Terra X: Europa in ... mit Mirko Drotschmann

Dreiteilige Dokumentationsreihe über Eiszeit, Völkerwanderung und Absolutismus

Europa blickt auf eine lange und wechselvolle Geschichte zurück. In drei Folgen stellt Mirko Drotschmann drei höchst unterschiedliche Epochen vor, die Europas natürliche, kulturelle und politische Landschaft geprägt haben: die letzte Eiszeit, die Zeit der Völkerwanderung und die Epoche des Absolutismus. Auf der Grundlage aktueller Forschungsergebnisse und archäologischer Funde gibt Mirko Drotschmann einen kompakten, verständlichen Überblick, präsentiert überraschendes Detailwissen und hinterfragt gängige Klischees.

  • ZDF, sonntags, ab 30. April 2023, 19.30 Uhr
  • ZDF Mediathek, alle drei Folgen ab Mittwoch, 26. April 2023, zehn Jahre lang

Texte

Inhalt

Welchen Einfluss hatte das Klima vor 45.000 Jahren auf die Migration des Homo Sapiens auf den europäischen Kontinent? Welche Spuren hat die Völkerwanderung in Europa hinterlassen? War Versailles, das Schloss von Ludwig XIV., wirklich ein goldener Käfig für den Adel? Und welches Machtkalkül steckt hinter Prunk und Protz absolutistischer Herrscher? Diesen Fragen geht Mirko Drotschmann auf einer Reise quer über den Kontinent nach.

Sendetermine

Terra X: Europa in … Der letzten Eiszeit
ZDF: Sonntag, 30. April 2023, 19.30 Uhr

Terra X: Europa in… Der Zeit der Völkerwanderung
ZDF: Sonntag, 7. Mai 2023, 19.30 Uhr

Terra X: Europa in … Der Zeit des Absolutismus
ZDF: Sonntag, 14. Mai 2023, 19.30 Uhr

ZDFmediathek: alle drei Folgen ab Mittwoch, 26. April 2023, zehn Jahre lang

Stab

Terra X: Europa in … Der letzten Eiszeit
Sonntag, 30. April 2023, 19.30 Uhr

Buch: Sabine Klauser
Regie: Nina Koshofer, Leonard Claus
Moderation: Mirko Drotschmann
Kamera: Torbjörn Karvang, Tobias Sundermann
Ton: Simone Hartmann, Holger Jung
Schnitt: Marie Wilbers
Postproduktion: Igor Wilbers
CGI: Oliver Nikelowski / Scope, Thomas Loeder / Scope
CGI und Grafik Gruppe 5: Julian Balducci, Alexandra Hamann
Sounddesign: Daniel Sonnenschein
Mischung: Stephan Höfler / Sonaris Tonstudio, Torben Klußmann / Chaussee SoundVision
Musik: Paul Rabiger
Redaktionelle Mitarbeit ZDF: Birgit Eggerding
Redaktionelle Mitarbeit Gruppe 5: Vasco Ochoa
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Wilfried Rosendahl
Produktionsleitung Gruppe 5: Sabine Eisner, Christina Münster
Produktionsleitung ZDF: Kerstin Schönborn
Produzent: Alexander Hesse
Redaktion ZDF: Claudia Moroni, Georg Graffe 

 

Terra X: Europa in… Der Zeit der Völkerwanderung
Sonntag, 7. Mai 2023, 19.30 Uhr

Buch: Martin Carazo Mendez 
Regie: Nina Koshofer, Martin Becker 
Moderation: Mirko Drotschmann
Kamera: Torbjörn Karvang, Tobias Sundermann
Ton: Simone Hartmann, Holger Jung
Schnitt: Marie Wilbers
Postproduktion: Igor Wilbers
CGI: Oliver Nikelowski / Scope, Thomas Loeder / Scope
CGI und Grafik Gruppe 5: Julian Balducci, Alexandra Hamann
Sounddesign: Daniel Sonnenschein
Mischung: Stephan Höfler / Sonaris Tonstudio, Torben Klußmann / Chaussee SoundVision
Musik: Paul Rabiger
Redaktionelle Mitarbeit ZDF: Birgit Eggerding
Redaktionelle Mitarbeit Gruppe 5: Vasco Ochoa
Wissenschaftliche Beratung: Prof. Dr. Mischa Meier 
Produktionsleitung Gruppe 5: Sabine Eisner, Christina Münster
Produktionsleitung ZDF: Kerstin Schönborn
Produzent: Alexander Hesse
Redaktion ZDF: Georg Graffe, Claudia Moroni

