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Nach der Flut: Eva Brenner trifft Menschen an der Ahr

ZDFzeit-Dokumentation

Ein Jahr lang hat Eva Brenner, Moderatorin und Innenarchitektin, für ZDFzeit drei Familien begleitet, deren Leben durch die Flut im Ahrtal auf den Kopf gestellt wurde. Die Not ist groß, denn nicht nur ihre Häuser sind zerstört. Eva Brenner steht den Familien bei den Sanierungsarbeiten mit Rat und Tat zur Seite und hat auch ein offenes Ohr für die seelischen Belastungen, mit denen sie klarkommen müssen.

  • ZDF, Dienstag, 5. Juli 2022, 20.15 Uhr
  • ZDF Mediathek, ab Dienstag, 5. Juli 2022, 10.00 Uhr, zwei Jahre lang

Texte

Stab

ZDF: Dienstag, 5. Juli 2022, 20.15 Uhr
ZDFmediathek: ab Dienstag, 5. Juli 2022, 10.00 Uhr, zwei Jahre lang
Nach der Flut: Eva Brenner trifft Menschen an der Ahr
ZDFzeit-Dokumentation

Autorin: Constanze Viaene
Presenterin: Eva Brenner
Kamera: Terry Manthey und Lars Schwellnus
Schnitt: Patrick Pardella
Produzent: ZDF Digital/Niels Büngen
Redaktion: Carmen Peter, Caroline Reiher
Leitung: Heike Schnaar
Sendelänge: circa 45 Minuten

Inhalt

Ein Jahr lang begleitet Eva Brenner drei Familien, deren Leben durch die Flut im Ahrtal auf den Kopf gestellt wurde. Ihre Häuser sind zerstört und müssen wiederhergerichtet werden. Dabei sind viele Probleme zu bewältigen. Etliche Freiwillige, die aus ganz Deutschland angereist sind, helfen bis heute und beteiligen sich am Wiederaufbau. Die Aufgabe ist schier überwältigend, denn ganze Landstriche sind betroffen.

Die Katastrophe im Ahrtal zeigt, dass auch Deutschland verwundbar ist: Wetterextreme nehmen zu und gefährden die Sicherheit in vielen Regionen. Allein im Ahrtal sind durch die Wucht der Flut 134 Menschen ums Leben gekommen, Tausende Gebäude wurden beschädigt oder gar zerstört. Der Wiederaufbau kostet Milliarden und bringt Opfer ebenso wie Helfer an ihre Grenzen.

Das spüren auch drei Familien Tag für Tag. Innenarchitektin Eva Brenner steht ihnen nicht nur bei den Sanierungsarbeiten mit Rat und Tat zur Seite – sie hat auch ein offenes Ohr für die seelischen Belastungen, mit denen sie klarkommen müssen. Nicht immer ist absehbar, ob die Betroffenen den Neustart finanziell stemmen können. Die Not ist groß, denn die Flut hat nicht nur die Häuser zerstört.

Bei Familie Schumacher aus Marienthal steht auch die berufliche Existenz auf dem Spiel, denn mit dem Haus ist auch der Winzerbetrieb samt Weinstube in den Fluten versunken. Da kein Versicherungsschutz vorhanden ist und Hilfsgelder nur sehr schleppend ankommen, ist die Frage des Wiederaufbaus noch immer ungeklärt. Familie Lus aus Altenburg und Familie Schäfer aus Reimerzhoven konnten ihre Häuser zumindest teilweise renovieren und so an ihr altes Leben anknüpfen.

Was für die einzelnen Familien gilt, ist auch ein Problem für die gesamte Region: Wann in den zerstörten Gemeinden wieder so etwas wie Normalität herrscht, steht in den Sternen. Landrätin Cornelia Weigand erläutert die Lage im ehemaligen Katastrophengebiet. Die Frage, wo wieder aufgebaut werden darf und wo nicht, ist schwierig zu klären. Aber klar ist jetzt schon, dass alle aus der Katastrophe Lehren ziehen müssen. Außergewöhnliche Überflutungen treten in Deutschland immer wieder auf – und in Zukunft vermutlich auch häufiger. Um die Folgen besser zu bewältigen, müssen die Infrastruktur angepasst und Katastrophenschutzpläne überarbeitet werden. 

Fragen an Eva Brenner 

Ein Jahr lang haben Sie drei Familien im Ahrtal begleitet, deren Leben durch die Flut auf den Kopf gestellt wurde. Was waren Ihre Beweggründe, bei diesem Filmprojekt mitzuwirken? 

