Terra X: Ein Tag in ...

Dreiteilige Dokumentationsreihe

Wie haben sich Lebensstandard, Lebenserwartung und Lebensumstände im Lauf der vergangenen Jahrhunderte verändert, wie die Vorstellungen von Werten und Moral? Die neuen Folgen der dreiteiligen "Terra X"-Dokumentation "Ein Tag in ..." führen anhand von wissenschaftlichen Erkenntnissen in das Alltagsleben der Menschen in New York im Jahr 1882, in Dresden 1946 und auf Burg Münzenberg 1218. Über szenische Rekonstruktionen, unterhaltsame Statistiken und dokumentarische Elemente zeigt der Dreiteiler, wie das Leben zu den jeweiligen Zeiten und an den jeweiligen Orten war. 

  • ZDF, Sonntag, 2., 9., und 16. Januar 2022, jeweils 19.30 Uhr
  • ZDF Mediathek, alle drei Folgen ab Mittwoch, 29. Dezember 2021, 10.00 Uhr

Texte

Folge 1: Ein Tag in New York 1882

Sonntag, 2. Januar 2022, 19.30 Uhr

Buch: Elin Carlsson, Arne Peisker
Szenenregie: Sigrun Laste
Dokuregie: Arne Peisker, Ed Hydock
Kamera: Jürgen Rehberg, Arsenij Gusev, Stefan Wiesen
Sounddesign & Tonmischung: Helen Neikes
Schnitt: Stefan Leuschel
CGI: Jens Deifel, Fritz Göran Vöpel, hansa cloud visual effects, Roger Grein, Christine Ambrus
Szenenbild: Algirdas Garabaciauskas
Sprecherin: Claudia Gräf
Wissenschaftliche Beratung: Dr. Simone Blaschka
Postproduktion: Daviel Alonso Garcia, Karl Pille, Matthias Kahnt
Produktionsleitung: Mirko Mikelskis, Tomas Makaras
Serviceproduktion Lettland: Cinevilla Films
Herstellungsleitung: Jens Freels
Produktionsleitung ZDF: Cora Szielasko-Schulz, Claudia Comprix, Katharina Krohmann (ZDF/ARTE)
Produzent: Jens Afflerbach
Redaktion: Claudia Moroni (ZDF), Peter Allenbacher (ZDF/ARTE)
Eine Produktion von STORY HOUSE Productions GmbH
Länge: 43'30

In der ersten Folge des "Terra X"-Dreiteilers "Ein Tag in …" führt die Zeitreise in den Alltag von New York im Jahr 1882. Wie wäre es gewesen, wenn man als Deutscher damals dort gelebt hätte? Der Film folgt einen Tag lang dem angehenden Anwalt Georg Schmidt. Er ist einer von rund 400.000 deutschen Auswanderern in New York.

Es ist der 14. Juli 1882. Die Vereinigten Staaten von Amerika sind noch jung, die Staatsgründung liegt erst gut 100 Jahre zurück. Die USA sind Auswanderungsziel Nummer eins für Menschen aus der ganzen Welt. Für die Europäer ist New York das Tor in die neue Heimat. Damals reicht die Stadt noch nicht über die Insel Manhattan hinaus – die Einwanderer leben in engen Stadtvierteln, die meist nach Nationalität voneinander getrennt sind.

"Little Germany" im Süden von Manhattan ist das Viertel der deutschen Immigranten. Dort wohnt auch der angehende Anwalt Georg Schmidt. Die Deutschen bleiben weitgehend unter sich, trotzen den harten Bedingungen, setzen ihre Ideale, Zielstrebigkeit und Tatkraft dagegen. Und sie hoffen auf Chancen, die sie in der alten Heimat niemals bekommen hätten. 

Berühmt sind die rheinhessischen Braumeister Eberhard Anheuser und Adolphus Busch, die Entwickler des Budweiser Bier. Oder Levi Strauss, der den gleichnamigen Jeans zu Kultstatus verhalf. Und Henry John Heinz nicht zu vergessen  der Deutschstämmige gilt als Erfinder des Tomaten-Ketchups. Zu den erfolgreichsten Deutschen gehört der Harzer Klavierbauer Heinrich Steinweg, dem es gelang, Steinway & Sons zur größten Pianomarke der Welt zu machen.

Georg Schmidt hat den Sprung über den Atlantik gewagt, weil seine Eltern in Potsdam das Geld für das kostspielige Jurastudium nicht aufbringen konnten. In den USA kann er als sogenannter "self taught lawyer" eine dreijährige Lehre bei einem zugelassenen Anwalt absolvieren und dann eine Prüfung ablegen. Dafür muss er perfekt Englisch beherrschen, Tausende amerikanische Gesetze und Urteile kennen.

