München '72 – Anschlag auf Olympia

Heitere Spiele, tödlicher Terror

Vor 50 Jahren, am 26. August, fand im neuen Münchner Olympiastadion die fröhliche Eröffnungsfeier für die Olympischen Sommerspiele 1972 statt. Heiter, bunt und friedlich sollten sie werden. Doch dann ermordete ein palästinensisches Terrorkommando elf israelische Sportler. Dies veränderte den Blick auf die Spiele von München für immer. In seiner Dokumentation arbeitet Autor Kajo Fritz die Ereignisse mithilfe von Zeitzeugen auf, die jeweils ihren ganz persönlichen Blick auf das Geschehen mitbringen.

  • ZDF, Mittwoch, 24. August 2022, 0.45 Uhr
  • ZDF Mediathek, ab Mittwoch, 24. August 2022, 9.00 Uhr, zwei Jahre lang

Texte

Stab

Autor und Regie         Kajo Fritz
Kamera                       Daniel Faigle, Elias Dupper
Schnitt                         Stefan Petermeiser
Produzent                   I&U
Redaktion                   Rita Stingl, Ron Boese
Leitung                        Heike Schnaar

Inhalt

Fröhlich, bunt und friedlich sollten sie werden – die Olympischen Sommerspiele 1972 in München. Die ersten Wettkampftage – ein einziger Freudentaumel. Dann der Schock: In den frühen Morgenstunden des 5. September betritt der Terror die Weltbühne und verändert den Blick auf die Spiele von München für immer.

Rund 7.000 Athleten aus mehr als 120 Ländern und weltweit eine Milliarde Zuschauerinnen und Zuschauer an den TV-Geräten erleben am 26. August im neuen Münchner Olympiastadion eine Eröffnungsfeier voller Heiterkeit und Leichtigkeit. Das Konzept des Organisationskomitees um Willi Daume scheint aufzugehen – Deutschland will der Welt nach der dunklen Zeit des Nationalsozialismus ein anderes, neues Gesicht zeigen. Der dunkle Schatten der Nazivergangenheit sollte vertrieben werden.

Zunächst laufen die Spiele wie geplant – bis zum 9. Wettkampftag, der mit einer Katastrophe endet. Das palästinensische Terrorkommando "Schwarzer September" verschafft sich Zugang zum Quartier der israelischen Olympiamannschaft in der Connollystraße 31. Die Attentäter töten zwei Sportler und bringen neun weitere Athleten in ihre Gewalt. Ihre Forderung: die Freilassung von mehr als 200 überwiegend arabischen Gefangenen in Israel. Sie drohen mit der Erschießung der Geiseln, falls ihrer Forderung nicht nachgekommen wird. Beim Versuch, die Sportler zu befreien, werden alle neun Israelis getötet.

Was sagen, 50 Jahre später, die Angehörigen der Opfer? Was sagt der Deutsche, der den palästinensischen Terroristen geholfen hat? Was sagen die Sportlerinnen und Sportler? In seiner Dokumentation arbeitet Autor Kajo Fritz die Ereignisse von München mithilfe von Zeitzeugen auf, die jeweils ihren ganz persönlichen Blick auf das Geschehen mitbringen.

Der Film untersucht aber auch mit Hilfe von Expertinnen und Experten die Frage, was die Sicherheitsbehörden heutzutage von der "Laisser-faire"-Strategie der Polizei und den fehlenden Antiterrorplänen gelernt haben. Polizisten ohne Waffen, das Fehlen von Spezialkräften für eine Geiselbefreiung – seit München ist all das bei Großveranstaltungen undenkbar. Zudem wird hinterfragt, inwiefern sich auch zukünftige Terroristen-Generationen die Taktik des palästinensischen Kommandos zum Vorbild genommen haben. Beim Angriff auf die Olympischen Sommerspiele 1972 war die mediale Aufmerksamkeit enorm und entfaltete weltweite Wirkung – das Fernsehen berichtete erstmals live und über Stunden.  

Zeitzeugen

Günther Jauch war damals 16 Jahre alt und klebte zu Hause vor dem ersten Farbfernseher der Familie, wollte keine Minute der Spiele verpassen. Jauch jubelte am Abend über Ulrike Meyfarths Goldsprung und war am nächsten Tag erschüttert von den Ereignissen im Olympiadorf.

