Megacitys - Wenn es Nacht wird in Toronto

Film von Nicola Albrecht

"Wir sind wie New York", sagen die Torontonians über ihre Stadt und fügen meist hinzu: "Nur netter!" Toronto ist Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. Sieben Millionen Einwohner aus mehr als 230 Nationen leben in der Greater Toronto Area. ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht will verstehen, was das bedeutet, trifft ganz unterschiedliche Menschen vor Ort und erkundet die Megacity bei Nacht. Und wie es scheint: Kanadas größte Stadt löst das Versprechen einer funktionierenden Multikulti-Metropole ein. 

Sendedatum

Ab Samstag, 27. Dezember 2025, 10.00 Uhr im ZDF streamen
ZDF: Montag, 29. Dezember 2025, 19.25 Uhr

Fotos

Texte

Stab (Auswahl)

Film von                                  Nicola Albrecht
Producer                                 Susanne Lingemann, Ali Weinstein, Nick Kozak
Kamera                                   Željko Pehar, Brian Dentz, Georg Petzold
Drohne                                    Joshua MacDonald
Schnitt                                    Matthias Heep
Redaktion                               Andrea Gries
Leitung der Sendung              Markus Wenniges
Sendelänge                            circa 45 Minuten

Inhalt

Wenn Pilotin Ky im abendlichen Landeanflug die Skyline von Toronto vor sich hat, ist das ihr glücklichster Moment des Tages. Jetzt wird die Finanzmetropole zum bunt schillernden Melting Pot.

Wir sind wie New York, sagen sie über ihre Stadt und fügen meist hinzu: "Nur netter!" Toronto ist Schmelztiegel verschiedenster Kulturen. Die Mehrheit der Bewohner ist irgendwann einmal eingewandert; wer geblieben ist, nennt Kanadas Finanzmetropole mit Stolz sein Zuhause.

ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht ist dabei, wenn die Neon Riders von Toronto ihre Fahrräder mit bunten Lichtern schmücken und nachts auf Cruising- und Partytour gehen. Wenn die 28-jährige Jill, statt sich auf der Tanzfläche eines der angesagten Clubs zu verlieren, lieber in ihren Truck steigt und die ganze Nacht Waschbären fängt. Wenn Quinn die Traditionen seiner indigenen Vorfahren durch gemalte Sternbilder aufrecht erhält. Wenn die Jungs der Latino Band "6ix Pal Mundo" den neuen Sound der Stadt kreieren.
Das sind nur einige der vielen Geschichten und Momente in einem Film über eine Stadt, die jeden einlädt und nur wenige fallen lässt, die schön, aber nie prätentiös daherkommt, die nicht darum bettelt, geliebt zu werden, die aber von ihren Bewohnern verehrt wird, und wo man sich im größten unterirdischen Fußgängertunnelsystem der Welt verirren kann, aber am Ende eine Reise durch mehrere Welten gemacht hat.

Nach der Landung auf dem Billy Bishop Airport hat Ky es eilig. Die Maple Leafs spielen, das Eishockeyteam von Toronto, und die Stadt platzt aus allen Nähten. Gefühlt jeder will das Spiel sehen. Sie ist in einer Kneipe verabredet, nach dem Spiel will sie noch tanzen gehen. Ky ist in Toronto aufgewachsen, kennt jeden Stadtteil und sagt manchmal: "Ich weiß gar nicht, warum ich in die Welt hinausfliege – die Welt ist doch hier." Das stimmt. Kanadas größte Stadt löst das Versprechen einer funktionierenden Multikulti-Metropole ein. Sieben Millionen Einwohner aus mehr als 230 Nationen leben in der Greater Toronto Area. Um zu erleben, was das bedeutet, muss man nur bei Nacht die einzelnen Stadtteile erkunden.

