Der große Terra X-Jahresrückblick
Mit Harald Lesch, Jasmina Neudecker und Mirko Drotschmann
Die "Terra X"-Experten Harald Lesch, Jasmina Neudecker und Mirko Drotschmann blicken zurück auf Krisen und Kontroversen des Jahres 2023 sowie auf neue Erkenntnisse aus der Welt des Wissens. Sie zeigen Bilder und Nachrichten aus dem Reich der Wissenschaft, deren Bedeutung nicht sofort deutlich wird. "Der große 'Terra X'-Jahresrückblick" stellt die Frage: Welche Ereignisse, Entwicklungen, Entdeckungen werden das Leben auch künftig prägen?
- ZDF Mediathek, ut Ab 22. November 2023, 6.00 Uhr, fünf Jahre lang verfügbar
- ZDF, ut Sonntag, 26. November 2023, 19.30 Uhr
Texte
Inhalt
Zu Beginn des Jahres erobert künstliche Intelligenz die Öffentlichkeit im Sturm. Wird sie den Menschen, wie häufig befürchtet, bald ersetzen? Droht ein gesellschaftlicher Umbruch wie damals beim Aufkommen der Elektrizität? Als diese im frühen 20. Jahrhundert ihren Einzug in das Arbeits- und Alltagsleben findet, verändert sie das Leben drastisch. Sowohl zu Hause als auch im Büro und bei fast jedem Werkzeug: Ohne Strom geht nichts mehr. Historiker Mirko Drotschmann stellt die Frage, wie sich der Einfluss von KI auf unser Leben mit Blick auf die Lehren aus der Vergangenheit entwickeln könnte – und wohin uns die neue digitale Revolution noch führt.
Erdbeben, Unwetter, Flutkatastrophen – 2023 war vor allem in dieser Beziehung ein Rekordjahr. Jasmina Neudecker reist nach Kahramanmaraş in der Türkei, die Region, die im Frühjahr von zwei heftigen Erdstößen heimgesucht wurde. Die Beben kosteten über 50.000 Menschen das Leben und zerstörten nahezu die gesamte Region. Die Biologin spricht mit Forschenden vor Ort, um herauszufinden, welche Erkenntnisse sich aus dem Beben ziehen lassen können. Wie lassen sich ähnliche Katastrophen vorhersehen und Mensch und Tier frühzeitig besser schützen?
Im April wurde ein historischer Schritt unternommen: Deutschland stellte die letzten Atommeiler ab. Hat die Energieversorgung seither gelitten? Wie geht es in Zukunft weiter, ohne auf fossile Energieträger zurückzugreifen? Ist grüner Wasserstoff die Lösung? Verfallen die alten Anlagen zu bleibenden Betonruinen? Harald Lesch begibt sich auf die Suche nach möglichen Lösungen der Energiefrage.
"Der große Terra X-Jahresrückblick" rückt mit KI, Erdbeben und dem Atomausstieg drei große Themen des Jahres noch einmal in den Fokus. Daneben gab es noch unzählige weitere große und kleine Nachrichten aus der Welt des Wissens. In unterhaltsamer Weise führen die drei "Terra X"-Köpfe durch das Jahr 2023 und lassen die wichtigsten, kuriosesten, bewegendsten und überraschendsten Ereignisse Revue passieren. Soviel ist sicher: Das Jahr 2023 hat es in sich.
Stabliste
Regisseur und Autor: Juri Köster
Schnitt: Jürgen Boll
Kamera: Ralph Heinze, Murat Han Varol, Frank Menzel u.a.
Animation: Gerd Gügel
Sounddesign: Julian Heidenreich
Mischung: Stefan Buchner
Produktionsleitung: Florian Rehm (ZDF), Stefanie Schollmeier (Caligari)
Redaktion (Caligari): Friedrich Steinhardt
Redaktion (ZDF): Christina Schrader, Meike Seibert
Leitung: Tobias Schultes
Harald Lesch über fossile und erneuerbare Energie
Warum dauert der Ausstieg aus fossiler Energie so lang?
Die fossilen Ressourcen haben einen unheimlich großen Vorteil: Sie besitzen eine sehr große Energiedichte. In 100 Milliliter Benzin steckt die Energie von zehn Stunden Fahrradfahren bei 100 Watt. Wir sind sehr abhängig von diesen hohen Leistungen, zum Beispiel in der Industrie oder der Luftfahrt. Ersatz dafür bietet der elektrische Strom, der aber mit erneuerbaren Energien (EE) viel schwieriger herzustellen ist, denn man braucht große Flächen bei der Photovoltaik, hohe Windkrafträder etc. Kurzum: Es ist eine große Umstellung, eine Transformation, die uns sehr schwerfällt. Nicht zuletzt, weil sie auch lange dauern wird und wir gerne schnelle Lösungen sehen wollen.
