen.
Expertinnen wie Soziologin Prof. Dr. Jutta Allmendinger, Juristin Dr. Lore Maria Peschel-Gutzeit, Genderforscherin Dr. Stevie Schmiedel, die Historikerinnen Dr. Heike Specht und Prof. Hedwig Richter sowie die DDR-Expertin Dr. Anna Kaminsky ordnen die persönlichen Schilderungen zeit- und kulturgeschichtlich ein.
Ein YouTube-Video von Jasmina Neudecker auf dem Kanal TerraXplore (Upload am 4. Oktober 2022) und ein YouTube-Video von Mirko Drotschmann auf seinem Kanal MrWissen2go Geschichte zum Thema "Frauen im Krieg" (Upload am 13. Oktober 2022) ergänzen die TV-Reihe bei Social Media.
Sendetermine und Stab
ZDF: Dienstag, 27. September 2022, 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Montag, 26. September 2022, 20.15 Uhr
laut.stark.gleich.berechtigt.
Zeit der Frauen 1 mit Collien Ulmen-Fernandes
Autorin Elin Carlsson
Kamera Björn Schneider, Sven Bender, Ion Casado
Editor Stefan Leuschel
Producerin Marta Schröer
Grafik Zornshot
Herstellungsleitung Jan Holtz
Produzent Thomas Schuhbauer
Produktionsleitung Carola Ulrich, Philipp Müller
Redaktion Stefan Mausbach, Ursula Nellessen
Leitung Stefan Brauburger
Sendelänge 45 Minuten
ZDF: Dienstag, 4. Oktober 2022, 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Montag, 26. September 2022, 20.15 Uhr
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Zeit der Frauen 2 mit Collien Ulmen-Fernandes
Autorin Annette Köhler
Kamera Anthony Miller, Christian Baumann, Michael Habermehl
Editor Christian Herold
Grafik Zornshot
Producerin Marta Schröer
Produktionsleitung Carola Ulrich, Philipp Müller
Redaktion Stefan Mausbach, Ursula Nellessen
Leitung Stefan Brauburger
Sendelänge 45 Minuten
ZDF: Dienstag, 11. Oktober 2022, 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Montag, 26. September 2022, 20.15 Uhr
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Zeit der Frauen 3 mit Collien Ulmen-Fernandes
Autorin Denise Jacobs
Kamera Jonny Müller-Goldenstedt, Ion Casado, Boris Mahlau
Editor Thomas Wellmann
Producerin Marta Schröer
Grafik Zornshot
Herstellungsleitung Jan Holtz
Produzent Thomas Schuhbauer
Produktionsleitung Carola Ulrich, Philipp Müller
Redaktion Stefan Mausbach, Ursula Nellessen
Leitung Stefan Brauburger
Sendelänge 45 Minuten
Inhalt
"Zeit der Frauen 1"
In den 1950er Jahren kümmern sich die allermeisten Frauen um die Kinder, pflegen Angehörige, organisieren den Haushalt und das Familienleben. Als Ehefrauen dürfen sie in Westdeutschland kein eigenes Konto besitzen und nur berufstätig sein, wenn der Mann es erlaubt. Auch das Gleichberechtigungsgesetz von 1958 ändert nicht viel an der Situation: Zwar dürfen Frauen jetzt ihr Vermögen selbst verwalten und auch gegen den Willen des Mannes arbeiten gehen, aber nur, solange sie Haushalt und Familie nicht vernachlässigen. Die "familiären Pflichten" der Frauen haben per Gesetz oberste Priorität.
In Ostdeutschland sieht die Arbeitswelt in den 1950ern ganz anders aus: In den Fabriken stehen nicht nur Männer am Band, sondern auch Frauen. In vielen Bereichen sind sie stärker eingebunden als im Westen. Die Kinderbetreuung übernimmt der Staat, Kindergartenplätze gibt es für alle. Doch die Erwerbstätigkeit bietet nicht immer die pure Erfüllung, vor allem ist sie politisch gewünscht und wirtschaftlich erforderlich – der Job als Hausfrau kommt noch hinzu.