 

Terra X: Europa in … Der Zeit des Absolutismus
Sonntag, 14. Mai 2023, 19.30 Uhr

Buch: Nina Koshofer, Sabine Klauser
Regie: Nina Koshofer, Leonhard Claus 
Moderation: Mirko Drotschmann
Kamera: Torbjörn Karvang, André Götzmann 
Ton: Simone Hartmann, Till Röhrig (Jörg)
Schnitt: Marie Wilbers
Postproduktion: Igor Wilbers
CGI: Oliver Nikelowski / Scope, Thomas Loeder / Scope
CGI und Grafik Gruppe 5: Julian Balducci, Alexandra Hamann
Sounddesign: Daniel Sonnenschein
Mischung: Stephan Höfler / Sonaris Tonstudio, Torben Klußmann / Chaussee SoundVision
Musik: Paul Rabiger
Redaktionelle Mitarbeit ZDF: Birgit Eggerding
Redaktionelle Mitarbeit Gruppe 5: Vasco Ochoa
Wissenschaftliche Beratung: Dr. Leonhard Horowski
Produktionsleitung Gruppe 5: Sabine Eisner, Christina Münster
Produktionsleitung ZDF: Kerstin Schönborn
Produzent: Alexander Hesse
Redaktion ZDF: Claudia Moroni, Georg Graffe

Europa in ... Der letzten Eiszeit

Die letzte Eiszeit hat nicht nur Europas Landschaft nachhaltig geprägt, sondern auch die Entwicklung der Menschheit. Neue Forschungsergebnisse zeigen die letzte Eiszeit nun in einem neuen Licht. Mirko Drotschmann ist in Deutschland und Europa zu den Hotspots der Eiszeitforschung unterwegs.

Die sogenannte "letzte Eiszeit" begann vor etwa 115.000 Jahren und endete etwa 11.600 vor heute. Weite Teile Europas waren von einer Tausende Meter dicken Eismasse bedeckt. Nur durch die Mitte Europas erstreckte sich eine sogenannte Mammutsteppe, die üppig und voller Leben war. Dazu gehörte auch das Gebiet zwischen Basel und Frankfurt, das seit geraumer Zeit im Forschungsprojekt "Eiszeitfenster Oberrheingraben" genauer unter die Lupe genommen wird. In Kies- und Sandablagerungen haben Abertausende Tierknochen von Mammut, Nashorn, Riesenhirsch und Co die Zeiten überdauert. Ihre Untersuchung mittels einer Radiokarbondatierung brachte eine Sensation zutage: Vor rund 30.000 Jahren tummelten sich im Rhein Flusspferde.

Im Gegensatz zur eiszeitlichen Fauna mit ihren Megatieren sind die eiszeitlichen Landschaften noch heute sichtbar – ob an der Schärenküste Schwedens, den norwegischen Fjorden oder den Gletschern der Alpen. Als der Homo sapiens vor mehr als 40 000 Jahren in das eiszeitliche Europa einwanderte, lebte dort bereits seit mehr als 250 000 Jahren eine andere Menschenart: der Neandertaler. Dieser starb zwar kurze Zeit später aus, doch bis dahin hatten sich Homo sapiens und Neandertaler vermischt – die Folgen können in unseren Genen nachgewiesen werden: Alle nicht-afrikanischen Menschen besitzen heute noch zwischen ein und drei Prozent Neandertaler-Gene.

