Schneekind – Ein Schwarzwaldkrimi
Zweiteiliger Mystery-Thriller
Jessica Schwarz und Max von Thun als Ermittlerduo klären in der Umgebung von Freudenstadt ihren dritten Kriminalfall. Regisseur Marcus O. Rosenmüller inszenierte erneut einen zweiteiligen Fernsehfilm nach dem Drehbuch von Anna Tebbe. In weiteren Rollen spielen Nadja Bobyleva, Florian Stetter, David Zimmerschied, Uschi Glas, Robert Schupp und viele andere.
- ZDF Mediathek, ad ut Ab Samstag, 16. Dezember 2023, 10.00 Uhr
- ZDF, ad ut Dienstag, 2. Januar 2024, und Mittwoch, 3. Januar 2024, jeweils 20.15 Uhr
Texte
Stab, Besetzung, Inhalt
Teil 1: Niemand
Teil 2: Eisheilige
Buch Anna Tebbe
Regie Marcus O. Rosenmüller
Kamera Stefan Spreer
Schnitt Claudia Klook
Ton Thorsten Lenk
Szenenbild Stefanie Oberndorfer
Kostüme Susanne Roggendorf
Maske Sylvia Reusch, Judith Müller
Musik Dominik Giesriegl
Produktionsleitung Dietmar Fischer
Herstellungsleitung Henning Falk
Ausführende Produzentin Caroline Daube
Produzent Lasse Scharpen
Produktion Studio Zentral
Redaktion Daniel Blum
Länge 2 x 88 Minuten
Die Rollen und ihre Darsteller*innen
Maris Bächle Jessica Schwarz
Konrad Diener Max von Thun
Andreas Zollner David Zimmerschied
Bernadette Ramsberger Nadja Bobyleva
Claudia Diener Rike Schmid
Dr. Stefan Zabel Robert Schupp
Christoph Bächle Daniel Friedrich
Henrick Butzbach Moritz Führmann
Dr. Florentin Sneelin Florian Stetter
Martin Coerde Götz Otto
Grazia Friedli Uschi Glas
Florentin Friedli (Kind) Nicolas Ludwig
Rebekka Lilienfein (Kind) Neele Reindl
Ingrid Angers (Kind) Klara Nölle
und andere
Ein Wanderer wird tot in einem abgelegenen Waldstück gefunden, das der Volksmund Mörderloch nennt – ihm gegenüber befinden sich die Reste eines Schneemannes, dem ein Auge fehlt. Das ist der Auftakt zu einer Reihe von Morden in einem Waldgebiet nahe Freudenstadt.
Ins Visier der Ermittler gerät Florentin Sneelin, ein Reproduktionsmediziner, der in dem Ort Glatt ein romantisches Wasserschloss bewohnt und in dessen Eiskeller nicht nur Champagner lagert. Der Verdächtige kannte das Opfer aus einem viele Jahre zurückliegenden Aufenthalt in einem Kindererholungsheim. Die Erzieherinnen, die dort die Kinder beaufsichtigten, setzten Zucht und Ordnung mit zum Teil sadistischen Methoden durch. Ihre Schutzbefohlenen taten es ihnen gleich. Unter den Kindern herrschte ein strenges Kastensystem. Sneelin gehörte zur untersten Kaste. Er war ein "Schneekind" – eines, das die Mutter dem Vater "unterschieben" wollte.
Während der Hauptverdächtige in Untersuchungshaft sitzt, werden weitere Tote gefunden. Die Handschrift ist immer die gleiche: Alle Opfer zeigen Erfrierungen auf, und immer ist das linke Auge mit einem schwarzen Edelstein verdeckt. Die Freudenstädter Doppelspitze muss davon ausgehen, dass es mehrere Täter und ein gemeinsames Motiv gibt. Als auch Maris Bächle in das Visier der Täter gerät, beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit.
"Maris und Konrad haben sich gut zusammengerauft"
Interview mit Jessica Schwarz und Max von Thun
Wie würden Sie Kommissarin Maris Bächle beschreiben, Frau Schwarz? Was ist sie für ein Mensch?
Jessica Schwarz: Maris Bächle traut vielen Menschen nicht über den Weg und arbeitet lieber allein, was zum Teil auf ihre Vergangenheit zurückzuführen ist: Sie war ein Findelkind, wurde im Wald gefunden, und weiß nicht genau, woher sie kommt. In Anspielung an Kaspar Hauser wird sie deshalb gelegentlich "die Hauser" genannt. Am liebsten wendet sie sich der Natur zu. Parallel zur Aufklärung des Falles, bei der sie stark mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird, arbeitet sie ihre eigene Geschichte auf. Es ist spannend, den Charakter dieser Frau zu entwickeln.
