"Terra X: Überleben!" Mit Antje Boetius

Zweiteilige Dokumentation über unser Erbe und unsere Chancen

Warum hat sich ausgerechnet der Homo sapiens durchgesetzt? Und wie könnte es dem Menschen gelingen, auch in Zukunft zu überleben, ohne die Natur weiter zu zerstören? Mit diesen beiden Fragen befasst sich der "Terra X"-Zweiteiler "Überleben!" mit Antje Boetius. Die renommierte Meeresbiologin und Systemforscherin untersucht das Geheimnis der Erfolgsgeschichte unserer Spezies und reist an Orte, an denen Forschende Lösungen für eine lebenswerte Zukunft finden.

  • ZDF Mediathek, beide Teile ab Mittwoch, 25. September 2024
  • ZDF, Sonntags, 29. September 2024 und 6. Oktober 2024, 19.30 Uhr

Texte

Sendetermine

"Terra X: Überleben!" Mit Antje Boetius

Unser Erbe (1/2)
ZDFmediathek: ab Mittwoch, 25. September 2024
ZDF: Sonntag, 29. September 2024, 19.30 Uhr

Unsere Chancen (2/2)
ZDFmediathek: ab Mittwoch, 25. September 2024
ZDF: Sonntag, 6. Oktober 2024, 19.30 Uhr

Stabliste

Buch: Philipp Grieß, Fritz Habekuß, Antje Boetius
Regie: Philipp Grieß
Kamera: Lukas Lukincic
Schnitt: Mathieu Honoré
Sprecher: Goetz Bielefeldt
Animation/VFX: Martina Sakova
Mischung: Michael Schmidt
Produzenten: Gwendolin Szyskowitz-Schwingel, Marc Lepetit
Herstellungsleitung: Gerhard Schneider, Sven Heiligenstein
Produktionsleitung: Alexandra Wiedner, Moritz Widmann (UFA Documentary), Cora Szielasko-Schulz, Claudia Comprix (ZDF)
Redaktionsassistenz: Claudia Friese (ZDF) 
Redaktion: Sonja Trimbuch, Katharina Kolvenbach (ZDF) und Michael Grieß (ARTE)
Redaktionsleitung: Friederike Haedecke (ZDF) 
Eine Produktion der UFA Documentary GmbH im Auftrag des ZDF in Zusammenarbeit mit ARTE

Unser Erbe (1/2)

ZDFmediathek: ab Mittwoch, 25. September 2024
ZDF: Sonntag, 29. September 2024, 19.30 Uhr

Mit welchen Strategien gelang es den Vorfahren des heutigen Menschen, in allen Naturräumen des Planeten heimisch zu werden? Und wie könnte dieser beeindruckende Schatz an Überlebenswissen dem heutigen Menschen helfen? Das will Antje Boetius in der ersten Folge der "Terra X"-Reihe "Überleben! Unser Erbe" herausfinden.

Auf der abgelegensten Forschungsstation Grönlands untersucht die Meeresbiologin Antje Boetius die Klimageschichte des Planeten. Denn: Am Beginn der menschlichen Überlebensgeschichte steht die Anpassung des genetischen Erbes an die Entwicklung des globalen Klimas. In Eiskernen sind klimatische Umschwünge und geologische Katastrophen wie Vulkanausbrüche festgehalten. Harte Bedingungen für die vielen Menschenarten, die es einst gab. Wie diese jahrtausendelange Anpassungsgeschichte zu einem Gen-Booster in der Frühgeschichte wurde, belegt ein Durchbruch der Paläoarchäologie: In einer sibirischen Höhle wurde eine bis dahin unbekannte Menschenart gefunden. Ihre Gene trägt der heutige Mensch immer noch in sich.

 Der Frage, wie die Überlebensstrategien des Homo sapiens in extremen Naturräumen aussehen, geht Antje Boetius unter anderem ebenfalls auf Grönland nach. Neue Arbeiten zeigen auf, wie weitreichend die Mensch-Tier-Kooperation wirklich war. In den heißen und trockenen Wüsten hingegen haben Menschen ganz andere Methoden entwickelt, um zu bestehen. Erfolgreiches Beispiel: das System Oase. Alle Oasen sind künstliche, von Menschen geschaffene Überlebensorte. Antje Boetius folgt dem Weg des Wassers im ältesten, durchgehend bewohnten Ort Arabiens, der Oase Balad Sayt im Oman.

