Der Pate von St. Petersburg. Putins Aufstieg zur Macht
Terra X History: Doku-Dreiteiler und Dokumentation
Wladimir Putin lenkt sein Land mit eiserner Hand. Doch wie konnte er sich vom KGB-Agenten zum mächtigsten Mann Russlands aufschwingen? Wer Putins Aufstieg begreifen, sein Handeln verstehen und seine Netzwerke nachvollziehen möchte, findet Antworten am Beginn seiner politischen Karriere – im St. Petersburg der frühen 1990er Jahre. Als rechte Hand des Bürgermeisters Anatoli Sobtschak macht Putin bald von sich reden und knüpft mit der Zeit ein Netzwerk aus Geheimdienst und Unterwelt, bis ihm schließlich der Sprung nach Moskau gelingt.
Fotos
Texte
Buch und Regie Johannes Müller und Florian Huber
Szenische Regie Sigrun Laste
Mitarbeit Anastasija Kirilenko, Lena Löwen, Anita Solianko
Kamera Jürgen Rehberg, Maciej Rolbiecki
Schnitt Holger Fink, Till Ufer
Musik Paul Rabiger
Art Direction, visuelles Konzept Sigrun Laste, Kevin Liebigt
Produktion Story House Roland Albrecht, Mirko Mikelskis
Produktion ZDF Philipp Müller
Redaktion Stefan Gierer, Stefan Mausbach, Michael Renz
Leitung Stefan Brauburger
Länge 3 x 30 Minuten (Streaming) und 90 Minuten (linear)
2025 ist Wladimir Putin ein Vierteljahrhundert an der Macht. Aber wie ist er dorthin gekommen? Die plattformübergreifende Dokumentation "Der Pate von St. Petersburg" erzählt von Putins Aufstieg in einer der gefährlichsten Städte der Welt der 1990er Jahre. Als Vize-Bürgermeister und Strippenzieher wird er zum zweiten Mann in der Stadt. In einer Zeit grausamer Fehden rivalisierender Verbrecher-Banden knüpft er ein Netzwerk aus Geheimdienst- und Mafia-Seilschaften: eine Basis für Russlands künftige Machtelite, die auf dem Weg nach oben deutliche Spuren von Korruption, schwarzen Kassen und rätselhaften Todesfällen hinterlässt.
Der Film stützt sich auf exklusive Zugänge zu Putins damaligem Umfeld, einen Untersuchungsbericht aus dem St. Petersburger Stadtparlament, Gespräche mit deutschen Akteuren, zahlreichen Augenzeugen und bisher nicht gesehenen Filmaufnahmen.
Die Doku enthüllt, wie Putin, der für viele Beobachter aus dem Westen aus dem Nichts zu kommen schien, ein Geflecht knüpfte, das später in der Lage war, einen ganzen Staat zu durchdringen und zu kontrollieren. Heute sitzen die "Petersburger" in einflussreichen Positionen – sofern sie sich nicht mit Putin überworfen haben. Denn vermeintliche Verräter und Abtrünnige betrachtet er als Feinde.
Auf eine Bitte um Stellungnahme zu den im Film geäußerten Vorwürfen an die Präsidialverwaltung der Russischen Föderation ist bis zum jetzigen Zeitpunkt (12.08.2025) keine Antwort eingegangen.
"Der Pate von St. Petersburg: Agent" (1/3)
Anfang 1990 wird der KGB-Agent Wladimir Putin von Dresden in die Sowjetunion zurückbeordert. In Leningrad macht er sich als Assistent des Bürgermeisters Anatoli Sobtschak schon bald einen Namen. Er gilt als Macher, der dem in Verwaltungsdingen inkompetenten Sobtschak zur Seite steht. Diese Loyalität wird Putin im neu entstehenden Machtgefüge nach oben verhelfen. Doch jetzt steckt die Stadt in der Krise. Durch Misswirtschaft, Korruption und den Zusammenbruch der Sowjetwirtschaft werden Lebensmittel knapp. Putin präsentiert öffentlichkeitswirksam ein Beschaffungsprogramm: Wertvolle Rohstoffe sollen exportiert und dafür Lebensmittel importiert werden. Doch ein Untersuchungsausschuss des Stadtparlaments von St. Petersburg, wie Leningrad mittlerweile wieder heißt, kommt zu dem Schluss: Mit Putins Unterschrift verschwinden Rohstoffe im Wert von mehr als 100 Millionen Dollar im Ausland, Lebensmittel kommen im Gegenzug – keine. Das Geld landet mutmaßlich in schwarzen Kassen im Ausland. Der Untersuchungsausschuss fordert Putins Rücktritt und Ermittlungen des Staatsanwalts. Doch Sobtschak nimmt ihn in Schutz. Denn Putin hat sich unersetzlich gemacht, auch als Ausputzer von Sobtschaks eigenen Korruptionsaffären. Statt eines Strafverfahrens bekommt Putin eine Beförderung und wird zum stellvertretenden Bürgermeister.