Filmregisseur Stephan Kayser sollte im Auftrag des Bayerischen Innenministeriums eine Dokumentation über die Arbeit der Polizei bei den Olympischen Spielen drehen. Während des Terrorüberfalls im Olympischen Dorf fand er sich plötzlich inmitten des Geschehens wieder, drehte mit seinem Kameramann vom gegenüberliegenden Balkon. Seine zum Teil unveröffentlichten Aufnahmen liefern authentische und dramatische Eindrücke vom Verlauf der Geiselnahme. Und seine eigenen Bilder erschüttern ihn noch heute.

Heinz Dixius war als junger Polizist im Einsatz und mit dem Geschehen genauso überfordert wie die meisten seiner Kollegen.

Willi Voss, Mitglied des Kommandos "Schwarzer September", half den Terroristen bei der Vorbereitung.

Für Ulrike Nasse-Meyfarth ist ihr überraschender Sieg im Hochsprung auch heute noch nur im Kontext des Anschlags zu sehen.

Schwimmer Klaus Dockhorn, der für die DDR an den Start ging, dokumentierte mit seiner Fotokamera das Geschehen des Terrors vom Nachbarbalkon aus und zeigt seine Bilder erstmals öffentlich.

Ankie Spitzer war die Frau von André Spitzer, dem Trainer der israelischen Fechtmannschaft, der zu den Toten von München gehört. Sie war zu Besuch bei ihren Eltern in Holland und musste am Fernsehbildschirm zusehen, wie ihr Mann stundenlang in den Händen der Geiselnehmer war.

Als Augenzeugen kommen zudem der Sanitäter Axel Kaiser zu Wort und der Dolmetscher der israelischen Delegation, Alexander Miller, der nur durch einen glücklichen Umstand überlebte.

O-Töne aus der Dokumentation

Vor dem Terroranschlag

Dr. Eva Gajek; Historikerin, über das Ziel der Olympia-Organisatoren 1972:
"Die Macher wollten ein fröhliches, ein demokratisches und ein leichtes Deutschland zeigen, das sich eben vom Nationalsozialismus ganz deutlich distanziert.
(…) das sehen Sie am Stadion: Dieses Stadiondach sollte ein Symbol der Leichtigkeit sein. Und das sehen Sie auch am Einmarsch, dass keine Marschmusik gespielt wurde und keine Hymnen, sondern dass das Orchester quasi gegen jegliche Möglichkeit des Marschierens angespielt hat."

Manfred Schreiber, damals Polizeipräsident München, über Gründe für die geringe Polizeipräsenz:
"Heitere Spiele und eine offen zur Schau getragene Sicherheitspräsenz vertragen sich nicht miteinander. Wir haben also Uniformen und Waffen, bei den Deutschen als Symbol für Macht und Gewalt geltend, von den Sportstätten ferngehalten."

 

Nach dem Terroranschlag

Günther Jauch, Moderator, damals 16 Jahre alt:
"Die heiteren Spiele waren damit natürlich Vergangenheit. Niemand hat mit so etwas gerechnet und das alles im Angesicht von Ultimaten, die innerhalb von wenigen Stunden zu erfüllen oder nicht zu erfüllen waren."

Ulrike Nasse-Meyfarth, 1972 Gewinnerin der Goldmedaille im Hochsprung:
"Mein Olympiasieg ist immer im Zusammenhang mit dem Attentat zu sehen."

Dr. Eva Gajek, Historikerin, erläutert, warum keine terrorerfahrenen israelischen Spezialkräfte hinzugezogen wurden:
"Das große Problem war das Grundgesetz, was gesagt hat: Wir dürfen keine militärische Aktion von außerhalb auf unserem Boden zulassen. Das heißt, auch die Israelis, die ja angeboten haben zu helfen, durfte man aufgrund des Grundgesetztes nicht zulassen."

Julia Ebner, Terror-Expertin, über Anti-Terrorstrategie in Deutschland damals und heute:
"Deutschlands Anti-Terror-Strategie heute kann man in Wirklichkeit nicht vergleichen mit der Anti-Terror-Strategie 1972, die quasi inexistent war. Es gibt heute hochspezialisierte Einheiten, die genau wissen, mit welchen ausländischen Behörden, mit welchen einheimischen Behörden sie zusammenarbeiten, an welchen Schlüsselpunkten sie Informationen von außen brauchen. Das heißt heute findet ein Informationsaustausch statt zwischen Sicherheitsbehörden in einem Ausmaß, das kaum vergleichbar ist mit damals."

