Weltberühmt und depressiv: Von Sisi bis Adenauer

Terra X History-Dokumentation mit Leon Windscheid

Kaiserin Sisi, Winston Churchill, Konrad Adenauer, Marilyn Monroe und auch Torwartlegende Robert Enke – sie alle litten unter Depressionen.
Psychologe Leon Windscheid führt anhand der prominenten Beispiele und im Gespräch mit Experten durch die Geschichte der Krankheit. Seit dem tragischen Tod von Robert Enke scheint sich etwas in Deutschland zu verändern: Immer mehr Menschen berichten in der Öffentlichkeit über ihre Depressionen. Eine Krankheit, die ganz unterschiedliche Formen annehmen kann, die aber gut zu behandeln ist, wenn sie nicht verheimlicht wird.

Sendedatum

ut Ab Freitag, 10. Oktober 2025, 5.00 Uhr, im ZDF streamen, fünf Jahre lang
ut Dienstag, 21. Oktober 2025, 20.15 Uhr

Fotos

Texte

Stab (Auswahl)

Buch                                Kai Christiansen, Michaela Kirst und Jutta Pinzler
Regie                               Kai Christiansen
Moderator                        Leon Windscheid
Kamera                            Dirk Heuer
Schnitt                             Matthias Hahner
KI-Animation                    Kai Christiansen
Grafik-Animation              Stefan Matlick
3D-Animation                    Animationsfabrik
Produktion                        Philipp Müller (ZDF)
                                         Vera Pfeifer, Martin von Winterfeld (sagamedia)
Redaktion                          Stefan Mausbach, Ursula Nellessen
Leitung                              Stefan Brauburger
Sendelänge                       circa 45 Minuten

Inhalt

Kaiserin Sisi, Winston Churchill, Konrad Adenauer oder Marilyn Monroe: Sie gelten als Ikonen – bewundert, verehrt, weltberühmt. Und doch durchlebten sie alle tiefe Krisen.

Schon Sisi sagte man eine schwere "Melancholie" nach. Die Kaiserin wog nie mehr als 50 Kilogramm, bei einer Größe von 1,72 Metern. Am Ende ihres Lebens trug sie nur noch schwarze Kleidung, vermied jeden Kontakt mit der Öffentlichkeit. Diese "Melancholie", die man schon damals als psychische Krankheit begriff, bekam erst im Laufe des 19. Jahrhunderts den Namen "Depression".
Winston Churchill erlebte immer wieder Phasen von anhaltender Niedergeschlagenheit. Diese Zeiten nannte er "Besuch vom schwarzen Hund". Auch hinter der glamourösen Fassade von Marilyn Monroe lauerten emotionale Abgründe, vor allem traumatische Erlebnisse in ihrer Kindheit. Konrad Adenauer litt immer wieder unter Phasen der Schwermut, von denen er nur wenigen erzählte. Bislang unbekannte Briefe und Materialien gewähren neue Einblicke in seine Gefühlswelt und Gemütslage. Darin erwähnt Adenauer auch Suizidgedanken.

Während in angelsächsischen Ländern seit den 1950er Jahren Psychotherapien selbstverständlicher wurden, taten sich die Deutschen im Umgang mit Depressionen schwer. Nach dem tragischen Tod von Torwart Robert Enke scheint sich etwas in Deutschland zu verändern, die Stigmatisierung der Krankheit lässt deutlich nach. Immer mehr Menschen, auch Prominente, berichten in der Öffentlichkeit über ihre Depressionen. Eine Krankheit, die ganz unterschiedliche Formen annehmen kann, die aber gut zu behandeln ist, wenn sie nicht verheimlicht oder überspielt wird. Die Deutsche Depressionshilfe gibt an, dass etwa jeder fünfte bis sechste Erwachsene einmal im Leben von einer Depression betroffen ist.