Kurz nach seiner Ankunft in Europa schuf der Homo sapiens in den Höhlen der Schwäbische Alb Erstaunliches: plastische Kunstwerke aus Mammutelfenbein – die ältesten der Welt, soweit heute bekannt. Forscher sprechen von einem Urknall der Zivilisation. Mirko Drotschmann erfährt, mit welchem handwerklichen Geschick und künstlerischen Verständnis die Tierfiguren aus Mammutelfenbein geschnitzt wurden und besucht auch die Höhle von Chauvet in Frankreich, die der Homo sapiens mit mehr als tausend Wandbildern verziert hat. Mirko Drotschmann spürt dem Alltag der Ureuropäer nach: Wie haben sie sich ernährt, wie gekleidet, wie sahen sie aus? Viele Darstellungen, auch in Museen, zeigen die Eiszeitjäger mit heller Haut. Doch Untersuchungen der genetischen Marker, die bei modernen Menschen mit der Pigmentierung von Augen, Haut und Haaren in Zusammenhang stehen, zeigen ganz deutlich: Die Menschen der letzten Eiszeit waren dunkelhäutig.

Europa in ... Der Zeit der Völkerwanderung

"Völkerwanderung" – so nennt man in Deutschland die turbulente Epoche zwischen Antike und Mittelalter, in der germanische Kriegerverbände das Römische Weltreich zum Einsturz gebracht haben.

Zweifellos ist die Völkerwanderung einer der epochalen Einschnitte in der europäischen Geschichte. Ein halbes Jahrtausend lang hatten die Römer weite Teile des Kontinents kontrolliert. Doch zwischen dem 5. und 6. Jahrhundert wurde die Ewige Stadt Rom gleich zweimal geplündert, erst von den Westgoten, dann von den Vandalen. Am Ende saß ein machtloser Kindkaiser auf dem Thron, der schließlich von einem germanischen Warlord abgesetzt wurde. Wie war es dazu gekommen?

Auf einer Reise durch Europa begegnet Mirko Drotschmann Forscherinnen und Forschern, die einen neuen Blick auf die damaligen Ereignisse werfen. Das beginnt bereits mit dem Begriff "Völker". Denn Westgoten oder Vandalen waren keineswegs homogene Volksgruppen, sondern bildeten sich erst im Zuge ihrer Wanderungen durch den Zusammenschluss aus unterschiedlichsten Ethnien. Außerdem zeigt sich, dass diese "Völker" das Römische Reich gar nicht zerstören, sondern an seinem Wohlstand teilhaben wollten. Dafür plünderten sie nicht nur, sondern trieben Handel und kämpften sogar für die Römer – wie Alarich, der Anführer der Westgoten. Nach Vorbild der Römer errichteten die Westgoten im heutigen Spanien im 6. Jahrhundert die Königsstadt Reccopolis; eine Metropole, die damals sogar manch römische Siedlung in den Schatten stellte, wie modernste Vermessungsmethoden mit geomagnetischen Sonden und Laserdrohnen belegen. Eine Bauleistung, die man den "Barbaren" lange nicht zugetraut hatte. Auch das Klima rückt die Forschung als wichtigen Push-Faktor für die "Völkerwanderung" in den Vordergrund: Wahrscheinlich trieb ein Kälteeinbruch die Hunnen aus Asien nach Europa und ermöglichte den Vandalen in der Neujahrsnacht des Jahres 406 das Eindringen ins Römische Reich.

Die Migrationen der Spätantike haben Spuren in unseren Sprachen und Genen hinterlassen: So zeugt der Name Englands von der Machtübernahme der Angelsachsen im Britannien des 5. Jahrhunderts. Und obwohl die Einwanderer vom Kontinent damals in der Minderheit waren, haben sie sich genetisch durchgesetzt: Genanalysen zeigen, dass mehr als die Hälfte der englischen Männer angelsächsische Vorfahren hat.

