Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen

Der Fernsehfilm der Woche

Psychothriller von Regisseur Till Endemann: Die forensische Psychiaterin Dr. Karla Eckhardt soll beurteilen, ob in einem aktuellen Mordfall das Geständnis ihrer ehemaligen Patientin Anna Lobrecht glaubhaft ist.

  • ZDF Mediathek, ab Montag, 10. April 2023, 10.00 Uhr
  • ZDF, Montag, 17. April 2023, 20.15 Uhr, ZDF

Texte

Eine scheinbar ebenbürtige Gegnerschaft

Als Psychiaterin nähert sich Karla Eckhardt einem Verdächtigen auf andere Weise als die Ermittlerin, die sie in dieser zweiten Folge der losen Reihe "Im Schatten der Angst" um Unterstützung bittet. Karlas Bestreben ist es, hinter die Fassade zu blicken. Sie will herausfinden, was jemand bewegt haben könnte, eine Straftat zu begehen. Und sie muss abklären, ob die Person überhaupt schuldfähig ist.

Diese Besonderheit der Hauptfigur nahm das Kreativteam zum Anlass, eine ungewöhnliche Ausgangssituation zu schaffen, die mit gängigen Erzählmustern im Krimi bricht: Die Täterschaft ist geständig. Im zweiten Film ist der Täter eine Frau. Diese Frau hat einen psychisch zwanghaften Hang zur Lüge. Und sie bezichtigt Karla einer vergangenen Fehlbeurteilung. Damit sieht sich Karla nicht nur als Psychiaterin, sondern auch als Mensch herausgefordert.

Die Aufstellung der Figuren erlaubt es, dass sich zwischen der Psychiaterin und ihrer Patientin eine scheinbar ebenbürtige Gegnerschaft entwickelt, mit der sich im Genre des Psychothrillers eine starke Grundspannung erzeugen lässt. Und in diesem Film sind alle Hauptfiguren Frauen, die keine Opfer sind. Im Gegenteil, sie halten die Handlungsfäden in der Hand und spinnen ihr eigenes Narrativ.

Anja Helmling-Grob
Hauptredaktion Fernsehfilm I

Stab, Besetzung, Inhalt

Psychothriller

Buch                                   Paul Salisbury, Till Endemann

Regie                                  Till Endemann

Kamera                               Tobias von dem Borne

Schnitt                                 Florian Drechsler

Ton                                      Dietmar Zuson

Szenenbild                          Conrad Moritz Reinhardt

Kostüme                             Christoph Birkner

Produktionsleitung              Viktoria Zellner

Herstellungsleitung             Alfred Strobl

Producerin                          Gudula von Eysmondt

Produzenten                       Gerald Podgornig, Thomas Hroch

Redaktion                           Anja Helmling-Grob (ZDF),
                                           Andrea Bogad-Radatz, Georg Petermandl (ORF)

Länge                                 ca. 89 Minuten

Eine Koproduktion des ZDF mit der Tivoli Film Produktion GmbH, München und dem ORF

 

Die Rollen und ihre Darsteller

Dr. Karla Eckhardt              Julia Koschitz

Irene Radek                        Susi Stach

Anna Lobrecht                    Mercedes Müller

Margarete Lobrecht            Johanna Orsini

Peter Sandor                      Michele Cuciuffo

Ursula Eckhardt                  Patricia Hirschbichler

Dr. Lorenz Lodenscheidt    Johannes Silberschneider

Martin Heller                      Thomas Schubert

Sylvia Heller                       Michaela Klamminger

Florian Förster                    Dominik Warta

Christoph Schärfler            Christoph von Friedl

Niklas Teubert                    Aaron Friesz

und andere

 

Die forensische Psychiaterin Dr. Karla Eckhard trifft auf eine ehemalige Patientin: Anna Lobrecht ist eine zwanghafte Lügnerin.