Psychologe Leon Windscheid führt anhand prominenter Beispiele und im Gespräch mit Experten durch die Geschichte der Krankheit Depression. So spricht er mit der berühmten New Yorker Psychoanalytikerin Erika Freeman, die nicht nur Marilyn Monroe, sondern auch Woody Allen, Marlon Brando und viele andere Hollywood-Stars behandelte. Leon Windscheid fährt zum Kloster Maria Laach, in dem Konrad Adenauer vor den Nationalsozialisten Schutz suchte. Dort trifft er auf Prof. Hanns-Jürgen Küsters, der aus den rund 200 bisher unbekannten Briefen des ersten deutschen Bundeskanzlers zitiert. Was war in den jeweiligen Epochen der Protagonisten über Depressionen oder entsprechende Gemütszustände bekannt, wie gingen die Betroffenen selbst damit um? Wie sehen wir mit unserem Wissen heute auf die großen Persönlichkeiten der Weltgeschichte? Leon Windscheid trifft sich auch mit Teresa Enke, der Witwe des deutschen Fußball-Nationaltorwarts Robert Enke, der 2009 durch Suizid starb. Als Vorstandsvorsitzende der Robert-Enke-Stiftung bemüht sie sich heute um Aufklärung hinsichtlich der Krankheit Depression. Erstmals in dieser Zusammenschau erläutert die Dokumentation die Hintergründe der Leidensgeschichten in den einzelnen Biografien.

Über die Protagonisten

Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837 – 1898)
Um die österreichische Kaiserin Sisi ranken sich nicht erst seit den berühmten "Sissi"-Filmen mit Romy Schneider Gerüchte und Legenden. Es gibt unzählige Geschichten von ihrer Liebe zu Franz, ihrem Schönheitswahn und ihren Seefahrt-Abenteuern, bis zu ihrer Ermordung im Alter von nur 60 Jahren durch einen italienischen Anarchisten. 1854, mit gerade mal 16 Jahren, heiratete sie ihren Cousin Kaiser Franz I., zog von ihrer bayrischen Heimat nach Wien und wurde österreichische Kaiserin. Ein bewegtes, aber auch tragisches Leben lag vor ihr. Sisi verabscheute die Rituale der Monarchie und das Leben bei Hofe, sie fühlte sich eingesperrt. "Ich bin erwacht in einem Kerker und Fesseln sind in meiner Hand", schrieb sie in einem Gedicht, zwei Wochen nach der Hochzeit. Sisi ergriff die Flucht – eine Sucht, die lebenslang anhielt. Ruhelos reiste sie durch Europa und den Orient. Ihre Tochter Sophie starb als Kleinkind, ihr Sohn Rudolf nahm sich das Leben. Sisi zeigte immer mehr Verhaltensweisen, die sich aus heutiger Perspektive auf eine Essstörung und Depression zurückführen lassen. Gerade ihr Körperkult, ihre Hungerkuren, ihre Neigung zu Extremsport, bei dem sie oftmals ihr Leben riskierte, und ihre Rastlosigkeit erscheinen wie eine Ausflucht aus ihren Seelenqualen. Kaiserin Sisi führte ein Leben zwischen zwei Welten. Nach außen präsentierte sie sich als strahlende Monarchin, doch hinter diesem Glanz verbarg sich eine verletzliche Frau, von deren inneren Kämpfen kaum jemand etwas ahnte.

Winston Churchill (1874 – 1965)
Der zweimalige Premierminister Großbritanniens ging als großer Staatsmann und Sieger über Hitler-Deutschland in die Geschichte ein. Darüber hinaus galt Winston Churchill als begabter Hobbymaler und als brillanter Schriftsteller, der 1953 sogar den Literaturnobelpreis erhielt. Doch immer wieder erlebte er Phasen von anhaltender Niedergeschlagenheit. Churchill nannte diese schwierigen Zeiten "Besuch vom schwarzen Hund". Dann litt er, laut seiner Ehefrau Clementine, unter Konzentrationsmangel, Appetit- und Energielosigkeit. Den "schwarzen Hund" versuchte er mit Spaziergängen, Landschaftsmalerei und Alkohol zu bekämpfen. Waren die depressiven Phasen vorüber, entwickelte Churchill eine hohe Dynamik. Dann konnte er fast ununterbrochen von 8.00 Uhr in der Früh bis 2.00 oder 3.00 Uhr am nächsten Morgen arbeiten. Als Premierminister kultivierte er sein Leben als Exzentriker. Er diktierte seine Briefe vom Bett aus, lief im Bademantel herum, rauchte und trank viel Alkohol. Im hohen Alter wirkte Churchill immer häufiger auch für Außenstehende schwermütig. Es war die Zeit, in der, wie er sagte, der "schwarze Hund" immer häufiger kam. Churchill akzeptierte seinen psychischen Zustand, ohne viel zu klagen. Seine Analyse des eigenen Seelenlebens und die berühmte Metapher für seine Depression verhalfen der Krankheit zu Aufmerksamkeit. Heute erklärt das Buch von Matthew Johnstone "Der schwarze Hund – Wie ich meine Depression an die Leine legte" in einfachen Bildern die schwer fassbare Krankheit.