Und Sie, Herr von Thun? Wie würden Sie Kommissar Diener beschreiben? Wie ist er privat und als Kollege?
Max von Thun: Konrad Diener ist glücklicher Familienvater, sehr korrekt und zuverlässig. Er ist ein Teamplayer und nimmt seine Arbeit sehr ernst und genau.
Sie sind die Freudenstädter Doppelspitze bei der Kripo. Hat sich die Zusammenarbeit zwischen Maris Bächle und Konrad Diener im Laufe der Zeit verändert?
Max von Thun: Nach anfänglichen Schwierigkeiten haben sich die beiden gut zusammengerauft und ergänzen sich nun hervorragend. Als Zugezogener hatte Konrad ja auch mit der Gegend und den Leuten zu tun. Und auch Maris düstere regionale Vergangenheit hat ihm den Start erschwert.
Jessica Schwarz: Sie leiten zwar gemeinsam die Mordkommission in Freudenstadt, so richtig gut findet das aber keiner von den beiden. Maris arbeitet lieber allein. Konrad, der für den Job samt Familie aus Hamburg in die Provinz gezogen ist, muss sich vor seiner Frau rechtfertigen, dass er die Mordkommission nicht allein leiten darf, und findet seinen neuen Standort und die Gepflogenheiten dort, sagen wir mal, befremdlich. Das Verhältnis zwischen Maris und Konrad hat sich aber schon verändert. Das zunehmende Vertrauen zu Konrad und zu ihrem Teamführt immer mehr dazu, dass sie sich fremden Menschen gegenüber öffnet und auch mal Gefühle zulässt.
Verschickungskinder in den frühen 80er-Jahren ist das Thema des Zweiteilers. Hatten Sie schon vor den Dreharbeiten etwas darüber gelesen oder gehört?
Max von Thun: Natürlich hatte mir der Begriff etwas gesagt, aber allzu viel Zeit hatte ich darauf nicht verwendet. Aber auch das ist einer der schönen Nebenaspekte von Dreharbeiten, dass man sich mit Dingen auseinandersetzen muss, die einem sonst vielleicht so nicht begegnen würden.
Jessica Schwarz: Mir war tatsächlich bis zum Drehstart nicht bewusst, wie aktuell die Thematik ist, und wie vielen Menschen unsagbares Leid zwischen 1950 und 1990 in diesen sogenannten Kureinrichtungen widerfahren ist.
Leidvolle Kinderkuren: Demütigungen, Bloßstellen als Erziehungsprinzip, Medikamentenversuche an Kindern, Missbrauch. Kastensysteme der Kinder untereinander sind entstanden, indem sie die Erwachsenen kopierten. Was hat dieses Thema in Ihnen ausgelöst, und ist es auch heute noch aktuell?
Max von Thun: Kinder sind besonders vulnerabel und besonders seitdem ich selber Vater bin, geht mir so ein negatives Schicksal von Kindern sehr nah. Kinder sollten möglichst behütet, liebevoll und gefördert aufwachsen. Leider ist das heutzutage in vielen Ländern fast gar nicht mehr möglich.
Jessica Schwarz: Die Vorbereitung und der Dreh haben mich für dieses Thema sensibilisiert. Gerade die Menschen, die am meisten Hilfe gebraucht hätten, wurden teilweise auf unsagbare Weise missbraucht. Die Aufarbeitung durch Bund und Länder nimmt langsam zu und sollte sich dringend stärker damit auseinandersetzen. Über 200.000 Menschen sind psychisch traumatisiert, ihnen sollte unbedingt eine kostenlose und psychologisch unterstütze Therapie zustehen. Ich bin dankbar, dass unser "Schwarzwaldkrimi" sich diesen wichtigen Themen widmet.
Die Autorin Anne Tebbe hat in Archiven viel zu den Vorfällen recherchiert. Hatten Sie die Möglichkeit, zur Vorbereitung mit ihr zu sprechen? Oder konnten Sie sich anderweitig auf das Thema vorbereiten?