"Der Pate von St. Petersburg: Schattenmann" (2/3)
Nach dem Ende der Sowjetunion wird die Staatswirtschaft privatisiert. Politiker, Investoren und Kriminelle kämpfen in St. Petersburg um Macht und Geld – mit allen Mitteln. Wladimir Putin hat seine neue Position gefestigt, die überzeugten Demokraten im Rathaus werden nach und nach ausgetauscht gegen seine Vertrauten, die meisten ebenfalls mit KGB-Hintergrund. Doch in der Stadt herrscht die Gewalt. Das organisierte Verbrechen stellt die Verwaltung vor Probleme. Eine Sicherheitsfirma mit illustrem Personal, darunter Ex-Geheimdienstler und ein berüchtigter Auftragskiller, soll Putin und Sobtschak schützen. Zeitzeugen berichten von eingetriebenen Schutz- und Bestechungsgeldern. Abgesichert durch ein System von Mittelsmännern soll auch Putin daran verdient haben. Der dementiert schon damals Korruption, pflegt ein Saubermannimage und will ausländischen Investoren den Wirtschaftsstandort St. Petersburg schmackhaft machen. Doch ein Wochenendhaus, eine Luxuslimousine und ungeklärte Zahlungen werfen Fragen auf. Für Putins Kritiker ist klar: In jenen Jahren etabliert der Schattenmann Putin ein Netzwerk korrupter Unterstützer, die bis heute von ihm abhängig sind, von denen er profitiert und die teils noch zu seinem innersten Machtzirkel zählen.
"Der Pate von St. Petersburg: Zar" (3/3)
1996 ist Waldimir Putins Aufstieg in St. Petersburg zu Ende: Anatoli Sobtschak verliert erst die Wahl ums Bürgermeisteramt und wird dann aufgrund von Korruptionsvorwürfen verhaftet. Doch Putin hat sich über die Jahre ein stabiles Netzwerk aufgebaut. Er schafft den Sprung nach Moskau. Der Unauffällige fällt auf, weil er sich als loyaler Stratege mit Macherqualitäten präsentiert. Viele Beobachter sind überzeugt: Es ist Putin, der seinen Ex-Chef Sobtschak in einer Nacht-und-Nebel-Aktion außer Landes schaffen lässt und ihn so vor einem Gerichtsverfahren wegen Korruption bewahrt. Fest steht jedenfalls, dass auch die Machthaber im Kreml rund um Präsident Jelzin mit Korruptionsvorwürfen konfrontiert werden. 1998 wird Putin Chef des Inlandsgeheimdienstes FSB. Wenig später präsentiert er im Staatsfernsehen ein Video, das den Generalstaatsanwalt beim Sex mit Prostituierten zeigen soll. Jener Mann, der auch Korruptionsermittlungen gegen Boris Jelzins Umfeld führt. Der Staatsanwalt tritt zurück. Putin wird Premierminister, nach dem überraschenden Rücktritt Jelzins schließlich Staatspräsident. Immer weiter baut Putin seine Macht aus, auch mit jenen Seilschaften aus Geheimdienst und Unterwelt, die ihn seit seiner Zeit in St. Petersburg umgeben. Vermeintliche Verräter leben jetzt gefährlich.
Auf eine Bitte um Stellungnahme zu den in der Doku-Reihe geäußerten Vorwürfen an die Präsidialverwaltung der Russischen Föderation ist bis zum jetzigen Zeitpunkt (12.08.2025) keine Antwort eingegangen.
Wie kam es zu der Idee für den Film?
