Zurück ans Meer
Der Fernsehfilm der Woche
22 Jahre ist es her, dass Mara Breuer Opfer einer gewaltsamen Entführung an der dänischen Küste wurde. Seither kämpft sie mit einem schweren Trauma, das auch ihre Mutter Charlotte gefangen hält. Charlotte begleitet Mara in eine Klinik an der Ostsee zu einem letzten Therapieversuch. Bei einer Zufallsbegegnung auf der Promenade glaubt Charlotte die Stimme des Mannes zu erkennen, der Mara damals entführt hat. Sie beginnt den dänischen Industriellen Kjell Mortensen bis nach Dänemark zu verfolgen, um ihn zu einem Geständnis zu zwingen.
- ZDF, Montag, 4. Oktober 2021, 20.15 Uhr
- ZDF Mediathek, 27. September 2021 - 26. September 2022
Texte
Trauma-Therapie zwischen Mutter und Tochter - Ein deutsch-dänisches Psychodrama mit Hannelore und Nina Hoger
Das Geheimnis (nicht nur) beim Filmemachen ist das Aufstellen des Teams, die richtigen Kreativen mit dem richtigen Stoff zu verbinden. Die Produzentin Cornelia Wecker, die sieben Filme der legendären "Bella Block"-Reihe betreut hat, kam mit der Idee auf die ZDF-Fernsehfilm-Redaktion zu, mit Hannelore und Nina Hoger eine Mutter-Tochter-Geschichte zu erzählen. Die beiden Hogers hatten zuletzt vor vielen Jahren (1990) in einem ausgezeichneten ZDF-Zweiteiler "Marleneken" unter der Regie der viel zu früh verstorbenen Karin Brandauer zusammen groß aufgespielt und ebenso bei den "Vier Meerjungfrauen" (2001-2007).
Der Vorschlag Cornelia Weckers stieß auf Interesse im ZDF, Hannelore Hoger zusammen mit ihrer Tochter Nina nach dem von ihr selbst gewünschten Ende der "Bella Block"-Reihe eine gemeinsame Bühne zu bieten. Die einmalige Hannelore Hoger steht schließlich für Schauspielkunst und Schauspielgeschichte im deutschen Theater, Kino und Fernsehen. Und für Nina Hoger sollte endlich eine Rolle geschrieben werden, in der sie mehr gefordert wird und mehr von sich zeigen kann als an anderer Stelle.
Bei der Suche nach dem für dieses Projekt geeigneten Autor wurde der "Bella Block"-erfahrene Fabian Thaesler genauso schnell gefunden wie der Regisseur Markus Imboden, der fünf "Bella Block"-Filme inszeniert hat. Beide haben schon bei dem ZDF-Fernsehfilm "Ins Leben zurück" (2004) zusammengearbeitet und ihr Gespür für emotionale, psychologische Dramen bewiesen. Der Filmkomponist Mario Lauer war von 1996 - 2004 bei den "Bella Block"-Filmen noch als Music Supervisor dabei, bevor er wieder zurück auf die Seite der Kreativen wechselte.
Zu dieser erfolgsverwöhnten "Bella Block"-Riege versammelte Produzent Oliver Behrmann – damals noch für aspekt medienproduktion – weitere besondere Film-Künstler: Martin Langer, einen der profiliertesten deutschen Kameramänner, die renommierte Filmeditorin Ursula Höf, die zwei herausragenden dänischen Schauspieler Jens Albinus ("Der Adler") und Morten Suurballe ("Kommissarin Lund"). Und Nele Mueller-Stöfen und Christina Große beweisen mit ihren Auftritten, dass es eben keine kleinen Rollen gibt.