Rom wurde nicht an einem Tag erbaut – und ging auch nicht an einem Tag unter. Im Osten blieb das Imperium in Gestalt des Byzantinischen Reiches sogar bis ins 15. Jahrhundert bestehen. Im Westen traten Karl der Große und die Franken das Erbe der Römer an, gestützt auf die römisch-katholische Kirche. In neuer Gestalt lebte die römische Herrschaftsidee weiter, im Heiligen Römischen Reich deutscher Nation hatte sie bis 1806 Bestand. So steht heute die Zeit der "Völkerwanderung" weniger für das Ende des Römischen Reiches als vielmehr für die Verbindung der Kulturen und Traditionen, die Europa bis heute prägen.

Europa in … Der Zeit des Absolutismus

Ob Frankreichs barocke Prachtentfaltung durch den Sonnenkönig, Sachsens Glanz und Preußens Gloria: Mirko Drotschmanns Spurensuche quer durch Europa gibt Einblicke hinter die Kulissen einer aus heutiger Sicht oft skurrilen Welt und fragt, welches Kalkül hinter der Prunksucht steht.

Im 17. Jahrhundert wollten die meisten Könige und Fürsten Europas losgelöst vom alten Adel und Klerus herrschen. Die Alleinherrschaft erschien nach dem Chaos des Dreißigjährigen Krieges ideal, um Stabilität und Ordnung zu sichern. Gestützt auf neueste Forschungen zeigt Mirko Drotschmann, dass die europäische Realität viel differenzierter war.

In Versailles, dem Schloss Ludwig XIV., erfährt Mirko Drotschmann, wie sich die politische Idee des Absolutismus in der Architektur widerspiegelt. "Der Staat bin ich", soll Ludwig XIV. gesagt haben – und als Mensch gewordener "Staatskörper" war sogar der königliche Besuch der Toilette ein öffentlicher Staatsakt. Alles ordnete sich dem Monarchen unter. In Wirklichkeit hatte aber auch die Macht des Sonnenkönigs Grenzen.

Die Zurschaustellung von Reichtum und Prunk war keine reine Angeberei, sondern sollte den Herrschaftsanspruch der Fürsten und Könige in Europa untermauern. Deutschland hat mit seiner einzigartigen Mischung aus Kleinstaaterei und fürstlicher Konkurrenz ein einmaliges Erbe des Absolutismus – in Gestalt der unzähligen Schlösser, in der verschwenderischen Pracht des Grünen Gewölbes in Dresden und der Porzellansammlung Augusts des Starken. Einen Gegenentwurf lieferte Preußen: Friedrich Wilhelm I. brach radikal mit der barocken Verschwendungslust. Seine neue Leitkultur: Fleiß, Ordnung und Sparsamkeit – später als preußische Tugenden verklärt.

In den Niederlanden entwickelte sich ein anderes Modell des Absolutismus: Ab dem 17. Jahrhundert standen dort auch Bürger an der Spitze des Staates und teilten sich als "Regenten" die Macht mit adligen "Statthaltern". Niederländische Kaufleute entwickelten den modernen Finanzkapitalismus – und mit ihren Gewinnen wuchs ihr Einfluss. Im Zeitalter des Absolutismus drehte sich also nicht alles um Könige und Fürsten.

Der Absolutismus wurde auch zum Wegbereiter für Fortschritt – in der Wissenschaft und bei der Entwicklung von Demokratie und Menschenrechten. Europäische Forscher legten den Grundstein für die modernen Wissenschaften und die Technisierung der Welt – allen voran Isaac Newton mit seinem Gravitationsgesetz oder Gottfried Wilhelm Leibniz, der als Vater der modernen Computertechnik gilt. Philosophen forderten Freiheit und Gleichheit für alle Menschen. Für sie war der Verstand die schärfste Waffe im Kampf für eine gerechtere Gesellschaft. Ideen der Aufklärung inspirierten auch Monarchen – wie den Habsburger Joseph II.. Mit bahnbrechenden Reformen wie der Abschaffung der Leibeigenschaft oder seinem Toleranzedikt machte er sein Reich zukunftsfähig. Anders Frankreich: Dort fand der Absolutismus mit der Hinrichtung Ludwig XVI. ein blutiges Ende.

