ZDF.reportage: Hauptschulklasse 9a
Dreiteilige Reportage von Philipp Lutz
Die "ZDF.reportage" begleitet über sechs Monate lang die Klasse 9a an der Adolph-Kolping-Hauptschule im Problembezirk Köln-Kalk. Im Fokus stehen Charline und Saif, beide 15, und ihr Klassenlehrer Sascha Vrzogic (39). Der Dreiteiler gibt intensive Einblicke in Unterricht und Privatleben der Protagonisten und zeigt die Konflikte von Heranwachsenden, die neben den alltäglichen Problemen und Sorgen gleichzeitig die Weichen für ihre berufliche Zukunft stellen sollen.
- ZDF Mediathek, ab Montag, 4. September 2023, 8.00 Uhr, fünf Jahre lang (Folgen 1–3)
- ZDF, Sonntag, 10. September 2023, 18.00 Uhr (Folge 1)
- ZDF info, Dienstag, 12. September 2023, ab 15.00 Uhr (Folge 1–3)
Texte
"Ein spannendes Experiment für die Redaktion!"
Die "Hauptschulklasse 9a" ist in mehrerlei Hinsicht ein außergewöhnliches Projekt für die ZDF.reportage: Ein sehr junges Thema, horizontal seriell erzählt, konsequent mit beobachtender Kamera umgesetzt. Ein spannendes Experiment für die Redaktion! Entsprechend intensiv war die Zusammenarbeit mit dem Autoren Philipp Lutz. Wie gestalten wir die Dramaturgie? Wie viel Kommentartext ist nötig, wie viel ist verzichtbar? Wie verteilen wir die Inhalte auf drei Folgen?
Die Filme zeigen Alltag in einem Mikrokosmos, ohne zu beschönigen – und gehen dennoch sehr respektvoll mit allen Protagonisten um. Besonders beeindruckt sind wir von der unmittelbaren Nähe, welche die Bilder vermitteln. Es ist, als säße man mitten im Klassenzimmer, als sei man Teilnehmer des Eltern-Konfliktgesprächs oder der Klassenfahrt in die Niederlande. Die Protagonisten scheinen die Kamera über weite Strecken völlig zu vergessen. Das spricht für ein großes Vertrauen, das Philipp Lutz und sein Team aufgebaut haben.
Lisa Borgemeister, Redaktion "ZDF.reportage"
Stab und Formatbeschreibung
ZDFmediathek: ab Montag, 4. September 2023, 8.00 Uhr, fünf Jahre lang (Folgen1–3)
ZDF: Sonntag, 10. September 2023, 18.00 Uhr (Folge 1)
ZDFinfo: Dienstag, 12. September 2023, ab 15.00 Uhr (Folge 1–3)
ZDF.reportage: Hauptschulklasse 9a
Dreiteilige Reportage von Philipp Lutz
Autor und Regie: Philipp Lutz
Kamera und Schnitt: Maike Simon
Ton: Marcel Tutt
Sprecherin: Nina Goldberg
Produktion ZDF: Anne Westermann
Redaktion: Lisa Borgemeister
Leitung der Sendung: Bettina Warken
Sendelänge: 3 x 30 Minuten
Eine Produktion von Lutzfilm im Auftrag des ZDF
Über das Format
Die 9. Klasse einer Hauptschule hält viele Herausforderungen für die Schülerinnen und Schüler bereit. Zur persönlichen Entwicklung kommen wichtige Entscheidungen für die berufliche Zukunft.
Die "ZDF.reportage" begleitet über sechs Monate lang die Klasse 9a an der Adolph-Kolping-Hauptschule im Problembezirk Köln-Kalk. Im Fokus stehen Charline und Saif, beide 15, und ihr Klassenlehrer Sascha Vrzogic (39).
Die dreiteilige "ZDF.reportage" gibt intensive Einblicke in Unterricht und Privatleben der Protagonisten und zeigt die Konflikte von Heranwachsenden, die neben den alltäglichen Problemen und Sorgen gleichzeitig die Weichen für ihre berufliche Zukunft stellen sollen.
Inhalt der Folgen
Folge 1: Hauptschulklasse 9a – Jogginghose war gestern!
In Folge 1 wird der Dresscode diskutiert, die Sitzordnung erhitzt die Gemüter und die Jugendlichen verraten, wer ihre persönlichen Helden sind.
