Beckenbauer – Der letzte Kaiser
"sportstudio reportage" mit dem "Director's Cut"
Die Doku "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" ist rund um den ersten Todestag von Franz Beckenbauer erstmals im Free TV zu sehen: Am 7. Januar 2025 zeigt ARTE die internationale Fassung des Dreiteilers, am 12. Januar 2025 ist im ZDF die Doku als 88-minütiger "Director’s Cut" zu sehen, der ab dem 8. Januar 2024 in der ZDFmediathek zur Verfügung steht. Torsten Körners Dokumentation, die zunächst exklusiv bei MagentaTV zu sehen war, erzählt von einem Leben, das so überbordend war, als wäre es mehr als eines gewesen. Der Film verbindet das private Leben Beckenbauers mit dem öffentlichen.
- ZDF Mediathek, Ab Mittwoch, 8. Januar 2024, 10.00 Uhr
- ZDF, Sonntag, 12. Januar 2024, 16.30 Uhr
- ARTE, Dienstag, 7. Januar 2025, 20.15 Uhr
Texte
Sendetermine und Stab
Dienstag, 7. Januar 2025, 20.15 Uhr, ARTE (drei Folgen)
Ab Mittwoch, 8. Januar 2024, 10.00 Uhr, in der ZDFmediathek
Sonntag, 12. Januar 2025, 16.30 Uhr, ZDF
sportstudio reportage
Beckenbauer – Der letzte Kaiser
Film von Torsten Körner
Produktion: Broadview TV
Produzent: Leopold Hoesch
Creative Producer: Franziska Rempe, Felix Gottschalk
Redaktion ZDF: Daniel Pinschower<
Redaktion ARTE: Wolfang Bergmann, Jean-Christoph Caron
Länge ZDF: ca. 88 Minuten
Länge ARTE: ca. 3 x 52 Minuten
Eine BROADVIEW Pictures Produktion in Zusammenarbeit mit ARTE, MagentaTV und dem ZDF
Beckenbauer – Der letzte Kaiser
Zum ersten Todestag von Franz Beckenbauer ist Torsten Körners Doku "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" erstmals im Free TV zu sehen: Am Dienstag, 7. Januar 2025, 20.15 Uhr, zeigt ARTE die internationale Fassung des Dreiteilers. Am Sonntag, 12. Januar 2025, 16.30 Uhr, ist im ZDF die Doku als 88-minütiger "Director’s Cut" zu sehen, der ab Mittwoch, 8. Januar 2024, 10.00 Uhr in der ZDFmediathek zur Verfügung steht.
Die Dokumentation "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" erzählt von einem Leben, das so überbordend war, als wäre es mehr als eines gewesen. Der Film verbindet das private Leben Beckenbauers mit dem öffentlichen. Erzählt wird ein Leben, das als großes Spektakel im Scheinwerferlicht der internationalen Spielfelder erscheint: Vom Münchner "Glasscherbenviertel" Giesing in die Herzen der Deutschen und immer weiter nach oben bis nach New York, von der WM 1966 zur globalen Figur und als "Kaiser" und "Lichtgestalt" zum weltweit bekanntesten Deutschen.
Die Dokumentation macht deutlich, worin die Modernität des Spielers und die des "Popstars" Beckenbauer bestand. Sie erzählt vom eleganten Außenrist-Spiel des Franz Beckenbauer und von seiner Vielfüßigkeit auf dem gesellschaftlichen Parkett. Sie erzählt von einem, um den sich Werbung, Politik und Wirtschaft rissen und der zum Kosmopoliten wurde. Und sie erzählt, wie im grandiosen Bayern-Ensemble der 1960er- und 1970er-Jahre Franz Beckenbauer nicht nur der Libero war, sondern auch der Teamspieler – derjenige, der all seine Kameraden größer und sichtbarer machte, der aber auch selbst von ihrer Härte, Schnelligkeit und Torgefahr profitierte.
"Beckenbauer – Der letzte Kaiser", eine Broadview Pictures Produktion in Zusammenarbeit mit ARTE, Magenta-TV und dem ZDF. ist zudem eine Zeitreise durch die Geschichte der Republik: vom Geburtsjahr Beckenbauers 1945 über die goldenen Jahre des FC Bayern und die WM 1990 bis zum Sommermärchen und seinen Nachwehen. Regisseur Torsten Körner lässt neben Franz Beckenbauers Bruder Walter unterschiedliche Weggefährten und prominente Fans zu Wort kommen: Matthias Brandt, Alfred Draxler, Uli Hoeneß oder Thomas Hüetlin ebenso wie Günther Jauch, Jürgen Klinsmann, Günter Netzer, Christian Petzold oder Marius Müller-Westernhagen, Wolfgang Thierse, Oliver Welke und Arnd Zeigler. In der ARTE-Fassung belegen zudem die O-Töne von Michel Platini, Didier Deschamps und Edwin Moses die internationale Strahlkraft des "Kaisers". Die Doku "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" startete am 31. Oktober 2024 zunächst exklusiv bei MagentaTV.
Die drei Episoden der Doku
Väter und Söhne
Franz Beckenbauer, Jahrgang 1945, wächst nach dem Krieg in einfachen Verhältnissen im Münchner "Glasscherbenviertel" Giesing auf. Als Sohn eines Vaters, der seiner Fußball-Begeisterung ablehnend gegenübersteht, und einer Generation, die im Krieg vieles verloren hat und nun alles vergessen möchte, spielt er einen wundersam undeutschen Fußball, der sowohl den Krieg und seine Trümmer als auch das mühsame Aufstiegsschwitzen und Schnaufen der 50er-Jahre hinter sich lässt. Beckenbauer tanzt Fußball, er hat Gold in beiden Beinen und begeistert mit seinem eleganten Außenrist-Spiel ein Deutschland, das nur auf einen wie ihn gewartet hat.