Wie ließe er sich beschleunigen?
In dem Moment, in dem es gelingt, große Mengen erneuerbarer Energien zu speichern – zum Beispiel mit einer Batterie oder einem Wärmekraftspeicher – wird es ganz schnell gehen. Denn dann ist das Argument, man sei zu sehr vom Tag-Nacht-Rhythmus oder vom Wetter abhängig nicht mehr stichhaltig. Sind die Speicher da, werden überall die erneuerbaren Energien ausgebaut, und es kommen auch die großen Wüstenkraftwerke.
Gibt es auch positive Folgen des Klimawandels?
Ich kenne keine. Der Klimawandel beschert uns Wetterextreme, die mir persönlich Angst machen. Vor allem die Erwärmung der Meere ist ein Menetekel an der Wand, denn die Ozeane haben bis jetzt die globale Erwärmung noch zu 90 Prozent gedämpft. Wenn die aber immer wärmer werden, dann wird auch die Dämpfung immer schwächer. Die großen Wärmemengen in den Ozeanen werden unser Leben auch in Europa stark verändern. Dürren, Feuer, Überschwemmungen, Stürme, Hagel ... alles im Übermaß. Klingt nach biblischen Strafen, ist aber die wahrscheinlichste Zukunft.
Was war Dein persönliches Wissenshighlight 2023?
Die bisher nicht geklärte Gammastrahlung der Sonne. Unser Stern gibt mehr Gammastrahlung ab, als die Modelle erklären können. Besonders bemerkenswert: Das findet immer im solaren Minimum statt, wenn die Sonne nicht so magnetisch aktiv ist – also weniger Sonnenflecken zeigt. Das überrascht mich als Plasmaphysiker schon, denn eigentlich sollten schnelle Teilchen mit hohen Energien durch die Beschleunigung an starken magnetischen Strukturen stattfinden. Tut es aber nicht – Überraschung! Bin auf die Erklärung sehr gespannt, denn ich habe selbst lange Jahre an der Beschleunigung von Teilchen mitgearbeitet. Und ansonsten: Ferencz Kraus und seine Forschung haben den Nobelpreis bekommen. Großartiger Kollege und großartige Forschung mit tollen Perspektiven. Gratulation.
Die Fragen stellte Dr. Tobias Schultes, Redaktionsleiter Natur und Technik
Mirko Drotschmann über Künstliche Intelligenz
Hand aufs Herz: KI – Fluch oder Segen?
Eher Segen. Wir neigen dazu, neue technische Entwicklungen erst einmal negativ zu betrachten, und in der Tat gibt es berechtigten Grund zur Sorge, dass Künstliche Intelligenz (KI) zur Gefahr für unser Zusammenleben werden könnte – denken wir nur an die Manipulationsmöglichkeiten, die sich damit ergeben. Oder an Jobs, die durch KI wegfallen könnten. Gleichzeitig bietet die Technologie aber auch viele neue Möglichkeiten, von denen wir heute noch gar nicht zu träumen wagen. KI führt jetzt schon zu spektakulären Fortschritten, unter anderem in der Medizin. Ich bin gespannt, was in den kommenden Jahren in dieser Hinsicht noch passieren wird.
Wie wird KI die Arbeitswelt verändern? Und hast Du Dir für deine Arbeit schon mal Hilfe von ChatGPT geholt?
Künstliche Intelligenz wird mit Sicherheit dafür sorgen, dass einige Berufe der Gegenwart nach und nach verschwinden. Viele Prozesse können durch KI automatisiert und damit vereinfacht werden – auch deshalb, weil wir hier über selbstlernende Systeme sprechen. Gleichzeitig werden sich aber völlig neue Jobs ergeben. Der Journalismus ist dafür ein gutes Beispiel: Wenn wir KI richtig einsetzen, kann sie unsere Arbeit vereinfachen und dabei helfen, mehr Zeit in tiefergehende Recherchen zu stecken. Ich nutze ChatGPT ganz gerne, um einen ersten Überblick über Themen zu bekommen oder um mich inspirieren zu lassen. Das System hat allerdings noch deutliche Grenzen – gerade, wenn es um die Tiefe oder Richtigkeit von Inhalten geht.
