Sturm kommt auf

Historischer Zweiteiler

Schuster Julius Kraus (Josef Hader)
ZDF/ Fabio Eppensteiner /[M] Claussen+Putz Filmproduktion
Schuster Julius Kraus (Josef Hader) ZDF/ Fabio Eppensteiner /[M] Claussen+Putz Filmproduktion

Regisseur Matti Geschonneck inszenierte das Historiendrama mit Josef Hader in der Hauptrolle nach dem Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" von Oskar Maria Graf. Der Zweiteiler, der den aufkommenden Faschismus in der Provinz thematisiert, wird im Rahmen des senderübergreifenden Programmakzents "Gegen das Vergessen – 80 Jahre Kriegsende" gezeigt.

Sendedatum

ad ut Ab Montag, 3. November 2025, 10.00 Uhr, im ZDF streamen
ad ut Montag, 10. November 2025, 20.15 Uhr und 22.00 Uhr, im ZDF

Fotos

Texte

Stab, Besetzung und Inhalt

Buch                                          Hannah Hollinger

Regie                                         Matti Geschonneck

Kamera                                      Theo Bierkens

Schnitt                                       Dirk Grau

Szenenbild                                 Christoph Kanter

Kostüme                                    Brigitta Fink

Maske                                        Sam Dopona, Verena Pellegrini, Lena Damm

Ton                                            Claus Benischke-Lang

Musik                                         Boris Bojadzhiev

Casting                                      Daniela Tolkien

Produktionsleitung                    Marc O. Dreher

Herstellungsleitung                   Jens Oberwetter

Produktion                                Claussen+Putz Filmproduktion in Koproduktion
                                                 mit Film AG Produktion

Produzenten                             Jakob Claussen, Uli Putz

Koproduzenten                         Johanna Scherz, Alexander Glehr

Redaktion                                 Daniel Blum (ZDF), Sabine Weber (ORF)

Länge                                       2 x 90 Minuten
 

Die Rollen und ihre Darstellerinnen und Darsteller

Schuster Kraus                       Josef Hader

Silvan Heingeiger                   Sigi Zimmerschied

Elies Heingeiger                     Verena Altenberger

Silvan Heingeiger jr.               Frederic Linkemann

Julie Stelzinger                      Antonia Bill

Ludwig Allberger                    Sebastian Bezzel

Anna Stelzinger                      Susi Stach

Johann Stelzinger                  Helmfried von Lüttichau

Prior Dr. Johannes Hubert     Matthias Bundschuh

Dorfpfarrer Rupert Melchior   Martin Walch

Gendarm Riedinger               Sebastian Edtbauer

Gemeindediener Kugler         David Zimmerschied

Frau Johanna Kugler             Franziska Singer

Peter "Russl" Heingeiger       Max Jung

Peter Heingeiger(17 Jahre)   Jakob Brendel

Sebastian Huber                   Julian Manuel

Wendler                                 David Baalcke

Jodl                                      Christian Baumann

Polizeioffizier Hofmüller        Sebastian Feicht

Xaver Tratzelberger               Matthias Ransberger

Bertl                                     Moritz Katzmair

Juwelier Sulerschmid           Stefan Murr

Notar Dengler                       Gerhard Wittmann

und andere
 

Die beklemmende Darstellung des aufkommenden Faschismus in der Provinz, anhand der bewegten, gleichsam berührenden Geschichte des Schusters Julius Kraus: Er lebt zurückgezogen. Immer tiefer gerät er in den Strudel der dramatischen politischen Ereignisse zwischen 1918 und der Machtergreifung Hitlers 1933, bis eine Erbschaft aus den USA und die Offenlegung seiner jüdischen Identität ihm zum Verhängnis werden.

Inhalt Teil 1:

Der alte Bürgermeister wird beerdigt, Julius Kraus ist als sein Nachbar und Freund unter den Trauernden, genau wie der Bauer Heingeiger mit seiner Tochter Elies und seinem einzigen Sohn Silvan.

Beim Leichenschmaus kommt es zu einer Schlägerei zwischen Silvan und dem jungen Ludwig Allberger – im Dorf bekannt als ein "Roter" in deren Folge Silvan dem roten Ludwig Todfeindschaft schwört.

Als der Schuster Kraus neuer Bürgermeister werden soll, weigert er sich. Er hat sich um die politischen Sachen nie gekümmert, will erst recht keine Feindschaften und flüchtet sich in eine Krankheit.