Bauchfrei oder in Jogginghose zur Ausbildungsmesse? Für Klassenlehrer Sascha Vrzogic ist das ein klares No-Go. Eine adäquate Kleidung sollten die Jugendlichen ab einem gewissen Alter umsetzen können, so seine Meinung. Eine Auffassung, die nicht bei allen in der Klasse gut ankommt. Auch die neue Sitzordnung birgt Zündstoff und sorgt für Diskussionen. Saif wird ein Platz in der letzten Reihe zugelost. Für ihn eine Katastrophe – er fürchtet um seine Konzentration, wenn er nicht vorne sitzt, und möchte seine Noten auf keinen Fall gefährden.
In der 9. Hauptschulklasse entscheidet sich, wer am Ende des Schuljahres in die 10 A oder in die 10 B wechselt. In der 10 A können die Jugendlichen einen Hauptschulabschluss machen, in der 10 B können sie den Realschulabschluss erreichen. Während für Charline ein Wechsel in die 10 A völlig in Ordnung wäre, will Saif unbedingt den Realschulabschluss machen. Sein Berufswunsch: Bauingenieur.
Die beiden Jugendlichen Saif und Charline werden auch in ihrem privaten Umfeld begleitet. Saif schildert, was er im Irak erlebt hat und wieso die Familie für ihn das Wichtigste ist. Charline lebt bei ihrer alleinerziehenden Mutter und kämpft mit häufigen Stimmungsschwankungen. Manchmal, sagt sie, brennten bei ihr die Sicherungen durch. Für Klassenlehrer Sascha ist das nicht immer leicht. Oft fühlt er sich mehr als Sozialarbeiter denn als Fachlehrer.
Folge 2: Hauptschulklasse 9a – Ohne Handy geht gar nichts!
Die zweite Folge steht ganz im Zeichen der Ausbildungsmöglichkeiten für die Schülerinnen und Schüler der 9. Hauptschulklasse.
Saif (15) weiß genau, was er mal werden möchte: Er möchte nach der 10 B und seinem Realschulabschluss eine weiterführende Schule besuchen, um sein Fachabi zu erhalten und anschließend ein Bauingenieur-Studium zu beginnen. Charline dagegen kann sich gut vorstellen, nach der 10 A und dem Hauptschulabschluss eine Ausbildung zur Erzieherin zu beginnen. Klassenlehrer Sascha Vrzogic unternimmt mit seiner 9a Ausflüge zu einer Ausbildungsmesse und zu einem Logistikunternehmen.
Beim Elternsprechtag muss Charline im Beisein ihrer Mutter ihr launisches Verhalten erklären, Lehrer Sascha spricht außerdem das Rauchen an. Saif kommt mit seinem Vater. Er verspürt einen großen Druck, weil er unbedingt einen guten Abschluss machen will – seine Mathenote ist aber noch zu schlecht. Ein wichtiges Thema beim Elternsprechtag ist die Handyabgabe. Sascha Vrzogic möchte sie in der ersten Stunde einsammeln und erst nach Unterrichtsschluss wieder zurückgeben. Sein Argument: Die Jugendlichen sind durch ihre Handys viel zu sehr im Unterricht abgelenkt. Alle Eltern stimmen zu – das bringt die Jugendlichen auf die Palme. Und sorgt für hitzige und lautstarke Diskussionen im Unterricht. Am Ende muss Saif den Unterricht an diesem Tag verlassen. Nur gut, dass er seine Wut im Fitnessstudio rauslassen kann.
Sascha Vrzogic weiß, was es bedeutet, in einem Brennpunkt aufzuwachsen. Daher hat er sich bewusst für die Hauptschule im Problembezirk Köln-Kalk entschieden. Er ist Quereinsteiger: Ursprünglich hat er Ökonomie und Management studiert, wurde aber in seinem Beruf nicht glücklich. Als Lehrer zu arbeiten, füllt ihn dagegen aus, auch wenn die Trennung zwischen Job und Privatleben oft schwerfällt – zumal alle Schülerinnen und Schüler seine Handynummer haben und ihn bei Fragen oder Probleme anrufen können.
Folge 3: Hauptschulklasse 9a – Jetzt wird's ernst!
Folge 3 steht ganz im Zeichen der Klassenfahrt – außerdem entscheidet sich, wie es für die Jugendlichen nach Abschluss der 9. Klasse weitergeht.
Es ist seine erste Klassenfahrt. Klassenlehrer Sascha Vrzogic (39) ist vor der Abreise leicht angespannt. 60 Jugendliche, vier Lehrkräfte, 5 Tage Niederlande: Aufregung auch bei den Schülerinnen und Schülern: Der 15-jährige Saif war noch nie so lange von zuhause weg, und Charline (15) hat schon eine Woche vor der Abfahrt ihren Koffer gepackt.