Seine Wohnung in einer der ärmlichen Mietskasernen in der Lower Eastside teilt sich Schmidt mit einer deutschen Familie aus Westfalen, sein Bereich ist lediglich durch einen Vorhang abgetrennt. Auch sonst sind die Bedingungen alles andere als luxuriös. Tageslicht gelangt nur spärlich durch ein kleines Fenster, es gibt kein fließendes Wasser, und die hundert Hausbewohner teilen sich vier Plumpsklos im Hof.

In Castle Garden wartet Georg Schmidt auf seine Verlobte Maria, die dort mit einem Schiff aus Deutschland eintreffen soll. 1882 empfangen die Amerikaner die Einwanderer mit offenen Armen, vermitteln sogar Wohnungen und Jobs. Einzige Auflage: Vor der Einreise muss jeder Immigrant und jede Immigrantin für zwei Tage in Quarantäne, um das Einschleppen von Krankheiten und Seuchen zu verhindern. Doch im Hafengebiet wimmelt es vor Dieben, die es auf die Habseligkeiten oder das bisschen ersparte Geld der Einwanderer abgesehen haben.

Die Gauner gehören zu einer der vielen Gangsterbanden von New York. Die mächtigste Anführerin heißt Fredericka Mandelbaum, eine der ersten Frauen an der Spitze der organisierten Kriminalität. Als die Deutsche aus Kassel 1850 nach New York kommt, ist sie bettelarm. Innerhalb weniger Jahre arbeitet sich "Mother Mandelbaum" zur größten Hehlerin von New York hoch  und zur ersten Multimillionärin des Landes. Diebesgut im Wert von zehn Millionen Dollar soll durch ihre Hände gegangen sein. Für ihre Verbrechen wird sie nie verurteilt, denn sie pflegt Kontakte bis in die höchsten Kreise.

Georg Schmidt sucht die "Königin der Diebe" auf, weil er dringend ihre Hilfe braucht: Seine Verlobte Maria sitzt wegen Diebstahls im Gefängnis. Was die Bandenchefin von ihm als Gegenleistung verlangt, bringt Georg in eine ausweglose Situation. 

Folge 2: Ein Tag in Dresden 1946

Sonntag, 9. Januar 2022, 19.30 Uhr

Buch: Arne Peisker, Jens Afflerbach
Szenenregie: Sigrun Laste
Dokuregie: Arne Peisker
Kamera: Jürgen Rehberg, Arsenij Gusev
Sounddesign & Tonmischung: Helen Neikes
Schnitt: Ronald Rist, Holger Finck
CGI: Jens Deifel, Fritz Göran Vöpel, hansa cloud visual effects, Roger Grein, Christine Ambrus
Szenenbild: Algirdas Garabaciauskas
Sprecherin: Claudia Gräf
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Marita Krauss
Postproduktion: Daviel Alonso Garcia, Karl Pille, Matthias Kahnt
Produktionsleitung: Mirko Mikelskis, Tomas Makaras
Serviceproduktion Lettland: Cinevilla Films
Herstellungsleitung: Jens Freels
Produktionsleitung ZDF: Cora Szielasko-Schulz, Claudia Comprix, Katharina Krohmann (ZDF/ARTE)
Produzent: Jens Afflerbach
Redaktion: Claudia Moroni (ZDF), Peter Allenbacher (ZDF/ARTE)
Eine Produktion von STORY HOUSE Productions GmbH
Länge: 43'30

"Ein Tag in Dresden 1946" folgt einen Tag lang der jungen Elli Göbel. Die Mutter von zwei Kindern ist eine von über 500 Trümmerfrauen, die helfen, die zerbombte Stadt wieder aufzubauen. Anhand einer fiktiven Biografie verdichtet die "Terra X"-Dokumentation Schicksal und Lebenswirklichkeit der vielen sogenannten Bauhilfsarbeiterinnen in Dresden. Wie haben die Frauen den schweren Alltag gemeistert? Von welcher Zukunft haben sie geträumt?