Mirko Drotschmann im Interview: "Mir hilft Geschichte oft, mich zu beruhigen."

Mirko Drotschmann studierte Geschichte und Kulturwissenschaft in Karlsruhe und absolvierte ein journalistisches Volontariat. Seit 2020 gehört er zum Moderationsteam der "Terra X"-Familie. Auf YouTube ist er sowohl als Host für "Terra X History" und "MrWissen2go" aktiv und als Host von "Terra X History – Der Podcast".

Die Themen der neuen Terra X-Reihe "Europa in …" lauten Eiszeit, Völkerwanderung und Absolutismus. Alle drei liegen weit in der Vergangenheit zurück und wurden schon häufiger behandelt. Was unterscheidet die Filme von anderen?
Eine Sache, die diese Filme besonders macht, ist, dass wir den neusten Forschungsstand abdecken. Wir haben uns mit unglaublich viel Expertinnen und Experten getroffen und herausgefunden, wo die Wissenschaft gerade steht. Es geht also nicht nur darum, die Epochen abzubilden und schulbuchartig zu erklären, sondern wir wollen gleichzeitig auch wissenschaftsjournalistisch einordnen und haben dafür viele Interviews geführt. Dabei haben wir Dinge zusammengetragen, die zum Teil auch noch gar nicht so bekannt sind. Ich denke, das ist einer der wesentlichen Unterschiede.

In der Folge über die Eiszeit wird der vorzeitliche Klimawandel aufgrund jüngster Forschung neu eingeordnet. Er hatte enorme Auswirkungen auf das Leben der Menschen damals. Worin besteht der Unterschied zum Klimawandel von heute?
Das ist so eine Sache, die immer wieder schwer verstanden wird. Klimawandel beziehungsweise Klimaveränderungen hat es schon immer in der Geschichte gegeben. Die Geschwindigkeit des Klimawandels heute, die ist aber so noch nie dagewesen. Das, was wir gerade innerhalb eines Jahrhunderts erlebt haben und erleben, das hat früher mehrere Jahrtausende gedauert. Und gerade diese Geschwindigkeit ist es, die der Erde so zu schaffen macht, die unserem Ökosystem so zu schaffen macht. Bei den vergangenen großen Klimaveränderungen, die der Mensch erlebt hat, war das so langsam, dass sich die Umwelt nach und nach anpassen konnte. Das Fatale und Gefährliche am aktuellen Klimawandel ist, dass die Ursache menschengemacht ist.

Lange war in Geschichtsbüchern zu lesen, dass die Völkerwanderung "Schuld" am Untergang des Römischen Imperiums gewesen sei und damals ein "dunkles Zeitalter" begonnen habe. Wie sieht das die Forschung inzwischen?
Die Forschung sieht das nicht mehr so, dass man einen direkten kausalen Zusammenhang herstellen kann zwischen Völkerwanderung und dem Untergang des Römischen Imperiums. Nicht zuletzt, weil es die Völkerwandung in der Form, wie man sich das vorgestellt hat – da sind zehntausende Angehörige eines Volksstammes von A nach B gelaufen – so nie gegeben hat. Und dazu kommt, dass es noch viele andere Gründe gab, warum das Römische Imperium untergegangen ist. Hätte die Völkerwanderung in der Form nicht stattgefunden, wäre das Römische Reich höchstwahrscheinlich trotzdem untergegangen. Wir versuchen in dem Film darzustellen, woran es gelegen hat, dass das Imperium letztendlich gescheitert ist. Die großen Herausforderungen aufgrund der Migrationsbewegungen könnten eine der Ursachen gewesen sein, aber längst nicht die Hauptursache. Und wie gesagt, der Begriff "Völkerwanderung" ist eher eine Erfindung der Neuzeit.