Sie behauptet, ihren Psychologen ermordet zu haben. Anna leidet unter Pseudologia phantastica, weil sie ihren Vater, einen katholischen Priester, von klein auf verleugnen musste. Karla hatte Annas Begutachtung übernommen, weil diese behauptete, ihr behandelnder Psychologe Christoph Schäfler habe sie sexuell belästigt und angegriffen.

Nun wurde Schäfler erschlagen am Donau-Ufer gefunden, und Anna hat ein Tatgeständnis abgelegt. Angesichts des psychiatrischen Gutachtens von Karla zweifelt die ruppige Kommissarin Irene Radek an Annas Geständnis. Karla will den Fall zunächst aus Befangenheit ablehnen, ein Gespräch mit Anna fordert sie jedoch heraus, denn diese macht ihr schwere Vorwürfe. War ihr Gutachten damals falsch?

Bei der verschlossenen Haushälterin des Pfarrhauses, Margarete Lobrecht, Annas Mutter, stößt Karla auf Abweisung. Niemand im Ort weiß, dass Anna die Tochter des ehemaligen Priesters ist. Die Anweisung zu lügen verursachte eine toxisch-enge Verbindung zwischen Mutter und Tochter. Karla vermutet hier den Schlüssel zur Lösung des Falles.

Die Entdeckung, dass der ehemalige Priester unter ungeklärten Umständen bei einem Kirchenbrand ums Leben kam, führt zu weiteren Ermittlungen. Martin Heller, ein Pfleger in der Psychiatrie, der Anna während ihres stationären Aufenthaltes betreute, gerät in den Fokus der Kommissarin. Wurde er von Anna so manipuliert, dass er Schäfler ermordete?

Während Karla sich verfolgt und beobachtet fühlt, wird Anna aus Mangel an Beweisen aus der U-Haft entlassen. Karla trägt immer weitere Puzzleteile aus Annas Leben zusammen, die sich schließlich zu einem klaren Bild verdichten.

"Duell um Lüge und Wahrheit"

Statement der Autoren Till Endemann und Paul Salisbury

Es war unser grundsätzlicher Ansatz, sowohl auf dramaturgischer Ebene als auch in der Umsetzung von "Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen" die Elemente des Psychothrillers in den Vordergrund zu stellen. Die Hauptfigur Dr. Karla Eckhardt ist zunächst mal keine Kommissarin, sondern forensische Psychiaterin – ein Beruf, der sich in der Realität vorwiegend auf die fachliche Begutachtung von Tätern und Täterinnen mit psychisch auffälligem Verhalten beschränkt. Zwar beginnt "Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen" auch mit einem Mordfall, aber Karla Eckhardt hat zunächst gar nicht die Befugnisse, um diesen wie die Kommissarin im klassischen Krimi zu "lösen".

Vielmehr war es unser Ziel, sie durch ihre Arbeit und die Mechanismen ihrer eigenen fragilen Psyche in eine lebensbedrohliche, existenzerschütternde Situation hineingleiten zu lassen. "Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen" sollte Karla Eckardt an ihre Grenzen bringen – und darüber hinaus. Im Sinne des Psychothrillers galt es hierfür eine maximal herausfordernde Antagonistin zu erschaffen, in diesem Fall Anna Lobrecht. Eine Besonderheit dieser Reihe ist es dabei, dass der Fokus auf geistig abnormem Verhalten von Tätern liegt, die gezeigten psychischen Störungen gleichzeitig aber nicht stigmatisiert oder effekthascherisch vorgeführt werden sollen. Ein Balanceakt, der uns noch tiefer in die Seelenwelten von Hauptfigur und Antagonistin eintauchen ließ. So wurde "Im Schatten der Angst – Du sollst nicht lügen" zu einem faszinierenden Duell um Lüge und Wahrheit und zu einem nicht zuletzt auch optischen Vexierspiel, in dem der Zuschauende gemeinsam mit der Hauptfigur nach Halt sucht.

