"Terra X – Unser Leben" mit Mai Thi Nguyen-Kim

Zweiteilige Doku über Anfang und Ende des Lebens

Geburt und Tod markieren Anfang und Ende jedes Lebens. Aber was erlebt der Mensch in den neun Monaten vor der Geburt, und was in dem Moment, in dem er stirbt? In der zweiteiligen "Terra X"-Dokumentation "Unser Leben" begibt sich Dr. Mai Thi Nguyen-Kim auf eine ebenso faszinierende, unterhaltsame und enttabuisierende Forschungsreise, um herauszufinden, was der Mensch über den Anfang und das Ende des Lebens weiß – und was vielleicht immer ein Geheimnis bleiben wird.

  • ZDF Mediathek, dgs ad ut beide Folgen am Mittwoch, 5. Februar 2025, 10.00 Uhr, zehn Jahre lang
  • ZDF, ad ut Sonntag, 9. und Sonntag, 16. Februar 2025, 19.30 Uhr

Texte

Über die Reihe

Schon bevor der Mensch geboren wird, erlebt er Unglaubliches – nur erinnert er sich nicht daran. Bereits das Ungeborene im Mutterleib entwickelt komplexe Wahrnehmungen und ein Gedächtnis, sein Gehirn reagiert auf Gefühle und die Sprache der Mutter. Föten im Uterus leben unter Sauerstoffbedingungen wie auf dem Mount Everest – und bei der Geburt schafft der Mensch in Kürze das, wofür die Evolution Millionen von Jahren gebraucht hat: den Wechsel vom Leben im Wasser zu dem an der Luft. All das zeigt: Die Entstehung des menschlichen Lebens ist eine wilde Entwicklungsreise, die jeder Mensch durchläuft. "Terra X" macht diese Reise begreifbar und berichtet über den aktuellen Wissenstand in der Pränatal-, Säuglings- und Kleinkindforschung. Preisgekrönte Fotos und hochemotionale Videoaufnahmen dokumentieren das größte Ereignis im Leben: die Geburt. Mai Thi Nguyen-Kim trifft auf werdende Mütter, Geburtsmedizinerinnen und Wissenschaftlerinnen, die sich mit dem Anfang des Lebens befassen. Und sie begibt sich als Manga-Figur in einer Graphic Novel auf Tauchfahrt rund um das Baby im Bauch der Mutter.

Auch wenn der Mensch stirbt, durchschreitet er ein Portal in eine neue, unbekannte Realität. Was er dabei erlebt, ist rätselhaft und kompliziert zu erforschen – denn Tote reden nicht. Doch es gibt Menschen, die bereits an der Schwelle des Todes standen und über ihre Nahtoderfahrungen berichten. Mai Thi Nguyen-Kim macht in einem für "Terra X" entwickelten Experiment eine außerkörperliche Erfahrung, die sie nachfühlen lässt, was in Nahtoderzählungen beschrieben wird. Dass sich der Mensch mit dem Tod auseinandersetzt, zeichnet ihn aus. Das Wissen um die eigene Endlichkeit macht das Leben kostbar, und ohne dieses Wissen hätten Menschen wohl nie Religionen oder Jenseitsvorstellungen entwickelt. Wie viele Menschen hatte auch Mai Thi Nguyen-Kim vor diesem Film Berührungsängste mit dem Thema Tod. Neben der reinen Wissenschaft geht sie deshalb auch der Frage nach, wie man sich  mit der eigenen Sterblichkeit versöhnen kann. Sie trifft Menschen im Hospiz, erfährt im Gespräch mit einer Bestatterin, wie der Abschied gelingt – und lernt, was man vom Tod für das Leben lernen kann.