Elies, die den Schuster gegenüber gern mag, glaubt ihm nicht und weiß, was es mit seiner Krankheit auf sich hat. Eigentlich würde Julius Kraus Elies auch gerne einen Heiratsantrag machen, traut sich aber nicht. Erst recht nicht, als dann der alte Heingeiger der neue Bürgermeister wird.

Silvan, der seit Kriegsende wieder auf dem Hof seines Vaters lebt, ist seine Schwester Elies mit ihrem unehelichen Sohn Peter ein Dorn im Auge. Er will, dass Peter zu den Patern ins Kloster gegeben wird, weg vom Hof. Genauso schimpft er auf alle Roten und auch auf die Juden. Doch der alte Heingeiger will das in seinem Haus nicht dulden. Er hat nichts gegen die Roten und gegen die Juden erst recht nicht. Und seine Tochter Elies und der kleine Peter sollen bleiben.

Doch auch Silvan gibt nicht klein bei. Er vereinigt sich mit nationalistisch Gleichgesinnten. Als dabei der Gemeindediener, ebenso ein Roter, erschossen wird, weiß Ludwig Allberger, dass auch er Zuhause nicht mehr sicher ist und versteckt sich beim Schuster Kraus.

Das ist nicht das einzige Problem des braven Schusters: sein Sohn Hans hat ihn aus Übersee um Geld gebeten und so will er schweren Herzens den Schmuck seiner verstorbenen Frau und seine Taschenuhr beim Juwelier verkaufen. Der erkennt, dass die Uhr aus Lemberg stammt. Ist Kraus etwa ein Jude?

Währenddessen bahnt sich ein weiteres großes Unglück im Dorf an. Bertl, einer von Silvans politischen Freunden, folgt Elies nicht zufällig nach dem Kirchgang in den Wald: Er zerrt sie ins Gebüsch.

Inhalt Teil 2:

Zehn Jahre sind vergangen. Die Hakenkreuzler, wie die Hitler-Anhänger genannt werden, treten jetzt überall "militärisch auf. Einige im Dorf gehören jetzt zu den Nazis.

Silvan ist Sturmführer bei der SA geworden. Juwelier Sulerschmid machte ebenfalls Karriere bei den Nazis und ist sein Konkurrent. Silvan passt es deshalb gar nicht, dass Bertl plötzlich wieder auftaucht und ihn erpresst.

Peter, der uneheliche Sohn seiner verstorbenen Schwester, der inzwischen ein Jugendlicher ist und sich mit Ludwig Allberger angefreundet hat, hat den Totschlag mitbekommen. Doch die beiden müssen schweigen, Silvan ist zu mächtig geworden. Auch  Sulerschmid wurmt Silvans Erfolg.

Immer noch versucht sich Schuster Julius Kraus aus allem rauszuhalten. Seit der alte Heingeiger mitbekommen hat, dass Silvan seine ganzen Ersparnisse aufgebraucht hat, hat die nachbarschaftliche Verbundenheit mit dem Schuster wieder Auftrieb bekommen. Als Julius Kraus vom Unfalltod seines Sohnes in Übersee erfährt, tröstet ihn Heingeiger. Allerdings verheimlicht ihm der Schuster, dass er auch eine Erbschaft gemacht hat: mehr als eine Million US-Dollar.

Wegen dieser Erbschaft muss Julius Kraus beim Notar einige Formalitäten über sich ergehen lassen. Dabei kommt heraus, dass er ursprünglich der israelitischen Religion angehört hat und erst später katholisch wurde. Der Notar verspricht, dass er das für sich behält.

Ludwig, der dem Schuster auf ewig dankbar ist, dass er ihn vor Jahren versteckt hat, ist der einzige, dem sich der Schuster in seiner Angst anvertraut. Ihm gesteht er, dass er ein Jude ist, und dass er das Erbe in seiner Bescheidenheit eigentlich gar nicht haben will. Doch kurze Zeit später berichtet die Zeitung groß von der amerikanischen Millionenerbschaft des armen Schusters.

Unglücklich verschanzt sich der Schuster Kraus in seiner Werkstatt, fällt vollkommen zusammen. Silvan nutzt den Zustand des Schusters aus und droht ihm mit einer Schutzgelderpressung.

Einige Tage später überlässt der Schuster die Hinterlassenschaft seines Sohnes dem Ludwig Allberger als Schenkung. Und um den vielen Gerüchten ein Ende zu bereiten, gibt der Schuhmachermeister auch noch ausdrücklich bekannt, dass er jüdischer Herkunft und katholischen Glaubens ist.