Es begann mit einem Youtube-Video, auf dem ein Petersburger Polizist die Ergebnisse seiner Ermittlungen gegen Wladimir Putin und ein mafiöses Firmengeflecht in St. Petersburg in den 1990er Jahren protokolliert. Die offiziellen Ermittlungen wurden beendet, nachdem Putin Präsident wurde. Was der Mann berichtet, zeichnet das Bild eines Netzwerks aus Mafia und Geheimdiensten, das Putin in seiner Funktion als stellvertretender Bürgermeister von St. Petersburg maßgeblich steuerte. Für uns der Anlass, tiefer in diese Zeit einzusteigen und der Frage nachzugehen, ob dort auch die Ursprünge für Putins heutiges Machtsystem liegen.
Wie schwierig war es, die Protagonisten zu finden und zu überzeugen bei dem Filmprojekt mitzumachen?
Die Recherche war höchst anspruchsvoll. Viele Interviewpartner sprechen zum ersten Mal mit internationalen Journalisten. Fast alle haben Russland verlassen und Angst, zu berichten, was ihnen widerfahren ist oder wie sie Putin und seine Helfer erlebt haben. Manche haben Angst um ihr Leben, denn bis heute erhalten sie anonyme Drohungen. Offenkundig wird nach wie vor versucht, alles zu verdrängen, oder gar auszulöschen, was nicht zu Putins offizieller Version seiner Vergangenheit passt.
Was glauben Sie, sind die Beweggründe, dass die Protagonisten bereit waren mitzuwirken?
Trotz der gefährlichen Umstände, in denen sie bis heute leben, treten alle dennoch mit vollem Namen auf. Sie wollen gehört werden und dazu beitragen, dass der wahre Charakter Putins und seines Regimes deutlich wird – eine Mischung aus KGB- und Mafia-Mentalität.
Was waren sonst noch Herausforderungen bei der Recherche und den Dreharbeiten?
Wir haben unsere Protagonisten zum großen Teil unter konspirativen Umständen getroffen. Um sie bestmöglich zu schützen, haben wir sowohl ihren Aufenthaltsort als auch die Drehplanungen maximal vertraulich behandelt. Dazu gehört auch, unsere Server und technischen Systeme vor Angriffen von außen besonders zu schützen und nur auf sicheren Kanälen zu kommunizieren.
Wie wurden die Angaben der Protagonisten überprüft?
Im Kontext unserer früheren Produktionen zum Thema haben wir ein internationales Netzwerk investigativer Journalistinnen und Journalisten entwickelt. Viele Angaben konnten wir so doppelt gegenchecken beziehungsweise plausibilisieren. Wenn wir nur persönliche Erinnerungen wiedergeben, machen wir dies deutlich, und wir haben Wladimir Putin selbstverständlich die Chance zur Stellungnahme gegeben.
Gibt es Erkenntnisse, die sie zu Beginn des Projekts so nicht erwartet hatten? Wenn ja, welche sind das?
Uns hat überrascht, dass die Verwicklung Putins in Korruption, Geheimdienstskandale und mafiöse Strukturen für die deutsche Diplomatie damals wie heute offenbar kein Thema zu sein scheinen. Während die Amerikaner in den 1990er Jahren aus ihrem Konsulat heraus eigene Ermittlungen gegen Bürgermeister Sobtschak und gegen seinen Stellvertreter Putin geführt haben und diese Themen in der ausländischen Community und sogar unter deutschen Unternehmern ein offenes Geheimnis waren, sagten uns die damals anwesenden deutschen Diplomaten auf Nachfrage, davon habe man nichts mitbekommen.
Die Fragen stellte Birgit-Nicole Krebs
Roman Anin, Investigativjournalist
Über Putins Zeit in St. Petersburg:
"Wenn wir verstehen, was Putin in den 1990er-Jahren getan hat, können wir viel einfacher vorhersagen und verstehen, wie er heute handeln wird."
Über Putins Prägung:
"Er wurde von zwei Mentalitäten geprägt: der kriminellen Mentalität und der Mentalität eines Geheimdienstoffiziers."
"Putin und seine KGB-Freunde sind Soldaten des Kalten Krieges. Darin haben sie eine vernichtende Niederlage erlitten. Seitdem leiden sie am Versailles-Syndrom. Sie wollen sich am Westen rächen. Diese 'Petersburger' sind Putin auf dem Weg nach oben gefolgt. Sie haben durch ihn die Macht in Russland übernommen."
Über das Netzwerk von Waldimir Putin:
"Menschen, die zu Putins Kreis gehören, müssen auf die eine oder andere Weise ihre Loyalität zu ihm beweisen."
