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LIBERAME - Nach dem Sturm

Dramaserie

"LIBERAME – Nach dem Sturm" erzählt von einem Segeltörn im Mittelmeer, einem überfüllten Flüchtlingsboot und einer Katastrophe, die das Leben aller Beteiligten verändern wird.

  • ZDF, Montag, 5. September 2022, und Mittwoch, 7. September 2022, ab 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, Ab Samstag, 30. Juli 2022, 10.00 Uhr

Texte

LIBERAME – Nach dem Sturm" spiegelt
die aktuelle Situation von Geflüchteten

"LIBERAME – Nach dem Sturm" ist eine Serie, die auf ungeahnte und fatale Weise die aktuelle Situation von Geflüchteten, deren Traumata und Zukunftsängste spiegelt und erlebbar macht, indem sie Herz und Verstand gleichermaßen erreicht. Jeder einzelnen Figur kann man folgen und ihr Handeln nachvollziehen, auch wenn es schlimme Folgen haben könnte.

Frank Zervos
Stellvertretender Programmdirektor und Leiter der Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie I

"LIBERAME heißt 'Erlöse mich'"

LIBERAME heißt die Segeljacht, mit der fünf Freunde aus Hamburg bester Laune ihren Urlaub antreten und im Mittelmeer in See stechen. Alles ist perfekt: das Wetter, der Wind, die Stimmung. Bis die Freunde plötzlich auf ein havariertes Boot mit verzweifelten Geflüchteten treffen und vor eine schwere Entscheidung gestellt werden: Helfen wir und riskieren, juristisch belangt zu werden? Oder helfen wir nicht und werden uns moralisch-ethisch dafür ein Leben lang verantworten müssen? Denn noch heute ist man zwar verpflichtet, auf hoher See Hilfe zu leisten, indem man zum Beispiel die Küstenwache ruft, darf Geflüchtete in Europa aber nicht an Land bringen. Für die Segler in der Serie kommt es anders als gedacht, und der Name der Segeljacht erfährt eine ungeahnte Bedeutung: LIBERAME heißt "Erlöse mich".

Skipper Jan stellt sich eine entscheidende Frage: "Ich dachte, wir sind alles gute Menschen!". Gutes wollen, heißt eben nicht immer, Gutes bewirken. Diese komplexe Thematik hat der Regisseur Adolfo J. Kolmerer mit dem Kameramann Christian Huck in Kinoqualität inszeniert und allen Darstellerinnen und Darstellern genügend Raum gegeben, das Handeln ihrer Charaktere zu verstehen und nicht zu verurteilen. Das gesamte Ensemble beeindruckt durch spielerische Kraft, Authentizität und großes persönliches Engagement.

"Liberame" ist nicht nur Ausdruck und Symbol einer schicksalhaften Begegnung von Menschen auf dem Mittelmeer, sondern umreißt auch den Kern der Serie – denn genau danach sehnen sich alle Figuren: nach Befreiung. Nach Erlösung von ihrer Schuld. Von ihren Zweifeln. Und von ihrer Trauer. Die fünf deutschen Segler spiegeln dabei mit ihrem Wunsch zu helfen, die Haltungen vieler Menschen in Europa. Sie haben Mitgefühl, aber auch Angst vor den Konsequenzen ihres Handelns. Nach einer stürmischen Nacht ist das Flüchtlingsboot verschwunden, die Schleppleine ist gerissen. Aber waren wirklich alle dafür, zu helfen, eine Anklage zu riskieren oder möglicherweise von den verzweifelten Flüchtlingen bedrängt zu werden? Als die Segler schließlich von ihrer Reise zurückkehren, scheinen die Ereignisse vergessen. Zumindest aber verdrängt.

Ein paar Jahre später begegnen ihnen die Geflüchteten scheinbar zufällig in Hamburg. Während die Segler mit schweren Vorwürfen konfrontiert und von Schuldgefühlen verfolgt werden, wühlt die Begegnung auch die Geflüchteten auf: Haben sie den richtigen Moment gewählt, um ihre Heimat zu verlassen? Hätte es Alternativen gegeben? Einen Weg, die eigene Tochter, den eigenen Vater, sicher nach Europa zu bringen?