Stabliste

Buch + Regie                                                 Luise Wagner

Kamera + Schnitt                                           Jonas Sichert

Moderation                                                     Mai Thi Nguyen-Kim

Kameraassistenz                                           Maike Simon

Ton                                                                 Till Röhlig                   

CGI                                                                Kawom! Wolfgang Morell      

                                                                       Andreas Hougardy                

Musik                                                             Jens Hafemann

Redaktionelle Mitarbeit ZDF                          Martina Frangenberg 

Archivrecherche                                             Matthias Klamfuß

Produktionsassistenz                                     Christopher Heuer     

Produktionsleitung Gruppe 5                         Sabine Eisner

Produktionsleitung ZDF                                 Claudia Comprix

Produzent                                                      Alexander Hesse

Redaktion ZDF                                              Katharina Kohl

Folge 1: Wie es beginnt

ZDF: Sonntag, 9. Februar 2025, 19.30 Uhr

Der erste Film, "Unser Leben – Wie es beginnt", dokumentiert, wie Forschende einen Einblick in das Leben vor der Geburt gewinnen. Es ist sogar möglich, die Hirnströme von Ungeborenen im Mutterleib aufzuzeichnen, und zwar mit der funktionalen Magnetenzephalographie (f-MEG). Eines von weltweit zwei Geräten steht am Universitätsklinikum Tübingen. Mit ihm lassen sich kognitive Leistungen wie das Wiedererkennen der mütterlichen Stimme, Gedächtnisbildung und vorgeburtliches Lernen untersuchen.

Wie sich pränataler Stress auf die Hirnentwicklung von Föten auswirkt, erforscht die Psychologin Prof. Claudia Buß an der Berliner Charité. Bei extremen Belastungen kann es zu einer Vergrößerung der Amygdala, also des Angstzentrums im Gehirn, kommen. Ein Risikofaktor für spätere Angsterkrankungen und Depressionen. Die gute Nachricht: Das menschliche Gehirn ist so plastisch, dass solche Veränderungen reversibel sind, wenn die Neugeborenen viel Zuwendung bekommen.

Um die Hirnreifung von Frühchen zu fördern, hat sich die Genfer Neurowissenschaftlerin Prof. Petra Hüppi ein besonderes Experiment ausgedacht. In Zusammenarbeit mit dem Komponisten Andreas Vollenweider hat sie einen Soundtrack für Frühchen entwickelt. Nicht nur die berührendenden Gesichtszüge der Babys, sondern auch EEG-Messungen zeigen die positive Wirkung auf das Aufmerksamkeitsnetzwerk des Gehirns.

Folge 2: Wie wir sterben

ZDF: Sonntag, 16. Februar 2025, 19.30 Uhr

Was passiert im Gehirn, wenn der Mensch stirbt? Der Neurologe Prof. Jens Dreier von der Berliner Charité erforscht detailliert die Prozesse, die zum Hirntod führen. Bei Schlaganfallpatienten hat er ein besonderes Phänomen im sterbenden Gehirn beobachtet: die "Spreading Depolarization", eine riesige Depolarisationswelle, bei der sich die Nervenzellen ähnlich wie bei einem Kurzschluss entladen. Die verschiedenen Phasen der Hirnaktivität könnten bestimmte Nahtoderfahrungen wie das Gefühl grenzenloser Liebe oder Lichterscheinungen erklären.

Dr. Charlotte Martial von der Coma Science Group in Lüttich hat zahlreiche Nahtodberichte aus aller Welt gesammelt. Sie sucht mit einem aufwendigen Experiment nach neurobiologischen Erklärungen für außerkörperliche Erfahrungen. Dafür hat sie den Wiederbelebungsraum an der Universitätsklinik in Lüttich mit Dingen ausgestattet, die dort wohl niemand erwartet, wie zum Beispiel Kuscheltiere. Sie möchte herausfinden, was Menschen bei Herzstillstand und Reanimation tatsächlich wahrnehmen. Zudem wird die elektrische Aktivität im Gehirn der Patienten mittels EEG aufgezeichnet.