Konrad Adenauer (1876 – 1967)
Als er 1949 Bundeskanzler wurde, war Konrad Adenauer 73 Jahre alt, mit 87 verließ er das Kanzleramt. Hinter ihm lag ein Leben großen politischen Engagements, das aber auch von vielen privaten Schicksalsschlägen geprägt war. 1916 starb seine erste Frau nach langer Krankheit. Ein Jahr später erlitt er selbst einen schweren Verkehrsunfall; seitdem peinigten ihn chronische Kopfschmerzen. Von 1917 bis 1933 war Adenauer Oberbürgermeister von Köln. Zu Beginn des Dritten Reichs enthoben ihn die Nationalsozialisten seiner Ämter und setzten ihn zeitweise sogar in Haft. Schutz fand er mehrfach im Kloster Maria Laach. Abgeschirmt von der Außenwelt schrieb er von dort an ein befreundetes Ehepaar: "Ich bin fast am Ende meiner Willenskraft (…) wenn nicht meine Familie und meine religiösen Grundsätze wären, hätte ich lange meinem Leben ein Ende gemacht, es ist so wirklich nicht lebenswert." Solche Schwankungen in seiner Gemütslage und deren Hintergründe offenbarte erst ein Fund privater Dokumente vor einigen Jahren. In Tagebuchnotizen seines Sohns Paul steht über den Vater: "Er hatte um zwei Uhr ein Pervitin genommen, und nun nimmt er seine 15 verschiedenen Schlafmittel und andere Medikamente in einem Löffelchen, um schlafen zu können." Beunruhigt fragte sich Paul Adenauer am 2. November 1964: "Wie soll das alles weitergehen?" Zu diesem Zeitpunkt war Konrad Adenauer vor gut einem Jahr aus dem Kanzleramt ausgeschieden, von dem aus er die junge Bundesrepublik 14 Jahre lang gelenkt hatte. Mit einer für einen Mann seines Alters ungeheuren und erstaunlichen Energie. Erklärt der Tagebucheintrag diese ungewöhnliche Leistungsfähigkeit? Rund 200 bislang unbekannte Briefe von Konrad Adenauer geben Einblicke in sein Seelenleben und den wechselvollen Gemütszustand, von dem nur wenige wussten.

Marilyn Monroe (1926 – 1962)
Aus armen und schwierigen Verhältnissen stammend und während des Zweiten Weltkrieges als Fotomodell entdeckt, stieg sie erfolgreich zum Filmstar auf: Noch heute gilt Marilyn Monroe als die "Hollywood-Leinwand-Göttin", gefeiert auch als Sexsymbol. Dabei war dies eine Rolle, die sie nie spielen wollte. Ihre Kindheit, resümierte Marilyn Monroe am Ende ihres Lebens, war ein einziger Kampf ums Überleben. Ihre Mutter verbrachte lange Jahre in einer Nervenheilanstalt. Und Norma Jean Baker, wie sie bürgerlich hieß, wuchs bis zu ihrem 16. Lebensjahr in wechselnden Pflegefamilien und immer wieder in Heimen auf. Ihr ganzes Leben lang auf der Suche nach Geborgenheit, flüchtete sie sich in insgesamt drei Ehen. Zahllose Affären wurden ihr nachgesagt, viele Männer nutzten die Labilität der jungen Frau aus, die immer mehr Alkohol und Medikamente konsumierte. Gegen Ende ihres Lebens konstatierte Marilyn Monroe, sie sei immer "nur die Imitation meiner selbst" gewesen. 1961 ging dann nichts mehr, sie konnte nicht mehr schlafen und war schwer depressiv. Die Haushälterin fand Marilyn Monroe am Morgen des 5. August 1962 tot in ihrem Haus in Brentwood. Der Star starb an einer zu hohen Dosis Schlafmittel.