Wie nah oder fern ist uns im Jahr 2022 das Frauenbild der 1950er? Dem geht Presenterin Collien Ulmen-Fernandes nach. Durch die Coronakrise scheint ein Rückfall in alte Rollenbilder stattzufinden, die Zahl der Babys steigt, wieder sind vor allem die Frauen bei der Kinderbetreung mehr beansprucht. Beim Besuch einer Hauswirtschaftsschule fragt Ulmen-Fernandes, wie ein solcher Kurs in die heutige Zeit passt und welches Frauenbild dahintersteckt. Mit einem "Papa-Blogger" spricht sie über dessen Lebensmodell und darüber, wie dieses ankommt in seiner persönlichen Umgebung. Mit Wissenschaftsjournalistin Jasmina Neudecker von Terra Xplore macht in sie einer Kitagruppe das Experiment, wie sehr die Kleinen Geschlechterrollen schon in ihren Köpfen haben. Nicht nur die Antworten der Kinder zeigen: Es sind immer noch die Frauen, die sich zum Großteil um Haushalt und Nachwuchs kümmern. Der Geist der 1950er Jahre prägt unseren Alltag bis heute.
"Zeit der Frauen 2"
Kündigt sich Nachwuchs an, ist es für die meisten Frauen vorbei mit dem Geldverdienen. Für viele junge Frauen scheitert der Sprung in den Beruf und in ein eigenständiges Leben an der frühen Mutterschaft. Verhütung ist tabu oder nicht möglich. Doch dann kommt sie: Die kleine Pille mit der großen Wirkung und bietet ab 1961 einen Ausweg aus der "Baby-Falle". Erst in Westdeutschland, einige Jahre später auch in der DDR und trägt zum großen gesellschaftlichen Umbruch bei.
Aber ohne handfesten Protest geht wenig voran. Und der richtet sich nicht nur gegen das konservative Establishment. Auch auf die Männer der 1968er Revolte fliegen Tomaten, weil sie bei allem Aufbegehren gegen gesellschaftliche Verkrustungen Frauen in ihren Reihen eher als schmückendes Beiwerk betrachten und als Mitstreiterinnen nicht ernst nehmen. So gilt ausgerechnet der Tomatenwurf bei einer Konferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes als Initialzündung für die Frauenbewegung in der alten Bundesrepublik.
Presenterin Collien Ulmen-Fernandes will wissen, welche Rechte sich Frauen in den 1960er- und 1970er-Jahren erkämpft haben. Wie war es im Westen, wie im Osten? Erst 1977 wird in Westdeutschland das Ehe- und Familienrecht reformiert, das noch aus der Kaiserzeit stammte. Wie war es mit dem Recht auf Abtreibung? Collien Ulmen-Fernandes fragt nach bei einem Dating-Event: Wie gehen junge Leute heute mit Liebe und Sexualität um? Wer ist für Verhütung zuständig? Am Berliner Alexanderplatz nimmt sie an einer Catcalling-Aktion teil, mit der sich junge Frauen in der Öffentlichkeit gegen verbale sexualisierte Gewalt zur Wehr setzen. Wie Frauen die ersten Männerdomänen eroberten, klärt sie mit einer Lufthansa-Kapitänin und macht – unterstützt von Naturwissenschaftlerin Jasmina Neudecker von Terra Xplore – mit Schülerinnen und Schülern einer 10. Klasse ein Experiment: Gibt es wirklich eine geschlechtsspezifische Veranlagung für Technik, Naturwissenschaft und Mathe? Und wie stark beeinflusst soziale Prägung den Berufswunsch? Am Ende der Folge steht fest: Zweifellos hat sich die Gesellschaft seit den 1970er-Jahren gewandelt und Frauen haben bessere Chancen, Einfluss zu gewinnen, aber es war ein schwerer Anfang.