So lernen die Bilder das Laufen, aus Schwarz-Weiß wird langsam Farbe, die neu gegründete Bundesliga wird das deutsche Fußballmaß der Dinge und deren Spieler das, was bis dahin populären Musikern oder Schauspielern vorbehalten war: Sie werden zu Stars – und der Fußball gesellschaftsfähig. Und Franz Beckenbauer, der Libero des aufstrebenden FC Bayern und der deutschen Nationalmannschaft, erobert zunächst Deutschland und wenig später mit der WM 1966 die ganze Welt.
Zurück in der Heimat beginnt der Goldrausch. Auf dem Feld verwandelt sich der junge Mann in einen Anführer. Im Fernsehen löffelt er, der nun mit Robert Schwan als erster Fußballer überhaupt einen eigenen, visionären Manager hat, Tütensuppe und singt von "Guten Freunden". Und er heiratet und wird unversehens Vater von drei Kindern. Der Fußball, der nun immer professioneller gespielt und vermarktet wird, hetzt ihn atemlos durchs Leben. Dennoch strahlt der "Kaiser", wie er nun genannt wird, eine faszinierende Ruhe aus. Und überzeugt spätestens mit dem Halbfinale der WM 1970, als er im "Jahrhundertspiel" Italien-Deutschland nach schwerem Sturz mit Schulterverband einfach weiterspielt, auch seine letzten Kritiker.
Goldene Zeiten
Vier Jahre später, Willy Brandt ist gerade zurückgetreten, tritt Franz Beckenbauer mit der deutschen Mannschaft im eigenen Land um die Weltmeisterschaft an. Längst nicht mehr die gemütlichen "elf Freunde", sondern eine professionelle "Zweckgemeinschaft", wissen die Spieler um ihren Wert. Und lassen es auf einen Konflikt mit den konservativen Funktionären des DFB um mögliche Titel-Prämien ankommen, der offenbart, wo der Fußball in Sachen Professionalisierung und Kommerzialisierung mittlerweile steht. Zwar verliert die Nationalmannschaft dann in der Vorrunde gegen die DDR, siegt wenig später im Finale aber gegen die Niederlande um Johan Cruyff und wird Weltmeister.
Ein Land feiert sich selbst und den "Kaiser". Und so sehr der Fußball mittlerweile in der bundesrepublikanischen Gesellschaft angekommen ist, so wird er zunehmend auch zu ihrem Spiegelbild. War er bislang ein Sport, für den sich allein die Männer interessierten, tun dies Ddank populärer Spieler-Stars wie Beckenbauer und Netzer nun auch immer mehr Frauen. Genau wie die Frauen der Spieler nun anders wahrgenommen werden: Vorbei die Zeiten, als sie sich lediglich um Haushalt und Speiseplan ihrer fußballspielenden Ehemänner kümmerten, werden sie zu gleichwertigen Partnerinnen, deren öffentliches Bild seinen Anteil am zunehmenden Glamour des Fußballs einnimmt. Franz Beckenbauer und seine Frau Brigitte werden zum Teil des deutschen Showbetriebs, der Fußball überschreitet den Rasen als Spielfläche und wird zur Konsensbühne für Politik, Wirtschaft und Kultur.
Und Franz Beckenbauer überschreitet Grenzen. Er, der mit seinen Kameraden und Robert Schwan den FC Bayern im zurückliegenden Jahrzehnt vom kleinen Giesinger Verein zu einem der glanzvollsten Clubs der Welt gemacht hat, geht 1977 zu Cosmos New York und spielt dort in einer Mannschaft gemeinsam mit Pelé. Ein Schock für alle Fans, aber der erste ganz große Transfer eines deutschen Spielers ins Ausland. Und ein Sinnbild für die Freiheit und Grenzenlosigkeit des Kosmopoliten Beckenbauer.
Märchen und Mythos
Zurück aus New York, beendet 1982 ein des Kaisers nicht würdiges letztes Spiel beim HSV Franz Beckenbauers Bundesligakarriere. Doch das Ende ist ein Anfang. Denn während die deutsche Nationalelf bei der EM 1984 frühzeitig ausscheidet und Bundestrainer Jupp Derwall zurücktritt, wird Beckenbauer in das Amt des "Teamchefs" komplimentiert. Nur er, der einst als Spieler alles zu Gold machte, kann eine Mannschaft, die an ihrem Tiefpunkt steht, auch als Trainer zu neuen Höhen führen. Nun ist er nicht mehr nur der Kaiser, sondern auch die "Lichtgestalt". 1986 macht er seine Mannschaft zum Vizeweltmeister und tritt in seiner neuen Funktion in nicht nur ein Fettnäpfchen, doch wo gehobelt wird, da fallen Späne. Und nur vier Jahre später ist das ohnehin vergessen, denn 1990 macht er einem Land, das kurz vor seiner Wiedervereinigung steht, die Weltmeisterschaft zum Geschenk. Franz Beckenbauer sieht das deutsche Team auf Jahre hinaus unschlagbar, doch die Euphorie eines ganzen Landes wendet sich schon bald ins Gegenteil, als 1992 in Mölln und Rostock Häuser brennen.
