Glück/Bliss

Das kleine Fernsehspiel zeigt ein Drama von Henrika Kull

Die Sexarbeiterinnen Sascha (Katharina Behrens) und Maria (Adam Hoya) treffen sich in einem Berliner Bordell. An einem Ort, an dem der weibliche Körper eine Ware ist, erleben sie Momente des Glücks. Das ZDF zeigt die Liebesgeschichte über Anziehung, Ängste und Selbstbestimmtheit als Free-TV-Premiere und in der ZDFmediathek.

  • ZDF Mediathek, Ab Freitag, 3. Februar 2023, bis 4. April 2023, in der ZDFmediathek
  • ZDF, Montag, 6. Februar 2023, 0.05 Uhr

Texte

Eine Geschichte von Liebe und Arbeit | Von Burkhard Althoff, Redaktionsleiter ZDF/Das kleine Fernsehspiel

Autorin und Regisseurin Henrika Kull begibt sich mit ihrem zweiten Langfilm "Glück/Bliss" in ein Gebiet unserer Gesellschaft, das häufig ausgeblendet oder skandalisiert wird. Dabei lotet sie auch filmemacherische Grenzen aus. Mit Katharina Behrens und Adam Hoya drehte sie zusammen mit Sexarbeiterinnen und Sexarbeitern in einem Berliner Bordell und erzählt jenseits von Stigmatisierung und Klischees leidenschaftlich und doch mit klarem, sachlichem Blick eine Geschichte von Liebe und Arbeit. Das Bordell ist für sie keine Kulisse, keine Schublade, kein Genreelement, sondern schlicht der Ort, an dem sich ihre Figuren kennenlernen, an dem ihre Liebe entsteht und der ihre Beziehung bedingt und beeinflusst – so wie auch andere Orte, andere Kolleginnen und Kollegen und andere Arbeitsbedingungen eine Liebesgeschichte prägen würden. Diese interessierte und unvoreingenommene Haltung, diese unaufgeregte und genaue Betrachtung, bei der Dokumentarisches und Fiktionales sich gegenseitig aufladen, schafft ein intensives filmisches Erleben und ermöglicht Erkenntnisse jenseits von Stereotypen. Henrika Kull hat mit "Glück/Bliss" so etwas Seltenes geschaffen: einen im besten Sinne politischen Liebesfilm.

Stab und Besetzung

Stab

Buch
und Regie                 Henrika Kull

Kamera                     Carolina Steinbrecher

Schnitt                     Anne-Lena Engelhardt, Henrika Kull, Hannah Schwengel

Ton                           Manja Ebert

Musik                       Dascha Dauenhauer

Produzent                Martin Heisler

Produktion               Flare Film in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel
                                gefördert durch BKM, Medienbord Berlin-Brandenburg
                                und Deutscher Filmförderfonds

Redaktion                Burkhard Althoff (ZDF/Das kleine Fernsehspiel)

Länge                      circa 83 Minuten

 

Besetzung

Sascha                   Katharina Behrens

Maria                      Adam Hoya

Scarlett                  Nele Kayenberg

Mike                       Jean-Luc Bubert

Petra                      Petra Kauner

und andere

Inhalt

Sascha arbeitet schon seit Jahren im Berliner Bordell Queens. Bei Kolleginnen und Gästen ist sie beliebt, und doch verspürt sie eine große innere Leere. Auf die Beziehung mit ihrem aktuellen Freund Stefan kann sich die 42-jährige trotz seiner Bemühungen emotional nicht einlassen. Auch mit ihrem elfjährigen Sohn Max, der beim Vater in Brandenburg lebt, ist es ihr nicht möglich ein enges Verhältnis aufzubauen.

Als eines Tages die 25-jährige Italienerin Maria im Queens anfängt zu arbeiten, fühlt sich Sascha sofort von ihr angezogen. Die neue Kollegin ist anders: autark, unangepasst, queer. Sascha bewundert Maria für ihre Entschlossenheit und Andersartigkeit – und wird gleichzeitig von ihr herausgefordert. Maria wiederum ist fasziniert von Saschas Sonderstellung im Bordell und ihrem Charisma. Sie will Sascha erobern.