Ein Naturraum, den Menschen später erforschten, war der gigantische Pazifik. In den endlosen Weiten Inseln und Atolle zu finden, erforderte eine nautische Meisterleistung. Wie das Wissen der Seefahrt mit den Überlebensstrategien auf winzigen Atollen zusammenhängt, erforscht Antje Boetius auf den Cook Islands. In den Regenwäldern bringen neueste bildgebende Verfahren die wahren Dimensionen vergangener Metropolen zum Vorschein: Über Jahrhunderte haben diese urbanen Zentren mitten in Wäldern existiert, Hunderttausende Menschen lebten dort.

Unsere Chancen (2/2)

ZDFmediathek: ab Mittwoch, 25. September 2024
ZDF: Sonntag, 6. Oktober 2024, 19.30 Uhr

Wie kann der Mensch auch in Zukunft überleben, ohne weiter die Natur zur zerstören? Damit befasst sich Wissenschaftlerin Antje Boetius in der zweiten Folge der "Terra X"-Reihe "Überleben! Unsere Chancen". Um herauszufinden, welche Chancen in dem vielfältigen Erbe des globalen Wissens steckt, begleitet sie verschiedene Forschungsexpeditionen in extreme Naturräume: ins Eis, in die Wüste, auf die Ozeane und in die Regenwälder.

Als Meeresforscherin war Antje Boetius auf mehr als 50 Expeditionen und hat erlebt, wie sich Naturräume radikal verändern. "Die große Beschleunigung" nennen Wissenschaftler die sprunghafte Explosion aller Parameter, mit denen menschliches Leben auf diesem Planeten erfasst wird: Erderwärmung und Weltbevölkerung, Verstädterung und Ressourcenverbrauch, Biodiversitätsverlust. Der Mensch hat die Natur und die Erde aus dem natürlichen Gleichgewicht gebracht. Antje Boetius' Erkenntnis: Der Blick auf die verschiedenen Netzwerke und Kreisläufe der Natur ist notwendig, um Antworten auf die großen Herausforderungen unserer Zeit zu finden.

Die Brutstätten des Lebens im Ozean sind Riffe. Ihr Zustand ist dramatisch. Welche Riffe sterben, welche überleben? Wie hängen Riffe mit den Aktivitäten an Land zusammen? Und wie kann man sie schützen? Auf Rarotonga, der Hauptinsel der Cook Islands im Pazifik, kämpfen Forscher erfolgreich um das biologische Gleichgewicht der Insel. Ihre Strategie: eine Kombination aus altem Wissen und modernen technischen Möglichkeiten. Die Cook Islands haben mittlerweile das weltweit größte Meeresschutzgebiet "Marae Moana" geschaffen, eine Fläche fünfmal so groß wie Deutschland. Es basiert auf dem Konzept des Gemeinguts. Die Renaissance dieser weltweit bekannten Strategie fließt inzwischen auch in internationale Gesetzgebung ein.

Mit dem Agrarökonomen Andreas Bürkert geht die Systemforscherin Antje Boetius die Auswirkungen der globalen Massenproduktion von Lebensmitteln am Beispiel der Banane nach. Die meistverzehrte Frucht der Welt ist akut vorm Aussterben bedroht. In einer verlassenen Oase im Oman hat Bürkert Samen einer alten, äußerst resistenten Bananenpflanze konservieren können.

Auf Sri Lanka werden im Rest des ursprünglichen Regenwaldes mit ungewöhnlichen Methoden Arten erfasst, die vom Aussterben massiv bedroht sind, aber noch gerettet werden können.

Unser Überlebenswissen, unsere Entwicklung als Menschheit: "Wissenschaft ist mit Hingabe dabei, alte Rätsel zu lösen, um daraus neues Wissen für die Zukunft zu machen." – Interview mit Prof. Dr. Antje Boetius

Frau Prof. Boetius, warum lohnt sich der Blick in die Vergangenheit, wenn es um das Überleben der Menschheit in der Zukunft geht?

