11.09.19, 10:16 Uhr - Nachrichten/Aktuelles Unternehmen

Antwort des ZDF-Intendanten Dr. Thomas Bellut auf den offenen Brief des ungarischen Botschafters zu "Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge"

Intendant des ZDF, Dr. Thomas Bellut
Copyright: ZDF/Markus Hintzen

In einem Schreiben an ZDF-Intendant Dr. Thomas Bellut, das am 4. September 2019 auch als offener Brief veröffentlicht wurde, übte der ungarische Botschafter S.E. Dr. Péter Györkös Kritik an dem ZDF-Dokudrama "Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge". Hier das Antwortschreiben des ZDF-Intendanten an den ungarischen Botschafter:

"Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge"

Exzellenz, sehr geehrter Herr Dr. Györkös,

in Ihrem Schreiben vom 4. September 2019, das Sie auch als offenen Brief veröffentlichten, haben Sie Bezug genommen auf das ZDF-Dokudrama "Stunden der Entscheidung – Angela Merkel und die Flüchtlinge" und daran Kritik geübt. Darauf möchte ich Ihnen hiermit gerne antworten.

Sie schreiben, in dem Film gäbe es "derart viele Elemente, die Objektivität und Tatsachen missen haben lassen", dass Sie sich gezwungen sahen, darauf zu reagieren. Allerdings gehen Sie inhaltlich nicht näher darauf ein, sodass ich zunächst nur bedauern kann, dass ein solcher Eindruck bei Ihnen entstanden ist. Sowohl die Programmentscheider als auch die Filmemacher sind davon überzeugt, dass das Dokudrama auf der Basis gründlicher Recherchen, ausführlicher Gespräche und Hintergrundinformationen sowie persönlicher Berichte sehr profunde Einblicke in die Geschehnisse vom 4. September 2015 gibt.

In Ihrem Schreiben nennen Sie Aspekte, auf die der Film hätte eingehen müssen. Konkret monieren Sie, das Dokudrama nähre den "Mythos vom Budapester Ostbahnhof" und erwecke einmal mehr den Eindruck, als habe die Krise überhaupt erst dort begonnen. Sie machen darauf aufmerksam, dass schon vor dem "March of Hope" des 4. September eine Schätzung von Seiten des deutschen Innenministeriums vorlag, dass bis zum Jahresende die Zahl der Zuwanderer womöglich auf 800.000 steige. In diesem Zusammenhang weisen Sie auch auf den Tweet des BAMF vom 25. August hin, "über die Aussetzung der Anwendung der Dublin Verordnungen, der der Zuwanderung durchaus eine neue Dynamik" verliehen habe.

Genau das jedoch, sehr geehrter Herr Botschafter, wird im Film in den Sequenzen zur Vorgeschichte thematisiert. Der von Ihnen angesprochene Tweet wird im Original gezeigt. In einem Interview-Ausschnitt nimmt der frühere Bundesinnenminister Thomas de Maizière darauf Bezug indem er sagt: "Es gab einen Tweet des BAMF vor dem 4. September, das Dublin-Verfahren nicht mehr anzuwenden. Und die Dublin-Regel sagt, dass das Asylverfahren eigentlich in dem Staat durchzuführen ist, wo der Betroffene zum ersten Mal europäischen Boden betritt. Dieser Tweet war ein Fehler, er war nicht mit dem Ministerium oder mir abgestimmt, er war aber als Hilfestellung gedacht für die Mitarbeiter des BAMF."

Zudem gibt es einen weiteren Originalton de Maizières bezüglich der Schätzungen zu den Flüchtlingszahlen: "Wir müssen damit rechnen, dass in diesem Jahr bis zu 800.000 Menschen als Flüchtlinge zu uns nach Deutschland kommen. Das ist mehr als das Doppelte gegenüber der Frühjahrsprognose, das ist etwa das Vierfache gegenüber dem Vorjahr."

Der Film zeigt, wie sich die Flüchtlingsfrage schon vor dem 4. September zuspitzte und die Zahl der Asylsuchenden in Deutschland erheblich zunahm, wie Bilder vom Leiden und Sterben vieler Flüchtlinge um die Welt gingen, und wie sich Europa uneinig erwies in der Frage einer gerechten Verteilung. Und er fokussiert schließlich auf den "March of Hope", der im Ostbahnhof von Budapest begann, als die Zäsur, die zur Entscheidung der Bundeskanzlerin führte, die deutschen Grenzen für die Flüchtlinge offenzuhalten. Das aber hatte, so die damalige Einschätzung der Bundesregierung, mit der zugespitzten Lage der Flüchtlinge in Ungarn zu tun und mit der Aussage des ungarischen Ministerpräsidenten, der etwa am 3. September 2015 auf einer Pressekonferenz in Brüssel von einem "German problem" sprach.

Sie bieten dem ZDF und anderen Sendern an, "bei Interesse an den Tatsachen oder dem ungarischen Standpunkt jederzeit bereitwillig zur Verfügung" zu stehen. Der Produzent des Dokudramas Walid Nakschbandi und der Mitautor Marc Brost betonen, dass es ihnen trotz zahlreicher Anfragen bei staatlichen ungarischen Stellen bis hin zu Ministerpräsident Viktor Orbán selbst nicht möglich war, einen offiziellen Gesprächspartner für die Sendung zu gewinnen. Die Mitwirkenden am Film haben dies sehr bedauert.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Thomas Bellut

Das Antwortschreiben als PDF

"Stunden der Entscheidung" in der ZDFmediathek: https:kurz.zdf.de/ATl/

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Mainz, 11. September 2019
ZDF Presse und Information