Julia Ebner, Terrorismus-Expertin, über München 1972 als Blaupause für viele nachfolgende Terroranschläge:
"1972 war auf jeden Fall ein Wendepunkt und eine ganz neue Art des Terrorismus. Was unglaublich traumatisierend war für diese ganze Generation, die das live mitverfolgt hat, aber gleichzeitig auch den Terrorismus der Zukunft geprägt hat auf eine irreversible Art und Weise. So dass heute noch Terrororganisationen sich die Szenen von damals anschauen und teilweise sogar daran orientieren, was Terroristen dort durchgeführt haben. "

Dr. Eva Gajek, Historikerin, über die Macht der Bilder:
"Die Macht von Bildern, die die Ohnmacht von Politik und Behörden belegen, wird bis heute ausgenutzt."

Willi Voss, 1972 Komplize der Terroristen, über den Anschlag:
"Der Schwarze September, und damit der gesamte palästinensische Widerstand, haben das durchaus als Erfolg betrachtet. Der Anschlag ist mit dem Ziel organisiert worden, einmal zu erreichen, dass Gefangene freigelassen werden von Israel. Und zum Zweiten, dass die Problematik dieses palästinensischen Problems oder des Palästina-Problems, um es besser zu sagen, in die Weltöffentlichkeit kommt. Und das Ziel ist ja trotz des bitteren Ausgangs erreicht worden."

Ulrike Nasse-Meyfahrt, Goldmedaillengewinnerin, warum sie die Fortsetzung der Olympischen Spiele für richtig hielt:
"Ich fand es richtig, dass sie nicht abgebrochen worden sind. Wir waren auch erst einmal alle geschockt und wussten nicht, wie es weiter geht, und irgendwann meinte ich: Jetzt erst recht! Wir dürfen den Terroristen nicht die Chance geben, uns das Leben zu versauen oder unsere Ziele zu torpedieren, und es muss weitergehen."

Ankie Spitzer, Frau von André Spitzer, dem ermordeten Trainer der israelischen Fechtmannschaft, 50 Jahre nach dem Terroranschlag:
"Meine Tochter war nur zwei Monate alt, sie hat nie ihren Vater kennengelernt. Sie hat nur gesehen, dass andere Kinder einen Vater haben, und sie hat keinen Vater. Und ich habe ihr immer erklärt, dass es nur eine spezielle Gruppe von Palästinensern war und nicht alle Araber und alle Palästinenser. Und das hat sie mitbekommen. Sie hat keinen Hass in ihrem Leben oder ihrer Seele. Und das will ich sagen: Man muss es erinnern, aber man soll nicht ertrinken in Hass, das hilft niemand."

Weitere Sendung zum Thema: sportstudio reportage: Die Olympischen Spiele 1972

Sonntag, 7. August 2022, 17.10 Uhr, ZDF
Ab Sonntag, 7. August 2022, 8.00 Uhr, in der ZDFmediathek
sportstudio reportage: Die Olympischen Spiele 1972
Zwischen Terroranschlag und Modernität

Film von Tristan Söhngen, Ansgar Pohle und Yorck Polus

Produktion: 7t1 Media
Redaktion: Yorck Polus
Länge: ca. 33 Minuten

Olympia 1972 in München ging vor allem durch den fürchterlichen Terroranschlag auf die israelische Mannschaft in die Geschichte ein.

Doch bis dahin überzeugten diese Spiele als völkerverbindendes, weltoffenes und visionäres Fest des Sports. Nur 26 Jahre nach dem 2. Weltkrieg hatte München mit einer begeisternden Eröffnungsfeier ein Zeichen gesetzt und die olympische Idee auf eine neue Ebene gebracht.

Dazu beeindruckte der Gastgeber mit modernsten Sportstätten. Damals mit visionärer Architektur, die auch durch Nachhaltigkeit überzeugte: bis heute ist der überwiegenden Teil noch voll erhalten und genutzt.

In dem Film begibt sich Yorck Polus auf eine Zeitreise zu den Spielen von 1972 und geht dabei der Frage nach: warum eigentlich nicht wieder? Welche Voraussetzungen müssten erfüllt sein, damit so ein Fest des Sports wieder in Deutschland stattfindet und ein ganzes Land begeistert? Knapp eine Woche vor der Eröffnung der European Championships in München trifft er dabei ebenso Olympiasieger von 1972 wie auch Sportlerinnen und Sportler, die ihrem Traum von Olympia alles unterordnen. Ein Leben für das große Ziel, den Traum von den Olympischen Spielen.

Weitere Informationen

Fotos sind erhältlich über ZDF-Kommunikation, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/muenchen1972

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