Jenseits von Schuld

Dokumentarfilm aus der Reihe "Das kleine Fernsehspiel"

Das Ehepaar Högel Copyright: ZDF und Tobias Tempel
Das Ehepaar Högel Copyright: ZDF und Tobias Tempel

"Jenseits von Schuld" (2024) von Katharina Köster und Katrin Nemec erzählt die Geschichte eines Elternpaares, dessen Sohn zum Mörder wurde: Niels Högel, verurteilt in 85 Fällen. Können die Eltern ihren Sohn noch lieben, trotz dieser unverzeihlichen Schuld? Wie gelingt es ihnen, ihr Leben als Paar und Familie weiterzuführen? Der Film, entstanden über einen Zeitraum von sechs Jahren, zeigt die Perspektive der Eltern, nicht den Täter: Denn auch sie sind durch seine Verbrechen zu Opfern geworden.

Sendedatum

Ab Mittwoch, 17. September 2025, 10 Uhr, bis Dienstag, 17. Dezember 2026
Montag, 22. September 2025, 23.55 Uhr

Texte

Redaktionelle Einordnung

"Jenseits von Schuld" erzählt eine Geschichte, die selten erzählt wird: die der Eltern eines Täters. Ulla und Didi Högel müssen sich mit der unfassbaren Wahrheit auseinandersetzen, dass ihr Sohn zum Serienmörder wurde – und mit der Frage, was das für sie als Eltern bedeutet. Inmitten einer wachsenden gesellschaftlichen Faszination für True-Crime-Erzählungen wählt "Jenseits von Schuld" eine besondere Perspektive. Der Film richtet den Blick bewusst auf eine selten erzählte Peripherie von Verbrechen: das emotionale Ringen von Menschen, die durch ihre Verbundenheit mit einem Täter ihre Elternliebe, ihre Werte und ihr Leben neu verhandeln müssen. Die Regisseurinnen Katharina Köster und Katrin Nemec begegnen dem Ehepaar Högel mit großer Umsicht, Respekt und Sensibilität. Ihr filmischer Ansatz schafft Raum für Empathie, ohne die Opfer aus dem Blick zu verlieren. Die Geschichte der Eltern wird nicht losgelöst von den Taten ihres Sohnes erzählt; vielmehr wird das Leid der Opfer immer wieder in die Erzählung eingebettet. Der Redaktion war es ein besonderes Anliegen, diesen mutigen und vielschichtigen Film zu ermöglichen. "Jenseits von Schuld" ist ein Dokumentarfilm, der berühren, herausfordern und zum Nachdenken anregen soll – darüber, was wir über Schuld zu wissen glauben, und über das, was jenseits davon liegt.