Weltmeister als Spieler, Weltmeister als Trainer, wo wäre da noch Luft nach oben? Doch Franz Beckenbauer wäre nicht Franz Beckenbauer, wenn er dem nicht noch eines draufsetzen würde. Als Chef des Organisationskomitees der WM wird er globaler Handlungsreisender in Sachen Fußball, er trifft auf die Mächtigen der Welt und holt die WM 2006 nach Deutschland. Der Rest ist Geschichte: Der Sommer 2006 wird zum Märchen, das Land zur kollektiven Rauschzone – und Beckenbauers Himmelfahrt folgt Jahre später der jähe Absturz, das schon sprichwörtliche Glück verlässt ihn. Er, der in späten Jahren immer mehr zum Familienmensch wird, verliert 2015 seinen ältesten Sohn. Wenig später, im gleichen Jahr, werden Korruptionsvorwürfe zur Vergabe der WM 2006 laut, in deren Zentrum derjenige steht, der damals für das große Glück verantwortlich war. Und aus dem einstigen Midas, den alle Welt liebte und der die Welt liebte, wird ein Verstoßener.
Director's Statement – Regisseur Torsten Körner über das Dokuprojekt "Beckenbauer – Der letzte Kaiser"
"Der freie Mann" und "Firlefranz"
Als mich Leopold Hoesch fragte, ob ich mir vorstellen könnte, einen Film über Franz Beckenbauer zu machen, war der Weg zur Zusage kurz. Der "Kaiser" war ja, nicht nur für mich, sondern für viele Menschen verschiedener Generationen, ein echter Lebens- und Alltagsbegleiter, so dass man meinte oder zumindest fühlte, man trüge eine lebenslänglich erworbene Beckenbauerkompetenz mit sich herum. Über Beckenbauer nachzudenken, heißt ja auch immer, über uns und einen selbst nachzudenken, denn der Fußballstar Beckenbauer war einer jener Ikonen, ja deutschen "Erinnerungsorte", der kollektive Sehnsüchte und Wünsche ebenso bündelte wie individuelle Traum- und Selbstverwirklichungsentwürfe. Viele Jungen und auch Mädchen spielten in Beckenbauer-Schuhen und der Satz, "das war ja ein Pass wie von Beckenbauer" war das höchste Lob, das auf einem deutschen Fußballplatz ausgesprochen werden konnte, nur leider hörte man diesen Satz sehr sehr selten.
Zu diesem kollektiven Identitätsgewebe kam in meinem Fall hinzu, dass ich vor nun etwa zwanzig Jahren eine Biografie über Franz Beckenbauer schrieb, die in enger Kooperation mit ihm entstand. Wir trafen uns zu verschiedenen Interviewsitzungen, ich begleitete ihn ins Stadion, auf Pressetermine, traf seine Familie, seine Ehefrauen und interviewte zahlreiche Spieler seiner Generation. Es genügte fast immer der Hinweis, dass Beckenbauer mein Vorhaben unterstützt und schon öffneten sich alle Türen. Auch deshalb gab ich meiner Biografie den Titel "Der freie Mann", denn einerseits hatte er diese Position des Liberos erfunden und neu interpretiert und zum anderen kam er mir wie der privilegierteste Mensch in diesem Land vor. Niemand, so schien es, konnte ihm böse sein, selbst wenn er fragwürdige Sachen sagte, seine Meinung beinahe täglich wechselte, von einem Werbepartner zum nächsten sprang und sich plaudernd in tausend Widersprüche verhedderte. Aber nein, er verhedderte sich nie, auch wenn ihn der "Spiegel" den "Firlefranz" taufte, weil man kaum noch übersah, auf welcher Hochzeit er jetzt schon wieder tanzte, aus der Reihe tanzte, alles fröhlich durcheinanderbrachte. Nein, er war nicht zu zähmen, er blieb der Franz, der Ungemach weg lächelte, der seinen Charme spielen ließ, dessen Charisma Licht in verdrossene Gesichter zauberte. Kaum jemand genoss diese Art von Freiheit, Beckenbauer war ein besonderer Schlawiner, der Lausbub der Republik, das Glückskind aller Jahreszeiten, eine Art Gustav Gans seit seiner Geburt.
Märchen und Albtraum
Meine Biografie schloss im Jahr 2005 ab, ein Jahr vor der Weltmeisterschaft in Deutschland, Beckenbauer stand im Zenit seiner Karriere. Dass er die WM nach Deutschland geholt hatte, betrachtete er als Krönung, ja als Höhepunkt des Triples Weltmeister 1974 als Spieler, Weltmeister 1990 als Trainer und Weltmeisterbringer 2006. Dass ihn diese Weltmeisterschaft 2006 Jahre später wie ein Nessus-Gewand verbrennen, dass ihn die Vorwürfe rund um das "Sommermärchen" kaputt quälen würden, war damals nicht abzusehen, auch wenn doch klar war, dass die Allianz mit der FIFA, diesem Moloch aus Korruption, Gier und Niedertracht, nur mit Vergiftungserscheinungen enden konnte. Es war dann diese toxische Phase in der Biografie des Menschen Beckenbauer, die uns alle anrührte, befremdete, irritierte, die uns zu Verteidigern oder Gegnern werden ließ, die auf jeden Fall niemanden kalt ließ, der sich für den Fußball interessierte. Aus der Position des Erzählers waren es erst diese letzten Jahre, die die Figur Beckenbauer wieder interessant machten. Wie kam es zu dieser nahezu tragischen Disruption im Leben des Franz Beckenbauer? Wie gingen wir als Kollektiv damit um? Schützen wir unseren Helden oder stempelten wir ihn zum Allein- oder doch Hauptverantwortlichen rund um den Skandal der WM-Vergabe 2006? Bis heute ist nicht wirklich geklärt, wozu die dubiosen Millionen flossen, wer wen bestach, ob überhaupt bestochen wurde, wer die Antreiber und Drahtzieher waren. Verfahren blieben ohne Ergebnis, wurden eingestellt, verliefen im Sande, klaftertiefe Erinnerungslücken wohin man schaut. Ein Kasperletheater auf hohem Niveau.