Zeitgleich erscheinen bei Heingeiger SA-Männer, die Sulerschmid flankieren. Sie wollen Peter holen, da er Ludwig Allberger und den Kommunisten geholfen habe. Unverrichteter Dinge schlagen die wütenden SAler den Heingeiger-Hof kurz und klein. Der alte Heingeiger kann sich verstecken, doch am Abend brennt der Hof. Als Silvan aus der Stadt zurückkommt, ist nichts mehr zu retten.

Silvan bricht vor seinem niedergebrannten Elternhaus weinend zusammen. Er muss sich rächen, um irgendeinen Triumph über Sulerschmid zu haben, der ihm das angetan hat.

"Eine besondere Verantwortung" – Statement des Produzenten Jakob Claussen

Dass es uns gelingen konnte, diesen Zweiteiler in recht fordernden Zeiten zu produzieren, erfüllt uns mit Dankbarkeit und rückwirkend erneuter Nervosität. Aufwand, Wetter, Kinder, Tiere, historisches Szenen- und Kostümbild, 180 Minuten Lauflänge mit einem großen Zeitsprung in der Mitte, künstlerische und handwerkliche Vorstellungen und Wünsche aus jedem Gewerk – all das galt es mit den budgetären Realitäten in Einklang zu bringen, so vieles hätte aus dem Ruder laufen können. Grundsätzlich ist das bei jedem Film so, aber dieses Mal war es noch einmal anders, dringlicher. Weil wir mit diesem Film eine besondere Verantwortung angenommen haben – der Vision des großen bayerischen Schriftstellers Oskar Maria Graf gerecht zu werden. Selten hat man das Glück, ein so starkes, emotionales literarisches Werk in der Hand zu halten, und unmittelbar mit allen, angefangen natürlich bei der Drehbuchautorin Hannah Hollinger und dem Regisseur Matti Geschonneck, einig über die Notwendigkeit zur Verfilmung zu sein. Nun kann das Publikum entscheiden, was uns dieser Roman gerade heute zu sagen hat.

"Ich wollte diese, meiner Meinung nach, gegenwärtigen Charaktere erzählen – Interview mit Regisseur Matti Geschonneck

Mit Ihrem Fernsehfilm "Die Wannseekonferenz" schrieben Sie Fernsehgeschichte. Was hat Sie dazu bewogen, nun mit dem Zweiteiler "Sturm kommt auf" die Zeit zwischen 1919 und 1933 zu erzählen?

Die Idee zu diesem Projekt gab es bereits vor knapp 20 Jahren. Als die Drehbuchautorin Hannah Hollinger, der Produzent Jakob Claussen und ich damals nicht auf Interesse bei den Sendern stießen, geriet es in Vergessenheit. Erst nachdem ich "Die Wannseekonferenz" gedreht hatte, fiel mir Oskar Maria Grafs Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" wieder ein. "Die Wannseekonferenz" wurde in viele Länder verkauft, in einer Kinofassung, und ich war mit dem Film  unter anderem in Argentinien, Dänemark und der Türkei unterwegs. In Istanbul hatte ich aufregende Gespräche mit sehr interessierten Filmstudentinnen und Studenten. Ein zentrales Thema war der aufkommende Faschismus, besonders in der Provinz. Aus Istanbul noch rief ich direkt Uli Putz und Jakob Claussen mit der Idee an, den Oskar Maria Graf-Stoff doch noch mal zu reaktivieren. Von da an nahm die Entwicklung unseres Projektes schnell Fahrt auf. Das ZDF, Frank Zervos und Daniel Blum, waren sofort interessiert.

Was interessierte Sie an Oskar Maria Grafs Roman aus dem Jahr 1947 und der Erzählperspektive, aus der Sicht eines kleinen bayerischen Dorfes?

Erstmal ist Oskar Maria Grafs Roman über den Schuster Kraus in dem kleinen oberbayerischen Dorf spannende Literatur. Seine Figuren sind zeitlos, ob nun bayerisch verortet oder nicht. Ein Heimatroman. Diese, meiner Meinung nach, gegenwärtigen Charaktere, mit denen man sich heute noch identifizieren kann, wollte ich erzählen.

Wie näherten Sie sich diesem umfangreichen und komplexen Roman "Unruhe um einen Friedfertigen" an? Wie wichtig ist der Zeitsprung?