Die Begegnung wirkt wie ein erneuter Sturm, der im Laufe der Serie über sie alle hinwegfegt, vieles aufwirbelt und einiges zerstört. Doch in gewisser Hinsicht hat er auch eine reinigende, eine kathartische Wirkung: Die fünf Freunde müssen sich ihrer Schuld stellen und Verantwortung übernehmen. Die Geflüchteten müssen akzeptieren, dass sie die Vergangenheit nicht rückgängig machen können und ihnen nur die Option bleibt, sich fern der Heimat in Deutschland, Europa oder anderswo, auch gegen Widerstände und Ungerechtigkeiten, ein neues Zuhause aufzubauen.

Aktuell erleben wir einen Krieg in Europa, und es sind mehr Menschen auf der Flucht, als wir es bei der Entwicklung der Serie für möglich gehalten hätten. Für viele Menschen geht es dabei noch lange nicht ums Ankommen, sondern ums Überleben – wie es seit vielen Jahren zahllosen Geflüchteten auf dem Mittelmeer geht, einer der weltweit gefährlichsten Flüchtlingsrouten. Und wir müssen uns die gleiche Frage stellen wie die deutschen Segler in der Serie: Könnten wir mehr tun und weniger zögern?

Jasmin Maeda und Elke Müller
Hauptredaktion Fernsehfilm/Serie I

Stab, Besetzung, Inhalt

Regie      Adolfo J. Kolmerer
Buch       Astrid Ströher, Marco Wiersch
Kamera         Christian Huck
Schnitt        Laura Wachauf
Ton       Torsten Többen, Constantin Bömers
Szenenbild          Thomas Freudenthal
Kostüm       Petra Kilian
Musik          Roman Fleischer, Tim Schwerdter
Produktionsleitung          Sandra Böttger
Producerinnen       Eva Kaesgen, Ina Philipps
Produzentin       Eva Holtmann
Produktion       Bantry Bay Productions GmbH mit
Unterstützung der Malta Film Commission
Redaktion       Elke Müller, Jasmin Maeda
Länge      6 x 45 Minuten

 

Die Rollen und ihre Darsteller*innen

Jan Garbe     Friedrich Mücke
Caro Garbe        Johanna Wokalek
Ismail Sabia       Mohamed Achour
Zahra Sabia          Kenda Hmeidan
Helene Neumann     Ina Weisse
Bilal Sabia       Tariq Al-Saies
Fiona Garbe       Natalia Belitski
Daniel Schilling        Marc Benjamin
Elly Garbe     Mina-Giselle Rüffer
Said Sabia        Shadi Eck
Akono Chuke      Emmanuel Ajayi
Klaudia         Monika Oschek
Kommissarin Karlsen     Stephanie Japp
Kommissar Rotter       Jean-Philippe Adabra
Susanne     Sinha Melina Gierke
Gustav Garbe        Wieland Bock
und andere    

 

Eine packende Dramaserie über eine Begegnung im Mittelmeer, die das Leben aller Beteiligten nachhaltig verändert. Jahre später werden die Geflüchteten und die Segler von den Ereignissen eingeholt und sind dazu gezwungen, sich der Vergangenheit zu stellen.

Jan und Caro unternehmen mit Jans Schwester, deren Freund Daniel und Helene einen Segeltörn auf dem Mittelmeer, als sie auf ein manövrierunfähiges Boot mit in Seenot geratenen Geflüchteten treffen. Die Yacht ist deren einzige Chance auf Rettung. Sollen die Urlauber den verzweifelten Menschen helfen und damit riskieren, an Land verhaftet zu werden? Oder sollen sie sie ihrem Schicksal überlassen? Sie entscheiden sich, das Flüchtlingsboot abzuschleppen. Doch am nächsten Morgen ist es spurlos verschwunden. Die Schleppleine ist gerissen. Jahre später trifft Jan scheinbar zufällig Ismail, den Vater einer syrischen Flüchtlingsfamilie, die damals auf dem Boot war und der sie verdächtigt, das Abschleppseil durchtrennt zu haben. Sieben Menschen sind damals ertrunken, darunter Ismails und Zahras Tochter. Die Frage nach der Schuld hängt wie ein Damoklesschwert über allen. Was geschah in jener Nacht auf dem Mittelmeer?

"Realität und Fiktion liegen erschreckend
nah beieinander"

Statement von Eva Holtmann, Eva Kaesgen und Ina Philipps

Für uns als Firma und Produzentinnen ist diese Serie eine große Herausforderung und ein echtes Abenteuer gewesen. Gestartet mit intensiver Drehbuchentwicklung, spannenden Casting-Gesprächen, Dreharbeiten im Lockdown in Hamburg, später vor Ort auf dem Mittelmeer und final in einem Wassertank auf Malta. So eine Produktion gelingt nur im Team, und das haben wir mit Elke Müller, Jasmin Maeda vom ZDF und unseren Autoren, unserem Regisseur Adolfo Kolmerer und seinem Kameramann Christian Huck gefunden.