Robert Enke (1977 – 2009)
Während seiner Torwartkarriere bestritt Robert Enke 196 Bundesligaspiele, die meisten davon für Hannover 96. Beim portugiesischen Traditionsverein Benfica Lissabon brachte es der Keeper bis zum Kapitän. Dann holte ihn der große FC Barcelona. Acht Mal stand Robert Enke im Tor der deutschen Nationalmannschaft. Er war auf dem besten Weg, die deutsche Nummer eins für die Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika zu werden. Doch immer wieder holten ihn schwere Depressionen ein, die er verheimlichte so gut es ging. Nur seine Frau Teresa und sein Berater wussten von der Krankheit – und ein Mannschaftskollege. Ihm schenkte Enke ein kleines Bilderbuch, das erklärt, was Depression ausmacht: "Mein schwarzer Hund". Klinikaufenthalte lehnte er ab – aus Angst, stigmatisiert zu werden und seinen Job zu verlieren. Das Versteckspiel um seine Krankheit trieb ihn immer tiefer in die Ausweglosigkeit, die er offenbar empfand. Sein letztes Spiel absolvierte Robert Enke am 8. November 2009. Zwei Tage später nahm er sich das Leben.

Zitate der Interviewpartnerinnen und -partner

Prof. Dr. Mazda Adli, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie über Depressionen bei berühmten Persönlichkeiten:
"Wenn ich ein Leben führe, was mit hohen Stresswerten verbunden ist, wenn ich ein Leben auf der Überholspur führe, wenn ich dauernd aktiv bin, von früh bis spät, und das auch von mir verlange, dann habe ich ein größeres Depressionsrisiko, weil ich hochtouriger laufe und weil meine Stresswerte, meine Stressbiologie immer hoch ist."

Dr. Erika Freeman, Psychoanalytikerin, über Marilyn Monroe, die bei ihr in Behandlung war:
"Sie war eine große Schauspielerin, und die Rolle, die sie am besten gespielt hat, war Marilyn Monroe."

Katrin Unterreiner, Historikerin und Biografin, über Kaiserin Elisabeth von Österreich-Ungarn, von der es heißt, sie habe melancholische Phasen durchlebt:
"Sie konnte ihr Leben völlig frei gestalten. Das war außergewöhnlich, und es ist ihr trotzdem nicht gelungen, ein Leben zu führen, dass sie zufrieden war."

Franziska Augstein, Journalistin und Biografin, über Winston Churchill, der als britischer Premierminister immer wieder Stimmungsschwankungen zeigte:
"Die Art, wie er dann in Nichtkommunikation versank und auch dämmerte und wie er gelegentlich noch mal aufwachte, das ist sicherlich als Depression zu werten. Interessant ist, dass sein Lebensglück ihm verdorben war mit dem Untergang des Empires."

Hanns Jürgen Küsters, Historiker, über Konrad Adenauer nach seinem Rücktritt als Bundeskanzler 1963:
"Das würde man heute vielleicht als Altersdepression oder auch Arbeits-, Ruhestandsdepression empfinden. Als er im Grunde genommen doch mehr oder weniger zum Rücktritt vom Amt des Bundeskanzlers gezwungen wurde, hat er seinerseits natürlich damit arg zu kämpfen, nun keine politische Verantwortung mehr zu tragen."

Teresa Enke über die Erwartungen und den Druck, dem ihr Mann, der Nationalspieler Robert Enke, ausgesetzt war:
"Er dachte, wenn er sich zu seiner Depression bekennt, dass er alles verliert. Also dass man ihn nicht mehr spielen lässt. Weil ja, der Torhüter, der letzte Mann und so weiter: Die Fans wollen keinen depressiven Robby, die wollen den stärksten Mann hinten – und da passt das nicht."

Drei Fragen an Leon Windscheid

Warum ist es wichtig, Depressionen bei historischen Persönlichkeiten zu thematisieren? Oder allgemeiner gefragt: Warum ist es wichtig, öffentlich über Depressionen prominenter Menschen zu sprechen?