Prof. Dr. Antje Boetius: Heute fragen wir uns oft: Wie sind wir eigentlich dahin gekommen, dass wir uns um das Wohlergehen des ganzen Planeten und der ganzen Menschheit auf diesem Planeten sorgen müssen? Warum – mit all dem Fortschritt und Wissen – geht es uns Menschen eigentlich nicht besser? Dann hilft es doch tatsächlich, sich mit der eigenen Geschichte zu beschäftigen. Wo kommen wir her? Das fängt damit an, mit den Großeltern zu sprechen: Wie ging es euch, als Technik auf einmal alles verändert hat? Aber es geht aber auch viel tiefer. Wenn wir unsere Ursprünge begreifen – wo kommen wir Menschen her, was sind wir eigentlich für ein merkwürdiges Tier? – dann hilft das unsere heutigen Alltagsprobleme nicht so ganz so schwer und erdrückend zu sehen, sondern zu verstehen: Es kann ordentlich holpern, aber eigentlich kommen wir doch weiter, wenn wir zusammenhalten, zusammen weiterarbeiten an der Zukunft, die wir wollen.

Sie haben für die Dokumentation mit den jeweils führenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gesprochen. Was waren die entscheidenden Faktoren, warum ausgerechnet der Homo sapiens überlebt hat und nicht eine andere Menschenart?

Warum der Homo sapiens überlebt hat und nicht eine andere Menschenart, ist wirklich ein ganz brandaktuelles Thema in der Wissenschaft. Denn jetzt erst haben wir die molekularen und chemischen Methoden und auch die geologischen Methoden, um herauszufinden: Seit wann gibt es uns eigentlich als Art? Die Geschichten "Homo sapiens war schlauer, schneller und hat die anderen platt gemacht", können wir wohl zur Seite legen. Denn es zeigt sich auch, dass die Vielfalt der Menschen ineinander aufgegangen ist, dass wir genetisches Erbe der mit uns gleichzeitig vorkommenden Menschengruppen weitertragen. In Homo sapiens steckte aber vielleicht ein bisschen mehr Fähigkeit zur Zusammenarbeit, zur Innovation, zum Mut des Aufbrechens und Reisens als bei den anderen Menschen, die zu gleicher Zeit mit uns lebten. Um das zu verstehen, müssen wir mehr als 30.000 Jahre zurückreisen. Dieses bisschen mehr Mut, Zusammenarbeit, Innovation – das muss uns jetzt nach vorne bringen: Denn das ist Überlebenswissen.

Welches Wissen aus der Vergangenheit können – oder müssen – wir in die Zukunft transferieren?

Viele Menschen, mit denen ich spreche, fragen immer wieder: Warum müssen wir denn alles kaputtmachen? Wieso gelingt uns die Zukunft nicht? Dann kann man sich herleiten, wie es früher war. Wie haben Menschen für Jahrtausende im Wald, in Städten gelebt, ohne ihn zu vernichten? Wie haben sie Boden aufgebaut, Oasen gebaut und Wasser geteilt? Wie haben sie ein Riff gepflegt, sodass sie davon leben konnten? Uns zu beweisen, dass wir nicht unbedingt Zerstörer sein müssen, sondern dass unsere eigenen sozialen Regeln, unser Wissen zur Pflege der Natur, dass uns das auch in Zukunft helfen muss. Aber eben nicht im Kleinen, sondern auf der ganz großen Skala des Planeten und der internationalen Zusammenarbeit. Dafür bringen wir viele tolle Beispiele im Film.

Welches der Forschungsprojekte, die Sie in der Reihe vorstellen, fasziniert Sie am meisten?

Da hatte ich bei jeder Reise das Gefühl: Das ist jetzt wirklich das Spannendste, was ich jemals gehört habe! Und das sind die tollsten Leute, denen ich gerade begegne! Und deswegen gelingt es mir auch nicht zu sagen: Das eine Projekt war nun am faszinierendsten. Vielleicht kann ich sagen, dass, als wir uns am Ende mit dem Thema "Stadt der Zukunft" beschäftigt haben, ich das erste Mal auf dem indischen Kontinent war und in Bangalore mit Forscherinnen und Forschern sprechen konnte: Wie baut ihr die "Stadt der Zukunft"? Da, wo die Städte schneller wachsen als alles, was wir bisher auf der Erde an Wachstum hatten. Da bin ich auf völlig neue Gedanken gekommen, wie wir mit Klimakrise, Starkregen und Extremwettern – eigentlich auch auf Basis altem Wissens – künftig umgehen können. Und wie viel Hoffnung bei den Menschen zu finden ist, die wesentlich weniger als Basis dafür haben als wir in Deutschland.