Vor Ort wohnen die Jugendlichen zu viert in Bungalows und müssen sich selbst verpflegen. Jede Menge Spaß, viele Eindrücke und kurze Nächte. Großes Highlight ist der Tagesausflug nach Amsterdam. Doch ausgerechnet an diesem Tag regnet es in Strömen – und das von morgens bis abends. Die Jugendlichen dürfen die Stadt in Gruppen auf eigene Faust erkunden. Saif findet das cool, Charlines Laune dagegen ist im Keller. Die Jugendlichen haben keine Schirme und keine Regenklamotten dabei und sind schnell klitschnass.
Lehrer Sascha sieht das Ganze gelassen: "Vielleicht lernen sie daraus, das nächste Mal vorher in eine Wetter-App zu schauen." Saschas Gelassenheit hält auch noch bei der Kanufahrt an – findet jedoch ein jähes Ende in der letzten Nacht, in der es "leicht eskaliert", wie er es am Morgen danach formuliert. Die Folge: Charlines Mutter muss nach der Rückkehr zum Elterngespräch in der Schule antanzen.
Alle drei Monate kommt der Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienst an die Adolph-Kolping-Hauptschule. "Ein Tropfen auf den heißen Stein", sagt Schulleiterin Daniela Deters. Sie kennt die Schwierigkeiten, die oft durch die Biografien der Jugendlichen bedingt sind. An ihrer Schule sind 450 Schülerinnen und Schüler aus rund 30 verschiedenen Ländern – viele mit traumatisierenden Fluchterlebnissen. Auch Saif kann die Erfahrungen, die er während seiner Flucht vom Irak nach Deutschland gemacht hat, nicht vergessen. Vertrauen aufzubauen ist für ihn schwierig.
Am Ende des Schuljahres wird verkündet, wer in die 10 A und wer in die 10 B gehen wird. Die 10 A wird mit einem Hauptschul-, die 10 B mit einem Realschulabschluss abgeschlossen. Saif ist angespannt, Charline sieht das Ganze gelassen.
Fragen an den Filmemacher Philipp Lutz
Was war für Sie der Auslöser, eine Reportage über eine neunte Hauptschulklasse machen zu wollen?
Die Hauptschule als Schulform interessiert mich schon lange, weil ich der Meinung bin, dass diese Schulform beziehungsweise diese Schülerinnen und Schüler sehr häufig in der Öffentlichkeit abgestempelt sind. Mir war es wichtig zu zeigen, welche bedeutenden Themen in der neunten Hauptschulklasse behandelt werden – Praktika, berufliche Weichenstellung in Form von Ausbildungen, Wechsel in 10 A oder B – und welche Möglichkeiten es gibt, auch auf der Hauptschule einen Realschulabschluss machen zu können.
Was war für Sie ausschlaggebend für die Auswahl der Schule, der Klasse und der drei Protagonisten?
Ich fand es interessant, eine Hauptschule in einem sozialen Brennpunkt auszuwählen und zu zeigen, dass es auch hier Schülerinnen und Schüler gibt, die ihren Weg gehen – trotz Schwierigkeiten und Problemen.
Die 9a zeichnet sich durch unterschiedliche Charaktere aus, die für die Reportage interessant sind, um verschiedene Richtungen abzubilden. Zudem fand ich den Klassenlehrer Sascha Vrzogic als weiteren Hauptprotagonist sehr interessant, da er Lehrer durch den Quereinstieg wurde und man bei ihm deutlich merkt, mit welchem Herzblut er bei der Arbeit ist. Die Kombination Klassengemeinschaft und Klassenlehrer hat für mich den Ausschlag gegeben, diese Klasse auszuwählen.
Was waren die größten Herausforderungen bei diesem Projekt?
Zunächst einmal war es eine Herausforderung, eine entsprechende Klasse zu finden und dann die Schülerinnen und Schüler für das Projekt zu begeistern. Die Jugendlichen in der 9. Klasse sind in der Regel 15 oder 16 Jahre alt – da muss man auch mal mit Stimmungsschwankungen rechnen.
Eine weitere Herausforderung war es, das Projekt bei einer Redaktion überhaupt erfolgreich zu pitchen, weil es ein Projekt war, bei dem man im Vorfeld nicht genau sagen konnte, wie sich die einzelnen Charaktere entwickeln werden. Bis zu der Annahme war es wichtig, stets in Kontakt mit der Klasse zu bleiben und Vertrauen aufzubauen.