Varinka Link, ZDF

Nadja Grünewald-Kalkofen, ZDF

Inhalt, Stab, Mitwirkende

Inhalt

Ulla und Didi Högel haben sich bemüht, ihren Sohn mit Liebe und Vernunft zu erziehen. Nichts in seiner Kindheit und ihrem Familienleben deutete darauf hin, dass er eines Tages zu einem Serienmörder werden würde. Niels Högel hat als Krankenpfleger vermutlich mehr als hundert Menschen umgebracht, verurteilt wurde er für 85 Morde. Ein in der deutschen Kriminalgeschichte beispielloser Fall.
Von einem auf den anderen Tag ist die Schuld ihres Sohnes über Ulla und Didi Högel hereingebrochen und hat ihr Leben seither unweigerlich mit seinen Taten verknüpft. Auch nach Jahren rotieren immer wieder dieselben Fragen in ihren Köpfen, denn keine Antwort reicht aus, um Ruhe zu finden. Auch die Ereignisse während der Dreharbeiten lassen eine Verdrängung nicht zu: Es gibt einen neuen Prozess, der sich diesmal gegen mögliche Mitwisser richtet. Wieder ist alles in den Nachrichten, wieder in den Zeitungen, ganze TV-Serien werden über ihren Sohn gemacht. Immer wieder werden auch ihre Namen genannt, Ulla und Didi Högel, ihre Berufe, Details aus ihrem Familienleben, so als hätten sie durch ihre Elternschaft jedes Recht auf Privatsphäre verwirkt.
Und dann ist der Umgang mit dem Sohn alles andere als einfach – sie haben sich entschieden, den Kontakt zu ihm zu halten und ihn nicht fallen zu lassen. Aber können sie ihm vertrauen? Alle Medien berichten, dass er manipulativ sei. Wer weiß, ob er nicht auch seine Eltern manipuliert? Und was bedeutet das in der Konsequenz für sie selbst, ihre eigene Urteilskraft, ihre Identität?
Ulla ist sich plötzlich nicht mehr sicher, ob sie sich dem Vorhaben, einen Dokumentarfilm zu machen, gewachsen fühlt. Und Didi, der immer ausgleichend zwischen ihr und dem Sohn vermittelt, bekommt Herzprobleme. Aber die beiden stellen sich und gehen an ihre Grenzen, menschlich, als Eltern und als Paar. Sie haben gelernt, ihren Alltag in diesem extremen Spannungsfeld zu bestreiten. Katharina Köster und Katrin Nemec haben sie dabei sechs Jahre lang begleitet und sich ihnen sensibel angenähert. So gibt "Jenseits von Schuld" tiefgehende Einblicke in das Leben der Eltern eines Serienmörders, ohne dabei voyeuristisch zu sein.

 

Stab und Mitwirkende

Buch und Regie                     Katharina Köster und Katrin Nemec

Kamera                                  Tobias Tempel

Schnitt                                   Miriam Märk

Ton                                         Björn Rothe

Musik                                     Cico Beck

Sounddesign                         Cornelia Böhm

Tonmischung                         Andrew Mottl

Produzent/innen                    Isabelle Bertolone, David Armati Lechner, Trini Götze

Produktion                             Trimafilm in Koproduktion mit ZDF/Das kleine Fernsehspiel gefördert durch den FilmFernsehFonds Bayern (FFF Bayern) und den Deutschen Filmförderfonds (DFFF)

Redaktion                               Varinka Link (ZDF), Nadja Grünewald-Kalkofen (ZDF)

Länge                                     79 Minuten

Mit                                         Ulla und Didi Högel

Preise und Nominierungen

•    VFF Dokumentarfilm-Produktionspreis 2024 – Nominierung
•    DOK.fest München 2024 – Wettbewerb DOK.deutsch: Gewinner des Publikumspreises (sektionsübergreifend)
•    Locarno Film Festival 2024 – Semaine de la Critique
•    Internationales Filmfest Oldenburg 2024 – Sektion International
•    Filmfestival Max Ophüls Preis 2025 – Watchlist
•    Budapest International Documentary Festival 2025 – Competition
•    Filmtage Friedrichshafen 2025
•    Nonfiktionale 2025 – Wettbewerb
•    Filmfest Bremen 2025 – Wettbewerb

Regiestatement: Katharina Köster und Katrin Nemec

Am Anfang unseres Filmprojekts stand das Thema: Der Konflikt von Eltern, die Kontakt zu ihrem Kind halten, obwohl es eine Schuld auf sich geladen hat, die nicht verzeihbar ist. Jahrelang haben wir nach Eltern gesucht, die sich trauen, ihre Geschichte zu erzählen. Dass wir das Elternpaar Högel gewinnen würden, deren Sohn einer der größten deutschen Serienmörder ist, war nicht geplant. Entsprechend wichtig war es uns, jeder Sensationslust zu widerstehen und wirklich die Geschichte der Eltern zu erzählen – und nicht doch wieder die des Täters. Über Täter*innen spricht man ständig. Wir wählen eine neue Perspektive, die nicht zulässt, dass die Zuschauer*innen sich abgrenzen und moralisch über die Eltern erheben, sondern sie fordert, sich einzufühlen.