Im indischen Viertel schießen gerade Fitnesscenter aus dem Boden, mit Öffnungszeiten 24/7. Viele trainieren nachts. Aman ist der Besitzer einer solchen Muckibude, seine Kunden kommen meist erst nach 21.00 Uhr. Weit nach Mitternacht geht Aman mit Freunden im indischen Restaurant nebenan noch essen, in Toronto ist das überall rund um die Uhr möglich. Linus allerdings hat dafür keine Zeit: Er arbeitet etwas außerhalb auf der anderen Seite des Ontariosees und sorgt jede Nacht dafür, dass im Powerhaus Torontos die Lichter angehen: Die gigantischen Niagarafälle, die mit ihrer Wasserkraft den Strom für die Stadt liefern, werden nachts spektakulär beleuchtet. Linus selbst hat das Beleuchtungskonzept vor 30 Jahren entwickelt. Noch heute schaut er fast jeden Abend auf das Lichterspiel und hat eine diebische Freude daran, auch die amerikanischen Wasserfälle in den Farben der kanadischen oder auch einfach mal der deutschen Nationalflagge erstrahlen zu lassen.

"Wenn du deine Chancen nutzt, kannst du hier alles erreichen", sagen die meisten Einwohner mit Stolz. Auch deshalb wohl ist Toronto die am stärksten wachsende Großstadt Nordamerikas. Doch das bringt auch Probleme: Die Zahl der Obdachlosen hat sich binnen vier Jahren verdoppelt, auf mehr als 15.000 Menschen. Davit ist einer von ihnen, auch er hatte geglaubt, es in Toronto zu schaffen. Vor zehn Jahren kam er aus Georgien hierher, arbeitete im Baugewerbe. Doch er verlor den Job, die Ehe ging kaputt und nun schläft er unter einer Auffahrt zur Stadtautobahn. Jede Nacht ist er unterwegs, durchsucht die Mülltonnen der Luxus-Hochhäuser oder die Münzstaubsauger der öffentlichen Parkgaragen. Am Ende seines nächtlichen Streifzugs verteilt er seine Lebensmittel an andere Obdachlose. "Ich kann der Stadt nicht böse sein, dass sie mich fallengelassen hat, dafür liebe ich die Ausblicke auf die glitzernden Hochhäuser zu sehr. Und außerdem kann man Glück eben nicht kaufen, ich bin glücklich, wenn ich andere ein wenig glücklich machen kann", meint er versöhnlich am Ende einer langen Nacht.

Fragen an die ZDF-Korrespondentin Nicola Albrecht

Wie gut kannten Sie Toronto vorher?

Toronto hatte ich zuvor ein paar Mal besucht, privat, aber auch im Rahmen von Drehreisen. Dennoch würde ich sagen, dass ich Toronto nicht wirklich gut gekannt habe. Erst die Drehreisen für "Megacity Toronto" haben mich der Stadt und ihren Menschen näher gebracht.

Was hat Sie bei Recherche und Dreharbeiten am meisten überrascht – positiv, aber auch negativ?

Besonders beeindruckt und überrascht hat mich, wie sehr die Mehrzahl der Menschen, die ich getroffen habe, doch von ihrer Stadt schwärmt. Der Lokalpatriotismus ist wirklich riesig, dabei ist Toronto eine Stadt, in der mehr als 50 Prozent der Einwohner gar nicht in Toronto oder überhaupt in Kanada geboren sind. Viele Städte in dieser Welt beanspruchen für sich, im positiven Sinn "Multi-Kulti" zu sein. Toronto ist es wirklich. Hier bewahren die Menschen ihre Wurzeln und ihre Kultur und sind gleichzeitig mit Herz und Seele "Torontonians". Damit meine ich, dass sie sich mit der Stadt identifizieren und ein starkes Gefühl von Zugehörigkeit und Zusammenhalt empfinden. Das habe ich so stark ausgeprägt eigentlich noch nirgendwo erlebt. Die Menschen sind freundlich und zugänglich, die Stadt ist es auch. Trotz Großstadtgefühls kommt wenig Stress auf, die Wege sind nicht zu weit, man ist schnell in der Natur. Und überall findet man zwischen den Hochhäusern Wohnviertel, die sehr dörflich wirken, das ist auch eine einzigartige Mischung. Wie jede Metropole ist natürlich auch Toronto ziemlich teuer. Die Stadt hat ein massives Problem mit bezahlbarem Wohnraum, und die Zahl der Obdachlosen steigt. Wer abends durch die Straßen läuft, muss davon ausgehen, dass der ein oder andere Obdachlose vor einem auf die Knie fällt und um Geld oder ein Sandwich bittet.

