Neue Deutsche Welle
Dreiteilige ZDFinfo-Dokureihe
Die Neue Deutsche Welle gilt als kreativste Phase in der Geschichte der deutschen Popmusik. Warum stieg sie Anfang der 1980er-Jahre so kometenhaft auf, um dann bald wieder zu verglühen? Mit dem Abstand von 40 Jahren blicken die Macher von damals zurück auf das Phänomen NDW.
- ZDF Mediathek, ab Sonntag, 26. März 2023, 5.00 Uhr
- ZDF info, Ostersonntag, 9. April 2023, ab 20.15 Uhr
Texte
Sendetitel, Termine und Stab
ZDFinfo: Ostersonntag, 9. April 2023, ab 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Sonntag, 26. März 2023, 5.00 Uhr
"Neue Deutsche Welle: Die Pioniere" (1/3)
Film von Heike Sittner
ZDFinfo: Ostersonntag, 9. April 2023, ab 21.00 Uhr
ZDFmediathek: ab Sonntag, 26. März 2023, 5.00 Uhr
"Neue Deutsche Welle: Der Hype" (2/3)
Film von Katja Herr
ZDFinfo: Ostersonntag, 9. April 2023, ab 21.45 Uhr
ZDFmediathek: ab Sonntag, 26. März 2023, 5.00 Uhr
"Neue Deutsche Welle: Der Overkill" (3/3)
Film von Katja Herr und Heike Sittner
Stab (Auswahl)
Buch und Regie Heike Sittner, Katja Herr
Schnitt Tom Chapmann
Produzent Volker Schmidt, IFAGE Filmproduktion
Redaktion Mario Sporn
Leitung der Sendung Annette Harlfinger
Sendelänge 3 x circa 45 Minuten
Über die Dokureihe
Die Neue Deutsche Welle gilt als kreativste Phase in der Geschichte der deutschen Popmusik. Warum stieg sie Anfang der 1980er-Jahre so kometenhaft auf, um dann bald wieder zu verglühen?
Mit dem Abstand von 40 Jahren blicken die Macher von damals zurück auf das Phänomen NDW. Mit dabei sind unter anderem Markus ("Ich wollte nicht nur Spaß"), Joachim Witt ("Ich fiel so hoch von der Leiter"), Kai Havaii von Extrabreit ("Wir haben keine Schule angezündet"), Friedel Geratsch von Geier Sturzflug ("Ich wollte nie in eine Schublade"), aber auch andere wie Peter Hein (Fehlfarben), Robert Görl (DAF) oder Reinhold Heil (Nina-Hagen-Band, später Spliff). Von der NDW-Ost berichten unter anderem André Herzberg und Jürgen Ehle (Pankow) sowie Marion Sprawe (Juckreiz). Zu Wort kommen auch Journalisten wie der ehemalige "Bravo"-Musikchef Uli Weissbrod sowie Musikmanager wie Alfred Hilsberg oder Jim Rakete.
Inhalt der Folgen
Die Pioniere (1/3)
Ohne Punk hätte es die Neue Deutsche Welle nicht gegeben. In Düsseldorf und anderen Städten gründen sich Ende der 70er-Jahre zahlreiche Bands. Sie sind provokant, rebellisch und gesellschaftskritisch. Als 1978 auch Nina Hagen ein Punk-Album mit deutschen Texten veröffentlicht, ist das eine Sensation. Die Jugend hört damals vor allem englischsprachige Pop- und Rockmusik. Deutsch wird bis auf wenige Ausnahmen nur in der heilen Welt des Schlagers gesungen.
"No Future" – keine Zukunft, lautet das Schlagwort des Punk. Der Kalte Krieg, die Angst vor einem atomaren GAU, die Umweltzerstörung und das Gefühl einer allumfassenden Überwachung: Die Pioniere der NDW greifen die Themen auf, die vielen Jugendlichen auf der Seele brennen. Post-Punkbands wie Fehlfarben, Deutsch Amerikanische Freundschaft (DAF) oder Ideal drängen bald lautstark in die bestehende Musikszene.
Der Hype (2/3)
Die Neue Deutsche Welle nimmt an Fahrt auf und erobert nach der rebellischen Punkphase den Mainstream. Überall gründen sich neue Bands, entstehen Hits auf Deutsch. Die NDW ist voll im Trend.