Auf welche neuen Gedanken sind Sie in Bangalore gekommen?

In Bangalore, in Indien, bin ich Ökologinnen und Ökologen begegnet, die über neue Arten des Lernens nachgedacht haben: Wie können wir mit jungen Menschen die Technik, die Innovation, die künstliche Intelligenz lernen, die es für eine nachhaltige Zukunft braucht? Wie können wir mit der Nachbarschaft, die oft noch Landwirtinnen und Landwirte sind, direkt auf dem Campus Wissen teilen? Wie können wir Türen öffnen, um die Konflikte der Stadt mit der Landbevölkerung zu lösen? Ich sah, wie Bäume für Schatten bewahrt werden, Seen und Teiche gepflegt werden als Überläufe bei Regen, kleine Wege gebaut werden, auf denen man mit der Familie spazieren gehen kann. Diese Beteiligung der Stadtbevölkerung und der Forschung direkt an Projekten in der Stadt so mitverfolgen zu können, das hat mich beflügelt.

Sie sprechen in der Dokumentation vom "Schatz des Überlebenswissens". Was verbirgt sich dahinter, und wie kann jeder Einzelne dazu beitragen, diesen zu wahren und zu erhalten?

Auf der Suche nach wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Überleben der Menschen in den extremsten Lebensräumen wie Wüste, Tropenwald oder Ozean oder auch Eis, sind wir immer wieder darauf gestoßen: Dass Menschen für Jahrtausende durch Naturbeobachtung, durch Pflege der Umwelt, Geheimnisse gelüftet haben. Das war eigentlich auch schon naturwissenschaftliches Wissen, auch wenn es damals noch keine Universität gab. Sie haben dieses Wissen oft nur mündlich weitergegeben, und so sind dennoch Expertinnen und Experten in der Pflege der Natur entstanden. Heute wissen wir: Leider ist viel von diesem Überlebenswissen durch den Kolonialismus verloren gegangen. Doch die Wissenschaft buddelt einiges davon mit Hilfe der lokalen Bevölkerung aus und überlegt, wie wir alle dieses Wissen nutzen können: Wie schaffen wir ein Gleichgewicht mit Klima und Natur, die Pflege des globalen Gemeingutes? Denn nur so gelingt es, unseren Planeten gesund und auch zukünftig bewohnbar zu halten.

Sie befassen sich seit vielen Jahren mit ökologischen Systemen. Was ist für Sie die markanteste Veränderung in dieser Zeit?

Ich bin seit 30 Jahren auf den Ozeanen unterwegs, auf und unter den Meeren und damit auch in den Küstenregionen, den Häfen, in den Städten, forsche und rede mit vielen Menschen auf der ganzen Welt darüber, was sich verändert hat. Der Weltozean ist ja nun mal die Lunge, das Herz und eigentlich auch der Magen der Erde. Alles zusammengenommen kann man sagen, dass wir genau in dieser Zeit unfassbare Verluste erlitten haben. Man muss nur mal an den Verlust der Korallenriffe denken, die nun bis zu 90 Prozent ausbleichen, oder das Schwinden des Meereises. Und wenn wir weiter als 30 Jahre zurückreisen, betrifft das die weltweite Tötung der größten Meeressäuger, der großen Wale. Da stellt sich wieder die große Frage: Wie konnte es passieren, dass das Verhältnis zur Natur, die langfristig unser Überleben sichert, uns aus den Händen geglitten ist? Dass wir heute in unseren Alltagsentscheidungen, wie beispielsweise unserem Konsumverhalten, für die Natur und die Mitwelt tödliche Entscheidung treffen – auch wenn wir das gar nicht wollen. Warum können wir da nicht zukunftsgewandter handeln? Weil uns immer noch der sozioökonomische Rahmen dafür fehlt, der genau das belohnt. Aber ich habe auch die Erkenntnis gewonnen – und das kann auch Hoffnung machen –, dass es bei der Lösung darum geht, ein Gleichgewicht zu erringen, Kreisläufe zu stärken – beim Klima wie bei den Ökosystemen. Ökosysteme sind nie ganz stabil, sie sind immer dynamisch. Es gibt eine Vielfalt von Möglichkeiten ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken, lokal bis global – ob Eis, Wald, Ozean, Agrarsysteme oder Leben in Städten.

Welche Erkenntnis nehmen Sie persönlich von diesen Drehreisen mit?