König Ludwig XIV. mit all seinem Pomp gilt als Inbegriff des Absolutismus. Sein Herrschaftssystem fand in Europa genügend Nachahmer. Warum konnte sich ein absolutistischer Herrscher über das ganze Volk und alle Gesetze hinwegsetzen? Wie war das möglich?
Ludwig XIV. hat sich zunächst einer Sache bedient, die auch andere Herrscher angewandt haben, und zwar hat er sich als von Gott erwählt dargestellt – und wer wagt es schon, Gottes Willen anzuzweifeln? Das war in gewisser Weise nichts Neues. Das Besondere an seinem Herrschaftssystem war, dass es ihm gelungen war, den Hochadel, der immer eine Gefahr für einen König darstellte, auf eine raffinierte Weise kaltzustellen. Jeder, der etwas werden wollte, musste in sein Schloss nach Versailles kommen. Dort hatte er sie nicht nur unter Kontrolle, sondern konnte sie auch gegeneinander ausspielen, indem er sie in Situationen brachte, um seine Gunst zu wetteifern. Aber der Adel hätte nicht mitgemacht, wenn es keine Win-Win-Situation gewesen wäre: Die Nähe zum König wurde belohnt – durch lukrative Ämter. Die Beteiligten befanden sich sozusagen in einem permanenten Stress, eine kleine Aufmerksamkeit des Königs, eine Gefälligkeit oder auch nur eine kleine Geste zu erhalten. Dadurch stieg derjenige im Rang. Gleichzeitig lullte Ludwig die Adligen mit einem permanenten Unterhaltungsprogramm ein. Das war das Erfolgsrezept des Sonnenkönigs: Er bewegte die Menschen dazu, um ihn herum zu kreisen, so wie die Planeten um die Sonne, ohne dass sie es als Zwang empfanden.

In den Folgen werden drei grundlegende Themen berührt, die überraschend aktuell klingen: Klimawandel, Migration und Despotismus. Wie kann das Publikum die Erkenntnisse der Forschenden für ihr Leben von heute nutzen – vor allem das jüngere?
Naja, man sagt immer, aus Geschichte kann man lernen, und ich glaube schon, dass wir viel aus diesen Epochen, die wir versuchen darzustellen, lernen können, nämlich zum Beispiel, wohin es führen kann, wenn man sich anderen gegenüber zu dekadent verhält, wenn man die Gefahren der Zeit ignoriert oder aber wenn man Leuten folgt, die große Versprechungen machen, aber letztendlich nur ihr eigenes Vorankommen im Sinn haben. Und wenn man das im Blick hat und das auf die heutige Zeit überträgt, dann kann man durchaus daraus etwas lernen – sozusagen die Fehler der Geschichte in der Gegenwart und Zukunft vermeiden lernen. Gerade die Beispiele, die wir in den Filmen zeigen, sollen auch mahnende Beispiele sein und zeigen: Ja, man kann etwas bewegen oder auch besser machen. Man muss es aber auch wollen.

Eine persönliche Frage zum Schluss: Wie wichtig ist Dir die Vermittlung von Geschichte und warum?
Mir hilft Geschichte oft, mich zu beruhigen. Ein Beispiel, ganz aktuell: Der Ukraine-Krieg und die Angst davor, dass das Ganze atomar eskalieren könnte. Wenn ich dann in der Geschichte zurückschaue und zum Beispiel auf die Kuba-Krise blicke, dann sieht man, es gab eine Situation, in der die Welt schon einmal am Abgrund stand, auch wenn die Ereignisse natürlich nicht miteinander zu vergleichen sind. Und schon einmal konnte die Situation gelöst werden, es ist nicht zum Äußersten gekommen. Immer dann, wenn es Spitz auf Knopf stand, haben die entscheidenden Akteure besonnen reagiert. Und wenn man das weiß, dann ist die Hoffnung groß, dass es auch in der Gegenwart wieder so stattfinden wird. Gleichzeitig ist es mir auch wichtig, den Leuten die Hintergründe von aktuellen Konflikten, aktuellen Herausforderungen und aktuellen Ereignissen zu vermitteln. Und da ist es wirklich gut, über die Geschichte Bescheid zu wissen und zu wissen, warum die Dinge heute so sind, wie sie sind. Das finde ich einfach unglaublich spannend – und es macht mir Spaß, das Spannende an der Geschichte an andere weiterzugeben.