Wenn man für die Rückblenden des Segeltrips Szenen mit Ertrinkenden auf Malta dreht, und im Meer vor einem vielleicht gerade wieder ein Flüchtlingsboot untergeht und Menschen verzweifelt um ihr Leben kämpfen, liegen Realität und Fiktion plötzlich erschreckend nah beieinander.

"Eine hochemotionale Geschichte"

Statements der Autoren

Astrid Ströher: "LIBERAME – Nach dem Sturm" ist eine hochemotionale Geschichte über ganz normale Menschen, die unverschuldet in eine äußerst komplexe Situation mit tragischem Ausgang geraten. Trotzdem müssen sie sich der Frage nach der eigenen Schuld stellen – und damit auch, stellvertretend für uns alle, ihren eigenen Werten und politischen Überzeugungen, Selbstbildern und im Scheitern begriffenen Lebensentwürfen und Träumen.

Marco Wiersch: "LIBERAME – Nach dem Sturm" ist eine spezifische Geschichte über die Schicksale von elf Menschen. Und doch auch eine universelle Geschichte über eine Zeit, die bis heute nachwirkt. Mir war es vor allem wichtig, die damalige Situation, die Menschen und ihre Gefühle, ehrlich zu erzählen. Die Schlüsse daraus werden die Zuschauenden dann schon für sich selbst ziehen.

"Ein sehr persönliches Thema für mich"

Statement von Regisseur Adolfo Kolmerer

An "LIBERAME – Nach dem Sturm" reizte mich von Anfang an die immer noch sehr aktuelle und sensible Thematik der Flucht, aber mein Interesse galt vor allem den einzelnen Figuren und deren verschiedenen Perspektiven auf die Geschehnisse dieser verhängnisvollen Nacht. Eine Entscheidung veränderte das Leben aller, jedoch erlebte jede Figur dieses Ereignis anders, zog daraus andere Konsequenzen und ging verschieden mit den Gefühlen von Schuld, Schmerz und Gerechtigkeit um. In Vorbereitung auf dieses Projekt beschäftigte ich mich mit Menschen, die aus verschiedensten Ländern nach Europa kamen, recherchierte und schaute Dokumentationen zum Thema Flucht und Geflüchtete, um so objektiv wie möglich an die Geschichte herantreten zu können — denn es ist auch ein sehr persönliches Thema für mich. Ich komme aus Caracas in Venezuela, nach Syrien das größte Herkunftsland von Flüchtlingen. Mit neunzehn Jahren verließ ich mein Heimatland allein und beschloss, in Deutschland ein neues Leben zu beginnen. Ich konnte mich also gut mit den Ideen und Fragen in "LIBERAME – Nach dem Sturm" identifizieren. Bei dieser Serie wollten wir uns nicht nur auf die Ereignisse der Nacht und die Frage nach der Schuld konzentrieren, sondern über sechs Folgen immer tiefer in die subjektive Wahrnehmung der Protagonisten eintauchen, ihre Emotionen ergründen und erfahren, wie sich ihre Leben nach dieser schrecklichen Erfahrung veränderten und dennoch weitergehen mussten. 

"Wie hätte ich an deren Stelle gehandelt?"