Wie haben die Eltern und wie hat die Schulleitung auf das Vorhaben reagiert?
Die Eltern haben insgesamt durchweg positiv auf das Projekt reagiert, das ich Ihnen auch erläutert hatte. Ich kannte die Schulleiterin Daniela Deters von einem zurückliegenden Projekt, sodass sie wusste, wie ich arbeite und was mir wichtig ist. Sie hatte bei meiner Anfrage sofort zugestimmt, was ich sehr zu schätzen weiß, weil ich von anderen Schulen anderes kenne. Die meisten sind sehr vorsichtig und haben Sorge, "an den Pranger" gestellt zu werden. Auch lassen sich Lehrkräfte in der Regel ungern über die Schulter schauen – daher war es toll, dass Sascha Vrzogic und auch andere Lehrkräfte der Klasse nichts gegen einen Dreh hatten.
Wie haben Sie das Vertrauen aller Beteiligten gewinnen können?
Ich war immer wieder vor Ort in der Klasse und habe das Projekt vorgestellt und außerhalb der Schule mit den ausgewählten Jugendlichen viel gesprochen. Auch mit dem Klassenlehrer Sascha Vrzogic habe ich außerhalb der Schule viele Telefonate geführt. Ein großes Glück für mich war, dass Sascha dem Projekt gegenüber positiv gestimmt war und ich auch von der Schulleiterin Daniela Deters grünes Licht bekommen habe.
Wie lange hat die Vorarbeit gedauert, bevor der Dreh beginnen konnte?
Die Vorarbeit hat insgesamt circa sechs Monate gedauert.
Was war Ihnen wichtig bei der Umsetzung dieses Projekts?
Mir war bei der Umsetzung wichtig, einen authentischen Einblick in den Hauptschulunterricht zu zeigen. Hierzu war es notwendig, dass mein Team und ich in der Klasse "untergehen", also nicht von den Jugendlichen oder von den Lehrkräften berücksichtigt werden – wir quasi "unsichtbar" sind. Das Gleiche galt für die Ausflüge oder für die Klassenfahrt. Ich habe dieses Projekt daher auch immer mit dem gleichen Team durchgeführt. Durch das aufgebaute Vertrauen zu den Jugendlichen und zu den Lehrkräften hatte ich nie das Gefühl, dass jemand etwas für "die Kamera" macht. Außerdem war es mir wichtig, keine inhaltlichen Vorgaben oder Einschränkungen zu haben. Zu keiner Zeit gab es Beschränkungen oder Auflagen. Ein enormes Vertrauen wurde mir hier von allen Beteiligten geschenkt.
Was hat Sie bei diesem Projekt am meisten überrascht?
Obwohl es eine turbulente Zeit für die Jugendlichen ist, gelang es, sie alle über sechs Monate für das Projekt zu gewinnen. Ich habe die jugendlichen Hauptprotagonisten zwar immer wieder über die Drehtage informiert und sie gebeten, auch wirklich anwesend zu sein. Dass das tatsächlich geklappt hat, damit hätte ich am Anfang des Projektes nicht gerechnet. Es gab bei den Hauptprotagonisten auch keine Krankheitsausfälle oder andere Absagen, was ja über einen so langen Zeitraum hätte gut möglich sein können. Deswegen war es mir wichtig, auch abseits der Drehtage den Kontakt zu allen Hauptprotagonisten zu halten, zu telefonieren und zu schreiben. Dass uns die Jugendlichen so nah an sich rangelassen haben, empfinde ich nach wie vor als großes Geschenk.
Wie ist die Reportage bei den Beteiligten und dem Umfeld angekommen?
Ich konnte zwei Folgen in der Rohschnittfassung in der Klasse zeigen, bei der auch die Schulleiterin Daniela Deters anwesend war. Ich habe von keiner Person eine Kritik gehört, im Gegenteil: Es gab viel Lob, was mich sehr gefreut hat.
Werden Sie die Schulklasse weiter im Blick behalten?
Ich werde auf jeden Fall den Kontakt zu den Hauptprotagonisten halten und ihren Weg verfolgen. Werden ihre Ziele und Vorstellungen eintreten? Welche Wege werden sie gehen? Ich kann mir hier gut eine weitere Reportage vorstellen.
Die Fragen stellte Birgit-Nicole Krebs
Weitere Informationen
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