Die beiden schleichen umeinander herum, flirten heimlich, kommen sich immer näher. Aus der Anziehung wird eine Liebe, die anders funktioniert als alles, was sie bisher kannten. Es ist die Verheißung auf das große Glück. Doch dann droht ihre Verbindung zu zerbrechen – an der Angst, sich einander wirklich zu zeigen und sich den eigenen Abgründen zu stellen.

Regiestatement Henrika Kull (Buch und Regie)

Sehnsucht und Körperlichkeit, aber auch Orte sozialer Grenzerfahrung und Stigmatisierung sind Themen, die mich schon immer faszinieren. Eine Recherche führte mich 2010 erstmals in ein Bordell. Ich wollte erfahren, wie dieser Ort funktioniert: Wie würden die Frauen dort mit ihrer Weiblichkeit, wie würden sie miteinander, aber auch mit ihren Kunden umgehen?

Ich setzte meine Recherche über die Jahre in unterschiedlichen Bordellen fort, arbeitete in einigen hinter der Bar oder assistierte den Hausdamen. Dabei führte ich Gespräche mit den Sexarbeiterinnen, aber auch mit deren Gästen. So sehr sich die Orte, an die ich kam, unterschieden, nahm ich die Frauen doch meist sehr selbstbestimmt in ihrer Berufsausübung wahr. Ich stellte fest, dass sie ihren Job vor allem als Möglichkeit sahen, besser an Geld zu kommen als in anderen Berufen oder Lebensoptionen. Da sie sich Mechanismen angeeignet hatten, Übergriffe zu antizipieren und bewusst mit diesen umzugehen beziehungsweise sie erst gar nicht zuzulassen, erlebte ich sie immer als Akteurinnen, die ihre Grenzen selbst definierten.

In meinem zweiten Spielfilm wollte ich eine fiktive Liebesgeschichte erzählen, die an einem solchen Ort spielt, an dem Liebe ganz körperlich zur Ware wird. Dabei wollte ich nicht nur meine Erfahrungen möglichst "echt" in die Geschichte integrieren, sondern vor allem auch während des Drehs offen sein für neue Erkenntnisse. Deshalb suchte ich nach einem Bordell, in dem die Sexarbeiterinnen Lust darauf hatten, sich auf das gemeinsame Experiment einzulassen, mit und bei ihnen einen Film zu drehen.

Ich kehrte in ein Bordell zurück, das ich schon aus meinen Recherchen kannte, hier hatte ich der Hausdame assistiert und kannte viele der Frauen, die dort arbeiteten. Die große Herausforderung an meiner Idee war, dass die Frauen sich zwar in ihrem gewohnten Umfeld selbst spielen sollten, ich aber die von Schauspielerinnen und Schauspielern verkörperten Hauptfiguren in ihre Welt integrieren wollte. Wir verbrachten viel Zeit vor Ort, mit und ohne Kamera, was nicht immer unproblematisch war, da wir natürlich durch unsere Anwesenheit die Abläufe störten und nicht alle Frauen im Film vorkommen wollten. Dennoch bewegten sich die Schauspielerinnen und Schauspieler durch diese Vorgehensweise immer natürlicher vor Ort, und die Sexarbeiterinnen nahmen uns bald nicht mehr als Fremdkörper wahr.

Da der Beruf der Sexarbeiterin stark stigmatisiert ist und viele der Frauen ein Doppelleben führen, war es mir besonders wichtig, bereits während des Drehs zu vermitteln, dass unser Film den Frauen auf Augenhöhe begegnen und sie weder abwerten noch vorführen will, sondern den Arbeitsplatz Bordell in seiner alltäglichen Normalität zeigen will. Mir war es wichtig, Sexarbeit als Arbeit darzustellen, als Service, als Performance, als eine Möglichkeit, Geld zu verdienen. Dabei stellte ich mir immer wieder die Frage, ob denn selbstbestimmte Sexarbeit möglich ist. Noch spannender finde ich aber die Frage, ob selbstbestimmte Arbeit im Kapitalismus überhaupt möglich ist.