Das Psychodrama "Zurück ans Meer" zeigt mit einer berührenden Mutter-Tochter-Geschichte die gravierenden Folgen eines Verbrechens für die Opfer. Nicht Täter, nicht Ermittler stehen hier im Vordergrund, vielmehr der seelische Schmerz, die grauenhafte, lange Nachwirkung von Gewalt. Diese Innenansicht wirft die Frage auf, ob erlittenes extremes Leid je völlig überwunden werden kann, ob Heilung wirklich möglich ist. Ob ein Mensch nach einer dunklen Zeit im schwarzen Trauma-Tunnel, nach einer langwährenden schwärenden Wunde wieder eine positive Lebensperspektive zurückgewinnen, sich von Albtraum-Bildern ganz befreien kann? Hannelore und Nina Hoger haben sich beide in ihren Rollen dieser Herausforderung, dieser Grenzerfahrung gestellt.
Gedreht wurde der Film im Herbst noch vor der Corona-Pandemie in Hamburg und Umgebung sowie in Kopenhagen und an der dänischen Küste. "Zurück ans Meer" ist Anfang September zum Festival des deutschen Films in Ludwigshafen eingeladen.
Pit Rampelt, HR Fernsehfilm/Serie I - Fernsehspiel I
Stab und Besetzung
Regie | Markus Imboden | |
Buch | Fabian Thaesler | |
Kamera | Martin Langer | |
Musik | Mario Lauer | |
Ton | Andreas Pitann | |
Editor | Ursula Höf | |
Szenenbild | Marion Strohschein | |
Kostümbild | Anette Schröder | |
Produktion | aspekt medienproduktion GmbH, Hamburg | |
Produzentin/Produzent | Cornelia Wecker, Oliver Behrmann | |
Produktionsleitung | Olaf Kalvelage | |
Redaktion | Pit Rampelt | |
Länge | 90 Minuten | |
Die Rollen und ihre Darsteller*innen | ||
Charlotte Breuer | Hannelore Hoger | |
Mara Breuer | Nina Hoger | |
Christian Johansen | Morten Sasse Suurballe | |
Kjell Mortensen | Jens Albinus | |
Frieda Mortensen | Nele Mueller-Stöfen | |
Dr. Sahling | Christina Große | |
Carl Mortensen | Kurt Ravn | |
Gunwald Rondved | Peter Pilegaard Rasmussen | |
Julie | Inez Bjørg David | |
und andere |
Inhalt
Charlotte Breuer und ihre Tochter Mara suchen Hilfe in einer Klinik an der Ostsee. 22 Jahre ist es her, dass Mara Breuer bei Kopenhagen Opfer einer gewaltsamen Entführung und erst nach mehreren Tagen gegen Lösegeld freigelassen wurde. Seither kämpft sie mit einem schweren Trauma, das nicht nur sie, sondern auch ihre Mutter gefangen hält. Dass man den Täter nie fassen konnte und Entführung nach 20 Jahren verjährt, versetzt Charlotte noch immer in grenzenlose Wut. Sie hofft, dass es in der neuen Therapie doch noch gelingt, Maras völlig verlorene Erinnerung an die Entführung zu wecken und so eine Heilung zu bewirken.
Doch ausgerechnet jetzt, als Mara bereit ist, sich ihrem endlosen Schrecken erneut zu stellen und die Therapie beginnt, glaubt Charlotte bei der Zufallsbegegnung mit dem dänischen Industriellen Kjell Mortensen, die Stimme des Mannes zu erkennen, der Mara damals entführt hat. Charlotte verschweigt ihren Verdacht, fährt nach Dänemark und beginnt Mortensen zu verfolgen, um ihn zu einem Geständnis zu zwingen. Als Mara davon erfährt, gerät sie in seelische Bedrängnis. Handelt es sich tatsächlich um den damaligen Täter? Oder ist Charlotte nur einem Wahn verfallen in ihrem unbedingten Wunsch, die Wahrheit doch noch ans Licht zu bringen?
"Liebende Mütter können vermutlich nicht anders" - Vier Fragen an Hannelore Hoger
Welche Aspekte an der Rolle der Charlotte Breuer haben Sie als Herausforderung empfunden?
