Das leere Grab

Dokumentarfilm aus der Reihe "Das kleine Fernsehspiel"

Der mehrfach preisgekrönte Dokumentarfilm "Das leere Grab" (2024) begleitet zwei Familien aus Tansania auf der Suche nach ihren Vorfahren. Ihre Spurensuche führt sie nach Deutschland, wo noch immer Zehntausende menschliche Überreste aus den ehemaligen deutschen Kolonien lagern. Der Film entstand in einer länderübergreifenden Co-Regie zwischen Deutschland und Tansania.

  • ZDF-Streaming, von Freitag, 23. Mai 2025, 10.00 Uhr, bis Donnerstag, 21. August 2025, 23.59 Uhr, im ZDF streamen
  • ZDF, Montag, 26. Mai 2025, 23.55 Uhr im ZDF

Texte

Redaktionelle Einordnung

Die Stärke des Films liegt in seiner behutsamen Annäherung an ein untererzähltes Thema, der besonderen Sensibilität der beiden Regisseurinnen sowie in der konsequenten Perspektive auf die Betroffenen. Entstanden ist ein vielschichtiger Dokumentarfilm: ein nahbares Porträt zweier Familien, ein präziser Blick in die Tiefen deutscher Bürokratie und ein bewegender Appell für Menschlichkeit. Der Film berührt auf emotionaler Ebene und stellt zugleich grundlegende Fragen nach Erinnerungskultur, Gerechtigkeit und institutioneller Verantwortung. Er macht auch deutlich, dass das Festhalten an der Wahrheit, auch Jahrzehnte später, nicht nur notwendig, sondern möglich ist.

Mit "Das leere Grab" präsentieren wir einen Dokumentarfilm, der in besonderer Weise den Anspruch unserer Redaktion unterstreicht, engagierte Filmschaffende bei der Umsetzung relevanter und mutiger Stoffe zu unterstützen. Ganz besonders wichtig war uns, dass "Das leere Grab" in einer länderübergreifenden Co-Regie zwischen Deutschland und Tansania entstanden ist. Die Kombination der Kompetenzen von Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay sowie das Ineinandergreifen ihrer beiden Perspektiven und individuellen Zugänge haben das Projekt maßgeblich geprägt und bereichert.

Sara Günter, Redaktion ZDF/Das kleine Fernsehspiel

Inhalt, Stab, Mitwirkende

Der Dokumentarfilm "Das leere Grab" begleitet zwei Familien aus Tansania auf der Suche nach ihren Vorfahren. Ihre Recherchen führen sie nach Deutschland, wo noch immer Zehntausende menschliche Überreste aus den ehemaligen deutschen Kolonien lagern. Sie wurden zu Beginn des 20. Jahrhunderts geraubt – teils zu Forschungszwecken, teils als Trophäen. "Das leere Grab" macht deutlich, welche Traumata die deutsche Kolonialherrschaft bis heute hinterlassen hat, zeigt aber auch die Stärke und Selbstermächtigung der Hinterbliebenen, die sich hartnäckig für eine Aufklärung der Kolonialverbrechen einsetzen.
Auch wenn das Thema mittlerweile die politische Ebene erreicht hat, steht weiterhin die Frage im Raum, wie die Gebeine identifiziert und zurückgeführt werden können.

Die Sendung wird mit Untertiteln angeboten

 

Stab und Mitwirkende

Buch und Regie: Agnes Lisa Wegner, Cece Mlay

Kamera: Marcus Winterbauer

Schnitt: Donni Schoenemond

Ton: Oliver Stahn

Musik: Hannah von Hübbenet

Producerin: Luna Selle

Koproduzent: Amil Shivji

Produzenten: Christoph Holthof, Daniel Reich

Produktion: kurhaus production Film & Medien GmbH und Kijiweni Productions in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel gefördert von der MFG Filmförderung, BKM und DFFF

Redaktion: Sara Günter (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Länge: 98 Minuten

 

Mit:

John Mbano, Cesilia Mollel, Ernest Kaaya, Felix Kaaya, Mnyaka Sururu Mboro u. a.

 

Preise und Nominierungen (Auswahl)

Der Dokumentarfilm "Das leere Grab" von Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay feierte bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin 2024 in der Sektion "Berlinale Special" Premiere und gewann u. a. folgende Auszeichnungen:

  • Filmschau Baden-Württemberg 2024: Filmpreis als Bester Dokumentarfilm
  • Internationales Film Festival Innsbruck 2024: Gewinner Publikumspreis
  • DOK.fest München 2024: DOK.network Africa 2024
  • Civis Medienpreis 2025

Regiestatement: Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay

Noch bevor das lang totgeschwiegene Thema Restitution in der breiten Öffentlichkeit angekommen war, sind wir beide uns persönlich begegnet, verbunden durch die gemeinsame Geschichte unserer Länder Tansania und Deutschland. Als zwei Filmschaffende, die sich jeweils schon lange mit Themen wie Ungerechtigkeit und Ungleichheit und Community beschäftigt hatten, haben wir gemeinsam den Pfad der abstrakten politischen Debatte verlassen und in unserer Regiearbeit einen neuen Weg eingeschlagen – den Weg in Richtung persönlicher Erfahrungen und erlebter Geschichte.

Unsere Fragen drehten sich um das durch den Kolonialismus verursachte Trauma, um die Gewalt und das Leid, die die Menschen erlitten haben, und um die Geister dieser nicht verarbeiteten Vergangenheit, die uns bis heute heimsuchen. Und so hat die ganze Geschichte für uns angefangen.