Als Filmemacherinnen interessieren uns persönlich Themen, bei denen wir an die Grenzen unserer eigenen moralischen Vorstellungskraft stoßen. Themen, die uns fordern, uns einzulassen und neu zu denken. Den Gedanken zuzulassen, dass das eigene Kind zum Mörder werden könnte, ist so ein Thema. Der Mensch ist immer bestrebt, alles in Gut und Böse einzuordnen. Keine Einordnung treffen zu können, macht uns unruhig und orientierungslos, wir wissen nicht, wie wir unsere moralischen Maßstäbe definieren sollen. Es nimmt uns Sicherheit. Spätestens seitdem wir selbst Mütter sind und alles für das Glück unserer Kinder tun wollen, fragen wir uns, ob sie uns nicht auch entgleiten, auf Abwege geraten könnten. Wären wir dadurch, dass wir sie erzogen haben, automatisch mitschuldig? Wie ist das mit Eltern, deren Kind (in dem von uns geschilderten Fall: der Sohn) zu einem Mörder wird? Haben sie jedes Recht auf Verständnis und einen respektvollen Umgang verloren? Darf ihr intimstes Familienleben von der Presse ausgeleuchtet werden? Sie dürfen nicht trauern, sie haben kein Anrecht auf Mitgefühl und Hilfe. Dabei haben auch sie auf eine für sie erschütternde Weise einen Menschen verloren: Der Täter darf nicht mehr der liebenswerte Sohn sein, der er ihnen auch war; alle positiven Attribute gelten für ihn nicht mehr. Das wirkt hinein in die Identität der Familie und formt sie nachträglich um: Der Sohn ist ein Mörder, und deshalb waren sie keine glückliche Familie. Dabei hat ihre Geschichte anders begonnen: Sie haben ein Kind bekommen und wollten, dass es glücklich und ein wertvolles Mitglied der Gesellschaft wird.

Katharina Köster und Katrin Nemec

Biografien der Regisseurinnen

Katharina Köster

Katharina Köster, geboren 1984, studierte an der Hochschule für Fernsehen und Film München Drehbuch und Dokumentarfilmregie. Für ihren Dokumentarfilm "Nach dem Happy End" war sie u. a. beim DOK.fest München für den FFF Förderpreis nominiert (2022) und erhielt den BVHK-Journalistenpreis in der Kategorie TV/Film (2023) und sie schrieb als Autorin für die TV-Serie "Neue Geschichten vom Pumuckl" Staffel 1 und 2, die Serie gewann u. a. den Robert Geisendörfer Preis (2024), den Blauen Panther – TV & Streaming Award (2024) und war für den Grimme-Preis nominiert (2024). Katharina Köster arbeitet sowohl fiktiv als auch dokumentarisch. Sie lebt in München.

Katrin Nemec

Katrin Nemec, geboren 1980, studierte ab 2000 Theaterwissenschaft, Neuere Deutsche Literaturwissenschaft und Soziologie an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Magisterabschluss und anschließend Dokumentarfilmregie an der Hochschule für Fernsehen und Film München. Ihr Abschlussfilm "Vom Lieben und Sterben" wurde mit dem Bayerischen Fernsehpreis ausgezeichnet und war für den Deutschen Dokumentarfilmpreis sowie den Studio Hamburg Nachwuchspreis nominiert. Katrin Nemec lebt und arbeitet als Regisseurin in München.

Gast-Auftritte der Regisseurinnen im ZDF

Die Regisseurinnen des Films "Jenseits von Schuld", Katharina Köster und Katrin Nemec, sind am Donnerstag, 18. September 2025 zu Gast im ZDF-Vormittagsmagazin "Volle Kanne" und am Montag, 22. September 2025 im ZDF-Mittagsmagazin "mima".

Fotos

Pressefotos als Download (nach Log-in), per E-Mail unter pressefoto@zdf.de oder telefonisch unter 06131 – 70-16100. 

Kontakt

Name: Dr. Britta Schröder, Maja Tripkovic
E-Mail: schroeder.b@zdf.de; tripkovic.m@zdf.de
Telefon: 06131 – 70-12108