Ab 1981 wird die Welle immer bunter, immer beliebter und schließlich zum Massenphänomen. Anders als die NDW-Pioniere wollen Interpreten wie Trio mit "Da Da Da" oder Markus mit "Ich will Spaß" aber nicht wirklich provozieren, sondern nehmen den Schlager auf die Schippe.
Die Plattenindustrie sucht jetzt fieberhaft nach neuen Talenten. Selbst Rock’N’Roll-Bands wie die Münchener Spider Murphy Gang ("Skandal um Rosi") bekommen nun das Etikett NDW verpasst. Auch jenseits der Mauer lieben viele Jugendliche die NDW-Hits aus dem Westen wie "Hurra, hurra, die Schule brennt" von Extrabreit. DDR-Musiker nehmen den musikalischen Trend auf, doch ihre Texte werden kritisch vom Staat beäugt. Bands wie Pankow und Juckreiz singen deshalb vor allem auf Live-Konzerten Klartext.
Der Overkill (3/3)
Nichts scheint die Welle aufhalten zu können: 1983 dominiert die NDW die deutschen Charts. Doch auf den Boom in der Gunst des Publikums folgt schon bald der Überdruss.
Manche, wie Nena, werden jetzt zu Superstars und produzieren Hits am Fließband. Auch sozialkritische Songs wie "Bruttosozialprodukt" von Geier Sturzflug begeistern die Fans.
Doch die übermäßige Vermarktung der NDW durch die Plattenindustrie wird zum Bumerang. Die Pioniere wenden sich ab und versinken größtenteils wieder in der Nische. Bands wie Ideal oder Spliff lösen sich auf. Künstler wie Joachim Witt müssen im Musikbusiness buchstäblich wieder ums Überleben kämpfen. Acts wie Kiz ("Die Sennerin vom Königssee"), Fräulein Menke ("Hohe Berge") oder Ixi ("Der Knutschfleck") bleiben ein One-Hit-Wonder. Nur Shootingstar Nena überlebt den Overkill der Neuen Deutschen Welle. Ihr Titel "99 Luftballons" geht um die Welt und ist bis heute der erfolgreichste Hit der NDW im Ausland.
Fragen an die Filmautorinnen Katja Herr und Heike Sittner
Wie ist ihr persönlicher Bezug zur Neuen Deutsche Welle?
Eine von uns war in den frühen 1980ern als Popperin mit Netzshirts und Popperlocke in Magdeburg und Berlin unterwegs. Die andere als Hobby-Punkerin mit Jackett und Rasierklingen-Ohrringen in Karl-Marx-Stadt, heute Chemnitz, auf Tour. NDW war definitiv die Musik unserer eigenen Jugend.
Was waren die Herausforderungen bei dieser Dokureihe?
Das Herausfordernde war, dass die NDW kein klar abgegrenztes Musikgenre ist. Wer gehört eigentlich dazu? Wer nicht? Wer will nur heute nicht mehr dazu gehören? Und vor allem, das Hineinfühlen in die Animositäten zwischen den Pionieren, den Mainstream-Künstlern und denen, die einfach auf den Zug aufsprangen, war nicht unkompliziert.
Wie leicht oder schwierig war es, die Interviewpartnerinnen oder -partner zu bekommen?
Es war definitiv nicht leicht. Denn alle Musiker haben natürlich nach dem Hype um die NDW-Musik auch deren Abgesang hautnah miterlebt. Und teilweise auch mit eigenen Karriereabstürzen bezahlt. Deshalb haben viele der Künstler erstmal gezögert, ehe sie sich entschieden, doch vor die Kamera zu gehen. Besonders die Wegbereiter der Neuen Deutschen Welle hatten große Bedenken. Schließlich hatten einige von ihnen auch politische Ambitionen mit ihrer Musik, die im späteren Spaß-Modus völlig untergingen.
Warum glauben Sie, waren Frauen zurückhaltender mitzuwirken?