In den Depots deutscher Museen lagern Tausende von Pappkartons im Dunkeln. Sie enthalten keine Kulturgüter, keine Objekte, sondern menschliche Gebeine, oder ancestral remains –das, was von den Ahnen übrig geblieben ist.

Wer waren diese Menschen? Ohne ihre Namen zu kennen, war uns klar: Sie alle waren Mitglieder einer Familie, einer Community und Gesellschaft. Wir wollten ihnen ihre Menschlichkeit zurückgeben.

Die Suche begann in Tansania, dem größten Land der ehemaligen Kolonie "Deutsch-Ostafrika", die von den Deutschen auch "Ein Platz an der Sonne" genannt wurde. Die deutsche Kolonialherrschaft gilt als eine der brutalsten. Sie war aufgebaut auf einem Gewaltsystem aus Zwangsarbeit, sexualisierter Gewalt, der in Deutschland damals schon verbotenen "Prügelstrafe" und willkürlichen Exekutionen. Communities wurden oft gezwungen, Hinrichtungen mit anzusehen. Männer, Frauen und Kinder wurden ihren Familien entrissen und nie wieder gesehen.

Hier fand auch einer der größten und verheerendsten Kolonialkriege statt, in der südlichen Hälfte des damals Tanganyika genannten Landesgebiets: Der Majimaji-Krieg und seine Folgen forderten etwa 300.000 Menschenleben. Gleichzeitig gilt er als die größte Widerstandsbewegung gegen die Deutschen und hat die Nation vereint. Der Majimaji-Krieg hat große Bedeutung für die nationale Identität Tansanias. In Deutschland dagegen haben die Wenigsten schon einmal etwas von ihm gehört.

Die Restitutions-Diskussion wurde bisher vor allem von Politiker:innen und Wissenschaftler:innen geprägt – von Menschen, die sich professionell damit beschäftigen. In dieser Debatte, die sich um die Rückkehr der ancestral remains dreht, haben immer entscheidende Stimmen gefehlt: die der Communities und vor allem der Familien, die die Abwesenheit ihrer Ahnen nun seit über einem Jahrhundert ertragen. Ihre Stimmen wurden nicht gehört.

"Das leere Grab" bricht das Schweigen. Der Film gibt dem Publikum die Möglichkeit, etwas zu erfahren, was viel zu lange aktiv unter den Teppich gekehrt wurde. Und er stellt entscheidende Fragen: Wie lebt eine Familie, eine Community mit einem intergenerationellen Trauma? Wer ist verantwortlich für die tatsächliche Restitution der Ahnen? Welche Rolle spielen Familien und Communities in diesem Prozess? Wer hat die Geduld, die Beharrlichkeit, nach den jeweiligen Vorfahren zu suchen, und wie wird das finanziert? Und schließlich: Wie wollen wir künftig miteinander leben?

Zwei tansanische Familien – Familie Mbano und Familie Kaaya – sowie deutsche und tansanische Aktivist:innen nehmen uns mit auf ihren persönlichen Weg, um endlich Frieden für die Vorfahren zu finden und damit die immer noch andauernde Trauer in den Familien und Communities zu beenden. Sie fordern eine lethargische Politik und institutionellen Rassismus heraus und beschäftigen sich mit dem intergenerationellen Trauma – in der Hoffnung, die Gebeine der Ahnen nach Hause zu holen.

Unsere Aufgabe als Regisseurinnen war es, diese Geschichte aus der Perspektive zu erzählen, die uns besonders am Herzen liegt: Im Bewusstsein, dass das Private politisch ist, haben wir uns von den Perspektiven der Familien durch den Entstehungsprozess dieses Films leiten lassen.

Biografien

Agnes Lisa Wegner (Regie und Buch) hat Amerikanistik und Filmwissenschaft an der FU Berlin und African-American Studies an der Harvard University studiert. Anschließend hat sie einige Jahre für Menschenrechtsorganisationen (Pro Asyl e.V., Forum Menschenrechte e.V.) gearbeitet, bevor sie sich 2013 als Autorin und Regisseurin selbstständig machte. Seitdem hat sie Dokumentarfilme entwickelt und umgesetzt, die auf internationalen Filmfestivals, im deutschen öffentlich-rechtlichen Fernsehen und auf Netflix Europe gelaufen sind. Agnes Lisa Wegners preisgekrönte Dokumentarfilme – darunter "König Bansah und seine Tochter" (ZDF/Das kleine Fernsehspiel, 2020), "Das Mädchen mit den langen Haaren" (2019) und "No Fucking Ice Cream" (2018) – sind geprägt von ihrer intensiven Beschäftigung mit Themen wie Diskriminierung, Rassismus, Menschenrechte und Solidarität. Agnes Lisa Wegner lebt in Mannheim.

Cece Mlay (Regie und Buch) schätzt den gemeinschaftlichen Aspekt des Filmemachens. Sie arbeitet derzeit als Regieassistentin und Creative Supervisor bei Kijiweni Productions. Sie hat Arbeitserfahrung in verschiedenen Gewerken der Filmproduktion und arbeitet mit Künstler:innen unterschiedlicher Disziplinen und Hintergründe sowohl bei tansanischen als auch internationalen Produktionen zusammen. Thematisch wagen ihre Geschichten einen kritischen und ehrlichen Blick auf soziale, politische und historische Zusammenhänge. Cece Mlays Arbeiten reichen von TV-Serien, preisgekrönten Kurz- und Langfilmen hin zu Dokumentarfilmen: "Siri ya Mtungi" (2013-14), "Shoe Shine" (2014), "Aisha" (2016), "Vuta N'Kuvute" (2021), "Apostles of Cinema" (2023). Cece Mlay lebt in Dar es Salaam, Tansania.

 

Fotos

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