Im Laufe meiner Recherchen und während der Dreharbeiten bekam ich immer mehr das Gefühl, dass die Sexarbeiterinnen sich durch ihre Tätigkeit die Deutungshoheit über ihre Körper zurückerobern und ihn zu einer Ware machen, aus der sie selbst Kapital schöpfen, statt die Ausbeutung dem Patriarchat zu überlassen. Nachdem die systematische Einhegung des weiblichen Körpers Jahrhunderte lang als Methode der Unterdrückung vom Patriarchat missbraucht wurde, erhält Sexarbeit so für mich eine subversive Konnotation. Sich in der Welt, in der wir leben, für eine sexuelle Performance bezahlen zu lassen, kommt mir als Reaktion konsequent und ehrlich vor.

"Glück/Bliss" soll aber vor allem ein Liebesfilm über zwei Frauen sein, die nicht, oder nicht mehr, an die Liebe glauben. Mich interessiert, wie sich Machtasymmetrien – gerade im Kapitalismus – auf Beziehungen auswirken können. Sascha hat gelernt, sich selbst zu beschützen, sie verletzt sich lieber, als verletzbar zu sein. Sie glaubt nicht, dass sie Talent hat glücklich zu sein. Maria versucht fast zwanghaft ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Das Ringen um die Chance auf tiefe Verbundenheit macht für mich den Kern der Erzählung aus.

Festivals und Auszeichnungen – eine Auswahl

Berlinale 2021
Sektion Panorama (Premiere)

Out on Film Atlanta LGBTQ Film Festival, Atlanta/USA 2021
Preis bester Spielfilm

Seattle Queer Film Festival, USA 2021
Preis bester Spielfilm

Festival de Cine LGBTI Centro Niemeyer, Spanien, 2022
Bester Spielfilm und Publikumspreis

Biografien

Biografie Henrika Kull (Buch und Regie)
Henrika Kull, 1984 in Süddeutschland geboren, studierte Sozialwissenschaften in Köln. Ihrer Diplomarbeit über die Deutsche Filmförderung (2012) schloss sie ein Produktionsstudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) an. In der Filmklasse von Isabelle Stever führte sie das erste Mal selbst Regie und studierte ab 2014 Regie an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf, unter anderem bei Angelina Maccarone und Barbara Albert, der sie bei deren Film "Licht" (2017) assistierte. Henrika Kulls Abschlussfilm "Jibril" feierte 2018 seine Premiere im Panorama der Berlinale und gewann mehrere Preise, unter anderem den Studio Hamburg Nachwuchspreis als Bester Spielfilm. 2019 kam er deutschlandweit in die Kinos. Ihr Debütfilm "Glück/Bliss" wurde von Flare Film in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel produziert. Ihr neues Spielfilmprojekt "Central Station" befindet sich gerade in der Drehbuchentwicklung und wird vom Medienboard Berlin Brandenburg mit dem Artist-in-Residence-Programm unterstützt.

Biografie Katharina Behrens (Rolle Sascha)
Katharina Behrens, 1981 in Meiningen geboren, absolvierte bis 2007 ein Schauspielstudium am Max-Reinhardt-Seminar in Wien. Danach folgten Engagements an diversen Theatern, unter anderem am Thalia Theater Hamburg, Theater Osnabrück und Schauspiel Stuttgart. Für ihre Rolle im Kurzfilm "Wo wir sind" (2015) von Ilker Çatak wurde sie auf dem Festival International du Film d'Aubagne als Beste Schauspielerin ausgezeichnet. Neben Auftritten im Fernsehen spielte sie unter anderem in Çataks "Es war einmal Indianerland" (2017). 2021 wird sie in "Räuberhände" zu sehen sein, dem neuen Film von Ilker Çatak. Die Rolle der Sascha in "Glück/Bliss" ist ihre erste Kinohauptrolle.

Biografie Adam Hoya (Rolle Maria)
Der italienische Künstler Adam Hoya lebt in Athen. Unter dem Namen Eva Collé lebte er von 2012 bis 2019 in Berlin und performte im Film "Searching Eva" (2018). Adam hat seit 1992 mindestens ein halbes Dutzend unterschiedlicher Namen für sich gewählt und hat über viele Jahre selbst von der Sexarbeit gelebt.

Weitere Informationen

Fotos sind erhältlich über ZDF Presse und Information, Telefon: 06131 – 70-16100, und über https://presseportal.zdf.de/presse/glueckbliss

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