Es ist der 16. September 1946  mehr als ein Jahr nach Ende des Zweiten Weltkriegs. Die vier Siegermächte haben Deutschland besetzt und aufgeteilt. Der Osten steht unter sowjetischer Besatzung, darunter auch die Barockstadt Dresden. Das einst prachtvolle "Elbflorenz" ist eine Trümmerwüste. Durch den verheerenden Bombenangriff in der Nacht auf den 14. Februar 1945 sind 30 Prozent des Wohnraums völlig zerstört. Dass der Wiederaufbau der Stadt dennoch in Gang kommt, ist besonders den Frauen zu verdanken, im Volksmund Schipperinnen oder Trümmerfrauen genannt. Eine von ihnen ist Elli Göbel. Den schweren Job hat ihr das Arbeitsamt zugewiesen. Von dem niedrigen Lohn muss sie zwei Kinder ernähren, ihr Mann ist schon 1943 an der Ostfront gefallen. Bis Kriegsbeginn war Ellis Leben ganz anders – sie war Geigenlehrerin im schlesischen Breslau. Als im Januar 1945 die Rote Armee vor der Stadt steht, macht sie sich mit ihrer Familie und Tausenden Flüchtlingen auf den langen Weg in Richtung Westen. Elli Göbels Eltern überleben die Tortur nicht, ihre Schwester Gerda gilt seither als vermisst. Doch Elli Göbel gibt die Hoffnung nicht auf, ihre Schwester doch noch wiederzufinden.

In Dresden ist die Versorgungslage 1946 miserabel. Ein Dach über dem Kopf, etwas zu essen und die Nachricht, dass die engsten Verwandten überlebt haben, ist das, was für die Menschen damals zählt. Die Arbeit als Trümmerfrau – oder Bauhilfsarbeiterin, wie es damals offiziell heißt – ist entgegen der medialen Darstellung alles andere als beliebt: In der Enttrümmerung arbeitet nur, wer keine Wahl hat. Aber sie ist die einzige Möglichkeit, an die begehrten Lebensmittelmarken der Kategorie eins zu kommen. Bis heute hält sich hartnäckig der Mythos von der heldenhaften deutschen Trümmerfrau. Dabei arbeiten auf den Baustellen sowohl Frauen als auch Männer. Trümmerfrauen, wie sie im kollektiven Gedächtnis der Deutschen verankert sind, hat es eigentlich nur in Berlin und der sowjetischen Besatzungszone gegeben. In den meisten westdeutschen Städten wird die Enttrümmerung schnell von Firmen mit schwerem Gerät übernommen. Und die Bilder von jungen lachenden Frauen, die man aus Schulbüchern kennt, sind oft gestellt.

Um in der Nachkriegszeit zu überleben, ist Einfallsreichtum gefragt. Lebensmittel sind knapp und Hunger eine echte Bedrohung. Ersatzprodukte wie die sogenannte "Stalinschmiere", eine Ersatzleberwurst aus Speiseölresten und Haferflocken, füllen wenigstens den Magen. Elli hebt auch Kartoffelschalen auf. Dank der Solanine, die in der Knolle stecken, schäumen sie wie Seife und sind als Putz- oder Waschmittel bestens geeignet. Alte Kleidung wird kurzerhand recycelt: Aus Gardinen oder Uniformen entstehen neue Jacken, Hosen und Kleider. In der Nachkriegszeit herrscht Nachhaltigkeit, so gut wie nichts wird weggeworfen.

Göbels großer Traum ist es, wieder als Musikerin zu arbeiten. Als sie eine Stellenanzeige des Plauener Tanzorchesters liest, will sie auf dem Schwarzmarkt ein Instrument für das Vorspiel organisieren, obwohl der Erwerb von Schwarzmarkt-Waren strafbar ist. Der Schwarzmarkt ist der Supermarkt der Nachkriegszeit. Dort wird schon mal ein Teppich gegen ein paar Lebensmittel oder Meißner Porzellan gegen ein Fahrrad getauscht. Die begehrteste Währung aber sind Zigaretten, Geld ist praktisch nichts mehr wert. Als Elli Göbel gerade ein Instrument gefunden hat, wird es plötzlich hektisch auf dem Markt. Die Polizei führt eine ihrer Razzien durch, und Göbel wird verhaftet. Ihr droht eine drakonische Strafe – und im schlimmsten Fall sogar die Wegnahme ihrer Kinder. 