Aber es waren nicht diese Abgründe, die mich überraschten oder gar interessierten. Unsere dreiteilige Dokumentation will nicht den Schleier dieser Affäre lüften und das sportpolitische Desaster ausleuchten. Natürlich erzählen wir diesen Bruch in der Biografie auch, aber wir wollen in erster Linie schildern, wie wir selbst auf dieses Sommermärchen ohne Märchenende blicken, wir wollen eher auf den Menschen Beckenbauer blicken und fragen, wie sehr ihn dieser Einschnitt betroffen hat und wie tief der Sturz aus dem Olymp der Götterlieblinge war. Unser Dreiteiler betrachtet das "Sommermärchen" als Imago, als deutsches Selbstbild 2006 und danach, als schillernde Seifen- und Selbsttäuschungblase vor und nach dem großen Fest. Wer mit dem Finger auf Beckenbauer zeigt, zeigt mindestens mit drei Fingern auf sich selbst.
Der Einzelne und Wir
Der Weg zu diesem Dreiteiler war auch deshalb kurz, weil alle Partner geeint wurden durch die Vorstellung, ein anderes Beckenbauer-Porträt anzubieten als die herkömmlichen Fußball-Biografien. Es ist nicht zu übersehen, dass mit der Konjunktur der Fußball-Dokumentationen zugleich ihre Ermüdung unübersehbar ins Bild tritt. Die Helden von einst sind müde und man liest auf ihren Lippen und Gesichtern die unausgesprochenen Worte und Wünsche: Ach, muss ich das schon wieder erzählen? Ach, bitte erlöst mich doch aus diesem Käfig voller Fragen: War es wirklich ein Elfmeter? Was ging ihnen durch den Kopf, als sie? Wie fühlten sie sich, als sie? Was hat der Bundestrainer dazu gesagt? Ja, die Helden sind müde, weil die Erzählungen wie alte Schallplatten zerkratzt und überspielt sind. Daher wollten wir von Anfang an weniger die Biografie Beckenbauers und seine Weltmeisterschaften vollständig rekonstruieren und die handelsüblichen Nacherzählungen anbieten, sondern wir wollten Beckenbauer als identitätsstiftende Ikone vor dem Hintergrund deutscher Gesellschaften erzählen. Es geht nicht nur oder in erster Linie um ein Star-Leben, es geht um den Beckenbauer in uns, um den imaginären Abdruck seiner singulären Existenz in unser aller Fußballleben. So erzählen wir eben, das mag ein Beispiel sein, in Teil 1 "Väter und Söhne", nicht nur vom schwierigen Vater- und Sohn-Verhältnis im Hause Beckenbauer, sondern wir weiten den Blick auf andere Familien und zeigen, wie der Fußball zum Dialog zwischen Vätern und Söhnen werden kann, zur Sprache des Gefühls, zum familiären Bindemittel oder gar zum Ersatzvater. Daher geben wir unseren Protagonisten wie Matthias Brandt, Christian Petzold, Thomas Hüetlin oder Günther Jauch auch Raum, ihre eigene Geschichte zeigen zu dürfen, denn erst im Gegenüber und Miteinander von Star und Fan wird der Fußballraum Deutschland kenntlich, wird klar, welche sozialen Energien der Fußball weckt und bindet, wie er Bilder von Männlichkeit und Heldentum prägt und formt.
Männer, Männer, Männer. Wo bleiben die Frauen?
In allen Beckenbauer-Fußballfilmen wurden Frauen auf die angestammten Plätze verwiesen, sie waren – und in dieser Rolle traten sie auf – Ehefrauen, Lebensgefährtinnen oder Geliebte, aber sie waren nicht anwesend als Kommentatorinnen, als Spielerinnen oder Expertinnen. Mich hat diese Reduktion auf die typische Beckenbauer-Frau gestört und so entstand die Idee, ganz bewusst nur Männer zu interviewen, das sollte mir eben nicht unreflektiert passieren, sondern ich wollte es ganz bewusst setzen. Die Gründe sind leicht nachzuvollziehen: 1.) Das typische Rollenbild der Beckenbauer-Frau wollte ich nicht bedienen und Erwartungen unterlaufen. Durch die "Ausschaltung" dieser privaten Ebene blieb zudem mehr Raum für die kollektive Erzählung des "Kaisers" im gesellschaftlichen Beziehungsraum. 2.) Der Fußball war weit bis in die neunziger Jahre ein reines Männergeschäft, 1999 war Anne Will die erste Frau, die die "Sportschau" moderierte, und viele meiner Generation kennen noch Carmen Thomas und den "Skandal" um ihren Versprecher "Schalke 05" im "aktuellen Sportstudio", der die bretterköpfige Männerwelt in ihrem Vorurteil bestätigte, Frauen hätten von Fußball keine Ahnung. Ich wollte also diese Männerwelt historisch abbilden und als geschlossene Männerwelt auch zeigen, der Ausschluss der Frau aus dieser Welt war eine Konstituente dieser Welt. 3.) Unsere Protagonisten sollten, wenn möglich, diese Geschlechterverhältnisse auch reflektieren und den Fußball als Schule männlicher Identitätsbildung auch beschreiben. 4.) Durch Filme wie Die Unbeugsamen 1 und 2, wo ich nur Frauen interviewte oder auch Schwarze Adler, wo ich nur "People of Color" erzählen ließ, brachte ich den Gedanken mit, dass solche auf den ersten Blick homogenen Ensembles eine große narrative und emotionale Dynamik erzeugen können. Tatsächlich jedoch sind diese homogenen Ensembles dann doch sehr viel polyphoner und multiperspektivischer als man vermuten würde.