Für die "Terra X"-Dokumentation besucht Mai Thi Nguyen-Kim ein Hospiz sowie ein Bestattungsinstitut und begegnet zum ersten Mal in ihrem Leben einer Toten. In einer Graphic Novel macht sie eine abenteuerliche Reise durch die Hölle und das Fegefeuer ins Paradies. Und fragt sich, ob Unsterblichkeit erstrebenswert ist.

"Es ja kein Spoiler, dass wir alle sterben": Interview mit Mai Thi Nguyen-Kim

Sie haben in den Filmen Ultraschallbilder bei einer Schwangeren machen dürfen, ein Nahtod-Experiment erlebt und eine Verstorbene für ihr Begräbnis vorbereitet: Was haben die Dreharbeiten für diese Dokumentationen mit Ihnen gemacht?
"Terra X"-Dreharbeiten sind ja immer ein Erlebnis, aber die Arbeit für diesen Zweiteiler war ganz besonders bewegend. Mich hat die Auseinandersetzung mit dem Thema auch sehr dankbar gemacht für mein eigenes Leben.

Bei einer künstlichen Befruchtung im Labor dabei zu sein, wo das Leben beginnt, und auf der anderen Seite im Hospiz auf Menschen treffen, die vom Leben ganz konkret Abschied nehmen: Was hat Sie bei der Arbeit an diesen Filmen besonders bewegt? Was hatten Sie vielleicht so nicht erwartet?
Ich hatte vor dieser Doku noch nie einen verstorbenen Menschen gesehen und am Anfang war da schon ein etwas mulmiges Gefühl – aber überraschenderweise nur kurz. Durch das Anfassen konnte ich buchstäblich begreifen, dass ich es einfach nur mit einem Menschen zu tun habe, und das hat mir schnell jede Angst genommen. Ich bin wirklich dankbar für diese Erfahrung, die ich ohne die Dreharbeiten wahrscheinlich nie gehabt hätte. Sich mit dem Anfang und Ende des Lebens auseinanderzusetzen, macht einen ja sehr nachdenklich. Mich hat letztendlich überrascht, wie abwechslungsreich die Dreharbeiten waren und wie viele schöne und lebensfrohe Moment dabei waren.

Hat sich Ihre Sicht auf das Leben, den Anfang des Lebens oder auch das Ende des Lebens, geändert?
Als junge Mutter ist mir das Wunder des Lebens sehr bewusst; der Tod scheint dafür weit weg, wenn man mitten im Leben steht. Ich hatte eigentlich erwartet, dass die Arbeit an dieser Doku entsprechend traurig und schwer sein könnte, doch tatsächlich hat diese aktive Auseinandersetzung eher das Gegenteil in mir ausgelöst: das Gefühl einer tröstlichen Versöhnung mit unserer Endlichkeit.

Warum sollte man den Zweiteiler schauen? Muss man sich zum Beispiel vor dem Teil über das Sterben fürchten?
Ganz im Gegenteil! Ich bin – vor allem jetzt, nach dieser Doku – davon überzeugt, dass wir das Sterben dringend enttabuisieren sollten. Schließlich ist es ja kein Spoiler, dass wir alle sterben. Je besser wir darauf vorbereitet sind, desto weniger Platz ist für Trauer und Angst. Mir haben die Filme Angst genommen, und ich bin mir sicher, das wird dem Publikum auch so gehen. Der Tod, oder die Tatsache, dass das Leben endlich ist, macht das Leben ja erst so wertvoll. Sich mit dem Tod und der eigenen Endlichkeit auseinanderzusetzen führt fast schon automatisch dazu, dass man sein Leben mehr wertschätzt.

Welche Erkenntnis müssen Sie schon vor Ausstrahlung schon unbedingt teilen? Babys sind halbe Opernsänger! Erklärt sich nicht von selbst, dazu muss man sich die Doku anschauen. ;)

Die Fragen stellte Katharina Kohl, Redaktion "Terra X".

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