Klar, es gibt eine inhaltliche Verbindung von "Sturm kommt auf" zu "Die Wannseekonferenz", aber auch zu "Das Zeugenhaus". Ich bin kein Historiker, Ostberliner, durch Schule, Literatur, Filme, durch die Nachkriegszeit geprägt. Hannah Hollinger und mir war klar, dass es bei der Fülle des Stoffes trotz Kürzungen ein zweiteiliger Film werden musste. Es gibt zwei Zeitebenen, die für uns bindend waren: die Zeit kurz nach dem ersten Weltkrieg, 1918/20, über die man glaubt, einiges zu wissen, in seinen Wirren aber recht wenig weiß, und dann 1932, die Zeit vor Hitlers Machtergreifung. Diese erforderten den großen Zeitsprung. Wir waren der Ansicht, dass wir zumindest am Anfang eine Off-Stimme benötigen würden, um den Zuschauenden bei der geschichtlichen Einordnung eine ungefähre Orientierung zu geben.

Welche Relevanz hat "Sturm kommt auf"? Was bedeutet er für das Heute?

Ich denke, "Sturm kommt auf" ist ein Heimatfilm – ein bayerischer, meint der Berliner Regisseur. Ein Zeitporträt im Voralpen-Westerngewand. Menschen werden verführt, ins Verderben gestürzt, auf dem Land genauso wie in der Stadt. Die Geschichte erzählt von uns. Das war mal Gegenwart, nicht lange her. Ich überlasse es den Zuschauerinnen und Zuschauern, mögliche Parallelen zur Gegenwart zu ziehen. "Sturm kommt auf" ist wohl dafür auch der passende Titel.

Die Besetzung der beiden Hauptrollen – Josef Hader und Sigi Zimmerschied – überrascht. Weshalb entschieden Sie sich für die beiden?

Für die Rolle des Schusters kam für mich nur Josef Hader in Frage, eine intuitive Idee. Ich kannte ihn nicht persönlich, aber natürlich seine Filme als Schauspieler und als Regisseur. Sigi Zimmerschied kannte ich zuvor auch nicht persönlich, aber als meine Casterin Daniela Tolkien einige Schauspieler vorschlug, blieb ich an seinem Foto hängen. Nachdem ich zwei Filme mit ihm gesehen hatte, wollte ich ihn unbedingt für die Rolle des alten Heingeiger treffen. Meine Bedingung an ihn war dann lediglich, dass auch der Berliner im "Metzer Eck", eine alte Kneipe in Prenzlauer Berg, seinen Passauer Dialekt einigermaßen versteht. Dass beide auch Kabarettisten sind, war tatsächlich Zufall, und durch ihre Klugheit und auch Schläue, auf Situationen augenblicklich reagieren zu können, ein großer Vorteil für unsere Arbeit. Hader und Zimmerschied – ein Halt und eine große Freude für mich.

Das gesamte Ensemble ist hochkarätig. Wie verlief das Casting?

Die Schauspielerinnen und Schauspieler sind das Gesicht des Films. Mir war klar, dass ich ein authentisches Ensemble – eines oberbayerischen Dorfes der 20er-Jahre des vorigen Jahrhunderts – zusammenstellen muss, um diese großartigen Charaktere von Oskar Maria Graf glaubhaft zu inszenieren. Ich mache eigentlich selten Castings, und ich hatte Daniela Tolkien an meiner Seite. Ohne Josef Hader hätte ich den Film wahrscheinlich nicht gemacht. Frederic Linkemann musste der junge Heingeiger sein. Mit ihm hatte ich schon bei der "Wannseekonferenz" gearbeitet, ich schätze ihn sehr. Hader, Zimmerschied und Linkemann zuzusehen, war für mich einfach ein großes Geschenk. Verena Altenberger war meine absolute Wunschbesetzung für die Rolle der Elies Heingeiger. Ich kannte sie nicht persönlich, aber wusste natürlich, dass sie eine großartige Schauspielerin ist. So innigliche Liebesszenen zwischen ihr und Josef Hader. Ich wünschte mir, dass ich bei der Hochzeit der beiden dabei gewesen wäre, aber dazu kam es ja nicht mehr.

Sebastian Bezzel als Ludwig Allberger und Antonia Bill als Julie Stelzinger komplettierten dieses wunderbare Ensemble, ebenso wie Susi Stach und Helmfried von Lüttichau, ein Traumpaar, letzterer als dieser tragische Opportunist Stelzinger. Matthias Bundschuh als höchst ambivalenter Vertreter der katholischen Kirche – ein Schauspieler, der immer zu überraschen weiß, und, und, und – ich mochte sie alle.

Welche Rolle spielt die besondere Musik des Dreigesangs?