Über den russischen Staat:
"Das Regime in Russland, der Staat, den Putin aufgebaut hat, ist halb Mafia-Staat, halb KGB-Staat."
Philip Short, Journalist, ehem. BBC-Korrespondent in Russland und Putin-Biograf
Über Putins Zeit in St. Petersburg:
"Es hieß später immer, er sei nicht ehrgeizig gewesen. Er war ehrgeizig. Er hat es nur sehr gut verborgen."
Über das St. Petersburg der 1990er-Jahre:
"St. Petersburg war berühmt für die Gewalt. Es war der wilde Westen von Russland. Das organisierte Verbrechen war überall und stellte ein ernstes Problem für die Lokalregierung dar."
Über Putins Verhältnis zur Unterwelt:
"Putin war geübt im Umgang mit schweren Jungs. In den Judoclubs von St. Petersburg trainierten viele Typen, die aus dem Arbeitslager kamen, die Vorstrafen hatten. Putin bewunderte diese Leute. Die Unterwelt zog ihn an, ohne dass er jemals dazugehörte."
Sergej Schirnow, ehemaliger KGB-Agent
Putins Geschichte mit der Ratte:
"Es gibt eine Geschichte, die er gern über sich selbst erzählt. Als Junge hat er mal eine Ratte mit einer Eisenstange gejagt und sie in die Ecke gedrängt. Und dann griff die Ratte ihn an. Man sollte ihn nicht in die Ecke treiben."
Andrew Goodman, damals US-Diplomat in St. Petersburg
Über Putins Haltung zu Korruption:
"Putins Haltung zu Korruption war: 'Loyale Diener des Staates verdienen eine Belohnung'."
Marina Litwinenko, Witwe des ehemaligen FSB-Agenten Alexander Litwinenko
Über die Ermittlungen ihres Mannes:
"Mein Mann erkannte, wie Verbrecher, Geheimdienste und Politik verschmolzen zum Machtapparat des modernen Russlands. Und natürlich wurde er damit für Putin zum Hauptfeind."
Über die Vergiftung ihres Mannes:
"Am 8. November 2006 sollte mein Mann nach Madrid fliegen, um vor Gericht auszusagen. Am 1. November bekam er eine tödliche Dosis Polonium."
José Grinda, spanischer Staatsanwalt, traf Alexander Litwinenko im Zuge seiner Ermittlungen gegen die russische Mafia im Jahr 2006:
Über die Botschaft der Vergiftung Litwinenkos:
"Die Art und Weise, wie sie ihn ermordet haben, enthält offensichtlich zwei Botschaften: 'Verrätern wird nicht vergeben' und 'Wir erwischen Euch überall.'"
Ab Sonntag, 21. September 2025, 5.00 Uhr im ZDF streamen, 10 Jahre lang
ZDF: Sonntag, 21. September 2025, 23.45 Uhr
Terra X History: Putins Lehrjahre. Vom Hinterhof an die Macht
Film von Florian Huber und Johannes Müller
Leitung: Michael Renz, Stefan Brauburger
Seit 25 Jahren ist Wladimir Putin der starke Mann Russlands. Seine Karriere startet in einer Zeit des Übergangs: der sterbenden Sowjetunion. Das Prequel zum ZDF-Dreiteiler "Der Pate von St. Petersburg" taucht zunächst in die Lebenswelten seiner Jugend ein – beginnend mit dem rauen Leben in den Hinterhöfen Leningrads.
Auf prägende Momente in der Kampfsportszene der Metropole folgt der Sprung an die Universität und von dort aus in die Kaderschmieden des KGB. Als Agent erlebt er den Zusammenbruch des Kommunismus in der DDR. Für Putin endet damals mehr als nur ein System. Für ihn bricht eine Welt zusammen. Eine Erfahrung, die ihn als Machtmenschen prägt, bis heute. In den Trümmern der alten Ordnung beginnt sein Aufstieg. Mit Verbindungen zur Unterwelt und zu Seilschaften aus der Geheimdienstzeit bahnt er sich Schritt für Schritt den Weg zur Macht. Seine Herkunft und Vorgeschichte werden sich in einigen Grundzügen russischer Politik des 21. Jahrhunderts spiegeln. Eine Demütigung Russlands darf es nie wieder geben, darüber ist sich der Herrscher im Kreml klar. Und die Macht, die er gewonnen hat, will er nicht mehr abgeben.
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