"Zeit der Frauen 3"
Auch wenn es noch immer einem Glücksspiel gleicht: Ab den 1980er-Jahren gibt es für Frauen vermehrt den Weg in berufliche Führungspositionen, auch in bisherigen Männerdomänen. Der Anteil an Abiturientinnen und Studentinnen steigt. Für die Veränderung auf politischer Bühne gesorgt hat auch eine damals junge Partei, die Grünen. Ihr geht es auch um Frauenrechte. Bei ihrer ersten Rede im Parlament fordert Abgeordnete Waltraud Schoppe nicht nur die Streichung des Abtreibungsparagrafen, sondern auch eine Bestrafung bei Vergewaltigung in der Ehe und kritisiert den "alltäglichen Sexismus" im Bundestag. Aufgebrachte Parlamentarier beschimpfen sie, doch sie lässt sich nicht beirren und setzt 1995, als Familienministerin in Niedersachsen, eine Frauenquote im öffentlichen Dienst durch.
Bei aller Kritik am SED-Regime, für die Frauen in der DDR geht manches, was in der DDR als selbstverständlich galt, nach der Wiedervereinigung verloren, etwa leitende Funktionen in Betrieben, die nun abgewickelt werden. In der geeinten Republik bleiben Frauen in den Führungsetagen weiter die Ausnahme. Von der Gründerin der ersten Social-Media Agentur Deutschlands und jüngsten Aufsichtsrätin eines DAX-Unternehmens, Fränzi Kühne, will Collien Ulmen-Fernandes wissen: Was hindert Frauen heute noch am Aufstieg – trotz Quote?
Obwohl Frauen beim Thema Bildung etwas besser abschneiden als Männer, werden sie noch immer schlechter bezahlt. Eine "rote Karte" für die Gehaltslücke gibt es auch beim Fußball. Darüber spricht Presenterin Collien Ulmen-Fernandes mit den Fußballerinnen Bärbel Wohlleben und Tuğba Tekkal beim Training. Von Heavy Metal-Ikone Doro Pesch erfährt sie, wie diese immer noch gegen Geschlechterklischees im Musikbusiness ankämpft. Die Berufsoffizierin Nadine Balzer berichtet während eines Fallschirmsprungtrainings über Führungsarbeit in der Männerdomäne Bundeswehr. Fest steht für alle Protagonistinnen: Wenn es um Gleichberechtigung geht, ist in Deutschland noch viel zu tun.
O-Töne von Expertinnen
Prof. Jutta Allmendinger, Soziologin, Präsidentin des Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (WZB) über …
… Untersuchungen zu Geschlechterrollen während der Pandemie:
"Wir hatten Geschlechterrollen-Messungen vor der Pandemie, und wir haben sie während der Pandemie wieder und wieder gemessen. Und das Dramatische ist, dass gerade die jungen Väter, die ja liberalere Geschlechterrollen angenommen hatten, wieder zurückgerutscht sind und es ihnen zu viel war. Und man kann daraus ableiten, und das zeigen unsere neuen Daten auch, dass insbesondere Väter extrem auf die Infrastruktur angewiesen sind. Also: Wenn Kitas wegbrechen, wenn Schulen wegbrechen, dann brechen auch die Männer weg."
… Wege aus der Lohn- und Rentenlücke für Frauen:
"Wie schließen wir diese Lücken? Sollen Frauen noch mehr zu Männern werden? Sollen sie quasi auch diese 45 Jahre ununterbrochen in Vollzeit arbeiten? Dann schließt sich ganz viel. Die Frage ist: Will man dann noch Kinder haben? Oder schließen wir diese Lücke auf einem anderen Weg, nämlich dass Männer ein wenig die Frauenleben annehmen, also auch länger unterbrechen, auch in Teilzeit gehen. Das ist mir zu wenig thematisiert. Wo wollen wir hin? In welcher Gesellschaft wollen wir leben? Reden wir über die Stundenzahl von heute oder reden wir über eine höhere Teilzeit für alle? Das ist dezidiert mein Modell."