Der Dreigesang des Chores von Marlene Lindmair war mir von Anfang an eine große Hilfe, die für mich richtige Tonalität für unseren Film zu finden. Mit meinem Komponisten Boris Bojadzhiev entschied ich mich lange vor Drehbeginn für diese Bayrisch alpenländische Volksmusik. Die Lieder sind nicht nur wunderschön, sie verorten unsere Geschichte, verführen in eine Vergangenheit.

"Sturm kommt auf" ist eine deutsch-österreichische Koproduktion. Wie schwierig war es, die historischen Motive zu finden?

Die für uns geeigneten Drehorte zu finden, war das Schwierigste überhaupt. Anderthalb Jahre vor Drehbeginn begann für meinen Kameramann Theo Bierkens und mich bereits die Motivsuche, natürlich zunächst in Bayern, in Oskar Maria Grafs Heimat in der Nähe vom Starnberger See, in den Voralpen, hauptsächlich ja Außenmotive, historisch – erfolglos. Wir orientierten uns immer weiter Richtung Süden, bis wir – auch aus Finanzierungsgründen – in Österreich landeten, im Salzburger Land. Wir hatten riesiges Glück, dass unser Szenenbildner Christoph Kanter das Freilichtmuseum in Großgmain auftat, und beinahe alle Drehorte rund um Salzburg fand. Und es wurde schließlich auch eine Koproduktion mit der Wiener Film AG Johanna Scherz und Alexander Glehr. Die Arbeit mit dem österreichischen Team war großartig, unsere Kostümbildnerin Brigitta Fink und die Maskenbildnerin Sam Dopona mit ihren Kolleginnen möchte ich hier stellvertretend nennen.

"Sturm kommt auf" wird am 10. November 2025 ausgestrahlt werden. Eine Verpflichtung?

Die Zeit vor 1933 geht uns heute etwas an. Und der 10. November ist das richtige Datum für die Ausstrahlung unseres Films, ein Tag nach der Reichspogromnacht 1938, als die Synagogen brannten.

"Die bittere Erkenntnis, dass beide untergehen" – Interview mit Josef Hader und Sigi Zimmerschied

Sie spielen die Hauptrollen in "Sturm kommt auf", einem Gesellschaftsdrama zwischen Heimatfilm und Zeitgeschichte. Was hat Sie an diesem Zweiteiler interessiert?

Josef Hader: Anfangs der großartige Roman von Oskar Maria Graf und der großartige Regisseur Matti Geschonneck. Mit was für wunderbaren Kolleginnen und Kollegen ich spielen würde dürfen, das wusste ich zu dem Zeitpunkt noch gar nicht.

Sigi Zimmerschied: Für einen multiplen Kabarettisten, also einen, der mehr als nur eine Begabung hat, ist es immer reizvoll, in einem anderen Genre zu arbeiten. Die veränderte Spieltemperatur, der Minimalismus vor der Kamera, das Fehlen der Chronologie beim Drehen, das Spiel mit der Technik, das alles ist ungeheuer herausfordernd und damit reizvoll. Und in diesem Fall natürlich zusätzlich die Möglichkeit, mit meinem Kabarettwesensbruder Josef zu spielen und das unter der Regie von Matti Geschonneck, dessen Arbeiten mich immer wieder fasziniert hatten.

Was hat Sie konkret an Ihren Figuren gereizt? Wie haben Sie sich ihnen genähert?

Josef Hader: Es ist eine sehr inwendige Figur, die nicht viele Worte macht, vieles durch Blicke oder den Körper ausdrückt. Solche Rollen mag ich gern. Zur Vorbereitung hab' ich mich mit dem Leben von Jüdinnen und Juden in der österreichischen Monarchie beschäftigt. Meine Figur stammt ja ursprünglich aus dem galizischen Lemberg, dem heutigen Lwiw.

Sigi Zimmerschied: Es war die Härte dieser Figur, die mich gereizt hat. Eine Härte, die aber versucht, Einfluss zu nehmen, die Katastrophe noch aufzuhalten. Und sein Scheitern. Die bittere Erkenntnis, dass beide untergehen. Er, der sich einmischt und der Schuster, der sich raushält. Ich liebe Camus und die Magie des Scheiterns. Nähern musste ich mich dieser Figur also nicht, ich stand direkt vor ihr. Wir mussten uns nur noch die Hand reichen.

Haben Sie schon Rollen gespielt, in denen Ihre Figuren einen so großen Zeitraum durchleben? Wie aufwändig war die Vorbereitung?

Josef Hader: Nein, eine Rolle mit einem Zeitsprung von über zehn Jahren hatte ich noch nie. Aber ich bin Gott sei Dank jetzt in einem Alter, wo man sich manchmal zehn Jahre älter fühlt als man ist. Und mitunter dann wieder ein bisserl jünger. Man muss also nur diese beiden Gefühle abrufen, der Körper macht dann automatisch das richtige.