Folge 3: Ein Tag auf Burg Münzenberg 1218

Sonntag, 16. Januar 2022, 19.30 Uhr

Buch: Iris Fegerl, Sigrun Laste
Szenenregie: Sigrun Laste
Dokuregie: Arne Peisker
Kamera: Jürgen Rehberg, Arsenij Gusev
Sounddesign & Tonmischung: Helen Neikes
Schnitt: Holger Finck
CGI: Jens Deifel, Fritz Göran Vöpel, hansa cloud visual effects, Roger Grein, Christine Ambrus
Sprecherin: Claudia Gräf
Wissenschaftliche Beratung: Dr. Dieter Wolf
Postproduktion: Daviel Alonso Garcia, Karl Pille, Matthias Kahnt
Produktionsleitung: Mirko Mikelskis, Tomas Makaras
Serviceproduktion Lettland: Cinevilla Films
Herstellungsleitung: Jens Freels
Produktionsleitung ZDF: Cora Szielasko-Schulz, Claudia Comprix, Katharina Krohmann (ZDF/ARTE)
Produzent: Jens Afflerbach
Redaktion: Claudia Moroni (ZDF), Peter Allenbacher (ZDF/ARTE)
Eine Produktion von STORY HOUSE Productions GmbH
Länge: ca. 43'30

"Ein Tag auf Burg Münzenberg 1218" führt in eine Zeit voller Gewalt und Konflikte in der hessischen Wetterau. Der Burgverwalter hat alle Hände voll zu tun, um die Region zu schützen. Der "Terra X"-Film begleitet einen Tag lang Eberhard von Münzenberg. Der Kastellan ist Manager, Steuereintreiber und Chef der Burgwache zugleich. Anhand der fiktiven Biografie zeigt die Dokumentation, wie turbulent der Alltag eines Burgverwalters im Mittelalter war.

Es ist der 1. Oktober 1218. Das Heilige Römische Reich steht unter der Regentschaft des legendären Stauferkönigs Friedrich II. Seine Herrschaft ist keineswegs gefestigt: Im Süden des Reiches rebellieren die Lombarden, im Norden versuchen mächtige Fürsten, den Einfluss des jungen Königs zu schmälern. Zur Durchsetzung seiner Macht lässt Friedrich zahlreiche Burgen errichten. In einer Zeit ohne Hauptstadt, ohne einheitliche Reichsgesetze und ohne Polizei sind Burgen Machtzentren und Gerichtsstandorte zugleich. In der Wetterau ist der Schutz der umliegenden Ortschaften besonders wichtig. Die Region gehört zu den großen Kornkammern des Reiches. Die Burg Münzenberg soll die fruchtbare Talebene, die umliegenden Dörfer und auch die Stadt Münzenberg verwalten und absichern.

Dass die Burg sämtliche Aufgaben erfüllen kann, hängt vor allem von Eberhard von Münzenberg ab. Er ist der Kastellan der Burg – so etwas wie ein Verwalter. Der eigentliche Burgherr ist sein Halbbruder Ulrich I. von Münzenberg. Er reist oft im Gefolge des Kaisers und überlässt Eberhard die Geschäfte auf der Feste. Ein anstrengender Job – von Münzenberg ist Manager, Steuereintreiber und Chef der Burgwache zugleich. Dabei wandelt er zwischen den Welten der Herrscher und der Beherrschten. Allerdings haftet an ihm ein Makel, der ihn bisher um sein persönliches Glück gebracht hat. Von Münzenberg ist ein uneheliches Kind, ein Bastard. Im Mittelalter zwar keine Seltenheit, aber doch der Grund, warum von Münzenberg mit Anfang 20 noch immer ledig ist. Die Hochzeit mit einer jungen Adligen soll den Weg frei machen für seine Zukunft und gleichzeitig für eine nützliche Allianz sorgen.

Die potenzielle Braut sowie ihre Eltern haben sich angekündigt, um den Hochzeitsdeal final zu verhandeln und vertraglich zu fixieren. Denn wie im Mittelalter üblich, spielen finanzielle und machtpolitische Interessen eine gewichtige Rolle bei der Eheschließung. Von Münzenbergs Gedanken kreisen um seine Zukünftige und das anstehende Bankett, als ihn schlechte Nachrichten ereilen. Seine Bauern wurden überfallen und können deshalb ihre Abgaben nicht leisten. Eine gefährliche Situation für ihn, denn im Mittelalter sind Bauern keine Sklaven. Wenn sie nicht geschützt werden, können sie ihm schnell die Unterstützungen versagen, und die Burg verliert ihre wichtigste Einnahmequelle. Von Münzenberg muss all sein Geschick aufbieten, um die Lage zu beruhigen und sich die Gefolgschaft der Bauern zu sichern.