Die Fragen stellten Claudia Moroni und Georg Graffe, Redaktion "Terra X".

Zitate der Experten und Expertinnen aus den Filmen

Europa in … der letzten Eiszeit (1/3)

Prof. Dr. Wilfried Rosendahl (Paläontologe, Reiss-Engelhorn Museen Mannheim)
Wir haben Flusspferde, also Nilpferde am Rhein! Eigentlich könnte man fragen: Wie kann das sein, wir haben doch Eiszeit, wieso haben wir Flusspferde? Also wir haben 20 Knochen- und Zahnfunde hier bei uns im Datierungslabor datiert. Und große Überraschung: Diese Tiere lebten im Zeitraum zwischen 48.000 und 32.000 vor heute noch hier am Oberrhein, also zeitgleich mit dem Mammut. Und überraschend deswegen, weil bisher angenommen worden ist, dass die Flusspferde zum Ende der letzten Warmzeit vor ungefähr 116.000 Jahren hier ausgestorben sind. Das heißt, Flusspferde und Mammut lebten zeitgleich am Rhein.

Dr. Sibylle Wolf (Archäologin, Universität Tübingen)
Das Besondere an der Löwenmensch-Figur ist, dass er ein Mischwesen aus Mensch und Tier darstellt, aus Mensch und Höhlenlöwe. Hier manifestiert sich dieses abstrakte Denken, dieses Vorstellungsvermögen, dass man über die reale Welt hinaus Dinge schafft. Also für mich persönlich ist dieser Fund wichtiger als die Mona Lisa, weil wir hier wirklich die Wurzeln unserer eigenen Geschichte fassen können, unserer Kreativität.

Dr. Ralf Schmitz (Archäologe, Landesmuseum Bonn)
Das ist in der Tat das berühmteste menschliche Fossil überhaupt, dieser erste Neandertalerfund aus dem Neandertal. Der Mann hat im Alter von ungefähr 18, 19 Jahren einen Bruch seines linken Armes erlitten, im linken Ellenbogenbereich. Das ist nie richtig verheilt. Er hatte aber 20 Jahre überlebt. Das heißt, ein behinderter Neandertaler überlebt in einer eiszeitlichen Gesellschaft 20 Jahre lang. Das funktioniert nur, wenn Gruppenmitglieder eine soziale Fürsorge für ihn durchgeführt haben. Und ich finde, das sagt mehr über den Menschen Neandertaler viel mehr aus als zehn Millionen Steingeräte.

 

Europa in … der Zeit der Völkerwanderung (2/3)

Dr. Gabrielle Kremer (Archäologin)
Man muss sich vorstellen, dass im Römischen Reich der Lebensstandard sehr viel höher war als in den nördlich angrenzenden Gebieten. Mit ihren Angriffen wollen die Völkerstämme nicht das Römische Reich zerstören, sondern sie wollen sich Zugang verschaffen zu Wohlstand und zu den materiellen Gütern.

Prof. Dr. Mischa Meier (Historiker, Universität Tübingen)
Die "Völker" sind ursprünglich kleinere Kriegerverbände gewesen. Und diese kleinen Kriegergruppen haben sich dann im Lauf der Zeit vergrößert, zusammengeschlossen und sind dann zu größeren Verbänden angeschwollen. Generell kann man sagen: Die meisten dieser Verbände haben versucht, irgendwie im Römischen Reich Fuß zu fassen und sich da zu integrieren.
Die Eroberung Roms durch Alarich im Jahr 411 war natürlich ein sehr stark symbolbeladenes Ereignis, denn Rom ist die Begründerin des Imperium Romanum gewesen. Die Stadt ist 800 Jahre lang nicht mehr von auswärtigen Eroberern gestürmt worden, und das hat natürlich tiefen Eindruck bei Zeitgenossen hinterlassen. Aber im Prozess des Untergangs des Römischen Reiches ist es eigentlich nur ein kleiner Mosaikstein gewesen.

