"Precht" im ZDF über Europa und die "zerrissene Welt"
Die Weltordnung befindet sich im Umbruch. Die Rolle der Vereinigten Staaten als jahrzehntelange Hegemonialmacht wird schwächer, Staaten wie China und Indien, aber auch der globale Süden gewinnen an Bedeutung. Wie soll sich Europa in dieser neuen Konstellation verhalten? "Zerrissene Welt – zwischen Werten und Interessen" ist das Thema in der Gesprächssendung "Precht" am Sonntag, 10. Dezember 2023, 23.40 Uhr, im ZDF. Richard David Precht diskutiert mit dem Politikberater Ivan Krastev, wie der Widerspruch zwischen Wertvorstellungen und handfesten Machtinteressen zu lösen sein könnte und wie die westlichen Nationen darauf reagieren. In der ZDFmediathek steht die Sendung ab Sonntag, 10. Dezember 2023, 10.00 Uhr, zur Verfügung.
Die westliche Vorstellung, liberale Demokratien würden sich weltweit durchsetzen, hat sich nicht erfüllt – autokratische Systeme, Nationalismus und Abschottung sind im Aufwind. Staaten stehen sich als Rivalen gegenüber und kriegerische Konflikte wie der russische Überfall auf die Ukraine oder der Krieg im Nahen Osten beherrschen die Schlagzeilen.
Nach Einschätzung des Politologen Ivan Krastev müsse sich besonders Europa bewusst machen, dass sich die Welt gerade massiv verändert. All die Werte und Ideale, die lange Zeit Wohlstand und Sicherheit bescherten, verlieren an Bedeutung. Proklamierten die 68er noch, "wir wollen nicht so leben wie unsere Eltern", fordert die heutige Jugend, weiter so leben zu können wie die Eltern. Während sich die jüngeren Generationen hierzulande um ihre Zukunft sorgen, macht sich in China und Indien, aber auch im globalen Süden ein Pragmatismus breit, der sich weniger an Werten als an Interessen orientiert. Statt von Idealismus sind diese Staaten angetrieben von ökonomischen Interessen. Man will nicht länger nur ein Spielball der Systeme oder bestimmter Hegemonialmächte sein, sondern eine eigene Rolle im "Weltmonopoly" spielen.
Hinzu komme, so Krastev, dass eine deutlich beschleunigte technologische Dynamik herrsche. Früher sicherte der technische Fortschritt eines Landes den Wohlstand für Jahrzehnte – heute aber wird Technologie rasch repliziert und überall auf der Welt verfügbar gemacht. Durch die Digitalisierung verbreiten sich Informationen mittlerweile nahezu in Echtzeit. Im gleichen Maße wie Nationen sich einerseits deutlicher und zum Teil aggressiver voneinander abgrenzen, rücken sie zugleich auch dichter zusammen.
Auch die Macht eines Staates würde heute weniger an seinem militärischen Potential gemessen, als an seiner Bereitschaft, dieses Potential auch tatsächlich einzusetzen. Viele aufstrebende Länder sehen in der Auflösung alter Machtlinien auch ihre Gelegenheit, den eigenen Rang in der Welt zu verbessern. Es gehe im Konfliktfall heute weniger um die Wahl der richtigen Seite aus ideologischer Perspektive, sondern stärker um die Frage, was mehr Vorteile verspricht. Das egoistische Interesse im Privaten habe sich, so Krastev, auch auf der Weltbühne etabliert. Die Staaten liefern sich ein immer schnelleres Rennen um mehr Einfluss, Macht und am Ende mehr Profit. Während die Werte des alten Europas für viele als "Ladenhüter" erscheinen, wittern andere Regionen ihre Chance.
Die Sendung wird mit Untertiteln angeboten.
Kontakt
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Weitere Informationen
Ivan Krastev war bereits im Mai 2022 zu Gast bei "Precht" – zum Thema "Zeitenwende? – Die Welt nach dem Kriegsschock"
Im ZDF-Presseportal finden Sie eine Pressemappe zur ZDF-Gesprächsreihe "Precht".
Hier finden Sie "Precht" in der ZDFmediathek.
Mainz, 6. Dezember 2023
ZDF-Kommunikation
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