Schnell erkennt er, was der Grund für den Überfall ist. Die benachbarte Adelsfamilie von Grüningen will eine ertragreiche Mühle der von Münzenberg in ihren Besitz bringen und hat der Familie deshalb unter einem Vorwand die Fehde erklärt. Eine übliche Form der Konfliktlösung im Mittelalter, die schnell zu einem Kleinkrieg eskalieren konnte. Die Fehde bedeutet eine große Bedrohung für die Zukunft der Burg und damit auch für die ganze Region. Von Münzenberg organisiert den Schutz der Burg und der umliegenden Dörfer und kümmert sich zunächst weiter um sein Tagesgeschäft. Denn die Anlage soll einen zweiten Wehrturm erhalten, und es gibt zahlreiche Probleme: Unerwartete Mehrkosten und zeitliche Verzögerungen sind nicht nur ein Problem moderner Bauvorhaben.

Am abendlichen Bankett scheint alles gut zu werden. Die Details des Ehevertrages sind geklärt, und die zukünftige Braut scheint an ihrem Bräutigam Gefallen zu finden. Doch plötzlich erfährt von Münzenberg, dass sich die Fehdeführer vor dem Stadttor versammelt haben. Der Kastellan muss sich den Angreifern stellen und ein Blutbad verhindern. 

Interview mit Dr. Simone Blaschka (New York)

Die Historikerin und Migrationsforscherin Dr. Simone Blaschka ist Direktorin und Geschäftsführerin des Deutschen Auswandererhauses Bremerhaven. Ihr Forschungsschwerpunkt ist die Deutsche Amerikaauswanderung. Dr. Simone Blaschka war Fachberaterin des Films "Ein Tag in New York 1882".

Der Film zeigt Castle Garden als zentrale Ankunftsstelle für Migranten in New York. Über 35 Jahre lang wurden dort etwa sieben Millionen Einwanderer registriert, bis 1892 Ellis Island diese Rolle übernahm. Wie kam es zu dem Ortswechsel?

Castle Garden war spätestens in den frühen 1880er Jahren zu klein geworden: Es reisten teilweise tausende Einwanderinnen und Einwanderer täglich in New York ein, die alle ärztlich untersucht und behördlich erfasst werden sollten. Hinzu kam, dass die Insellage von Ellis Island eine bessere Unterbringung in Quarantäne von erkrankten Menschen ermöglichte.

Wenn es um New York und Migranten geht, denkt man schnell an Stadtteile wie "Little Italy" oder "China Town". Warum ist "Little Germany" und die Geschichte der Deutschen in der Stadt heute fast vergessen?

Das liegt vor allem an den beiden Weltkriegen im 20. Jahrhundert, in denen die Deutschen Kriegsgegner der USA waren. Auch der Holocaust verhinderte und verhindert, dass deutsche Kultur in den USA so unbeschwert wahrgenommen und genossen werden kann, wie beispielsweise die italienische.

Der "American Dream", also der Traum, es vom Tellerwäsche zum Millionär zu schaffen, zieht bis heute Menschen in die USA. Hatten die deutschen Einwanderer im 19. Jahrhundert auch diesen Traum?

Die meisten Migranten heute denken, wie auch die Deutschen im 19. Jahrhundert, nicht nur an sich selbst, sondern auch an die Zukunft ihrer Kinder. Viele sichern durch ihre Arbeit ihren Kindern eine bessere Ausbildung, die dann zu einem gesellschaftlichen Aufstieg führen kann. Die wenigsten Migranten denken darüber nach, Millionäre zu werden: Es geht ihnen um eine nachhaltige Existenzsicherung. Die deutschen Einwanderinnen und Einwanderer suchten diese im 19. Jahrhundert in der Landwirtschaft oder im Gewerbe. Für viele war es schon ein Traum, vom Kleinbauern zum mittelständischen Farmer oder vom Dienstmädchen zur Büroangestellten aufzusteigen.

1882 waren die USA gerade einmal 100 Jahre lang eine Nation. Das Ende des amerikanischen Bürgerkriegs lag gerade einmal 15 Jahre zurück. Inwiefern ist das letzte Drittel des 19. Jahrhunderts eine besondere Epoche für die Vereinigten Staaten und besonders für die Stadt New York?

In dieser Zeit erlebten die USA eine rasante und fulminante Hochindustrialisierung inklusive enormer technischer Innovationen, der Entstehung einer großen Freizeitkultur und der neuen Rolle als globale politische Macht. In New York konnten alle diese Entwicklungen wie durch ein Brennglas besonders scharf gesehen werden. Aber nicht nur dort, im ganzen Land wurde alles schneller, höher und weiter, als es je zuvor gewesen war. Davon profitierten vor allem die europäischen Einwanderinnen und Einwanderer enorm. Für die Natives und die ehemaligen Sklaven hingegen war es genau die Zeit, in der ihre sehr viel schlechtere gesellschaftliche Stellung zementiert wurde – durch die politischen, sozialen und ökonomische Handlungen der Weißen. 