Die Montage
Ein besonderes Glück für mich war die erneute Zusammenarbeit mit dem Editor André Hammesfahr, mit dem ich schon unseren Film Schwarze Adler gemacht hatte. Erst durch seine Zusage war es mir möglich, ebenfalls von ganzem Herzen "Ja" zu diesem Projekt zu sagen, denn es war klar, dass wir enorme Archivmassen bewegen würden müssen. Und wenn sich jemand in der bundesrepublikanischen Fußball-Historie auskennt, dann ist es André Hammesfahr. Uns eint nicht nur das Interesse an Fußball, sondern auch der Blick auf den Fußball, das Interesse, Fußballgeschichten gegen den Strich zu erzählen oder Gruppen und Phänomene zu betrachten, die im konventionellen Fußballfilm eher unterbelichtet bleiben. André ist zudem ein sehr kreativer, sehr autonomer Editor, der jeden Autor reich beschenkt mit Erzählwegen, die noch nicht so ausgetreten sind. Uns eint auch die Auffassung, dass Fußball ein Spiel ist, das auf vielen Plätzen jenseits des Platzes stattfindet und weit in die Seelenkiste eines Landes hineinreicht. Mitunter findet man die ganze Geschichte in einem Detail, einer scheinbaren Nebensächlichkeit, einem stillen Bild. Nur wenn man, wie Hammesfahr, diese erzählerische Sensibilität und Bildung besitzt, findet man Geschichten jenseits der Hauptstraße. Genauso gehört ein beinahe musikalisches Rhythmusgefühl dazu, jeder gute Editor komponiert die Bilder in wechselnden Rhythmen und Synkopen, Verdichtungen und Verflüssigungen, in Sprüngen und hintergründigen Stegen. Diesen ganzen Instrumentenkasten bedient André Hammesfahr virtuos. Wir haben versucht, unsere Interviewpartner so zu verbinden, dass die O-Töne sich nicht nur harmonisch oder kontrapunktisch ergänzen, sondern dass sie den "Kaiser" aus verschiedenen Reichweiten und Blickwinkeln betrachten, mal mikroskopisch nah, mal makroskopisch fern, mal familiär vertraut, mal hellsichtig aus der Ferne.
Die Interviews
Für mich war wichtig, dass wir nur Menschen interviewen, die eine wirkliche Fußballleidenschaft leben, also Menschen, die wirklich an diesem Spiel hängen und Wissen oder Authentizität nicht vorgaukeln müssen. Ich habe für diesen Dreiteiler einige Interviews führen dürfen, die mich als Erzähler richtig glücklich gemacht haben, weil sie zu Gesprächen wurden, in denen ich selbst neue Perspektiven auf den Fußball entwickeln konnte, indem meine Gegenüber mich auf Facetten oder Bedeutungen hinwiesen, auf die ich noch gar nicht gekommen war. Man kann also, dachte ich, hingebungsvoll und leidenschaftlich über Fußball sprechen, ja, kindlich träumen dabei und zugleich sehr erwachsen und reif sein, indem man diese Gefühle und Prägungen auch einordnen kann. Natürlich will ich keine Namen hervorheben, aber es ist unübersehbar, dass unsere Gesprächspartner eine Beteiligungslust ausstrahlen, dass es uns allen Freude bereitete, über den "Kaiser", den Fußball und unser Land nachzudenken. So stiftet dieses Ensemble einen sinnlichen Resonanzraum, der die Biografie Beckenbauers nicht nur vor Augen stellt, sondern sie illuminiert mit Skizzen, Gedanken, kleinen Essays, die unser Verständnis vom Fußball bereichern. Ich habe allen Gesprächspartner sehr zu danken für ihre Offenheit und Zugewandtheit, und vielleicht war es nur Franz Beckenbauer möglich, diesen Spirit zu stiften über sein Leben und den Rasen hinaus. Das vermögen nur Ikonen wie er.
Die Intention
Gerade Beckenbauer-Dokumentationen stehen vor einem schwer zu bewältigenden Problem: Wie schafft man es, die gewaltigen Stoff-, Erlebnis- und Ereignismassen zu bändigen, ohne in einen hastigen lexikalischen Aufzählungsstil zu verfallen. Ist doch alles wichtig, oder? Allein die drei Weltmeisterschaften als Spieler, dann zwei Weltmeisterschaften als Trainer, das Sommermärchen, all die Geschichten rund um den FC Bayern und natürlich, nicht zu vergessen, der "Kaiser" als Mann, kindlicher Vater, als Mann der Frauen, als Mann für den Boulevard und alle anderen Medien auch. Natürlich hatten wir einen gewissen Zeitvorteil, indem wir in drei Teilen erzählen können, dennoch muss man sich beschränken, konzentrieren, auf Perspektiven fokussieren, die bislang noch nicht auserzählt scheinen. So war es uns wichtig, auch mal Beckenbauers Spiel und Eleganz zu zeigen, auch mal länger und überhaupt über das Außenrist-Spiel nachzudenken, was ansonsten nur gestreift wird. Auch bei Robert Schwan, diesem Übervater Beckenbauers, wollten wir länger verweilen, auch weil das Thema "Väter und Söhne" ein wichtiges ist in diesen Filmen. In allen drei Teilen geht es untergründig auch um die Suche nach dem Vater, nach dem Wunsch, ein guter Vater zu werden und häufig genug die Einsicht, dieses Ziel zu verfehlen (und was der Fußball damit zu tun hat). Was der Fußball insgesamt für die Gesellschaftsentwicklung bedeutet, ist in diesen drei Teilen mehr als ein Streiflicht, und man versteht Beckenbauers herausgehobenen Platz nur, wenn man sich anschaut, warum sich die Menschen in sein Spiel verlieben, wie sie es für eigene Zwecke nutzen (etwa Politik und Wirtschaft) und wie der Fußball zum Bindemittel in immer komplexer werdenden Gesellschaften wird und dabei noch entlegenste Bereiche miteinander verbindet. Uns hat eben auch interessiert, was hinter dem Schlager "Fußball ist unser Leben, denn König Fußball regiert die Welt" steckt und warum der Fußball so einen triumphalen Anspruch überhaupt erheben kann. Eine Hagiographie Beckenbauers wollten wir nicht, aber schon eine Hommage, die nicht verschweigt, dass Schatten auch dort wachsen, wo ganz besonders viel Licht auf Herrschaft dringt.