Was war dein persönliches Wissenshighlight 2023?
Tatsächlich waren das für mich die enormen Sprünge, die Künstliche Intelligenz in diesem Jahr gemacht hat. Besonders beeindruckt bin ich dabei von einem Online-Tool, das Videoclips so umwandeln kann, dass die Menschen, die darin zu hören sind, fließend mit ihrer eigenen Stimme in einer anderen Sprache sprechen können, inklusive dazu passender Lippenbewegungen. Diese Entwicklung ist wirklich spannend – und wird uns vielleicht eines Tages dazu befähigen, dass wir in Echtzeit jede Sprache der Welt verstehen und sprechen können. Was wäre das nur für ein Beitrag für die Völkerverständigung?
Die Fragen stellte Tobias Schultes, Redaktionsleiter Natur und Technik
Jasmina Neudecker über die Vorhersagbarkeit von Erdbeben
Türkei und Syrien sowie Marokko – zwei verheerende Erdbeben in diesem Jahr, die sich scheinbar ohne Vorwarnung ereignet haben. Warum ist es so schwer, Erdbeben vorher zu sagen?
Die Wissenschaft spricht davon, dass es keine zuverlässigen Vorläuferphänomene gibt. Das bedeutet letztlich schlicht, dass man nicht sagen kann: Immer, wenn XY passiert, kommt es danach zu einem Erdbeben. Es gibt beispielsweise manchmal Gasaustritte vor einem großen Beben, aber eben nicht immer. Es gibt also kein einziges Phänomen, das immer zuverlässig einem Erdbeben vorausgeht und es dadurch ankündigt. Das heißt, wir sind bisher auf Frühwarnsysteme angewiesen, die aber erst dann warnen können, wenn das Erdbeben stattfindet. So hat man oft nur Sekunden zwischen dem Beben und dem Erreichen der seismischen Wellen von Städten und Wohnorten.
Wie kann die Wissenschaft Menschen in Erdbebengebieten helfen?
Die Erdbebenforschung arbeitet daran, Verwerfungszonen so genau zu vermessen und zu überwachen, dass man die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Erdbeben kommt, noch exakter berechnen kann. So kann man beispielsweise sehen, in welchen Bereichen große Beben bereits überfällig sind. Auch Künstliche Intelligenz kann hier helfen, denn aus einer großen Menge an Daten kann die Forschung so leichter Korrelationen mit Beben feststellen.
Die Frage, wie die Wissenschaft in Erdbebengebieten helfen kann, in denen es bereits zu einem Beben gekommen ist, so wie in Kahramanmaraş, wo wir für "Terra X" gedreht haben, ist komplexer. Denn wenn man vor Ort ist, merkt man vor allem eins: Die Menschen wollen zurück zu einer Normalität, nach vorne schauen, weiterleben. Und das bedeutet eben vor allem auch: Wohnraum zurückerschließen. Es gibt nun aber auf der anderen Seite Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die zu recht auf Basis ihrer Daten warnen und die aufzeigen, in welchen Bereichen Wohnhäuser nicht wieder aufgebaut werden dürfen, weil es zu unsicher ist. Sie möchten katastrophale Folgen verhindern, haben es aber schwer, gehört zu werden. Beide Seiten kann ich gut verstehen.
Was war dein persönliches Wissenshighlight 2023?
Für mich war die Vergabe des Medizinnobelpreises an die Forschenden Katalin Karikó und Drew Weissman für Grundlagen zur Entwicklung von mRNA-Impfstoffen gegen Covid-19 ein Highlight und Fingerzeig. Denn während die Anwendung von mRNA bei den Corona-Impfstoffen viel Aufmerksamkeit bekommen hat, ist von dieser Technologie auch in anderen Bereichen noch viel zu erwarten. Vielen seltenen genetischen Krankheiten liegt ein fehlendes funktionsfähiges Protein zu Grunde. Dieses könnte man durch mRNA-Therapie ersetzen. Außerdem ist das Potenzial im Bereich der Krebsmedizin groß. RNA kann man sehr zielgerichtet einsetzen – und es ist leicht individualisierbar. Etwas, das in der Medizin einen immer größeren Stellenwert bekommt.
Die Fragen stellte Tobias Schultes, Redaktionsleiter Natur und Technik
Fotohinweis
Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/terrax
Weitere Informationen
"Terra X" in der ZDFmediathek: terra-x.zdf.de
"Terra X plus Schule" in der ZDFmediathek: Schule.zdf.de
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