Statements der Schauspieler

Friedrich Mücke: Die Serie thematisiert sehr nachvollziehbar und hochemotional das moralische Dilemma zwischen "Helfen-Wollen" und Eigengefährdung. Zudem ist das Besondere für mich, dass es dabei erst einmal um die eigene Verantwortung geht – und dann erst, an zweiter Stelle, um die Verantwortung gegenüber anderen. Ein Thema wie ein Evergreen. Aber eben sehr modern und aktuell. Je länger wir den Protagonisten zusehen, desto drängender, desto größer wird die Frage auch den Zuschauer betreffend. Was hätte ich getan? Wäre ich bereit zu helfen? Wäre ich bereit zu verzeihen? Das erzählerisch Besondere daran ist das Verknüpfen zweier Zeitebenen. Der Zuschauer erhält dadurch die Möglichkeit, den Figuren sehr nahe zu kommen – allein durch den zeitlichen Verlauf der Geschichte. Die Dreharbeiten, sowohl in Hamburg als auch auf Malta, waren für mich ein großes Vergnügen. Was hauptsächlich an den Beteiligten lag, vor wie auch hinter der Kamera. Alle hatten eine große Lust, eine starke, emotionale Geschichte zu erzählen. Durch die Serie wird sich der politische Diskurs zur Flüchtlingsthematik nicht wandeln, aber bereichert wird er allemal. Die Serie zeigt, dass das Thema nicht ignoriert werden kann. Die Tatsache, dass die Serie eine große moralische Frage anhand von fiktiven Charakteren behandelt oder stellt, bringt am Ende eine Nähe mit sich – eine Nähe durch Distanz. Denn nicht ich bin es, der entscheiden muss, was ich in solch einer Situation tun würde. Sondern die Figur, der Charakter. Und am Ende wirkt vielleicht auch, wie in jeder Geschichte einmal mehr der große Zauber der Identifikation. In die eine oder in die andere Richtung.

Johanna Wokalek: Meine Rollenfigur Caro wünscht sich ein harmonisches Familienleben. Ab dem Moment, in dem dieses ins Wanken gerät und zu zerfallen droht, kämpft sie mit ihren Mitteln darum, es wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Sie ist eine ganz normale Frau. Es gibt in dem Sinne nichts Außergewöhnliches an ihr. Ich habe genau das als Herausforderung empfunden, die Normalität dieser empathischen Frau darzustellen. Die Serie nimmt sich Zeit aus den unterschiedlichen Blickwinkeln die Geschichte zu beleuchten und zu hinterfragen. Es ist ein Versuch so objektiv wie möglich, nicht moralisch wertend, die verschiedenen Charaktere zu zeigen. Sie gibt Einblick in eine Gruppe von Menschen mit ihren jeweiligen Entscheidungen in einer unausweichlichen Situation. Sie zeigt in der Folge, wie erschreckend fremd sich zuvor vertraute Menschen mit einem Mal werden können. Außerdem provoziert sie die Frage: Wie hätte ich an deren Stelle gehandelt? Ich habe Adolfo Kolmerer mit seiner persönlichen Herkunftsgeschichte als idealen Regisseur für diese Serie empfunden. Es war sehr schön zu erleben, wie sicher er sich war in Bezug auf die Inszenierung dieser komplexen Figurenkonstellation und die Fluchtgeschichte. Für mich war auch die Begegnung mit Kenda Hmeidan etwas Besonderes. Wir haben sehr viele Gespräche geführt und sie konnte mir tiefere, auch persönliche Einblicke in den Syrienkrieg und seine Auswirkungen geben.

Mohamed Achour: Meine Rollenfigur Ismail ist ein verantwortungsbewusster, liebender Mann und Vater, der durch den Krieg gezwungen ist, mitsamt seiner Familie aus Syrien zu fliehen. Auf der Flucht verlieren er und seine Frau Zahra ihr jüngstes Kind, und so entsteht ein Riss im Leben beider – eine Schuld, ein Schmerz, der ihnen beinahe den Boden unter den Füßen wegreißt. Die Serie ist spannungsreich und berührend erzählt und behandelt eines der zentralen Themen unserer Zeit. Um mich auf meine Rolle vorzubereiten, habe ich verschiedene Bücher gelesen, unter anderem die Geschichte über Alan Kurdi, außerdem habe ich mir den Dokumentarfilm "For Sama" angesehen. Darüber hinaus habe ich schon 2016 einen Theaterabend gespielt, der sich im weiteren Sinne mit der Thematik befasst. Dadurch hatte ich bereits "inneres Futter", auf das ich zurückgreifen konnte. Die Serie macht erfahrbar und spürbar, worüber wir eigentlich reden, wenn wir von Geflüchteten sprechen. Letztlich sind es immer Einzelschicksale, die uns begreifbar machen, dass es hier um Menschen geht und nicht um abstrakte Größen in einer Statistik. Das ist das, was Geschichten im Fernsehen, Kino oder Theater können. 2015, als viele syrische Menschen zu uns kamen, gab es eine große Bereitschaft in der Bevölkerung und auch bei den Theatern, zu helfen und aktiv zu werden. Auch heute zeigen sich wieder viele Theater solidarisch mit den Menschen aus der Ukraine, sammeln Spenden, veranstalten Abende mit ukrainischen Künstlerinnen und Künstlern und verurteilen den Krieg. Meine Perspektive zur Flüchtlingsthematik war und bleibt: Das Mittelmeer ist ein Massengrab, Frontex verstößt gegen geltendes Recht und muss abgeschafft, wenigstens aber reformiert werden: "All Refugees Welcome".