"Wir wollen die emotionale Kraft seiner Geschichte betonen" – Fragen an den Produzenten Leopold Hoesch
Was unterscheidet "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" von anderen Dokumentationen über Franz Beckenbauer?
Unsere Dokumentation hebt sich durch ihre tiefgehende Erzählweise und den außergewöhnlichen historischen Blickwinkel von anderen Beckenbauer-Dokumentationen ab. In Zusammenarbeit mit Torsten Körner, der bereits vor 20 Jahren die Biografie "Der freie Mann" mit Beckenbauer verfasste, erzählen wir in drei Teilen ein Leben, das so facettenreich und überbordend war, als wäre es mehr als eines. Diese Serie verbindet das Private mit dem Öffentlichen, das Reale mit dem Imaginären, und zeigt Beckenbauer nicht nur als Fußballer, sondern auch als gesellschaftliche Lichtgestalt. Unser Ziel war es, nicht nur seine sportlichen Leistungen zu beleuchten, sondern den Mann hinter der Figur zu zeigen, der wie selten zuvor als moderner "Popstar" verstanden wird.
War von Anfang an keine rein objektive dokumentarische Auseinandersetzung , sondern eine "Hommage" an den Kaiser geplant?
Ja, das war von Anfang an der Plan. Beckenbauer ist nicht nur eine Sportikone, sondern auch ein Kulturphänomen, das Generationen geprägt hat. Die Teilnahme von ARTE an dieser Produktion kommt nicht von ungefähr. In dieser Dokumentation wollten wir die emotionale Kraft seiner Geschichte betonen, seine Modernität als Spieler und als öffentliche Figur. Es geht darum, den Menschen Beckenbauer zu verstehen, der nicht nur für seine Erfolge bekannt war, sondern auch für seine Rolle in der Gesellschaft. Torsten Körner hat eine historische, fast nostalgische Reise entworfen, die das Leben von Franz Beckenbauer auf intime und ehrliche Weise erzählt.
In "Beckenbauer – Der letzte Kaiser" kommen auch solche zu Wort, die man sonst nicht oft in Dokumentarfilmen sieht. Wie ist das zu erklären?
Beckenbauer hat nicht nur im Fußball einen bleibenden Eindruck hinterlassen, sondern auch weit darüber hinaus. Deshalb haben wir eine Vielzahl von Persönlichkeiten eingeladen, die in ihren jeweiligen Bereichen ebenfalls herausragend sind, um über ihn zu sprechen. Von Fußballern wie Jürgen Klinsmann, Günther Netzer, Michel Platini und Uli Hoeneß bis hin zu Entertainern und Künstlern wie Marius Müller-Westernhagen, André Heller oder Günther Jauch und Journalisten oder Schauspieler wie Alfred Draxler und Matthias Brandt – sie alle haben einen besonderen Bezug zu Franz Beckenbauer. Es war uns wichtig, nicht nur Experten aus dem Fußball zu Wort kommen zu lassen, sondern auch Menschen, die ihn aus unterschiedlichen Perspektiven erlebt haben. Die Interviewpartner im Film sind für die Einordnung Beckenbauers in Bezug zu Deutschland möglicherweise unerwartet, aber durch ihre feuilletonistische Fallhöhe sehr überzeugend und prominent dazu.
Prägend für Franz Beckenbauers letzte Jahre war das "Sommermärchen" bzw. dessen Nachwehen. Welchen Umgang haben Sie in der Doku damit gefunden?
Das "Sommermärchen" und die damit verbundenen Kontroversen waren ein zentraler Punkt, den man nicht ausklammern will, weil er zu seiner Biografie dazu gehört. Es war uns wichtig, diesen Teil von Beckenbauers Leben ehrlich und differenziert darzustellen. Wir wollten keine einfachen Antworten geben, sondern zeigen, wie komplex diese Phase für ihn und den deutschen Fußball war. Der Film stellt Beckenbauer in den Kontext seiner Zeit und beleuchtet sowohl die Höhen als auch die schwierigen Momente seines Lebens.
Wie wird man in zehn Jahren auf Franz Beckenbauer blicken?