Wie haben Sie die Geschichten gefunden, und was war ausschlaggebend für die Auswahl der Protagonisten?

Ich wollte Menschen finden, die das Toronto-Gefühl in sich tragen, die für diesen Melting Pot stehen, die logischerweise aber auch in der Nacht etwas zu tun haben und nicht nach dem Abendessen auf der Couch liegen. Menschen unterschiedlichen Alters, mit unterschiedlichen Biografien, unterschiedlicher Herkunft und unbedingt auch jemanden, der die indigene Bevölkerung repräsentiert. Toronto ist nämlich ein traditionelles Gebiet mehrerer indigener Völker. Unsere lokale Producerin Ali Weinstein, die in Toronto lebt und aufgewachsen ist, war sechs Monate lang im ständigen Austausch mit meinem Team und mir, und wir haben lange und sorgfältig über Menschen und Themen gesprochen, die infrage kommen. Ali hat dann Menschen und Orte persönlich besucht, uns Fotos geschickt, manchmal Videos und wir haben auch direkt Videointerviews vorab geführt. Wir haben dann außerdem noch mit einem Fotojournalisten zusammengearbeitet, der viele Jahre Obdachlose porträtiert und uns mit einem Menschen zusammengebracht hat, der bereits sehr lange auf der Straße lebt. Dieser erlaubte uns, ihn die Nacht hindurch zu begleiten. Dazu gehört viel Vertrauen. Mir war aber wichtig, dass wir möglichst alle Facetten der Stadt abbilden und Probleme nicht verstecken. Außerdem mag ich persönlich nicht so gern Geschichten über Menschen aus der Perspektive Dritter wiedergeben, insofern brauche ich immer persönlich den Kontakt, um ein Gefühl für Situationen und Emotionen zu bekommen. Schließlich haben wir die erste Drehphase dafür genutzt, unsere persönlichen Eindrücke zu intensivieren und noch mal neue Menschen kennengelernt. Es war alles in allem ein sehr intensiver Prozess.

Was unterscheidet aus Ihrer Sicht Toronto bei Tag und bei Nacht?

Ich kenne Toronto bei Tag ja kaum – weil wir nachts gedreht haben, haben wir am Tag geschlafen. Aber ich denke, der größte Unterschied ist, dass Toronto am Tag eine Businessstadt ist und in der Nacht eine Metropole, die ihre (Sub)Kultur(en) feiert. Es ist das Wirtschaft- und Finanzzentrum Kanadas und so verschwinden jeden Morgen in den Hochhäusern Frauen und Männer, die die Geschäfte der Stadt ankurbeln. Nachts verschwindet ein Großteil der Torontonians daheim, andere brechen zu ihrer Nachtschicht auf und wieder andere feiern bis zum nächsten Morgen. So richtig voll ist die Stadt übrigens in der Nacht, wenn die "Toronto Maple Leafs" spielen, das Eishockey-Team. Jemand sagte mir mal: Du kannst in Toronto alles sagen und alles mögen oder kritisieren, aber wenn du kein Leafs-Fan bist, wirst du schräg angeschaut. Die Sportbegeisterung ist übrigens so weit ausgeprägt, dass junge Eishockeyspieler oft ihre Turniere noch vor dem Morgengrauen haben und die Teenager um Mitternacht spielen – Eisflächen sind begehrt und oft ausgebucht. Aber es gibt in Toronto natürlich noch ganz andere nächtliche Aktivitäten. Eine Nacht lang habe ich zum Beispiel mit den sogenannten "Neon Riders" eine Radtour durch Toronto gemacht. Die Gruppe trifft sich jede Woche und radelt nachts durch die Stadt. Sie nehmen immer eine andere Route, um die Stadt und sich untereinander besser kennenzulernen. Zwischendurch halten sie an, drehen Musik auf und tanzen. Die Leute die da mitmachen, könnten unterschiedlicher kaum sein, aber alle genießen genau das. Was vielleicht ein bisschen verrückt klingt, ist ziemlich typisch Toronto – bei Nacht.