Sandra Manara (Direktorin des Theoderich-Mausoleums, Ravenna)
Theoderich schaffte es, die Kulturen der Ostgoten und Römer zu verbinden und für lange Zeit nebeneinander bestehen zu lassen, weil er die römische Kultur kannte. In Italien baute er Städte und Gebiete wieder auf, die durch Kriege und Barbareneinfälle verwüstet worden waren.

 

Europa in … in der Zeit des Absolutismus (/33)

Mathieu de Vinha (Historiker, Forschungszentrum Versailles)
Heute erscheint uns das "Lever" sehr komisch: All diese Höflinge, die jeden Morgen um 8.30 Uhr kamen, um das öffentliche Aufstehen des Königs zu sehen. Aber das höfische Zeremoniell war eine Möglichkeit, dem Monarchen sehr nah zu kommen, um ihn um einen Gefallen zu bitten. Ludwig XIV. achtete genau darauf, wer anwesend war.
Bei genauer Betrachtung erkennt man, wie intelligent sein Konzept von Versailles ist. Es ermöglicht ihm, die Königsfamilie zu kontrollieren und von Komplotten abzuhalten. Versailles ist ein Mikrokosmos der Macht, wo jeder weiß, was er zu tun hat – und das strahlt auf die gesamte Gesellschaft aus. Das System gleicht einer Pyramide, mit dem König an der Spitze.

Prof. Dr. Leonard Horowski (Historiker)
Man hat Monarchen wie August den Starken oder Friedrich I. von Preußen häufig den großen Luxus ihrer Repräsentation als so eine Art persönlichen Charakterfehler zugeschrieben. Das ist aber ein Denkfehler. Man musste damals, um als König ernst genommen zu werden, in einem bestimmten Stil repräsentieren. Und das musste man verschärft machen, wenn man wie August erst neu König geworden war und also beweisen musste, dass man zu Recht zur großen Familie der europäischen Könige gehörte.

Dr. Julia Weber (Direktorin der Porzellansammlung Dresden)
August der Starke hat (… ) in nur 15 Jahren über 25.000 chinesische und japanische Porzellane in Dresden zusammengetragen. Und bei einem Staatsbesuch in Preußen hatte er monumentale, blau-weiße chinesische Porzellanschalen und Bodenvasen gesehen, die er unbedingt haben wollte. Und er war sogar bereit, ein ganzes Dragoner-Regiment, also 600 berittene Soldaten, gegen 151 chinesische Porzellane einzutauschen.

Dr. Ariane Walsdorf (Historikerin, Leibniz Universität Hannover)
Die Leibniz-Rechenmaschine gehört heute zu den wertvollsten, außergewöhnlichsten und interessantesten Kulturschätzen des 17. Jahrhunderts. Sie stammt aus einer Zeit, als man begann, die Welt mehr und mehr in Zahlen und Formeln zu erfassen.
Das Besondere an der Maschine ist, dass sie die erste Rechenmaschine ist, die alle vier Grundrechenarten, also Plus, Minus, Mal und Geteilt, mechanisch lösen kann. Und zwar nur mit Zahnrädern und mit dem Drehen an einer Kurbel.

Prof. Dr. Geert Janssen (Historiker, Universität Amsterdam)
Während Frankreich und andere Monarchien auf die wirtschaftliche Lenkung durch den Staat setzen, entwickelt die niederländische Republik den modernen Finanzkapitalismus. Und das war ein innovativer Aspekt, denn es bedeutet, dass auch der Normalbürger Geld in ein Unternehmen investieren kann und dieses Unternehmen auch immer die Interessen seiner Aktionäre berücksichtigen muss, also Geld verdienen muss.

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