In zehn Jahren wird man Franz Beckenbauer noch mehr als eine der prägendsten Figuren des deutschen Fußballs betrachten. Seine Erfolge und seine Persönlichkeit sind zeitlos, das Sommermärchen wird als märchenhafte Zeit eines besseren Deutschlands dauerhaft in Erinnerung bleiben; zurecht. Er bleibt eine Figur, die den Sport revolutioniert hat und als Symbol für den Aufstieg des FC Bayern und die Globalisierung des Fußballs steht. Ich glaube, dass man ihn in Zukunft mit einer gewissen Nostalgie betrachten wird, als jemanden, der nicht nur ein großer Spieler, sondern auch ein Mensch mit Ecken und Kanten war.
Die Protagonisten der Doku
Friedrich Ani – in München lebender Schriftsteller
Walter Beckenbauer – Bruder von Franz Beckenbauer
Matthias Brandt – Schauspieler
Alfred Draxler – Êhemaliger Sportchef der BILD
André Heller – Künstler
Uli Hoeneß – Ehemaliger Fußballspieler, Manager und Präsident des FC Bayern München, Weltmeister 1974 mit Franz Beckenbauer
Thomas Hüetlin – Journalist und Autor (u.a. „Gute Freunde – Die wahre Geschichte des FC Bayern München“)
Günther Jauch – Journalist und Fernsehmoderator
Jürgen Klinsmann – Ehemaliger Fußballspieler, Trainer, Weltmeister 1990 unter Franz Beckenbauer, 2004-2006 Nationaltrainer
Willi Lemke – Politiker und Sportfunktionär, 1981 bis 1999 Manager des SV Werder Bremen
Pierre Littbarski – Ehemaliger Fußballspieler, Weltmeister 1990 unter Franz Beckenbauer
Marius Müller-Westernhagen – Musiker
Günter Netzer – Ehemaliger Fußballspieler, Weltmeister 1974 mit Franz Beckenbauer
Christian Petzold – Regisseur
Michel Platini – Ehemaliger französischer Fußballspieler, Trainer und Präsident der UEFA
Dietrich Schulze-Marmeling – Autor zahlreicher Sachbücher, unter anderem zum Fußball
Wolfgang Thierse – Politiker, ehemaliger Präsident des Deutschen Bundestags
Oliver Welke – Fernsehmoderator und Satiriker
Arnd Zeigler – Journalist, Autor, Stadionsprecher
O-Töne aus der Doku
"Der Ball ist die Vollkommenheit des Rades. (…) Unser Sonnensystem ist rund, die Erde ist rund, der Mond ist rund, die Planeten sind rund. (…) Diese Form ist göttlich, und deswegen ist der Fußball so entstanden."
Franz Beckenbauer
"Was ich so wahnsinnig interessant finde, ist, dass mir eigentlich niemand einfällt, dessen persönlich Entwicklung so parallel oder synchron verlief zur Entwicklung der Bundesrepublik wie die Entwicklung dieses Mannes. Wenn man wissen will, wie sich dieses Land verändert hat ab den 50er Jahren, dann könnte man auch Jahr für Jahr ein Foto von Franz Beckenbauer sich ankucken."
Matthias Brandt, Schauspieler, Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt (1969 bis 1974)
"Franz Beckenbauer war im Grunde ein Gegenentwurf zu Uwe Seeler. Er war elegant, er schwitzte nicht – zumindest sah man es ihm nicht an. Er musste nicht rackern, er hatte den Kopf immer oben. Und er spielte den Ball mit dem Außenrist."
Günther Jauch, TV- und Radiomoderator, Freund von Franz Beckenbauer
"Als der Robert Schwan dann zu uns in die Familie kam, habe ich mir das eine zeitlang angeschaut, dann habe ich gesagt: Hoppla, der vereinnahmt den Franz komplett. Und später dann habe ich mir gedacht: Der Robert hat im Endeffekt, was den Franz betrifft, nicht einen Fehler gemacht. Der hat alles richtig gemacht."
Walter Beckenbauer, Bruder von Franz Beckenbauer
"Er war der erste Fußballer, der gesungen hat. (…) Daraufhin hat Gerd Müller ja auch eine Platte gemacht (…). Wenn man sich das heute anhört, sagt man, was ist das denn für eine Zeit gewesen. Aber es war alles revolutionär."
Alfred Draxler, Journalist
"In Geschäftsdingen war Franz Beckenbauer seiner Zeit voraus und hat die Zeit geprägt."
Friedrich Ani, Schriftsteller
"Ich glaube, dass Robert Schwan nicht derjenige war, der Beckenbauer ausgesaugt hat. Sondern man hat das Gefühl gehabt, dass sie schon ein Vater-Sohn-Verhältnis haben, dass das wirklich ein sehr großes Vertrauensverhältnis ist."
Arnd Zeigler, Moderator von Fußballformaten
"Bei Beckenbauer gibt’s keine Väter. Bei Beckenbauer gibt’s eben den Helmut Schön, wo er sagt: 'Entschuldigung, das machen wir jetzt hier'. Das ist also eine Ermächtigung, aber keine Ermächtigung mit Vatermord. Sondern: 'Vater, du kannst heute ausschlafen, wir machen das mal selber'."
Christian Petzold, Filmregisseur
"Das große Duell Deutschland gegen die Niederlande wurde personifiziert in dem Duell Franz Beckenbauer gegen Johann Cruyff. Man sagte im Boulevard: Kaiser gegen König – Kaiser Franz gegen König Johann. Davon lebte die Berichterstattung im Sport wochenlang."
Alfred Draxler, Journalist
"Weil er so anders war, hat er auch andere angezogen, die auch anders waren."
André Heller, Künstler
"Die Boulevardpresse hat sich gar nicht mehr eingekriegt vor Glück, weil es passierte dauernd was, und die führen Porsche, trugen Pelzmäntel – es wurde Teil des Showbetriebs."