Jessica Schwarz: Anna Tebbe hat immer sehr viel Zeit investiert, um in der Region zu recherchieren. Sie geht alten Geschichten auf den Grund. Hierfür sieht sie sich historische Gebäude an, geht ins Archiv und spricht auch mit den Leuten vor Ort. Bei ihr konnte ich mich jederzeit melden und habe sehr von ihrem Wissen und ihren Recherchen profitiert. Sie hatte immer ein offenes Ohr für mich.
Max von Thun: Anna Tebbe ist immer eine potenzielle Ansprechpartnerin. Nach drei Teilen ist man aber auch durchaus vertraut mit seiner Rolle und kann sich dann mehr auf die Rahmengeschichte konzentrieren. Dabei helfen ebenfalls Lektüre und Gespräche mit unserem Regisseur und den Kollegen.
Was macht den Schwarzwald aus Ihrer Sicht so spannend? Beschreiben Sie die Region und die Menschen?
Max von Thun: Der Schwarzwald hat etwas Mystisches. Besonders in den kalten Jahreszeiten, wenn der Nebel in den Baumkronen bedrohlich wirkt. Es gibt fantastische Orte in der Region, die als Motive in den Filmen eine wichtige Rolle spielen.
Jessica Schwarz: Das finde ich auch. Der Schwarzwald bietet nicht nur mit seinen alten Burgen, Quellen, Schluchten und Höhlen eine atmosphärische und sehr magische Kulisse, sondern ist mit seinen Märchen und Fabeln wirklich ein perfekter Schauplatz für gute Krimis. Denn so idyllisch diese Orte auch sind, so unheimlich können sie auch sein. Die Handlung der Krimis basiert auf den Bräuchen und Besonderheiten dieser Region: Da ist etwa das Waldgericht, das einst bei Streitigkeiten über Ländereien abgehalten worden sein soll, oder ein tunnelartiges Versteck mitten im Forst, das in der Vergangenheit zum Schutz vor marodierenden Soldaten oder verfeindeten Nachbarn angelegt wurde. Ich komme selbst aus dem Odenwald, einer Region, um die sich auch viele Mythen ranken. Ich bin sehr naturverbunden aufgewachsen und glaube an energetische Verbindungen. Dabei versuche ich grundsätzlich, auf mein Bauchgefühl zu hören und meiner Intuition zu vertrauen – ein bisschen so wie Kommissarin Maris Bächle. (lacht)
Was verbinden Sie persönlich mit dem Schwarzwald? Gibt es in Freudenstadt und Umgebung Orte, die Sie besonders anziehen?
Max von Thun: Nach drei Filmen haben wir im Team natürlich unsere Spots, die wir immer wieder aufsuchen. Durch die sorgfältige Auswahl an Drehorten bekommt man da ganz nebenbei auch noch die Gelegenheit, einzigartige Locations, Wälder, Ruinen und Plätze mit spektakulärer Aussicht kennenlernen zu dürfen.
Jessica Schwarz: Während der Dreharbeiten habe ich entzückende kleine Läden in Freudenstadt, wo wir hauptsächlich gedreht haben, besucht oder war an drehfreien Tagen wandern. Ich bin unwahrscheinlich gerne draußen in der Natur. Im Schwarzwald zu drehen und so viel im Freien zu sein, war großartig. Das ist so ein bisschen wie nach Hause kommen. Ich habe da schon meinen Osteopathen, meinen Schuhmacher (lacht). Und es hat den großen Vorteil: Es ist in der Nähe zu meiner Heimat, somit kann ich am Wochenende dann auch mal meine Familie besuchen.
Inspiriert von Mythen und Legenden und vor allem der Landschaft
Statement der Autorin Anna Tebbe
Für Kinder aus einkommensschwachen Familien war die "Ferien-Verschickung" seit den 60er-Jahren die einzige Möglichkeit des Verreisens. Manch ein Arzt riet zur Luftveränderung, wenn seine jungen Patienten an Unterernährung oder chronischen Krankheiten litten. Ich selbst gehöre der Generation der "Verschickungskinder" an. Verschickungsheime gab es nicht nur im Schwarzwald, sondern unter anderem auch an der Nordsee.
Ich selbst wurde nicht Opfer von körperlichen Misshandlungen und war dennoch immer froh, wenn es endlich nach Hause ging. Denn in den Heimen herrschte ein System der Angst. Die "Tanten", wie sich die Betreuerinnen nennen ließen, regierten mit militärischer Strenge. Ich habe selbst erlebt, dass Kinder nicht eher den Tisch verlassen durften bis alles – auch ihr Erbrochenes – gegessen war. Bettnässer wurden eingesperrt. Öffentliche Demütigungen waren an der Tagesordnung.