"Die Komplexität der menschlichen Psyche"

Interview mit Julia Koschitz

Die ZDF-Reihe "Im Schatten der Angst" ist schon im März 2020 gestartet. Jetzt geht es weiter mit der neuen Folge "Du sollst nicht lügen". Was hat sich im Leben der forensischen Psychiaterin Dr. Karla Eckardt in der Zwischenzeit getan? Wo steht sie – privat wie beruflich?

Auch wenn der erste Teil von "Im Schatten der Angst" schon drei Jahre her ist, knüpfen wir direkt an damals an. Karla arbeitet nach wie vor unter der Leitung ihres väterlichen Professors Lodenscheidt, der immer wieder versucht, ihre unkonventionelle Arbeitsweise in Schach zu halten. Allerdings kommt es zu einem neuen Kontakt mit der Polizei, den Karla Eckhardt erstmal wie gewohnt versucht zu vermeiden. Kommissarin Radek involviert Karla in ihren neuen Fall, bei dem eine junge Frau, Anna Lobrecht, den Mord an ihrem Therapeuten gesteht. Sie weiß, dass Karla Anna von früher kennt und baut auf ihre fachliche Hilfe. Radek ist in allem das komplette Gegenteil von Karla, was diese vor unterschiedliche Herausforderungen stellt. Außerdem trifft Karla auf einen feinsinnigen Pianisten, der ihr überraschend nah kommt.

Karla Eckardt misstraut Menschen grundsätzlich und sie schützt sich, indem sie wenig von sich preisgibt. Sie fühlt sich am wohlsten, wenn sie arbeitet. Je komplizierter ihre Fälle, umso besser. Doch man merkt ihr immer mehr an, dass sie unter starkem Druck steht. Was ist los mit ihr?

Sollte Anna ihren Therapeuten wirklich umgebracht haben, hat Karla vor Jahren eine Fehldiagnose gestellt. Anna beschuldigte ihren Therapeuten damals, sie tätlich angegriffen zu haben, wie ihre Würgemale beweisen sollten. Karla fand heraus, dass sich Anna aus ihrer Geschichte heraus permanent in Lügen-Konstrukte verstrickt, um sich damit aufzuwerten, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Ihre Diagnose beinhaltete, dass Anna ihren Therapeuten zu Unrecht beschuldigte und sich die Würgemale damals selbst zugefügt hat. Aufgrund ihrer früheren Begutachtung müsste Karla sich jetzt aus dem Fall raushalten, aber getrieben von der Annahme, dass Anna sich wieder in den Fokus stellt, selbst mit dieser schlimmen Tat, versucht sie Annas, aber auch ihre eigene Unschuld zu beweisen, und gerät dabei immer mehr unter Druck.

Was macht die Reihe "Im Schatten der Angst" für Sie aus? Und was war Ihnen bei der Weiterentwicklung ihrer Figur wichtig?

Es geht im weitesten Sinne um die Komplexität der menschlichen Psyche – darum, die Hintergründe von unbegreiflichen Verbrechen zu entdecken und dabei immer wieder auf die Macht der Kränkung zu stoßen. Diese Suche nach den Untiefen der Menschen wird im Genre des Thrillers erzählt, was ich spannend finde. Ich mochte die Figur der Karla Eckardt von Anfang an, weil sie eigenwillig ist. Bei all ihrer hohen Sensibilität scheint sie manchmal hilflos im echten Leben, außerhalb der Klinik. Sie ist sperrig, verfolgt ihren Weg manchmal auf fragwürdige Weise und begeht dabei auch Fehler. Aber sie stellt sich selbst immer wieder zur Disposition – das macht sie mir sehr sympathisch und das bietet ihr die Möglichkeit, sich als Mensch weiterzuentwickeln. Insofern wird sie vor immer neuen Herausforderungen gestellt.

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