Für mich waren die Reisen an diese extremen Orte immer eine Freude und auch eine große Lehre. Weil ich aktueller Forschung über die Schulter gucken durfte. Ich bin Tiefseeforscherin, aber konnte zum Beispiel Anthropologen, Waldforschern oder Riffforscherinnen bei ihrer Arbeit begleiten. Da habe ich gemerkt, mit welcher Hingabe und mit welchem Feuer die Wissenschaft dabei ist, alte Rätsel zu lösen, um daraus neues Wissen für die Zukunft zu machen. Und das hat mich begeistert. Und das hat natürlich auch die Natur selbst getan, die ich vorher so nicht kannte. Wo ich mich zurechtfinden musste, wo es auch körperlich manchmal anstrengend war wie in der Wüste und auf der Eismitte Grönlands. Aber ich habe von den Reisen ein wundervolles Bild unserer Erde und dieser Extremstandorte gewonnen und auch Freundschaften geschlossen mit den Menschen, die ich dort getroffen habe.

 

Das Interview führte Marion Leibrecht, ZDF Kommunikation.

Expertenzitate aus den Filmen

Terra X: Überleben!
Unser Erbe (1/2)

Antje Boetius, Meeresbiologin und Systemforscherin, Direktorin Alfred-Wegener-Institut, Deutschland
Unsere Entwicklung beruht auf Wanderung, auf Austausch, auf Kooperation, auf der Kenntnis über die Vielfalt der Lebensräume. In diesem Wissen um unsere Wurzeln stecken auch Lösungen. Natur braucht Raum. Sie braucht Menschen, die sie pflegen und für sie kämpfen. Jeder Lebensraum hat seine eigenen Regeln. Sie zu ignorieren ist verhängnisvoll. Und vor allem gilt eins: dieser Schatz des Überlebenswissen. Wir müssen ihn achten. Denn für das, was vor uns liegt, werden wir es brauchen.

Tom Higham, Paläoarchäologe, Experte für die Radiokarbondatierung, Universität Wien, Österreich
In den Schulbüchern wird die Geschichte der menschlichen Evolution häufig als eine einfache, geradlinige Entwicklung dargestellt – eine Art entwickelt sich aus der anderen. Und am Ende steht der Homo sapiens. Heute wissen wir: So war es nicht, es war sehr viel komplexer.

Tom Higham, Paläoarchäologe
Obwohl die anderen Menschenarten schon lange verschwunden sind, sind sie immer noch unter uns. Denn wir erbten Teile ihrer DNA. Und so sind diese ausgestorbenen Populationen nicht völlig verschwunden: Sie sind heute noch in unserem Genom.

Tom Higham, Paläoarchäologe
Etwa die Frage, ob wir eine Lerche oder eine Nachteule sind, ist eng mit unserem Erbe an Neandertal-DNA verbunden.

Bathsheba Demuth, Umwelthistorikerin, Brown University, USA
Die erfolgreichen Gesellschaften im Hohen Norden haben die Gesundheit des Ökosystems als zentral für ihr eigenes Wohlergehen verstanden. Sie hatten verstanden, dass ihr Überleben davon abhing. Daher spielte das Ökosystem in allen Entscheidungen eine wichtige Rolle.

Andreas Bürkert, Agrarökologe und Wüstenforscher, Universität Kassel, Deutschland
Survival ist keine individuelle Angelegenheit. Es geht nicht darum, dass eine Person optimal überlebt. Survival kann nur im Verbund geschehen.

Anthony Vavia, Meeresbiologe, Auckland University of Technology, Cook Islands
Die größte Motivation für den Naturschutz ist: Überleben.

Patrick Roberts, Archäologe, Max-Planck-Institut für Geoanthropologie, Großbritannien
Wir wissen seit Langem, dass es Städte in tropischen Wäldern gab. Aber wir kennen sie nur als Ruinen und denken deshalb, dass sie gescheitert sind. Aber dann vernachlässigen wir die Größe dieser Städte. Angkor war zum Beispiel die größte vorindustrielle Stadt auf dem Planeten. Sie war größer als Rom und Konstantinopel, größer als alle alten chinesischen Städte.

Patrick Roberts, Archäologe
Die Geschichte der Menschheit können wir nur erforschen, wenn wir sie in all den unterschiedlichen Naturräume zusammen anschauen: tropische Wälder und Wüsten, Gebirge, die Arktis. Wir Menschen haben gelernt, damit umzugehen. Das bewirkte sowohl kulturelle als auch genetische Veränderungen.