… strukturelle Hindernisse für Frauen in Führungspositionen:
"Es schaffen deshalb weniger Frauen in Chefetagen, weil wir nicht offen sind für soziale Innovationen. Das heißt, es würde natürlich gehen, dass Frauen in Chefetagen sind. Die sind mindestens genauso gut wie die Männer. Aber dann bräuchten wir Modelle wie Führung in Teilzeit, gemeinsame Führungsmodelle. Wir bräuchten ganz andere Möglichkeiten der Flexibilitäten. (…) Das haben wir alles so nicht. Sondern wir sagen, die Person qualifiziert sich am meisten für eine Führungsposition, die ununterbrochen ihren Ehrgeiz vor Ort darstellt."
Dr. Anna Kaminsky, Direktorin der Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, über …
… die finanzielle Unabhängigkeit von DDR-Frauen:
"Während Frauen in der DDR durch ihre hohe Berufstätigkeit tatsächlich eine finanzielle und materielle Unabhängigkeit von Männern hatten, also auch frei entscheiden konnten, ich lasse mich scheiden, denn ich kann für meine Kinder auch allein sorgen, ich brauche nicht den Ernährer der Familie, war das für Frauen im Westen anders. Viele Frauen im Westen waren hochgradig abhängig von ihren Männern."
… die Doppelbelastung von DDR-Frauen:
"Es gibt eine vielsagende Statistik aus der DDR: Die übliche Arbeitszeit war 43 Stunden in der Woche und Frauen mussten darüber hinaus weitere 40 Stunden für die Bewältigung der Hausarbeit, die Kinderbetreuung und so weiter aufbringen. Das heißt, die Frauen hatten tatsächlich so etwas wie eine zweite Schicht. (…)
Es ist ein wichtiges Indiz, wenn man sich Befragungen in der DDR anschaut, wo Männer und Frauen gefragt worden sind, was ihre liebste Freizeitbeschäftigung ist und eine überwiegende Zahl der Frauen sagt: 'Schlafen'. Und die Männer beklagen, dass die Frauen eben einfach zu müde sind, sexuell nicht mehr interessiert sind."
... die DDR in puncto Frauenemanzipation:
"Ich denke, dass die DDR nicht als Emanzipierungsvorbild taugt. Staatlicherseits war die Vorgabe darauf gerichtet, Frauen massenhaft in die Berufstätigkeit zu bringen. Eine wirkliche Emanzipation, also eine Mitbestimmung in Staat und Gesellschaft über das, was für Familien, für Frauen und Männer das Beste ist, hat es in dem Sinne nicht gegeben. Sondern es ging darum, dass Frauen als Arbeitskräfte zur Verfügung stehen."
Prof. Hedwig Richter, Historikerin, über…
…das Modell der Hausfrau im Westen
"Das Modell der Hausfrau ist im 19. Jahrhundert schon verbreitet und wird auch idealisiert. Aber dass es dann durch alle Schichten hindurch geht, das ist wirklich ein neues Phänomen der Nachkriegszeit. Und interessanterweise wird das Modell der Hausfrau dann auch so etwas wie zu einem einigenden Band des Westens. Das wird in allen Industrienationen, in allen westlichen Demokratien propagiert. Oft wird es sogar in Zusammenhang mit Demokratie gebracht, dass eine freie Frau, eine freie Familie eben dieses Hausfrauen-Modell hat, weil sich die Frau frei dafür entscheiden kann. Anders als im Sozialismus, wo sie arbeiten muss."
"Das Patriarchat kann natürlich nur funktionieren, wenn die Frauen mitmachen."
… emanzipatorische Möglichkeiten durch die Pille
"Die Pille hat den Frauen ganz neue Möglichkeiten eröffnet. Das hieß nicht, dass sie dann von heute auf morgen die Politik gestürmt haben. Aber die Pille ermöglichte ihnen ein viel selbstbewussteres, selbst gestaltetes Leben und hat mit zu dem großen gesellschaftlichen Umbruch beigetragen. Dass Frauen bessere Bildung erhielten, dass Frauen auch studiert haben, dass Frauen eben auch in dem Bewusstsein leben, dass ihr Körper wirklich ihnen gehört."