Kenda Hmeidan: Meine Rollenfigur Zahra ist eine Ärztin, die im Krankenhaus von Damaskus arbeitete und sich entschloss, während der Belagerung durch das syrische Regime zu bleiben, um den Menschen dort zu helfen. Sie ist Mutter zweier Kinder und verlor ihre Tochter bei der Flucht über das Mittelmeer. Sie versucht, eine Zukunft für ihre Familie aufzubauen, trotz des Leids, das sie erfahren hat. Sie arbeitet in Deutschland als Krankenschwester und muss sich einer Prüfung unterziehen, um als Ärztin dort arbeiten zu können. Was die Serie auszeichnet ist, dass sie eine menschliche Geschichte erzählt: Es gibt kein Gut oder Böse, es sind Menschen, die so viele Dinge gleichzeitig sein können. Es war meine erste Dreherfahrung hier in Deutschland, es war ein intensiver Prozess, und ich war so froh, mit einem so unglaublichen Team zu arbeiten. Adolfo Kolmerer hatte so viel Gefühl für die Figuren, und ich habe ihm sehr vertraut. Ich habe viele Gespräche mit Mohamed Achour geführt, und natürlich mit den Autoren, um mit ihnen meine Sichtweise der Figur zu diskutieren.

Ich habe Syrien aus mehreren Gründen verlassen. Nach der Revolution 2011 und dem Krieg wurde das Leben für alle schwierig und instabil, und nachdem ich 2015 meinen Abschluss an der Schauspielschule gemacht hatte, war es sehr schwierig, Arbeit zu finden. Dazu kam die Unterdrückung der Meinungsfreiheit, jede Art von Kunst musste durch die Zensur gehen, und wir konnten nie wirklich unsere Gedanken und Ideen ausdrücken, besonders nicht die politischen. Die ersten Jahre in Deutschland waren schwierig und intensiv, aber ich habe nicht das durchgemacht, was die Figur Zahra in der Serie erleiden muss. Ich hatte das Glück, ein Jobangebot am Theater zu bekommen und kam mit einem Arbeitsvisum nach Deutschland. Aber natürlich sind viele Freunde von mir und meine eigene Familie über das Meer nach Deutschland gekommen. Ihre Geschichten über ihre Reise hatten einen Einfluss auf meine Arbeit an meiner Rolle.

Natalia Belitski: Die Rolle der Fiona war für mich eine Herausforderung, da die Figur wenig mit meiner persönlichen Haltung zur Geflüchteten-Thematik gemeinsam hat. Sie zeigt wenig bis gar keine Empathie für das Schicksal von Geflüchteten, die sie sogar persönlich kennt. Es ist einfacher, sich abzugrenzen, wenn man keinen Bezug hat. Von ihrer privaten Linie ist Fiona eine frustrierte junge Frau, die immer im Schatten ihres großen Bruders steht und eine tiefe Verletzung in ihrem Liebesleben mit sich trägt. Alle Welt ist gegen sie, und alle haben sie enttäuscht. Das prägt ihre Position im Umgang mit ihrer Umgebung. Dennoch war mir und Adolfo Kolmerer daran gelegen, die Figur nicht grundsätzlich zu verurteilen und sie zugänglich und verständlich zu machen – auch ihre Perspektive, da sie ja doch keine rechte Hardlinerin ist. Das macht für mich die Serie so relevant, weil wir versuchen, alle Standpunkte aufzuzeigen, ohne einen simplen Schuldigen zu liefern. Oder wie zumindest ein Teil der dargestellten Figuren schuldig werden, ohne sich dessen bewusst zu sein und dass diese Grenze schwer klar zu zeichnen ist.

Ina Weisse: Um Leben zu retten, muss man bereit sein, sein Leben zu riskieren. Das ist kein Gegensatz. Anteilnahme am Schicksal der syrischen Flüchtlinge ist selbstverständliche Menschlichkeit. Und hier versagt die Figur, die ich spiele. Als Mensch und als Juristin. Ihre Schuld, ihre Lügen und Selbsttäuschungen und schließlich ihre Scham bringen sie zur Verzweiflung. Sie flüchtet sich in Alkohol, in Selbstmitleid. Sie hat sich mit ihrer Lüge arrangiert.