 

Terra X: Überleben!
Unsere Chancen (2/2)

Bathsheba Demuth, Umwelthistorikerin, Brown University, USA
Wir Menschen im 21. Jahrhundert haben keine Vorstellung davon, wie reich die Meere  früher an Leben waren. Heute blicken wir auf verarmte Ozeane.

Sami Haddadin, Systemforscher an der Technischen Universität München, Deutschland
Die Hygiene hat zu einer Bevölkerungsexplosion geführt. Das Auto hat die Art und Weise, wie wir uns bewegen, transformiert. Die Spaltung des Atoms hat die Energietechnik revolutioniert. Und natürlich hat die Kommunikationstechnologie es uns erlaubt, unser Wissen in Windeseile – Stand heute – in Millisekundenschnelle zu teilen und dadurch eine Beschleunigung des Wissens noch zu erzeugen, die uns wiederum neue Technologien ermöglicht.

Teina Rongo, Meeresbiologe, Chairman NGO "Kōrero O Te 'Ōrau", Cook Islands
Was uns als Organisation besonders macht: Wir bringen die westliche Wissenschaft und unser traditionelles Wissen zusammen. Das verbessert enorm das Verständnis und hilft uns, die Ressourcen und unsere Umwelt besser zu nutzen.

Kevin Iro, Umweltschützer und Botschafter des Meerschutzgebiets "Marae Moana", Cook Islands
Unsere Vorfahren mussten sich nie Sorgen über das machen, was über den Horizont hinausging. Doch heute, mit moderner Technologie, industrieller Fischerei, der Möglichkeit, Tiefseebergbau zu betreiben, sehen wir die Notwendigkeit, Naturschutzmaßnahmen einzuführen.

Sami Haddadin, Systemforscher
Es ist natürlich de facto unmöglich, die gesamte Welt nur durch Menschen zu beobachten und zu schützen. Technologie, insbesondere Robotik und künstliche Intelligenz, können da helfen. In dem Projekt geht es uns darum, wie Robotik und KI-Technologie zum Wächter der Natur entwickelt werden kann und wie wir zu Land, zu Wasser und in der Luft diese Art von fliegenden, fahrenden, schwimmenden Robotern einsetzen können, um uns Menschen ein Werkzeug zu sein, das uns ermöglicht, die Natur zu schützen.

Rohan Pethiyagoda, Taxonom/Biodiversitätswissenschaftler, Sri Lanka
Man kann nicht einfach einen Zaun um den Wald bauen und hoffen, dass alles gut wird. Evolution kennt keine Zäune, nur Prozesse. Um diese Prozesse lebendig zu halten, brauchen wir die Wissenschaft.

Rohan Pethiyagoda, Taxonom
Ich denke, wir sollten die Biodiversität als weltweites Gemeingut begreifen. Ein gemeinsames, globales Erbe. Auch wenn bestimmte Arten nur in Sri Lanka leben, sind sie Teil des globalen Erbes.

Harini Nagendra, Ökologin, Indien
Schau dir Politiker an – wenn sie gewählt werden, wissen sie, es gibt Applaus für Großprojekte: für Straßen, große Gebäude. Aber nicht für den Schutz von Seen und Bäumen. Das ist der Kern des Politikbetriebes: lieber was Großes bauen – auch wenn es die Natur zerstört.

Harini Nagendra, Ökologin
Die Menschen vor Ort wollen meist lieber die Bäume und Seen – eine bessere Umwelt. Aber sie haben oft nicht die Macht und das Geld, das durchzusetzen. So müssen sie ihre Umwelt oft dem Wachstum opfern.

Harini Nagendra, Ökologin
Wir sollten indigene Formen des Wissens im Anthropozän wertschätzen. Sonst kommen wir nicht voran.

Antje Boetius, Meeresbiologin und Systemforscherin, Direktorin Alfred-Wegener-Institut, Deutschland
Von jedem Ort hätte ich eine Geschichte des Verlustes erzählen können, vom Ende. Doch überall sind mir Menschen begegnet, die längst begriffen haben, wie wichtig Wasser und Wald, Atmosphäre und Boden für gutes Leben sind. Die dafür kämpfen, mit altem und neuem Wissen beweisen, dass die Lösungen für die Zukunft längst da sind. Doch wie lässt sich das auf die globale Ebene übertragen? Das ist die große Frage der Gegenwart. Die Lösung, die sich abzeichnet, dass wir bei allem, was wir tun, wie wir entscheiden, dem Netzwerk des Lebens den Wert beimessen, der ihm zusteht. Das wird unser nächster Schritt als Menschheit sein.