Viele Menschen glauben immer noch, Depressionen träfen nur "schwache" Menschen oder solche mit bestimmten Eigenschaften. Aber das stimmt nicht – Depressionen können wirklich jeden treffen. Gerade wenn wir sehen, dass auch Persönlichkeiten, die wir als Helden, Stars oder große Köpfe der Geschichte wahrnehmen, betroffen gewesen sein könnten, hilft das, das Thema besser zu verstehen. Wir merken: Es betrifft viel mehr Menschen, als man denkt.
Ganz wichtig: Im Rückblick können wir keine Diagnosen stellen. Wir können uns Tagebücher, Briefe oder Berichte anschauen, versuchen, ein Gefühl für das Leben dieser Menschen zu bekommen – aber am Ende wissen wir nicht sicher, ob es wirklich eine Depression war.
Wenn wir dann in die Gegenwart schauen und sehen, wie jemand wie Kurt Krömer, Nora Tschirner oder Felix Lobrecht offen über Depressionen spricht, dann wird deutlich, was das bewirken kann. Gerade weil diese Menschen in der Öffentlichkeit stehen und jeder sie kennt, sind sie auch Vorbilder. Sie zeigen: "Es ist nicht deine Schuld. Du bist nicht allein. Es gibt Hilfe." Genau deshalb finde ich das so wichtig – und bin allen, die den Mut haben, offen darüber zu sprechen, sehr dankbar.

Warum war es lange unbekannt, dass historische Persönlichkeiten wie Sisi, Churchill oder Adenauer an Depressionen litten?

Das Thema mentale Gesundheit bekommt heute zum Glück viel mehr Raum als noch vor ein paar Jahren. Da hat ein echter gesellschaftlicher Wandel stattgefunden. Früher hat man bei vielen Persönlichkeiten gar nicht wahrhaben wollen, dass es auch psychische Probleme geben könnte – Adenauer musste nach dem Krieg der unerschütterliche Staatsmann sein. Kaiserin Elisabeth – die viele nur als Sissi aus den Filmen kennen – sollte ein "Happy Life" verkörpern, ohne Schattenseiten. Und das zieht sich bis heute: Ich kenne Lehrer, Managerinnen, Kellner, die nach außen in ihrem Alltag versuchen, das perfekte Leben darzustellen, obwohl es ihnen im Inneren nicht gut geht. Und wenn ich dann heute Sprüche höre wie "Die jungen Leute stellen sich alle nur an" oder "Das bilden die sich doch ein", dann denke ich: Vorsicht! Es gibt viel mehr Menschen, die jeden Tag eine Maske tragen, so tun, als wäre alles in Ordnung – obwohl sie innerlich kämpfen – anders als Menschen, die sich eine Krankheit nur ausdenken.  

Inwiefern hat sich der Blick auf das Thema Depression in den letzten 100 Jahren geändert?

Vor 100 Jahren hat kaum jemand über Depressionen gesprochen. Selbst vor 50 Jahren, als mein Opa mitten im Leben stand, hätte es kaum jemanden gegeben, der das Wort überhaupt benutzt – geschweige denn öffentlich darüber redet. Heute hat sich da viel getan.
Trotzdem ist Depression immer noch oft mit viel Scham behaftet. Ich erinnere mich an einen Freund, mit dem ich in einer WG gewohnt habe. Eines Tages kam er zu mir ins Zimmer und sagte: "Leon, ich muss dir was sagen. Ich bin depressiv. Schon lange." Und ich war schockiert, weil ich, der gute Freund und Psychologe, das nicht gemerkt habe. Und das zeigt mir aber eher nur noch mal mehr, wie hoch der Druck auf viele Menschen auch heute immer noch ist, psychische Probleme zu verstecken und vielleicht zu denken: Viele glauben immer noch: "Nur ich bin so. Mit mir stimmt was nicht. Ich bin komisch." Und das in einer Welt, die dich von allen Seiten mit "Be happy! Think positive! Das Glas muss halb voll sein!" anschreit. Klar, es gibt heute bestimmte Bubbles, in denen es normal ist, sich Hilfe zu holen – vielleicht wird es dort sogar als Stärke gesehen. Aber es gibt eben auch viele Bereiche, wo Scham und Angst immer noch größer sind als Offenheit.
Und um das mal in Zahlen zu fassen: Rund jeder vierte Erwachsene in Deutschland erfüllt einmal im Jahr die Kriterien einer psychischen Störung. Millionen Menschen! Und wenn wir die Familien, Freunde, Angehörigen dazuzählen, betrifft das Thema praktisch uns alle. Trotzdem holt sich nur jeder fünfte Betroffene professionelle Hilfe. Das heißt: Ganz viele versuchen immer noch, alleine damit klarzukommen – was riskant ist, weil es so oft chronisch wird und schwerer zu behandeln. Deshalb: Lieber einmal zu früh und einmal zu viel Hilfe holen, lieber einmal zu viel drüber sprechen – als still zu leiden.