Die Fragen stellten Arne Peisker und Claudia Moroni.

Interview mit Prof. Dr. Marita Krauss (Dresden)

Prof. Dr. Marita Krauss ist Professorin für Europäische Regionalgeschichte an der Universität Augsburg. Sie ist Autorin zahlreicher Aufsätze zum Thema Alltag und Trümmerräumung in der Nachkriegszeit. Prof. Dr. Marita Krauss war Fachberaterin des Films "Ein Tag in Dresden 1946".

Dresden steht wie kaum eine andere Stadt für die Zerstörung deutscher Städte im Zweiten Weltkrieg. Dabei hatte Dresden weder die meisten Opfer noch die größte Zerstörung zu beklagen. Warum nimmt die Stadt trotzdem eine solche Sonderstellung ein?

Dresden galt in ganz Europa als eine Kunststadt mit Gebäuden und Kunstschätzen von höchstem Rang, eine zerbrechliche Schönheit des 18. Jahrhunderts. In Dresden gab es keine kriegswichtige Industrie wie in Schweinfurt oder im Ruhrgebiet. Die Zerstörung Dresdens im Februar 1945 kam zu einem Zeitpunkt, als der Krieg eigentlich für die Deutschen längst verloren war. Die Stadt steckte voller Flüchtlinge. Dresden war zwar Verkehrsknotenpunkt und offenbar fürchtete für allem die Rote Armee, dass die Wehrmacht über Dresden nochmal Truppen an die Ostfront transportieren könnte. Aber die fast komplette Zerstörung der Innenstadt stand in keinem Verhältnis zu diesen militärischen Überlegungen. Sie wurde auch von der NS-Propaganda noch weidlich ausgebeutet, um den letzten Durchhaltewillen der Deutschen zu aktivieren.

Unsere Protagonistin Elli Göbel stammt aus Schlesien und ist Flüchtling aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Ein Schicksal, das sie mit zwölf Millionen anderen Deutschen in der Nachkriegszeit teilt. Welche Rolle spielen die Vertriebenen in der Nachkriegszeit? Gibt es Unterschiede zwischen West- und Ostdeutschland?

Es gab deutliche Unterschiede in West und Ost: Im Westen konnten sich die Vertriebenen seit 1949 wieder landsmannschaftlich organisieren, ihre kulturellen Traditionen pflegen und bis zu den Ostverträgen 1969 wurde die Vision einer möglichen Rückkehr in die Vertreibungsgebiete aufrechterhalten. Im Osten hingegen galt die "Umsiedlung" als endgültig, und die Vertriebenen sollten in der sozialistischen Gesellschaft völlig aufgehen. Da sie im Westen quantitativ eine wichtige Wählergruppe bildeten, reüssierten auch etliche Vertriebenenpolitiker in der Politik.

Der Film zeigt, dass es Trümmerfrauen eigentlich nur in Berlin und in der sowjetischen Besatzungszone gegeben hat. Trotzdem ist die Trümmerfrau ein gesamtdeutscher Mythos. Warum sind Trümmerfrauen im kollektiven Gedächtnis sowohl in Ost- als auch in Westdeutschland so fest verwurzelt?

Frauen waren in der frühen Nachkriegszeit sehr präsent: Viele Männer kamen nicht aus dem Krieg zurück oder erst nach Jahren der Kriegsgefangenschaft. Frauen wurden die Ernährerinnen der Familien, sie mussten Geld verdienen, um Lebensmittel anstehen, für Heizmaterial sorgen, die Kinder beaufsichtigen. Frauen waren die Heldinnen dieser Jahre. Da sie auch häufig Holz aus den Trümmern holten, um etwas zum Heizen zu haben, und mithalfen, die heruntergefallenen Ziegel von Mörtel zu befreien, um sie wiederverwendbar zu machen, entstand der Eindruck, sie seien es gewesen, denen auch die Trümmerräumung zu verdanken war. Das kam überdies der Wunschvorstellung entgegen, die Deutschen hätten das alles aus eigener Kraft geschafft. In Wahrheit mussten jedoch die Alliierten und bald auch wieder professionelle Baufirmen mit schwerem Gerät dafür sorgen, dass die oft über mehrere Stockwerke stehengebliebenen Fassaden gesprengt und die Trümmer abgefahren werden konnten.

Die Zeit zwischen Kriegsende 1945 und der Gründung der beiden deutschen Staaten 1949 gilt oft als "Stunde null" der deutschen Geschichte. War es wirklich ein Neuanfang und inwiefern gibt es Unterschiede zwischen den Besatzungszonen?