Thomas Hüetlin, Autor
"Er hatte etwas leicht Androgynes. Er war ja kein bulliger Spieler, er war nicht kleines dickes Müller. Er war auch nicht der starke Netzer (…), sondern ein schlanker und eher zarter Spieler."
Wolfgang Thierse, Ehemaliger Politiker
"Er hat nicht das typisch männliche Bild, das man damals vor sich hatte, verkörpert, überhaupt nicht. Er hatte eine gewisse feminine Seite auch, Gott sei Dank."
Marius Müller-Westernhagen, Musiker
"Damit erschließt du natürlich auch einen neuen Markt. Das trägt schon dazu bei, dass das Interesse von Frauen am Fußball auch zunimmt (…). Das ist schon ein reformiertes, ein liberalisiertes, ein modernisiertes Bild."
Dietrich Schulze-Marmeling, Fußball-Historiker
"Auch das ist ja bemerkenswert und lustig in gewisser Weise, dass der bis heute bekannteste und berühmteste und anerkannteste deutsche Fußballer auch der undeutscheste war von allen. (…) Die Leichtigkeit, die Unangestrengtheit, die aber nicht zu einer Beliebigkeit geführt hat, sondern zu einer Eleganz. Das sind schon mehrere Begriffe, die man ja mit dem Blick von außen auf die Deutschen wenig in Verbindung bringt (…)."
Matthias Brandt, Schauspieler, Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt
"Das war im Grunde ja nach 1945 der Traum der Deutschen, an den sie ja kaum zu glauben wagten, dass sie irgendwann wieder mal so etwas wie Anerkennung in der Welt finden würden. Und das bei einem Menschen, der völlig frei zu sein schien, der unabhängig war, der gleichzeitig alles im Griff hatte und eine Grundfreundlichkeit ausstrahlte."
Günther Jauch, TV- und Radiomoderator, Freund von Franz Beckenbauer
"Man wurde ja weder gemocht noch ernst genommen. Und das war natürlich schon eine Bürde für dieses Land. Vielleicht war er so einer der ersten deutschen Weltstars wieder. Das ist schon ein Verdienst. Aber auch eine wahnsinnige Bürde."
Marius Müller-Westernhagen, Musiker
"Der Fußball in den frühen 80er-Jahren war ja furchtbar. Die Stadien waren halb leer, gefühlt war jeder Fanblock zu Hälfte Skinheads, es waren keine Frauen im Stadion, es war wirklich eine sehr kühle, graue Zeit aus deutscher Sicht."
Arnd Zeigler, Moderator von Fußballformaten
"1986 stand die Weltmeisterschaft vor der Tür, und wir haben natürlich gedacht mit einem Trainer Franz Beckenbauer gewinnen wir die WM blind."
Pierre Littbarski, Fußball-Nationalspieler (1981 bis 1990)
"Er war ein Tüftler. (…) Er war so in sich versessen zu sagen: 'Ich führe diese Mannschaft zum WM-Titel.' Das geht nur über viel, viel Arbeit. So stellt man sich eigentlich Fran Beckenbaier gar nicht vor, weil man sieht ihn immer irgendwie draußen – 'Der kann über’s Wasser laufen'."
Jürgen Klinsmann, Fußball-Nationalspieler (1987 bis 1998)
"Wenn Sie die Bilder sehen, wie schlank er da ist, wie dünn er ist, wie er abgenommen hat. Die WM hat ihn völlig fertig gemacht und er hat versucht in diesen paar Minuten alles abstreifen."
Uli Hoeneß, Ehrenpräsident FC Bayern München
"Das werde ich nie vergessen. Die Bilder von Franz Beckenbauer, der plötzlich alleine über den Platz ging. Der Trubel war anderswo, und er ging allein."
Wolfgang Thierse, Ehemaliger Politiker
"Erst mal selber Weltmeister werden. Dann Trainer des Weltmeisterteams zu sein. Und dann eine Weltmeisterschaft ins eigene Land zu holen. Das ist ein Triple, das ist niemand anderem auf der Welt gelungen."
Günther Jauch, TV- und Radiomoderator, Freund von Franz Beckenbauer
"Er hat die richtig gelebt, mit allen möglichen Leuten. Von der Wirtschaft, in der Politik, egal mit wem er überall zu tun hatte, diesen ganzen Monat lang. Und deswegen glaube ich schon, dass es für ihn vielleicht sogar noch gefühlsmäßig noch viel prägender war als die rein sportliche Welt, die wir Trainer oder Spieler dann erleben."
Jürgen Klinsmann, Fußball-Nationalspieler (1987 bis 1998)
"Unsere Tochter ist geboren 87. Und das habe ich zum Anlass genommen, den Franz zu fragen: 'Sag mal Franz, hast du deine Kinder eigentlich mitgekriegt?'. Dann hat er etwas sehr, sehr Tolles, Richtiges, Aufrichtiges gesagt, eigentlich schon Entlarvendes: 'Du bist gut, ich war doch selbst noch ein Kind.' Diese Aussage hat mich bis zum heutigen Tag beschäftigt."
Günter Netzer, Fußball-Nationalspieler (1965 bis 1975)
"Dieses Gustav-Gans-hafte, was er ja sehr, sehr lange hatte, das konnte man sich auch gar nicht vorstellen, dass das weg sein sollte. (…) Das war fast so, als ob er nicht mehr existiert, dadurch, dass er nicht mehr dem Bild entsprach, das er vorher abgegeben hat. Und das ist das eigentlich Brutale an dem Vorgang."
Matthias Brandt, Schauspieler, Sohn von Bundeskanzler Willy Brandt (1969 bis 1974)
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