Sigi Zimmerschied: Meine Kabarettabende sind eigentlich Theaterstücke mit Hauptfiguren, die meistens eine lange Entwicklung durchmachen. Insofern war es für mich nicht schwer, immer wieder den ganzen Weg der Figur vor mir zu haben. Am aufwändigsten, weil am sichtbarsten, war es, die inneren Prozesse zu spielen, im Granit dieser Seele Spuren sichtbar zu machen, die diesem harten Charakter dennoch eine spürbare Gefühlstiefe geben.

Was interessierte Sie an der Erzählperspektive, aus der Perspektive eines kleinen bayerischen Dorfes?

J.H.: Es ist eine Welt, in die ich mich ganz gut einfühlen kann, weil ich in einem kleinen österreichischen Dorf aufgewachsen bin und das Glück hatte, engen Kontakt zu meinen Großeltern zu haben, die in etwa die gleiche Generation waren wie viele Figuren der Geschichte.

S.Z.: Passau ist nicht die Welt, aber die Welt ist Passau. Das war und ist mein Leitmotiv. Ich liebe die kleinen Fenster, in denen sich Großes spiegelt.

Was macht die Arbeit mit Matti Geschonneck aus?

J.H.: Seine riesengroße Zugewandtheit und Freundlichkeit zu ausnahmslos allen Menschen im Team, egal in welcher Funktion. Das hatte eine Leichtigkeit bei unserer Arbeit zur Folge, eine so feine Stimmung im ganzen Team, das kann man mit Worten gar nicht ausdrücken.

S.Z.: Matti Geschonneck ist der Dirigent mit den sanften Strichen. Ein Claudio Abbado mit Kopfhörer. Er hat alles verinnerlicht. Den Rhythmus, die Stimmung, die Bilder. Kein überflüssiges Wort. Manche Regieanweisungen sind große Pantomime. Ein Ritardando mit gefühlvoll sich senkenden Händen, ein Forte mit der Faust und immer wieder eine Fermate mit einem klaren Blick. Als ich ihn einmal fragte, ob diese Szene nicht etwas mehr Ironie vertragen könnte, und wie ich sie spielen sollte, formte er langsam seine Hände zu einem Dach, das aber sofort wieder nach unten wegknickte. Alles war klar. Spiel sie an, die Ironie, halte sie und lass' sie wieder fallen. Wenn man, nach etwa zwei Tagen, gelernt hat, ihn zu lesen, ist alles nur noch ein großes Vergnügen.

Hatten Sie einen persönlichen Bezug zur literarischen Vorlage und zu Oskar Maria Graf?

J.H.: Diesen Roman kannte ich noch nicht, aber Oskar Maria Graf ist eine fixe Größe für mich, seit ich vor vielen Jahren in einer Lesung des großen Jörg Hube war, der seine Autobiografie "Wir sind Gefangene“ gelesen hat.

S.Z.: Ich hatte als bayerischer Kabarettist einen Prozess wegen Gotteslästerung, war erklärter Strauß-Gegner, und mein Kardinalthema der letzten 50 Jahre ist politischer Opportunismus. Natürlich habe ich einen Bezug zu Oskar Maria Graf.

Welche Relevanz hat der Stoff für Sie heute?

J.H.: Leider eine große. Die Unversöhnlichkeit der politischen Lager in der Zwischenkriegszeit, die gelähmte Demokratie, die Sehnsucht nach großen Führern… das alles wiederholt sich gerade auf gespenstische Weise.

S.Z.: Die Relevanz und die Parallelen zur Gegenwart waren so groß, dass wir uns darauf geeinigt haben, sie zu verdrängen, da wir sonst nicht mehr in der Lage gewesen wären, die Geschichte zu erzählen.

"Dieser Film ist eine Art Wake-up-Call" – Statements von Verena Altenberger, Frederic Linkemann, Sebastian Bezzel und Antonia Bill

Verena Altenberger: Es gibt Rollen, die zwingen mich. Die zwingen mich, zuzusagen, und übernehmen von Anfang an das Ruder, schalten den Intellekt und den Kopf aus und sind einfach. Die Elies ist so eine Rolle. Ich vermute, das hat viel mit meiner Herkunft zu tun, aber wissen kann ich es nicht. Und mit Josef Hader und Matti Geschonneck zu arbeiten und in Salzburg, fast zuhause, zu drehen, das waren große Pluspunkte on top.