In der amerikanischen Zone wurde das gesamte öffentliche Leben heruntergefahren und von der kommunalen Ebene aus wieder aufgebaut. Es gab keine Parteien, Vereine, Zeitungen, Radiostationen mehr, alles musste erst lizenziert werden. Insofern fand eine "amerikanische Stunde null" statt. Auch in den anderen Besatzungszonen war das mit Variationen ähnlich. Natürlich bedeutete das nicht, dass die Menschen von heute auf morgen andere wurden. Doch mit Entnazifizierung, Reeducation, der Neugründung von Parteien und Institutionen auf demokratischer Grundlage entstand zumindest im Westen eine neue Gesellschaftsordnung. Die Umorientierung nach der totalen Niederlage ermöglichte den Neuanfang, der nach dem Ersten Weltkrieg schiefgegangen war.

Die Fragen stellten Arne Peisker und Claudia Moroni.

Interview mit Dr. Dieter Wolf (Burg Münzenberg)

Dr. Dieter Wolf forscht seit Jahrzehnten über die Geschichte Hessens im Mittelalter, im Besonderen über die Burg Münzenberg in der Wetterau. Er ist Mitglied der Historischen Kommission in Darmstadt und Marburg. Dr. Dieter Wolf war Fachberater des Films "Ein Tag auf der Burg Münzenberg 1218".

Burg Münzenberg liegt in der hessischen Wetterau, heute eine eher ländlich geprägte Region. Viele Burg- und Klosterruinen deuten auf eine bewegte Vergangenheit hin. Welche Bedeutung kam der Region im Hochmittelalter zu?

Die Wetterau im nördlichen Vorfeld des seit Karl des Großen höchst bedeutenden Mittelpunktes Frankfurt am Main ist durch ihre natürliche Lage am Kreuzungspunkt von wichtigen Nord-Süd- und Ost-West-Straßen ausgezeichnet. Dazu kommt die außerordentliche Fruchtbarkeit der Löß-Lehm-Böden in der Wetterau. Im Mittelalter war die Wetterau als "Kornkammer des Römisch-Deutschen Reichs" berühmt. Sie gehörte über weite Strecken des Mittelalters zu den zentralen Königslandschaften des Reichs. Unter Kaiser Friedrich I. wurden in der Region die königlichen Städte Frankfurt (mit Königspfalz), Friedberg (mit Reichsburg), Wetzlar (mit Reichsburg) und Gelnhausen (mit Königspfalz) gegründet beziehungsweise weiter ausgebaut. Dazu kamen zur Sicherung der Landschaft auch die imposante Burg Münzenberg, eine Stadtsiedlung sowie weitere Burgen für die königlichen Gefolgsleute. Das Reichsgut sollte in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts unter Kaiser Friedrich II. zu einem Reichsland weiter zusammengefasst werden. Bedeutung und Wohlstand der Landschaft im Mittelalter lässt sich bis heute an den erhaltenen Baudenkmälern erkennen.

Bei Burgen denkt man schnell an ihre militärische Bedeutung, Bilder von Rittern und Belagerungen kommen einem in den Sinn. Welche Funktion erfüllten Burgen darüber hinaus im Hochmittelalter? Stand ihr militärischer Wert tatsächlich im Vordergrund?

Burgen sind von Anfang nicht nur zum Schutz der Burgherren erbaut worden, sondern sollten auch zur Aufnahme der Bevölkerung dienen, wenigstens der Theorie nach. Schutz bedeutete aber auch gleichzeitig Herrschaft. Mit dem Burgenbau konnte auch Herrschaft erzwungen werden. Neben diesen militärischen Funktionen waren die Burgen aber auch wichtige Wirtschafts- und Verwaltungsmittelpunkte in den von den Burgen aus organisierten oder ertrotzten Territorien. Die militärische Bedeutung der Burg beim Ausbau der Territorien spielte bis zum Ende des Mittelalters eine herausragende Rolle.

Das Mittelalter gilt allgemein als eine Epoche, in der sozialer Aufstieg nur schwer möglich war. Trotzdem schaffte es die Familie von Münzenberg innerhalb von zwei Generationen zu einer bedeutenden Stellung zu kommen. Wie ist das den von Münzenbergs gelungen?