Ich fühle mich der Region sehr verbunden, da ich in regionaler Nähe selbst ein Haus habe und auch eine sehr gute Freundin von der Flut betroffen war und ist. Aber allein von Berufswegen weiß ich natürlich zu gut, wie wichtig ein Zuhause ist und wie existenziell man in den Grundfesten erschüttert wird, wenn man dies mit all den Erinnerungsstücken von heute auf morgen verliert. Von den menschlichen Verlusten ganz zu schweigen. 

Wie haben Sie die Dreharbeiten erlebt, und was hat Sie am meisten beeindruckt? 

Das Ausmaß der Katastrophe kann man wirklich nur vor Ort erfassen, und ich habe es auch emotional und körperlich gespürt. Diese Flut hat eine Leere und Schwere hinterlassen, als wenn ein Krieg eine ganze Region zerstört hätte. Kein Strauch, kaum ein Baum ist übriggeblieben, nur Häuserskelette. Und das von Ort zu Ort. Über dem Tal thront fast zynisch die wunderschöne Landschaft und Natur. Doch vor allem haben mich der Kampfgeist der Menschen, alles wieder aufzubauen, und die vielen selbstlosen Helfer vor Ort unfassbar beeindruckt. So viel Solidarität hat eine ganz neue Verbundenheit geschaffen und den Menschen vor Ort die Kraft weiterzumachen gegeben, die sie selbst nicht mehr hatten. 

Sie sind auch Innenarchitektin. Inwiefern hat Ihnen das bei diesem Filmprojekt geholfen? 

Zu wissen, wie wichtig ein Zuhause für den Menschen ist. Aber es geht um mehr als das. Es geht um Heimat und Familie. Und die kann man nicht so leicht verpflanzen. Ein Haus wird erst zum Zuhause durch die Menschen darin und die Geschichte drum herum. 

Wie geht es den drei Familien heute? Wie wird es bei ihnen voraussichtlich weitergehen? 

Unterschiedlich – zwei Familien bleiben, sind unermüdlich dabei, alles wieder aufzubauen, und sind sogar wieder dabei einzuziehen und die dritte sucht noch immer nach einer möglichen Alternative. Nach dem anfänglichen Enthusiasmus zurückzukehren und alles neu aufzubauen, hat die Angst vor erneuter Zerstörung sie einhalten lassen. Ich hoffe von Herzen, dass die Option, die sie anstreben, gelingt. 

Wenn Sie ein vorläufiges Fazit über die Situation im Ahrtal ziehen: Was ist positiv, und was immer noch verbesserungswürdig?

Der Zusammenhalt vor Ort und die Solidarität der Helfer ist das Positive, was man aus allem ziehen kann. Aber die langsame Zuteilung der Gelder und die unstrukturierten beziehungsweise undurchsichtigen Strategien, wie die Zukunft des Ahrtals aussieht, lässt viele verzweifeln. Ich hoffe, der Jahrestag der Flut wird zum Anlass genommen, klar zu resümieren und einen klar umrissenen Plan aufzuzeigen. 

Haben Sie persönlich besondere Erinnerungen an den 14./15. Juli 2021? Wenn ja, welche? 

Ja, dieser Tag ist sehr präsent. Ich selbst war an dem Tag auf einer Baustelle in der Nähe von Düsseldorf, und es hat maßlos geregnet. Unsere Handwerker konnten kaum ein- und ausladen. Abends habe ich den Rhein voller Sorge mit Hochwasser überquert. Welche Dramen sich nachts abspielen sollten, konnten wir natürlich alle nicht ahnen. 

Die Fragen stellte Birgit-Nicole Krebs

O-Töne von Experten und Politikern

Prof. Dr. MARIELE EVERS, Hydrologin Uni Bonn, Geschäftsführende Direktorin des Geographischen Instituts der Universität Bonn; Professorin für Geographie, Schwerpunkt Ökohydrologie und Wasserressourcenmanagement

Gefahreneinschätzung für Deutschland:
"Die Gefahr, dass solche Hochwasser entstehen, besteht in ganz Deutschland. (…) Da sind Millionen von Menschen betroffen. Das ist entlang der großen Flüsse, aber auch an kleineren Flüssen möglich. Aber auch in den Bereichen, wo gar keine Flüsse sind, können Starkregen herunterkommen. Dort kann auch eine Hangrutschung stattfinden oder Gebäude können ins Rutschen kommen, ohne dass dann ein Gewässer in der Nähe ist."

Statt Wiederaufbau, besser Neuaufbau
"Am Anfang hieß es ja immer: Wir wollen es wieder so aufbauen, wie es war. Ich glaube, der Begriff 'Wiederaufbau' ist falsch. Es gibt ganz viel Potenzial, um es jetzt anders, schöner, zukunftssicherer, sicherer und nachhaltiger zu machen. Und deswegen ist Wiederaufbau nicht der richtige Begriff, sondern ein Neuaufbau, ein Neuanfang."