Stevie Schmiedel, Genderforscherin, über…
… das Verhalten vieler Mütter von Mädchen noch in den 1970er-Jahren:
"Unsere Mütter damals waren noch sehr daran orientiert, uns für das zu prägen, was für sie Erfolg war, nämlich einen Ehemann zu bekommen, gut auszusehen und Anerkennung über das Aussehen zu ergattern. Das heißt, dieses Geschlechterverhältnis wurde sehr selten angezweifelt und eigentlich hingenommen. Frau war hübsches Beiwerk, machte sich abends für ihren Mann hübsch. Der kam von der Arbeit nach Hause. Und dass man diese Ordnung verändern könnte, das war eigentlich noch nicht auf der Agenda."
… die Prägung von Geschlechterrollen:
"Wir sehen selten eine Frau die Bohrmaschine in der Werbung halten oder in irgendeiner Form aktiv technisch tätigsein. Und natürlich macht das auch was mit Kindern."
Dr. Lore Peschel-Gutzeit, Juristin, über…
… Nachteile für Frauen in Scheidungsverfahren bis 1977:
"Bis 1977 konnte ich mich scheiden lassen, wenn ich dem anderen ein Verschulden nachweisen konnte. Das war zum Beispiel Ehebruch. Das waren aber auch sogenannte Eheverfehlungen. Wenn eine Frau zum Beispiel den Haushalt nicht sauber genug machte und es war Staub auf dem Schrank. Dann konnte der Mann hingehen und wegen Eheverfehlungen eine Ehescheidungsklage erheben. Wenn sie schuldig geschieden wurde, bekam sie keinen Unterhalt und verlor die Kinder."
… den juristischen Tatbestand der Vergewaltigung in der Ehe erst ab 1997:
"Wenn Sie die Protokolle zum Thema Vergewaltigung in der Ehe lesen aus dem Bundestag Mitte der 1990er-Jahre, da wird Ihnen ganz schwarz vor Augen. Da treten wirklich soundso viele männliche Bundestagsabgeordnete auf und sagen: 'Wieso, das ist doch das Recht des Mannes. Und wenn eine Frau nicht will, dann muss man sie eben zwingen.' Das ist nicht alles Mittelalter, sondern das ist die jüngste Gegenwart. – Wir haben seither die Bestrafung der Vergewaltigung in der Ehe seit 1997."
Interview mit Presenterin Collien Ulmen-Fernandes
Was hat Sie gereizt, bei dem Format dabei zu sein?
Da weiß ich gar nicht, wo ich anfangen soll: Alles! Ich durfte bereits verschiedene ZDF-Produktionen zu verwandten Themenbereichen umsetzen. Mal ging es um Väter, mal um die Rollenbilder bei Kindern, gefühlt landet man am Ende immer bei dem Thema Gleichberechtigung. Der Feminismus und die Rolle der Frau als Zeitreise von den 1950ern bis heute für das neue Format ist daher quasi die logische Konsequenz dieser Reise.
Für den Dreiteiler gab es ein besonderes Fotoshooting, das sich wie ein roter Faden durch die Folgen zieht. Sie inszenieren Werbemotive aus den 1950er-, 1960er- und 1970er-Jahren neu. Die Originale wirken auf Sie sicher absolut aus der Zeit gefallen und gehen gar nicht, oder?
Ja, das stimmt. Da sind wirklich hochgradig sexistische Motive dabei. Wobei man diese heutzutage immer noch findet. Ich habe selbst einen ganzen Ordner voller aktueller Werbe-Motive gesammelt. Gerade erst gesehen: Unter dem Claim "Mamas Lieblinge" werden Bügelbrett und Küchenmaschine beworben.