Als ich in den "Freudenstädter Heimatblättern" die Legende vom Schneekind las, wurden verschüttete Erinnerungen an jene Wochen im Heim lebendig. Es waren nicht nur die Tanten, die uns Angst machten. Unter den Kindern entwickelte sich schnell ein Kastensystem. Die Anführerinnen und Anführer waren der verlängerte Arm der Macht der Erwachsenen. Ihre Opfer waren Gleichaltrige, die nicht der Norm entsprachen, zum Beispiel, weil ihre Mütter unverheiratet, der Vater ein Ausländer oder weil sie "Schneekinder" – illegitime Kinder – waren.
Was mich aber bei meinen Recherchen für den Zweiteiler schockierte, waren die Parallelwelten. Auf der einer Seite gab es die mondänen Hotels mit den internationalen Gästen. In den "Freudenstädter Fremdenlisten" finden sich prominente Namen. Wer etwas auf sich hielt, kurte hier. In den Bars floss der Champagner. Man feierte das "Wunder von Freudenstadt", den grandiosen Neubeginn nach Krieg und Zerstörung. Wenige Kilometer entfernt, in traumhafter Landschaft, lagen die Erholungsheime für Kinder. Wenn die Kinder in Gruppen durch die Stadt flanierten und den Erwachsenen zuwinkten, wenn sie lustige Liedchen trällerten, ahnten die Erwachsenen nicht, welches Leid sie ertragen mussten.
Es hat Jahre gedauert, bis Betroffene sich zu Wort meldeten. Viele Kinder von damals sind an den Demütigungen zerbrochen, sind bis heute in psychologischer Behandlung. Angeklagt sind vor allem die Aufsichtsbehörden, die den zumeist privaten Trägern freie Hand ließen. Bei meinen Nachforschungen im Schwarzwald stieß ich auch auf einen Arzt, der eine spezielle "Kur für Kinder" entwickelte. Dessen Orientierung an der nationalsozialistischen Rassenlehre ist unübersehbar.
Die Recherche nimmt immer einen großen Teil meiner Arbeit als Drehbuchautorin ein. Ich fahre immer wieder in den Schwarzwald, rede mit Zeitzeugen, lasse mich von ihren Geschichten, von Mythen und Legenden und vor allem von der Landschaft inspirieren. Besonders dankbar bin ich den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Freudenstädter Stadtarchivs.
"Jeder Schwarzwaldkrimi hat eine andere erzählerische und visuelle Ausrichtung"
Statement von Regisseur Marcus O. Rosenmüller
Das Besondere an den Schwarzwaldkrimi-Zweiteilern ist die Mischung aus mystischen Elementen, Legenden aus der Region und Kriminalfällen, deren Ursprung in Ereignissen aus der Vergangenheit liegen. Jeder Schwarzwaldkrimi gewichtet diese Zutaten unterschiedlich und hat somit eine andere erzählerische und visuelle Ausrichtung. "Schneekind" fokussiert sich auf einen authentischen, historischen Hintergrund, der sich in der Gegenwartshandlung spiegelt. Das verstärkt diesmal die Thriller-Komponente und liefert eine reizvolle, spannende Ergänzung zum Ermittler-Krimi. Die historische Erzählebene dreht sich um das Schicksal der "Verschickungskinder". Als klar war, dass dies das zentrale Thema des neuen Schwarzwaldkrimis wird, hat mich das sofort an Erlebnisse meiner eigenen Mutter aus ihrer Kindheit erinnert. In ihren Erzählungen gab es zahlreiche Momente, die sich auch in "Schneekind" wiederfinden und die Authentizität der Geschichte unterstreichen. Umso wichtiger war uns die glaubhafte Darstellung der Kinder und die Inszenierung der Ereignisse rund um deren Aufenthalt im Kindersanatorium. Darum haben wir in der visuellen Gestaltung ganz bewusst spezielle Akzente gesetzt, um auch diesem Schwarzwaldkrimi eine individuelle Note zu verleihen.