 

FRANK LINNARZ, Wehrleiter Feuerwehr Verbandsgemeinde Altenahr

Über die Situation vor einem Jahr im Ahrtal
"Der Pegel erreichte an den Messpunkten schätzungsweise bis zu zehn Meter. Es gab aber nur Einsatzpläne bis 4,50 Meter Wasserstand. Unsere Feuerwehr hatte kein Boot zur Verfügung. Dadurch, dass das Wasser flutartig in die Orte reinströmte, mussten wir erstmal unsere Einsatzkräfte in Sicherheit bringen. An manchen Orten stieg das Wasser zweieinhalb Meter in nur vier Minuten."

Kein Hochwasser, sondern eine Flut
"Aus meiner Sicht war es kein normales Hochwasser. Nicht nur wegen der Wasserhöhe, sondern weil es auch so schnell kam, spreche ich auf jeden Fall immer von einer Flut – weil das Wasser extrem schnell kam. Noch nicht einmal ansatzweise hatten wir einen Vergleich zu den Jahrzehnten oder Jahrhunderten davor. (…)  Ich bin seit 39 Jahren in der Freiwilligen Feuerwehr und so etwas haben wir noch nicht annähernd gehabt. Ich vergleiche es immer, von der Zerstörung her, mit einem Tsunami."

 

CORNELIA WEIGAND, Landrätin:

Über die Notwendigkeit, Risikobewusstsein zu wecken
"Wir waren jetzt die ersten, die solch ein extremes Ereignis trifft. Wir werden aber nicht die letzten sein. Das kann jede andere Region in Deutschland, die so ähnlich aussieht, genauso treffen. Wir müssen in Deutschland, wie es das in anderen Gegenden gibt, zum Beispiel in Japan mit Tsunamis, ein Risikobewusstsein schüren. Wir müssen die Menschen ausbilden. (…) Und wenn wirklich eine Durchsage kommt: Jetzt kommt etwas in der Größenordnung, die du dir nicht vorstellen kannst. Du musst den Rucksack mit den wichtigsten Dokumenten nehmen und diese Fluchtroute nach oben gehen und erst wieder runterkommen, wenn es Entwarnung gibt." 

 

Prof. Dr. Dr. WOLFGANG BÜCHS, Diplom Biologe, Gastprofessor Uni Hildesheim

Versäumnisse beim Hochwasserschutz im Ahrtal:
"Versäumt wurde ein effektiver Hochwasserschutz. Es gab schon vor 100 Jahren Pläne, ein ausgeklügeltes System an Hochwasser-Rückhalteflächen, Hochwasserschutzbecken, sogar Stauseen zu bauen, die in einer ineinanderfließenden Kaskade miteinander verbunden waren. Das war so etwa Anfang der 1920er-Jahre. Nach dem Hochwasser von 1910 ist das besonders diskutiert worden. Doch davon ist nur sehr wenig umgesetzt worden. 

Gefahr für die Zukunft
"Diese Vorgänge werden sich im Laufe des Klimawandels häufiger wiederholen. Insofern müssen wir immer wieder damit rechnen, dass so etwas in wenigen Jahren erneut passieren kann."

Über den aktuellen Stand des Wiederaufbaus im Ahrtal
"Da muss ich sagen, dass ich bisher nicht von einem geordneten Wiederaufbau im Sinne der Nachhaltigkeit sprechen oder ihn beobachten kann. Ganz im Gegenteil, ich finde viele Dinge, die im Prinzip schlimmer werden als vorher. Wenn man es ganz hart ausdrücken soll: Es wird zum Teil das Bett vorbereitet, um eine neue Flut in noch schlimmerem Ausmaß zu haben. Das, was gerade im Ahrtal vorgeht, würde ich zum Teil als zweite Zerstörung der Ahr bezeichnen."

 

KATHARINA SCHARPING, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie

Über die Menschen vor Ort ein Jahr nach der Ahrflut:
"Es geht vielen noch sehr, sehr schlecht. Sie haben zum Teil nur bruchstückhaft Erinnerungen oder sich aufdrängende Erinnerungen. Die Menschen sind davon sehr gequält. Es gibt natürlich auch die, die tatsächlich schon ein bisschen über den Berg sind. Aber die meisten sind zum einen immer noch erschöpft und leiden vor allem darunter, dass es so lang dauert. (…) Die Wut steigt. Meinem Erleben nach war die Wut anfänglich eher auf die lokalen oder auch überregionalen Politiker gemünzt. Mittlerweile ist es eine Wut, die eher untereinander in der Bevölkerung ist. Den Menschen geht es teilweise schlechter als vor einem Jahr. Der Wiederaufbau dauert lange, Gelder fließen langsam. Die Menschen haben teilweise das Gefühl, es hört gar nicht mehr auf."

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