Man sollte achtsam mit dieser einseitigen Darstellung sein, weil sich diese Stereotypen reproduzieren. In Katalogen für Kinderspielzeug stehen in der Spielküche nur Mädchen. Die Idee, die Rollen umzukehren, hat mich deshalb sehr gereizt, weil einem dadurch diese sexistische Darstellung von Weiblichkeit erst so richtig bewusst wird.
Wie weit sind wir aus Ihrer Sicht beim Thema Gleichberechtigung heute?
Die Zeitreise unter anderem in die 1950er-Jahre ist spannend. Denn damals wurde unverblümt ausgesprochen, dass der Platz der Frau bitteschön am Herd und bei den Kindern zu sein habe. Heute würde bei einer Umfrage jeder sagen, dass er natürlich für Gleichberechtigung sei, aber dann kommen immer Ausreden, warum man selbst keine leben könne. In der Theorie sind sich alle einig: "Wirklich toll, diese Sache mit der Gleichberechtigung – nur halt eben für mich nicht". Und in diesem pseudo-gleichberechtigten Zustand haben wir es uns sehr bequem gemacht.
In den 1950er-Jahren sollten Ehefrauen vor allem zuhören und sich nicht beklagen, wenn der Ehegatte von der Arbeit kam.
Tatsächlich ist das genauso im "Handbuch für die gute Ehefrau" aus dem Jahr 1955 nachzulesen. Darin heißt es: "Lassen Sie ihn erzählen – seine Gesprächsthemen sind wichtiger als Ihre." Und einiges ist bis heute erhalten geblieben, zum Beispiel die Haltung, eine Ehefrau solle ihrem Mann den Rücken freihalten. Das habe ich selbst schon oft zu hören bekommen, wenn mein Mann und ich parallel gute Angebote bekamen. So viel weiter als in den 1950ern sind wir leider auch heute noch nicht.
Welche Erfahrungen mit Geschlechterrollenklischees haben Sie selbst schon gemacht?
Sobald ich ein Foto poste, auf dem ich auf Reisen bin, kommt garantiert die Frage, wo denn mein Kind sei. Eine Frage, die Männern nie gestellt wird. Die Zuständigkeit für Kind und Haushalt wird eben noch ganz klar bei den Frauen gesehen.
Belästigungen im öffentlichen Raum, das sogenannte "Cat-Calling", haben, das hat auch ihre Umfrage für den Film belegt, viele Frauen erlebt. Sie auch?
Ja, klar. Leider ist das so und die verbale sexuelle Belästigung für Frauen Alltag. Ganze 78 Prozent haben sie bereits erlebt. Bisher ist sie in Deutschland aber (noch) nicht strafbar. Eine Gruppe von Frauen, die ich auch für unsere Produktion getroffen habe, hat eine Petition gestartet, um das zu ändern. Diese Gruppe macht die sexuelle Belästigung öffentlich, indem sie sie am Ort des Geschehens niederschreibt und sich so den Raum zurückerobert, und ich habe sie hierbei begleiten dürfen.
Würden Sie sich selbst mit Ihrem Engagement für Frauenrechte als Feministin bezeichnen?
Ich glaube, ich sehe mich eher als Aktivistin für Geschlechtergerechtigkeit. Darum geht es mir, um Gerechtigkeit. Es gibt ja auch Bereiche, in denen Männer benachteiligt werden. Sagt man, Frauen können sich besser um Kinder kümmern, spricht man ihnen ja auch eine gewisse Kompetenz ab. Das Bild des Mannes, der eine Familie ernähren können muss, setzt Männer ja auch unter Druck. Letztendlich profitieren wir doch alle von mehr Freiheit und Diversität in der Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit.
Brauchen wir die Quote, damit sich etwas verändert?
Vermutlich ja. Leider. Das habe ich, wie viele Frauen, lange anders gesehen. Meine persönliche Haltung hat sich verändert, weil ich erlebe, dass die berühmte gläserne Decke in Unternehmen die Karrierechancen von Frauen begrenzt und der Thomas-Kreislauf – also: Gleich und gleich rekrutiert sich gern – durchbrochen werden muss.
Das Interview führte Barbara Gauer
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