Ich habe große Hoffnung, dass der Stoff uns historisch bildet, ohne uns warnen zu müssen, und große Angst, dass der Stoff aktueller ist, denn je. Ich höre immer: "Das spielt nach dem Ersten Weltkrieg", und denke mir dann immer: "Ja, und vor dem Zweiten".

Wie alle richtig großen Regiepersonen hat Matti ein Geheimnis, das sich nur erspüren, aber nicht beschreiben lässt. Aber eine Sache finde ich herrlich in der Beobachtung und angenehm in der Arbeit: Er sagt selten was zu den Szenen, er dirigiert. Er kommt nach einem Take zu einem und sagt dann in etwa: "Wenn Du zur Tür reinkommst, dann haa, hammtatat, tata!" Dazu passende Bewegungen mit den Händen. Und was soll ich sagen – man weiß eigentlich immer sofort, was gemeint ist.

Frederic Linkemann: Als Matti Geschonneck mich gefragt hat, ob ich in seinem neuen Film mitspielen möchte, war ich sofort Feuer und Flamme. Man weiß in diesem Moment, dass es etwas Besonderes werden wird. Sein Feingefühl, mit dem er inszeniert und den hervorragenden Cast um Josef Hader durch den Film führt, ist außergewöhnlich. Ich durfte bereits bei der "Wannseekonferenz" einen gefährlichen Charakter unter Matti Geschonnecks Führung spielen, was da noch eine ganz neue Erfahrung für mich war. Jetzt spiele ich wieder einen bösartigen Menschen, dessen ganze Art Angst machen kann. Nicht nur im Film. Man bekommt irgendwie auch Angst vor der Zukunft. Gerade in einer heute eher düster wirkenden Gesellschaft ist dieser Film eine Art Wake-up-Call: "Schaut hin, wie gewisse Dynamiken eine Gesellschaft spalten und verändern können, bis es vielleicht zu spät ist."

Sebastian Bezzel*: Als der Anruf vom Produzenten Jakob Claussen kam, ob ich interessiert wäre, bei einer Oskar Maria Graf-Verfilmung mit Josef Hader und Sigi Zimmerschied unter der Regie von Matti Geschonneck mitzumachen, habe ich nur gefragt: "Wo ist der Haken?" Im Ernst, das war ein sehr außergewöhnliches Angebot und das, wie man immer so schön sagt ,Gesamtpaket war großartig. Ich war von Anfang an begeistert und mir war sofort klar, dass ich dieses Projekt machen muss.

Meiner Figur habe ich mir durch Gespräche mit Matti Geschonneck und durch viel Auseinandersetzung mit der damaligen Zeit in Form von Büchern, Podcasts und Dokumentationen genähert. Ich hatte schon ziemlich früh eine Vorstellung und Fantasie für den Ludwig.

Dieses Dorf erlebt, wie ganz Deutschland nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und der Kaiserzeit, eine unglaublich verwirrende und chaotische Zeit. In diesem Mikrokosmos Dorf zeigt sich sehr gut, wie sich Politik und Gesellschaft verändern, und wie nach dem Sturz eines uralten Systems erst Chaos entsteht, sich langsam neue Strukturen herausbilden und es letztendlich in die totale Katastrophe führt. "Sturm kommt auf" ist eine Draufsicht auf diesen Mikrokosmos. Man kann diese strukturellen Änderungen und den Umgang der Menschen damit wie durch ein Mikroskop beobachten.

Einfach mal ab und zu Nachrichten schauen oder Zeitung lesen, dann merkt man schnell, dass dieser Stoff unangenehm aktuell ist.

Matti hat unglaublich viel Erfahrung, eine sehr ereignisreiche Biographie, er ist unglaublich gebildet und weiß ganz genau, was er will und für mich manchmal noch wichtiger, was er nicht will. Er baut eine tolle Verbindung und Vertrauensverhältnis zu seinen Schauspielern auf, ist ein sehr genauer Beobachter, aber er lässt uns auch viele Freiheiten und Möglichkeiten. Obendrauf ist er sehr humorvoll und liebenswürdig. Es war mir eine Ehre, mit ihm zu arbeiten.