Jede Rolle ist eine Herausforderung. Das Drehbuch wurde ja für uns entwickelt, und insofern war es eine Freude, keine Herausforderung.
Im wahren Leben sind Sie Mutter und Tochter. War das für die Rolle eher Fluch oder Segen?
Es war nicht das erste Mal, dass ich zusammen mit Nina spiele. Vielleicht ist das für die Regie komplizierter als für uns. Ich finde es gelungen und würde das gerne öfter machen.
Wie behält Charlotte die Kraft, nach so langer Zeit immer noch an eine Heilung zu glauben?
Mütter, liebende Mütter, können vermutlich nicht anders. Wer denn, wenn nicht sie? Meine Mutter hat mir als Kleinkind das Leben gerettet und mich aus dem Krankenhaus "geklaut" – gegen den Willen der Ärzte! Die Verantwortung bleibt ein Leben lang.
Zwischen Mutter und Tochter gibt es einen massiven Konflikt, da Charlotte nicht hinnehmen kann, dass die Entführung ihrer beider Leben beeinträchtigt hat. Warum kann Charlotte nicht loslassen?
Wenn es noch weitere enge Bezugspersonen gäbe, wäre das eine andere Situation, unter Umständen. Ein sogenanntes Trauma ist eine komplizierte Angelegenheit, die sich über ein ganzes Leben hinziehen kann.
Die Fragen stellte Manuela Mehnert.
"Gefangen in ihrer Situation" - Vier Fragen an Nina Hoger
Was hat Sie an der Rolle der Mara Breuer gereizt?
Diese Rolle ist eine Herausforderung und ein Geschenk für jede Schauspielerin. Außerdem war es mir wichtig zu zeigen, wie furchtbar es ist, mit einem Trauma leben zu müssen. Man muss nicht entführt werden, um ein Trauma davonzutragen. Die Auslöser dafür können weitaus geringer sein. Und natürlich war es wunderbar, wieder mit meiner Mutter zusammenzuarbeiten.
Im wahren Leben sind Sie Mutter und Tochter. War das für die Rolle eher Fluch oder Segen?
Weder noch. Aber natürlich war es bei der Intensität der Geschichte hilfreich, sich gut zu kennen. So fallen die "Anlaufschwierigkeiten" weg. Aber letztlich spielen wir zwei Figuren und nicht uns selbst. Und so viele Szenen haben wir ja gar nicht miteinander.
Wie haben Sie sich auf die Rolle vorbereitet? Wie empfindet man ein Trauma nach?
Ich hatte längere Gespräche mit einem Therapeuten und viel zu dem Thema gelesen. Ob ich wirklich die Qualen eines Traumas sichtbar machen konnte, liegt in der Betrachtung des Zuschauers. Aber eines ist mir sehr wichtig zu sagen: Es ist unmöglich, sich aus eigener Kraft, ohne die Hilfe eines Therapeuten, einer Therapie, aus einem Trauma zu befreien.
Zwischen Mutter und Tochter gibt es einen massiven Konflikt, da Charlotte nicht hinnehmen kann, dass ihrer beider Leben beeinträchtigt ist. Warum kann Mara den Aktionismus ihre Mutter nicht verstehen?
Maras Angst, das, was ihr Trauma ausgelöst hat, nochmal zu erleben, ist so groß, dass sie alles tut, um das zu verhindern. Sie tut es unbewusst! Sie kann einfach nicht anders. Das sind ja gerade die Merkmale eines Traumas. Und der permanente Druck, der von ihrer Mutter ausgeht – sie meint es nur gut, keine Frage – verstärkt Maras Verhalten. Man kann sich, glaube ich, nicht vorstellen, wie groß die Ängste sind, die ein traumatisierter Mensch durchlebt. Beide, Mutter und Tochter, sind gefangen in ihrer Situation. Und das seit sehr langer Zeit.
Die Fragen stellte Manuela Mehnert.