"Aus diesem Schmerz heraus"
Statements von David Zimmerschied, Florian Stetter, Götz Otto und Uschi Glas
David Zimmerschied: Andreas ist ein sehr gewissenhafter Archivar. Ein Typ "einsamer Wolf", der seine Arbeit liebt und der sich sehr geschmeichelt und gesehen fühlt, in der Zusammenarbeit mit der Polizei, mit Maris und Konrad. Er hat klare Prinzipien, ist zuverlässig, genau, neugierig, belesen, akribisch und loyal. Er hat sich ausgerechnet Maris als Frau seiner Träume ausgesucht, was er aber nicht kommunizieren konnte, da er bisher eher spärliche Erfahrungen mit Frauen hatte. Wie es die beiden geschafft haben, sich näher zu kommen und sich im aktuellen Fall an einer Beziehung zu versuchen, ist eine interessante, lustige Fantasie – beide sind ja zwischenmenschlich eher unbeholfen und emotional verschlossen. Die Mission für Andreas im aktuellen Fall ist es, sich von seiner Familie zu befreien, um seine Liebe zu Maris leben zu können. Es geht für ihn um Schuld, Treue seiner Familie und einem alten Versprechen gegenüber, das in Konflikt zu seinem jetzigen Leben steht. Mit den Schicksalen von Verschickungskindern habe ich mich tatsächlich erst in der Drehvorbereitung auseinandergesetzt, aber das ist ja auch das Spannende an der Schauspielerei: Dass man sich mit immer neuen Themenfeldern, Berufen, der Historie und mit dem Mensch-Sein, mit den Träumen, Ängsten, Wünschen, Konzepten einer Figur auseinandersetzen darf.
Florian Stetter: Äußerlich ist Dr. Snellin ein erfolgreicher Unternehmer, der sich nicht in die Karten schauen lässt, ruhig und klar im Auftreten, ohne erkennbare Störung. Er trägt ein Geheimnis in sich, von dem die Zuschauerinnen und Zuschauer immer mehr erfahren: Dr. Snellin ist jemand, der in seiner Kindheit und Jugend misshandelt wurde und aus diesem Schmerz heraus sein ganzes Leben ausgerichtet hat. Das hat mich als Schauspieler fasziniert an der Figur. Seine Emotionalität zu finden, ohne viel davon zu zeigen. Die Suche danach im Vorfeld der Dreharbeiten war spannend. Über Verschickungskinder hatte ich davor nichts gehört und war erschüttert, als ich mich mit diesem Thema beschäftigt habe. Von der Dimension, von dem systematischen Quälen dieser jungen Menschen in diesen "Sanatorien". Ich erfuhr von Ärzten, die mehr Aufpassern aus Nazizeiten ähnelten, als heilend tätig zu sein. Ein perfides System, das kränkelnde Kinder und Jugendliche nicht kurierte, sondern viel mehr schädigte, vor allem seelisch. Um sie dann traumatisiert zu entlassen, fürs Leben gezeichnet. Die Menschen, die das erleben mussten, tun mir unendlich leid.
Götz Otto: Leider, muss man ja sagen, habe ich schon vor unseren Dreharbeiten etwas von den Missständen in Kinderheimen in den 60er- und 70er-Jahren erfahren. Da sind teilweise nationalsozialistische Erziehungsmethoden in die späte Nachkriegszeit herübergezerrt worden. Repressive, schwarze Pädagogik und Kollektivstrafen müssen an der Tagesordnung gewesen sein. Und auch über die "Menschenversuche" in diesen Anstalten wurde berichtet. Es hat lange gedauert, bis diese Tragödien an die Öffentlichkeit gekommen sind. Umso wichtiger, dass heute darüber gesprochen wird und auch wir uns diesem Thema annehmen.
Martin Coerde, den ich spielen darf, ist in einem dieser Heime groß geworden. Er wurde wie eines der Heimkinder behandelt und lebte auch mit ihnen, war jedoch der Sohn des Leiters der Anstalt. Aus der Selbsteinschätzung, eigentlich etwas "Besseres" zu sein, aber völlig ohne Liebe aufzuwachsen, erwächst ein enormer psychologischer Druck. Coerde sucht sein Leben lang nach "seinem Platz im Leben".
Uschi Glas: Grazia von Trees hat ihr Leben gewissermaßen "ferngesteuert" gelebt. Sie wurde als junges Mädchen darauf getrimmt, sich für die Familie verantwortlich zu fühlen. Es war ihr verboten, eigene Gefühle zu leben und denen nachzugehen. Ihre Mutter hat die Entscheidungen getroffen und Grazia gezwungen, diese zu akzeptieren. So steht sie, im Alter, vor den Trümmern ihres Lebens.
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