Die historische Mittelalter-Forschung hat in den zurückliegenden 50 Jahren an vielen Beispielen zeigen können, dass dieses Bild von einer starren, fest in ihren Grenzen verharrenden Gesellschaft des hohen und späten Mittelalters wesentlich geschmeidiger und anpassungsfähiger war, als dies immer wieder angenommen wurde. So lässt sich die soziale Mobilität in vielerlei Hinsicht gerade bei dem Aufstieg von ursprünglich unfreien Leuten oft bäuerlicher Herkunft, die in einem mehr als zweihundertjährigen Prozess im 11. und 12. Jahrhundert durch die Übernahme von Spezialaufgaben – zum Beispiel in der "Verwaltung", im Reiterdienst, an den Höfen des Königs, von Fürsten, Bischöfen und Äbten und in deren Kriegszügen – gut belegen. Aus unfreien Leuten näherten sich diese Dienstmannen (Ministerialen) in Tätigkeit und Lebensweise allmählich denen der Lehnsleute des alten Adels an. Unter den Hunderten von Ministerialenfamilien gelangten einige sogar in die höchsten Reichsämter, so die Herren von Hagen-Arnsburg-Münzenberg. Unter den Staufern nahmen Familienmitglieder sogar das Amt des Reichskämmerers ein, gelangten zu einer Machtfülle, die auch von den Zeitgenossen als fürstengleich angesehen wurde. Dabei sind als Gründe für den Aufstieg besondere Eignung, Ehrgeiz und bewiesene Leistung zu sehen. Sicherlich sind aber auch die Dienstorte wichtig, die erst eine persönliche Nähe zum Vorgesetzten und Herrn ermöglichten. Soziale Mobilität ist im Mittelalter aber besonders auch in Zusammenhang mit dem Entstehen zahlreicher neuer Städte vielfach zu beobachten, wo auch die soziale Vermischung zwischen der neu entstehenden Oberschicht der großen Städte und dem ministerialischen Niederadel zu erkennen ist oder auch der weitere Zuwachs des ländlichen Ritteradels durch Mitglieder der Führungsgruppen innerhalb der Dörfer und Kleinstädte.

Die Fragen stellten Arne Peisker und Claudia Moroni.

"Terra X" in der ZDFmediathek und bei YouTube

Alle Filme der Reihe sind bereits ab Mittwoch, 29. Dezember 2021, in der ZDFmediathek unter terra-X.zdf.de zu finden.

Die erste Folge, "Ein Tag in New York 1882", wird am Sonntag, 2. Januar 2022, 10.00 Uhr, auch auf dem YouTube-Kanal "Terra X" https://youtube.com/c/terra-x veröffentlicht.

Das Webvideo zur Folge "Ein Tag in Dresden 1946" wird am Samstag, 8. Januar 2022, 10.00 Uhr, in der ZDFmediathek und am Sonntag, 9. Januar 2022, auf dem YouTube-Kanal "Terra X" https://youtube.com/c/terra-x veröffentlicht.

Das Webvideo zur Folge "Ein Tag auf Burg Münzenberg 1218" wird am Samstag, 15. Januar 2022, 10.00 Uhr, in der ZDFmediathek und am Sonntag, 16. Januar 2022, auf dem YouTube-Kanal "Terra X" https://youtube.com/c/terra-x veröffentlicht. 

Alle Filme in der ZDFmediathek und bei YouTube sind zum Embedding mit Verweis auf "Terra X" für alle Interessierten freigegeben. Weitere Informationen: https://ly.zdf.de/Lai/

Fotos

Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information Telefon: 06131 – 70-16100, und unter https://presseportal.zdf.de/presse/terrax  

Weitere Informationen

"Terra X - der Podcast" in der ZDFmediathek: https://zdf.de/dokumentation/terra-x/alle-folgen-terra-x-der-podcast-100.html

"Terra X plus Schule" in der ZDFmediathek: https://zdf.de/dokumentation/terra-x/terra-x-plus-schule-100.html

"Terra X plus" bei YouTube: https://youtube.com/channel/UCP8e6wK18jJNdJpKkeQDlsA

"Terra X"-Clips unter Creative-Commons-Lizenz: https://zdf.de/dokumentation/terra-x/terra-x-creative-commons-cc-100.html

"Terra X" in der ZDFmediathek: https://zdf.de/dokumentation/terra-x

"Terra X" bei YouTube: https://youtube.com/c/terra-x

"Terra X" bei Facebook: https://facebook.com/ZDFterraX

"Terra X" bei Instagram: https://instagram.com/terraX

Impressum

ZDF Hauptabteilung Kommunikation
Presse und Information
Verantwortlich: Alexander Stock
E-Mail: pressedesk@zdf.de
© 2021 ZDF

Kontakt

Name: Magda Huthmann
E-Mail: huthmann.m@zdf.de
Telefon: (06131) 70-12149