Antonia Bill: Die Entwicklung, die meine Figur durchlebt, von der sehr jungen Frau, die sich mit unbedingtem Willen in voller Bewunderung in Ludwig verliebt, zu einer Person, die zwar nicht laut, aber in stiller Genauigkeit die Ungerechtigkeit und Missstände in ihrem Umfeld beobachtet und einordnet. Mir war es wichtig, nicht "Die Frau von …" zu zeigen, sondern ihr ein Eigenleben zu geben. Sie ist nicht die laute Stimme, die die Leute aufwiegelt und zu Taten bewegt, aber sie steht gleichwertig an der Seite von Ludwig und entscheidet sich aus sich selbst heraus für dieses Leben. Sie taktiert für das Wohlergehen ihrer Familie und verhält sich scharfsinnig im Hintergrund. Mir war es wichtig, diese Nuancen in der Spanne der filmischen Erzählzeit immer mehr aufzubauen und in dem ihr gegebenen Rahmen zugänglich zu machen. Es war eine spannende Herausforderung, meine Figur von dieser eher intuitiven unbedarften Verliebtheit zu einer echten „Macherin“ im Verborgenen hinzuführen.

Ich denke, durch das Dorfleben wird ein Mikrokosmos erschaffen, der den perfiden Vorgang einer sich politisch immer mehr nach rechts bewegender Gesellschaft erschreckend nachvollziehbar macht und die Komplexität dessen in seiner vermeintlichen Einfachheit erst in voller Differenzierung aufzeigt. Die Unruhe, die sich im Dorf wie ein Geschwür nach und nach ausbreitet. Die Leute, die sich an Stammtischen politisieren. Worte zu Schlägereien ausarten. Mechanismen der Polemik allmählich in Gesprächen und Taten greifen. Hass sich wie ein Gift ausdehnt. Andere Meinungen nicht mehr zugelassen werden und man bespitzelt wird. Zwiespalt die Menschen von Tag zu Tag mehr verfeindet und selbst Familien auseinanderbringt.

Ich habe selten einen Stoff gelesen, der so differenziert die Mechanismen einer sich immer mehr politisch zerfleischenden Gesellschaft darstellt – aufgezogen an einer Figur, die eigentlich mit nichts noch irgendetwas zu tun haben möchte, so viel schon erlebt und genug von dem sich immer wiederholenden "A-bopa" hat. Ein Mann, der einfach ruhig und unverbindlich in Frieden sein Leben führen möchte, dabei aber unbeabsichtigt mehr und mehr zum Zentrum und Katalysator allen Übels wird. Die Geschichte ist wie eine Schablone, die man auf unsere heutige Zeit legen kann. Absolut aktuell. Sie schärft den Blick für das langsame Infiltrieren von Hass und Hetze und fordert einen auf, genau hinzusehen. Vielleicht auch ein großes Plädoyer an uns alle, dass man nicht schweigen kann und sich aus der Gemeinschaft, in der man lebt und die man auch immer mitgestaltet, nie herausnehmen darf.

Mit Matti zu arbeiten ist ein unglaubliches Aufatmen des Nervenkostüms. Seine ruhige Art, sein genauer, nie wertender Blick, sein verschmitzter Humor und seine klare Vision, machen es einem sehr leicht, voll und ganz dem Spiel, der Geschichte und vor allem sich selbst zu vertrauen.

 

(*Ein Interview mit Sebstian Bezzel finden Sie auch bei unseren O-Tönen für Radiosender und Audio-Medien)

Programmakzent "Gegen das Vergessen – 80 Jahre Kriegsende"

Der 9. November ist als mahnende Erinnerung an die Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 ein Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus. Rund um dieses Datum in diesem Jahr zeigt das ZDF senderübergreifend den Programmakzent "Gegen das Vergessen – 80 Jahre Kriegsende":

Dienstag, 4. November 2025, 20.15 Uhr, 3sat
Aktuell in der 3satMediathek und im ZDF streamen
Totengebet

Dienstag, 4. November 2025, 22.25 Uhr, 3sat
In der 3satMediathek (ab 4. November 2025) und aktuell im ZDF streamen
Ich bin! Margot Friedländer

Mittwoch, 5. November 2025, 22.25 Uhr,3sat
In der 3satMediathek (ab 5. November 2025) und aktuell im ZDF streamen
Das Zeugenhaus
Regie: Matti Geschonneck

Freitag, 7. November 2025, 20.15 Uhr, 3sat
In der 3satMediathek (ab 7. November 2025) streamen
Der Passfälscher

Samstag, 8. November 2025, 20.15 Uhr, ZDFneo
Aktuell im ZDF streamen
Die Wannseekonferenz
Regie: Matti Geschonneck

Montag, 10. November 2025, 20.25 Uhr und 22.15 Uhr, ZDF
Ab Montag, 3. November 2025, 10.00 Uhr, im ZDF streamen
Sturm kommt auf
Regie: Matti Geschonneck

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