Über den Einsatz von KI von Filmemacher Kai Christiansen

Der Film über historische Figuren mit Depressionen handelt von Menschen, denen oft gar nicht bewusst war, woran sie eigentlich litten. Es sind große Gefühle, fragende Blicke, kleine stille Momente, die hier mit Darstellerinnen und Darstellern inszeniert werden. Unterstützt wird die Inszenierung von KI generierten Filmsequenzen, die eine Einbettung in historische Kulissen ermöglichen. Es ist ein Weg, um die Menschen bestmöglich in Szene zu setzen. Es geht neben ihren tiefen Gefühlen und persönlichen Momenten um sehr unterschiedliche Epochen, ferne Länder, um Kriege und um historische Medizin. Diese Zeitspanne von über 150 Jahren glaubwürdig herzustellen, hätte mit bisherigen Techniken einen kaum realisierbaren Aufwand gekostet. Jetzt kann ich mit KI-Unterstützung visuell erzählen und nacherlebbar machen, was historisch überliefert ist.

Arthur Miller schreibt in seiner Autobiografie von einem Arzt, der seiner Ehefrau Marilyn Monroe eine Spritze geben will, von der zu befürchten ist, dass sie der Monroe das Leben kostet. Durch KI kann unser Miller-Darsteller (Matthias Conrads) jetzt durch die Straßen von New York 1960 hetzen, um dann am Ende bei seiner Marilyn anzukommen. Ich nutze dafür eine Technik, die sich "Image to video" nennt. Zunächst stellen wir dafür ein Foto her: Unser Miller-Darsteller wird vor einer weißen Wand fotografiert, dazu kommt ein Foto aus den New Yorker Straßen 1960 und der Schauspieler wird wie in einer Collage in diese Umgebung gestellt. Danach erhält der Computer die Anweisung, wie schnell und wohin unser Miller laufen soll und dass die Kamera ihm dabei folgen muss. Mit Hilfe von KI wird die Bewegung von Miller, aber auch der sich verändernde Hintergrund errechnet und ausgespielt. Das ergibt wenige Sekunden, hat aber eine große Wirkung: Die darauffolgende Szene mit der Spritze beim Arzt erscheint schlüssiger, das Eilen durch die Stadt erhöht die Spannung und auch die folgenden Bilder wirken dramatischer.

Ähnlich wurde aus ein paar Fotos eine Szene, die während des Kolonialkriegs in Südafrika spielt, gebaut, wurde Kaiserin Elisabeth zur Touristin in Griechenland und auch die Szene mit der Gestapo, die bei Familie Adenauer klingelt, besteht aus solchen Elementen. Es sind Fotocollagen von unseren Darstellerinnen und Darstellern, die dabei vor einen Hintergrund gesetzt werden, um sie zusammen mit Hilfe von KI zu bewegten realistischen Filmszenen werden zu lassen. So hat kein Pferd unter dem Sturz der Kaiserin gelitten, hat kein Schiffsschornstein auf dem Meer geraucht.

Die Vielzahl an Orten und Epochen wären bei einer rein filmischen Darstellung unbezahlbar gewesen. Die stillen Blicke und die Hände, die einander greifen, sind real gedrehte Momente, aber erst durch die visuelle Kraft der Schauplätze entfalten sie ihre Wirkung. Der Film lässt dabei immer erkennen, wo wir fiktionalisieren – denn dann sehen wir unsere Darstellerinnen und Darsteller. Dort, wo wir Archivmaterial oder Originalfotos zeigen, ist dies nicht der Fall.

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