"frontal": Wintershall-Joint-Venture beliefert russischen Hersteller von Flugbenzin
Ein Joint Venture des deutschen Konzerns Wintershall Dea beliefert Russlands wichtigsten Hersteller von Flugzeugbenzin – trotz des russischen Angriffs auf die Ukraine. Der Flugbenzin-Hersteller versorgt Luftwaffenstützpunkte, deren Piloten für mutmaßliche Kriegsverbrechen in der Ukraine verantwortlich gemacht werden, wie gemeinsame Recherchen des Nachrichtenmagazins DER SPIEGEL und des ZDF-Politmagazins "frontal" zeigen. Wintershall Dea weist einen Zusammenhang zurück und erklärt, derzeit eine "rechtliche Abtrennung" des internationalen Geschäftes der Wintershall Dea von den Geschäften in Russland zu prüfen. Das Kasseler Unternehmen fördert in Sibirien im sogenannten Urengoiskoje-Feld Gas zusammen mit einer Tochterfirma von Gazprom. Dabei fällt als Beiprodukt Gaskondensat an, auch bekannt als "weißes Erdöl". Es wird laut Wintershall Dea "direkt ab Bohrloch" an Gazprom verkauft.
Von einer Gazprom-Raffinerie konnten DER SPIEGEL und ZDF-"frontal" Lieferungen von Flugzeugbenzin nach Morosowsk und Woronesch nahe der Grenze zur Ukraine nachvollziehen. Dort befinden sich Luftwaffenstützpunkte mit russischen Jagdbombern, die mit Angriffen auf zivile Ziele in der Ukraine in Verbindung gebracht werden. So sollen mit Flugzeugen der Stützpunkte unter anderem Zivilisten in Tschernihiw und Mariupol bombardiert worden sein. Amnesty International und Human Rights Watch sprechen von Kriegsverbrechen.
Wintershall Dea, im Mehrheitsbesitz des Chemieriesen BASF, hält einen Zusammenhang der Lieferungen mit den russischen Attacken nach eigenen Angaben für "konstruiert". Ausschließen kann das Unternehmen allerdings nicht, dass das geförderte Gaskondensat auch für militärische Zwecke verwendet wird. Es werde "zu vielen verschiedenen petrochemischen Produkten weiterverarbeitet". Auf die Verwendung des Kondensats habe man selbst "keinerlei Einfluss", für die Herstellung von Treibstoff russischer Kampfjets eigne es sich nicht.
Nach Recherchen von DER SPIEGEL und ZDF-"frontal" spülten Joint Ventures von Wintershall Dea seit dem Angriff auf die Ukraine umgerechnet Hunderte Millionen Euro an Steuern in Wladimir Putins Kriegskasse. Nach einer auf öffentlich zugänglichen Informationen beruhenden Berechnung dürften allein in den ersten neun Monaten dieses Jahres umgerechnet zum aktuellen Wechselkurs mehr als 400 Millionen Euro an sogenannten Fördersteuern an den russischen Staat bezahlt worden sein. "In Russland Gewinne zu machen, in Russland Steuern zu zahlen und Russlands Wirtschaft am Laufen zu halten, ist nichts anderes, als am Krieg teilzunehmen", kritisiert Ukraines stellvertretende Justizministerin Iryna Mudra im Interview mit dem SPIEGEL und dem ZDF. "Es ist dasselbe, wie Kinder und Frauen zu ermorden, Zivilisten zu foltern und ihre Häuser zu zerstören." Oleg Ustenko, Wirtschaftsberater des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj, kündigte an, dass Wintershall Dea spätestens nach Ende des
Ukrainekrieg zur Rechenschaft gezogen werde. "Jedes Unternehmen, das Putins Kriegsverbrechen unterstützt, macht sich dieser Verbrechen auch selbst schuldig."
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Mainz, 4. November 2022
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