Biografie Prof. Dr. Antje Boetius

Tiefsee- und Polarforscherin Prof. Dr. Antje Boetius, Direktorin des Alfred-Wegener-Instituts, Helmholtz Zentrum für Polar und Meeresforschung, Leiterin der Brückengruppe für Tiefseeökologie und -Technologie am Max-Planck-Institut für Marine Mikrobiologie Bremen und Professorin am MARUM an der Universität Bremen.

Antje Boetius erforscht Stoffkreisläufe und Lebensvielfalt im Ozean und hat sich besonders auf Tiefseeökosysteme spezialisiert. Sie beschäftigt sich derzeit vor allem mit den Auswirkungen des Klimawandels auf den Arktischen Ozean. Mit ihren Arbeiten trägt sie entscheidend zum Verständnis der Wechselwirkungen zwischen Klima, Umwelt, Lebensvielfalt und dem Menschen bei.

Ein Großteil von Antje Boetius' Arbeit findet auf hoher See statt. Seit 1989 hat sie an rund 50 Expeditionen auf deutschen und internationalen Forschungsschiffen teilgenommen und mit zahlreichen Unterwassertechnologien einschließlich moderner Robotersysteme gearbeitet. Ihre Forschung und Lehre trägt zum Exzellenzcluster MARUM der Universität Bremen bei.

Antje Boetius wurde 1967 geboren, hat in Hamburg und San Diego studiert und in Bremen promoviert. Sie wurde 2001 Professorin an der International University Bremen und 2009 Professorin an der Universität Bremen. Antje Boetius ist Mitglied der Nationalakademie Leopoldina und mehrerer anderer nationaler und internationaler Akademien und Gesellschaften. Für ihre Arbeit wurde sie vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland, dem Leibniz und Communicator-Preis der DFG, dem Advanced Grant des Europäischen Forschungsrats, der Hector Fellowship, dem Carl-Friedrich-von-Weizsäcker-Preis des Stifterverbandes sowie einer Vielzahl von nationalen und internationalen Wissenschafts- und Medienpreisen. In ihrer Zusammenarbeit mit Akteuren der Kunst-, Theater-, Film- und Musikszene geht es ihr besonders um die Beziehung zwischen Mensch und Natur sowie um die Rolle des Netzwerks des Lebens für die menschliche Entwicklung. Sie engagiert sich zudem im Vorstand von UNICEF Deutschland.

Antje Boetius war bereits in der "Terra X"-Reihe "Unsere Kontinente" als Moderatorin der Wissensmarke "Terra X" zu sehen, mit dem Zweiteiler "Terra X: Überleben!" wird diese Zusammenarbeit nun fortgesetzt.

Audio-Interview mit Prof. Dr. Antje Boetius

Ausstrahlungstermin: sonntags, ab 29. September 2024, 19.30 Uhr
ZDFmediathek: alle zwei Folgen ab Mittwoch, 25. September  2024, 10.00 Uhr

Verfügbare Audio-O-Töne: Antje Boetius (Transkription)

Fotohinweis

Fotos sind erhältlich über ZDF-Kommunikation, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/terrax.

Weitere Informationen

Weitere Informationen

"Terra X" in der ZDFmediathek: terra-x.zdf.de

"Terra X plus Schule" in der ZDFmediathek: Schule.zdf.de

"Terra X" bei Youtube: youtube.com/c/terra-x

"Terra X plus" bei Youtube: kurz.zdf.de/A26/

"Terra X" bei Facebook: https://facebook.com/ZDFterraX

"Terra X" bei Instagram: https://instagram.com/terraX/

http://twitter.com/ZDFpresse

http://facebook.com/ZDF

Impressum

ZDF-Hauptabteilung Kommunikation
Verantwortlich: Alexander Stock
E-Mail: pressedesk@zdf.de
© 2024 ZDF

Kontakt

Name: Marion Leibrecht
E-Mail: leibrecht.m@zdf.de
Telefon: 06131-7016478