Was ist ihr Fazit über Toronto?

Tolle Stadt mit sehr viel Herz und einer hohen Lebensqualität. 

Was ist Ihr persönlicher Tipp für Toronto?

Wer eine Woche in Toronto verbringt, sollte unbedingt jeden Abend woanders Essen gehen: chinesisch, koreanisch, japanisch, indisch, griechisch oder italienisch. Hab ich was vergessen? Ja bestimmt, aber jedes Lokal wird absolut authentisch sein und nicht mit einer dem europäischen oder nordamerikanischen Gaumen angepassten Variante der Speisen daherkommen und so kann man nach der Woche sagen, dass man nicht nur eine Woche lang Toronto kennengelernt hat, sondern kulinarisch einmal um die Welt gereist ist.

Toronto wird oft als das New York Kanadas bezeichnet. Sie leben und arbeiten als ZDF-Korrespondentin in New York. Wo sehen Sie Unterschiede, wo Gemeinsamkeiten?

Die Bewohner Torontos sagen von sich: "Wir sind wie New Yorker, nur netter." Okay, nett sind sie und zwar so nett, dass, wenn Du einem Torontonian auf den Fuß trittst, er sich aller Wahrscheinlichkeit nach dafür entschuldigen wird, dass sein Fuß im Weg war. Das stimmt also, sie sind wirklich unfassbar nett. Aber vergleichbar ist Toronto nicht wirklich mit New York. Allein die Größe der beiden Städte … Vielleicht liegt es daran, dass ich persönlich Städtevergleiche ohnehin nicht mag. Ich habe sechs Jahre in Tel Aviv gelebt, und da wurde mir oft gesagt: "Oh, Tel Aviv, das ist wie Berlin, nur am Mittelmeer." Was für ein Quatsch. Natürlich können wir überall auf der Welt gewisse Gemeinsamkeiten zwischen Lebensweisen oder der Infrastruktur von Städten finden, aber jede Stadt verdient es doch, eigenständig betrachtet zu werden. Was fällt mir an Unterschieden zwischen New York und Toronto auf? Toronto ist gefühlt viel langsamer und vor allem viel leiser. In New York gibt es keinen Stadtteil, keinen Wohnblock, wo man dem ständigen Heulen einer Polizeisirene oder einer Ambulanz entkommen kann. New York ist reicher und ärmer als Toronto, extremer, verrückter, weniger ausgeglichen und viel rauer. New York hat Ecken und Kanten. Es ist eine Stadt, die von Immigranten gebaut wurde, wie Toronto. Ankommen, bleiben, sich etwas aufbauen und nicht nur überleben dürfte in Toronto aber wesentlich einfacher sein.

Biografie

Hier finden Sie die Biografie von Dr. Nicola Albrecht:
https://presseportal.zdf.de/biografien/uebersicht/albrecht-dr-nicola

Über die Reihe "Megacitys – wenn es Nacht wird in ..."

Pulsierendes Nachtleben, glitzernde Fassaden aber auch Slums und Straßengangs: In der Reihe "Megacitys – wenn es Nacht wird in ..." porträtieren ZDF-Korrespondenten Millionenstädte in ihrem Berichtsgebiet mit all ihren Besonderheiten. Der Fokus auf die Nacht ermöglicht unerwartete Einblicke und neue Erzählansätze.

Frühere Dokus der Reihe über Wien, Mumbai, Istanbul, Rio de Janeiro, London, Rom, Lagos, Mexico City und Chongqing finden Sie im Streaming-Portal des ZDF.

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