Marc Benjamin: Jede Figur, die erzählt wird, hat jeweils ihren ganz eigenen Konflikt. Je mehr wir erfahren, desto schwieriger wird es, über die Handlungen der Charaktere zu urteilen. Charaktere, die in eine Situation geraten, bei der sie an ihre Grenzen der eigenen Möglichkeiten stoßen. Diese Grenze liegt zwar bei jedem Menschen woanders, aber irgendwo liegt sie. Die Serie schafft es, uns diesem Dilemma so nah zu bringen, dass wir uns mit den Figuren identifizieren und deren Gedanken nachvollziehen können.

Tariq Al-Saies: Meine Figur Bilal hat in seinem Leben viel gelitten. Dieser Schmerz bestimmt sein tägliches Leben. Seine Frau und sein einziges Kind wurden in Syrien getötet. Seine Frau wurde vergewaltigt. Früher war er Soldat, aber er konnte die Menschen seines eigenen Volkes nicht töten. Er plante ein anderes Leben, das seiner Familie bessere Möglichkeiten bieten sollte, aber die Dinge liefen nicht so, wie er es sich erhoffte. Er fühlt sich für seinen älteren Bruder und dessen Familie verantwortlich. Bilal schafft es nicht, sich hinter einer Maske zu verstecken. Wenn er eine Person nicht leiden kann, würde er sich niemals verstellen oder ein Lächeln vortäuschen. Er ist verschlossen und teilt seinen Schmerz nie mit anderen. Er hat beschlossen, als Gefangener seiner eigenen Erinnerungen zu leben und nicht nach vorne zu blicken. Er ist kreativ und war früher ein professioneller Tänzer. Als ich das Drehbuch las, hatte ich das Gefühl, dass es eine große Herausforderung war, die Rolle anzunehmen. Wie könnte ich den EU-Bürgern das Wort "Flüchtlinge" wieder nahebringen und eine von Millionen Geschichten so erzählen, dass die Menschen vielleicht eine neue Perspektive auf das Leben und die Geschichten von Geflüchteten gewinnen? Ich sah mir deutsche Filme an und besuchte Deutschland, um mich mit einigen Freunden zu treffen, zu diskutieren und Fragen zu stellen. Und um die deutsche Kultur besser zu verstehen, damit ich mir vorstellen konnte, wie Bilal sein würde, nachdem er drei Jahre in Deutschland gelebt hatte. Und um zwei unterschiedliche Kulturen in Bezug auf Schauspielmethoden, Körpersprache und so weiter zu vergleichen, um die Figur Bilal zu erschaffen. Ich habe auch mit Psychologen gesprochen, um besser zu verstehen, was mit Menschen passiert, die viel Schmerz, Traumata und Leid erlitten und wie sich dieser Schmerz auf ihren Charakter, ihren emotionalen Zustand und ihr allgemeines Verhalten gegenüber anderen Menschen auswirken kann.

Emmanuel Ajayi: Meine Rollenfigur ist Akono: Ich spiele einen der überlebenden Flüchtlinge, der mit seinem Vater von Nigeria aus die Flucht über das Mittelmeer antrat. Sein Vater ist eines der tragischen Opfer der Überfahrt. Adolfo Kolmerer meinte, dass Akono das traurigste Schicksal von allen hat, da er trotz vieler Bemühungen sich anzupassen, das Land verlassen muss. Die Dreharbeiten waren körperlich sehr fordernd für mich. Vor allem die Nachtdrehs auf dem Wasser in Malta waren eine Herausforderung. Da ich wusste, dass wir viel Zeit auf dem Wasser verbringen werden, habe ich zwei Monate vor dem Dreh mit einem Ausdauertraining begonnen, was sich am Set bezahlt gemacht hat. Die Serie hat meine Perspektive auf die Flüchtlingsthematik geändert, da ich durch den Dreh auf hoher See hautnah gespürt habe, wie es sein muss, unter solch gefährlichen und lebensbedrohlichen Umständen zu flüchten. Ich denke, niemand der eine andere Wahl hat und dessen Heimat sicher ist, würde das freiwillig riskieren. Die Serie zeichnet aus, dass ein heikles Thema wie die Flüchtlingskrise, die allgegenwärtig ist, direkt thematisiert wird. Ich denke, dass die Serie durch ihre starken emotionalen Bilder den Zuschauern die Ausnahmesituation näherbringt und so für mehr Verständnis mit Geflüchteten sorgt.

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