Das ist schwer zu sagen. Wir haben natürlich die prägenden Musikerinnen wie Nena, Nina Hagen und die Humpe-Schwestern für Interviews angefragt. Aber leider haben sie trotz intensiven Nachfragens abgesagt. Im Film sind sie aber trotzdem mit Interviews und Auftritten aus der Zeit.
Es hat uns indes sehr gefreut, dass wir für die Serie Jana Schlosser und die Frontfrau der Band Juckreiz mit im Boot haben.
Welche Aspekte, die sie durch Recherche und Interviews gefunden haben, finden Sie besonders bemerkenswert?
Natürlich alles.
Die Fragen stellte Birgit-Nicole Krebs
O-Töne aus den Filmen
Die Pioniere (1/3)
Hollow Skai, Journalist und Musikproduzent, über Punk und die Anfänge der NDW:
"Es war Stillstand und durch Punk eröffnete sich ein ganz neues Feld. Die ganze Jugendkultur, die vorher mal rebellisch war, so in den Sechzigern, Anfang der 70er. Sie wurde immer spießiger wie ihre Eltern. Und da war Punk. Und dann die neue Welle. Eine Rebellion dagegen, die irgendwie neue Wege eröffnete."
Interview 1978 mit Nina Hagen:
Interviewer: "Sie könnten ja bei ihrer Stimme bei ihrer Ausbildung auch anderes singen. Sie haben doch eine gute Stimme, könnten auch Schlager, Jazz oder E Musik singen. Warum machen Sie diese Musik?"
Nina: "Ist ne blöde Frage. Pühh…"
Über Nina Hagen und ihren Song "Unbeschreiblich Weiblich" (1978)
Reinhold Heil, Keyboarder der "Nina Hagen Band":
"Das ist so sensationell gut angekommen bei den Frauen. Also wir hatten endlos viele Groupies, Frauen, hinter der Bühne auf unseren Konzerten – die wollten bloß mit den Musikern überhaupt gar nichts zu tun haben. Die waren alle wegen Nina da."
Jim Rakete, Fotograf und Manager:
"Nina hat auf eine Art und Weise ein Outfit geprägt, der allen Frauen Mut gemacht hat. Jede Verkäuferin bei Karstadt hat sich dann in so ein Bodysuit gezwängt und hat einfach diesen Mut gehabt, dazu zu stehen, wie sie wirklich ist: Wir machen jetzt was Neues! Und die Männer mussten damit leben."
Alfred Hilsberg, Musikjournalist, der als Namensgeber für die Neue Deutsche Welle gilt:
"Ich habe mich eher gegen die Verwendung dieses Begriffs gewehrt, weil ich diese Bezeichnung für nicht tragfähig oder abwegig hielt. Wir haben keinen anderen Begriff gefunden. Leider. Und so hat sich das über Nacht durchgesetzt."
Der Hype (2/3)
Thomas Stein, Musikproduzent, über die Phase des Hypes der NDW:
"… die Neue Deutsche Welle war ein verlängerter Arm des deutschen Schlagers geworden."
Reinhold Heil, Spliff, mit einer Anekdote über den Song "Carbonara e una coca cola":
"Der ursprüngliche Text war heiße Würstchen und eine Coca Cola. Das ist wirklich kein Scherz. Wir haben da halt so vor uns hin entwickelt und sind jeden Tag, fast jeden Tag, zum selben Italiener gegangen. Und davon inspiriert kam dann eben diese Idee mit Carbonara. Weil ich habe das oft gegessen, das kostete sechs fuffzig. Und das klang natürlich viel schöner, als heiße Würstchen mit den aa."
Der Overkill (3/3)
Hollow Skai, Journalist und Musikproduzent, über die Masse an spaßbetonten NDW-Titeln:
"Da wurde dann jeder unter Vertrag genommen, der irgendwie rumhampeln konnte, irgendwie lustig war, etwas tanzbarere Musik machte. Und die Bands, die diese Musik eigentlich kreiert hatten, die haben sich natürlich davon distanziert. Die wollten nichts mit Fräulein Menke und Hubert Kah oder solchen Gestalten zu haben."
Thomas Stein, Musikproduzent:
"Die Industrie hat dazu beigetragen, dass es ein Überangebot gab. Und das Überangebot war eben dann wie eine gesättigte Lösung."
Weitere Informationen
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